Fallwickl / Reisinger | Das Pen!smuseum - Mit Texten von Jovana Reisinger, Sophia Süßmilch und Illustrationen von Andrea Z. Scharf | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 216 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 205 mm, Gewicht: 430 g

Fallwickl / Reisinger Das Pen!smuseum - Mit Texten von Jovana Reisinger, Sophia Süßmilch und Illustrationen von Andrea Z. Scharf


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7011-8401-9
Verlag: Leykam
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 216 Seiten, Format (B × H): 130 mm x 205 mm, Gewicht: 430 g

ISBN: 978-3-7011-8401-9
Verlag: Leykam
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



The art of not giving a fuck

Was für eine Genugtuung, zu lesen, wie lustvoll die Frauenfiguren von Mareike Fallwickl und Eva Reisinger aus ihren Rollen ausbrechen, wie sie sich nehmen, was ihnen zusteht – ohne Rücksicht auf Verluste

Wütend, unberechenbar und ungezähmt – die Frauenfiguren von Mareike Fallwickl und Eva Reisinger haben genug. Sie lassen sich nichts mehr gefallen, verhalten sich anders, als die Gesellschaft es von ihnen erwartet, sie leben anders, lieben anders, hassen anders. Sie wollen nicht funktionieren müssen, sie sind skrupellos und dabei bestechend originell. Während Anna hochschwanger fremdgeht, fotografiert Simone heimlich den schlaffen Penis ihres Mannes. Gabi rührt ihren One-Night-Stands morgens Salz in den Kaffee und die Chefin gewöhnt sich ihr Dauerlächeln mit einer Botoxbehandlung ab.

Wenn Mareike Fallwickl und Eva Reisinger gemeinsam ein Buch schreiben, entsteht ein literarisches Feuerwerk. Bitterböse, kompromisslos und dabei unfassbar lustig lesen sich die Geschichten, in denen Frauen aus ihrer Sozialisierung ausbrechen – ein Befreiungsschlag, eine Offenbarung, die Sensation des Bücherherbstes!

Mit Beiträgen von: Jovana Reisinger * und Sophia Süßmilch * illustriert von Andrea Z. Scharf *

1. Auflage Farbschnitt nach dem Gemälde »Weapon Choice« (Porträt Mareike Fallwickl) von Sophia Süßmilch

Fallwickl / Reisinger Das Pen!smuseum - Mit Texten von Jovana Reisinger, Sophia Süßmilch und Illustrationen von Andrea Z. Scharf jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


MAREIKE FALLWIGKL

DAS PENISMUSEUM


Das Problem ist jedes Mal der Arsch. Über den muss ich die Hose drüberkriegen, das ist eine Plagerei. Einmal ist der Peter aufgewacht, als ich versucht hab, seine Jeans nach unten zu ziehen. Mach das mal bei einem, der auf seinem Arsch draufliegt, gar nicht so einfach. Ich hab so getan, als wollte ich Sex. Das hat ihn dazu gebracht, sich kommentarlos umzudrehen und weiterzuschlafen. Er hat es nie erwähnt, und ich war erleichtert, gleichzeitig hat es mich geärgert. Stell dir vor, du schreckst hoch, weil deine Frau dir die Hose runterzieht. Sie sagt nichts, und du sagst auch nichts.

An diesem Punkt befinden wir uns. Und damit fängt es ja schon an: dass er in einer Jeans ein Nickerchen macht. Was glaubt er, wer er ist? Denkt er, dass er weniger faul wirkt, wenn er nicht in der Jogginghose auf der Couch liegt, sondern in einer Hose mit Knopf? Er pennt doch trotzdem. Ich finde, dann muss man ehrlich zu sich sein. Sich das Faulsein und die Gemütlichkeit zugestehen. Und sich was Bequemes anziehen. Alles andere ist scheinheilig.

Er schläft, während ich koche. Das ist seine liebste Schlafenszeit. Wahrscheinlich lullt ihn das Gebläse der Dunstabzugshaube in der Küche ein. Wir kommen gleichzeitig nachhause, er aus der Agentur, ich aus der Schule, und wenn ich zum Kühlschrank gehe, seufzt er so. Ein theatralischer Seufzer ist das, der ein Gähnen miteinschließt. Zum ersten Mal hat er das am Tag nach seinem fünfzigsten Geburtstag gemacht, als hätte er Jahre darauf gewartet oder eher Jahrzehnte. Dass er sich ein Feierabendschlaferl erlauben darf. In dem Seufzer liegt die Rechtfertigung. Dass er ein fleißiges, hart arbeitendes Männchen ist, das jetzt halt eine Pause braucht.

Ich muss das verstehen.

