E-Book, Deutsch, 472 Seiten
Faust / Jauch / Notz Befreit und entwurzelt: Führungskräfte auf dem Weg zum „internen Unternehmer“
1. Auflage 2000
ISBN: 978-3-87988-475-9
Verlag: Rainer Hampp Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 472 Seiten
ISBN: 978-3-87988-475-9
Verlag: Rainer Hampp Verlag
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„Es ist schon berauschend", schwärmt ein Manager von den erweiterten Gestaltungsfreiräumen, die ihm durch die Reorganisationsprozesse der 90er Jahre zugewachsen sind. Die Kehrseiten seiner neuen Rolle als „interner Unternehmer" sind ihm gleichwohl bewusst: die Belastung einer ungeteilten Verantwortung, die gesteigerten zeitlichen Verfügbarkeitsansprüche und die Unsicherheit von Status und Karriere. Dabei hat er noch ein besseres Los gezogen als andere Führungskräfte. Viele wurden abgestuft, mussten ihre Aufstiegshoffnungen begraben oder vorzeitig gehen. Grundlegendes hat sich geändert: Führungskräfte sind nicht mehr nur Betreiber, sondern zunehmend auch Opfer von Rationalisierung.
Wie verteilen sich Gewinner und Verlierer im Organisationswandel? Wie verändern sich die Anforderungsprofile und die Belastungen im Management? Welche Auswirkungen hat der Trend zum „internen Unternehmer" auf die Autorität und Personalführung der Führungskräfte? Was bedeuten flachere Hierarchien für deren Karriereaussichten? Wie bringen Führungskräfte berufliche Anforderungen mit Erwartungen aus der Familie und eigenen Lebensentwürfen in Einklang? Welche Interessensorientierungen bilden sich unter diesen Bedingungen heraus?
Auf all diese Fragen sucht die vorliegende, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Untersuchung Antworten zu geben. Sie zeigt deutlich die Risiken und Schattenseiten des vielfach propagierten Konzepts der „Selbst-GmbH" auf. Das empirische Fundament der Studie bilden Expertengespräche, Interviews mit Führungskräften aus vier Unternehmen und eine schriftliche Befragung von rund 1000 Führungskräften.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsübersicht;6
2;Inhaltsverzeichnis;7
3;Vorwort;10
4;1. Einleitung: Fragestellung und Ergebnisse im Überblick;14
4.1;1.1 Fragestellung;14
4.2;1.2 Gang der Untersuchung und zentrale Ergebnisse;19
5;2. Anlage der Untersuchung;37
6;3. Gerichtete Vielfalt: Organisationswandel und Managementstrukturen;44
6.1;3.1 Reden und Handeln: Leitbilder des Organisationswandels und praktischer Organisationswandel;44
6.2;3.2 Die Fallstudien-Unternehmen;48
6.3;3.3 Organisatorischer Wandel als Einflußfaktor veränderter Anforderungen im Spiegel der Gesamtbefragung;77
7;4. Wachsende Unsicherheit: zentrales Kennzeichen der Arbeits- und Berufssituation von Führungskräften;83
7.1;4.1 Vorbemerkung;83
7.2;4.2 „Opfer“ und neue „Heroen“ - zwei Seiten einer Medaille;84
7.2.1;4.2.1 Verlierer des Organisationswandels im Management;85
7.2.2;4.2.2 Verlierer des Organisationswandels - eine Abschätzung;87
7.2.2.1;4.2.2.1 Fallstudienergebnisse;87
7.2.2.2;4.2.2.2 Hierarchieabbau und Entwicklung des Arbeitsmarktes für Führungspositionen (sekundäre Quellen);88
7.2.2.3;4.2.2.3 Gewinner-Verlierer Konstellationen im Reorganisation;91
7.3;4.3 Managementrevolution und Unsicherheit - das Ende des „Organization Man“?;99
7.3.1;4.3.1 Das Einbindungsmuster des „organization man“ im Rückblick;99
7.3.2;4.3.2 Krise und Unsicherheit im Erleben der Führungskräfte;100