Er sagt das nie und ich höre es trotzdem. Nach sechsundzwanzig gemeinsamen Jahren hört man alles, auch das, was nicht gehört werden soll. Das hört man sogar am besten.

An den Tagen, an denen er keine Unterhose anhat, experimentiere ich mit der Pimmelposition. Wie muss ich ihn nach dem Fotografieren hinlegen, damit der Peter sich beim nächsten Mal Reißverschlussaufmachen die Vorhaut einzwickt? Ist mir noch nicht gelungen bisher, oder er hat es nicht erwähnt. Aber ich hätt erwartet, dass er dann schreit. Einmal hab ich mich vor die Klotür gestellt und gelauscht. Das Einzige, was nach draußen gedrungen ist, war ein nasser, langer Furz. Das Geräusch hat mich minutenlang verfolgt.

Einhundertachtundzwanzig Fotos hab ich inzwischen gemacht, jeden Tag eins. Ich schau sie mir oft in Vergrößerung am Computer an. Die zerwuzelten Eier. Die faltige Haut. Die Rillen und Haare. Die Muttermale und Druckstellen von der scheiß Jeans. Früher hab ich das alles in den Mund genommen.

Die Ladl-Gabi sagt gern, dass der Mensch nicht für die Monogamie geschaffen ist, und hält sich an diesen Satz wie an ein Lebensmotto. Die Ladl-Gabi heißt schon seit unserer Kindheit so, weil ihre Mama, die Ladl-Gitti, den Kramerladen in dem Dorf geführt hat, in dem wir aufgewachsen sind. Die Gabi war als Freundin sehr begehrt, aber sie hat sich mich ausgesucht, und ich hab sie seither in Ehren gehalten, diese Freundschaft. Seit genau einundvierzig Jahren, es ist eine mit Kindheitsblut besiegelte Liebe. Die Hefte haben wir aus dem Ladl gefladert, und den weißen Gummimäusen haben wir die Köpfe abgebissen. Nach dem Lesen haben wir die Hefte wieder zurückgelegt, die waren dann recht pickig. Die Mama von der Ladl-Gabi hat uns aber nie geschimpft, sie war eine sehr zutrauliche Person.

Das hat die Gabi von ihr geerbt. Sie mag Menschen und sie mag Sex mit Menschen. Es ist ihr wurscht, ob dieser Mensch einen Penis oder eine Vulva hat, einen großen Bauch oder kleine Titten. Die Ladl-Gabi beißt mit großer Gier in alles rein, wie damals in die Zuckermäuse.

Sie ist die Einzige, der ich die Fotos zeige. „Das hat was Therapeutisches, Simone“, sagt sie zu mir, als wir in meiner Küche sitzen. Der Peter ist noch mal ausgegangen, das macht er nach seinem Nickerchen neuerdings öfter. Ich stell mir vor, wie er durch die Stadt tigert als alternder Mann, während es dunkel wird und die Jugendlichen süß duftend in die Clubs ausschwärmen. Als einer, der mal einen Riss gehabt hat und jetzt von der Erinnerung an diesen Riss zehrt. Der Peter war nämlich als Mann sehr begehrt, ein fescher Kerl, und er hat sich mich ausgesucht. Weil ich so loyal bin, stehen der Peter und die Ladl-Gabi seit vielen Jahren Seite an Seite im Regal meines Lebens und sammeln Staub an. An der Gabi polier ich weiterhin liebevoll herum, am Peter weniger.

„Findest du?“, frage ich und überlege, ob das der Grund ist, warum ich die Fotos mache. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, warum ich sie mache. Der Peter hat sich auf die Couch gelegt am Tag nach seinem fünfzigsten Geburtstag, ist weggeratzt, und ich bin in der Küche gestanden, mit dem Pfannenwender in der Hand, ich war auf diese verwirrende Art fassungslos, wo man nicht weiß, was man als Nächstes tun soll. Ich bin zum Sofa rüber und hab auf den Peter runtergeschaut, vom Pfannenwender ist geschmolzene Butter auf den Parkettboden getropft. Ich hätt ihn aufwecken und anschreien können. „Ich hab genauso viel gearbeitet wie du“, hätt ich rufen können, „nein, mehr, viel mehr, du lässt ja nur andere für dich arbeiten, ich hab auch ein Recht auf ein Schlaferl, ich bin erschöpft, verstehst du überhaupt, wie erschöpft ich bin?“

Wenn das jetzt umgekehrt wär, hab ich mich gefragt. Wenn wir beide heimgekommen wären, hungrig und müde, und ich hätt mich wortlos hingelegt mit so einem depperten Seufzer und wär eingeschlafen.

Da hab ich mein Handy aus der Rocktasche gezogen, hab mir den Pfannenwender unter die Achsel geklemmt und den Reißverschluss von Peters Hose aufgemacht. Für dieses erste Foto hab ich seinen Schwanz bloß aus dem Schlitz lugen lassen. Das Licht war nicht gut, der hat ausgeschaut wie ein angeschimmelter Wurm. Danach hab ich mich wieder an den Herd gestellt. An dem Tag hab ich Kartoffeln mit Sauerkraut gemacht, in die Bratwurst hab ich einen Haufen Löcher gestochen.

„Das kennt man ja eigentlich nur von Männern“, sagt die Ladl-Gabi und beißt in ein Stück Mohnstrudel, „dass sie Fotos und Videos hochladen, um ihren Ex-Freundinnen zu schaden.“

„Ich lad das nirgends hoch“, murmle ich und schieb den Mohnstrudel auf meinem Teller von rechts nach links und wieder zurück. „Das wär doch grausig. Wer soll sich das anschauen?“

Die Gabi grinst vergnügt.

„Du wolltest eh immer Künstlerin werden“, sagt sie mit vollem Mund, und ich schau sie verblüfft an, weil es stimmt.

Der Peter und ich haben bei unserem Kennenlernen eine Art Wettbewerb begonnen, den ich schon auf dem ersten Drittel des Wegs verloren hab. Er hat eine Werbeagentur gegründet, ich wurde von jeder Kunst-Uni abgelehnt. Er hat Awards gewonnen, ich bin Zeichenlehrerin geworden. Wenn ich mich beschwert hab, dass er so selten zuhause ist, hat er gesagt, dass einer von uns ja das Geld verdienen muss, während ich mit Kindern bastle. Das ist eine meiner Wunden, aber weil die Ladl-Gabi schon so lange in meinem Leben ist, darf sie da reinbohren.

„Außerdem ist es in Österreich üblich, viele Schwanzbilder auf dem Laptop zu haben“, sagt sie, und jetzt grinse ich auch.

Ich stell mir vor, wie ich mit den Schlaffi-Fotos ein Buch mache, so ein Daumenkino, das man dann rasend schnell durchblättert, und auf jeder Seite die Ehrlichkeit eines Männerkörpers.

Der Peter und ich hatten seit drei Jahren und acht Monaten keinen Sex mehr. Unser Paartherapeut sagt, dass das okay ist und dass wir uns auf andere Art nah sein können. Manchmal gibt er uns als Hausaufgabe, dass wir uns gegenübersetzen und einander in die Augen schauen sollen, ohne was zu sagen. Ich schau dem Peter dann so angestrengt in die Augen, als müsst ich unbedingt was finden, das mir gefällt und mich zu ihm hinzieht. Wenn die Zeit um ist, tut es in meiner Brust weh, als hätt ich zu lange die Luft angehalten.

Wie sollte es Revenge Porn geben, der Männern schadet? Die würden eh nur gefeiert werden.

„Weißt du, was geil wär?“, sagt die Gabi und nimmt sich noch ein Stück Mohnstrudel. „Wir hängen die Bilder in ein Museum, alle Wände voll, und die Besucherinnen kriegen am Eingang einen Kübel mit Farbe. Oder Messer. Oder Scheren. Und dann …“

Gabis Augen glänzen wirklich wild.

„Dass er jetzt mit Männern bumst“, sage ich, „ist mir egal. Mich regt auf, dass ich nicht schlafen könnte. Ich würd mich aufs Sofa legen und wär so gestresst, weil nix gekocht wär und nix erledigt, dass ich nicht einschlafen könnt. Das ist es, was ich ihm übel nehm. Seine Ruhe, seine selige...


Reisinger, Eva
Eva Reisinger wuchs in der oberösterreichischen Provinz zwischen Zeltfest und Wodkabull auf. Ab 2017 baute sie einen Österreich-Schwerpunkt für das junge Medium der ZEIT auf und berichtete als Korrespondentin aus dem Nachbarland. Ihr erstes Buch »Was geht, Österreich?« erschien 2021 bei Kiepenheuer & Witsch. Ihr Bestseller »Männer töten« (Leykam 2023) war für den Österreichischen
Buchpreis Debüt nominiert.

Fallwickl, Mareike
Mareike Fallwickl hat bereits mehrere Romane veröffentlicht. »Die Wut, die bleibt« (Rowohlt 2022) wurde bei den Salzburger Festspielen inszeniert und wird 2026 verfilmt. »Und alle so still« (Rowohlt 2024) stand auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde auf die Bühne gebracht. Mareike Fallwickl setzt sich für
Literaturvermittlung ein, mit Fokus auf weiblichen Erzählstimmen.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.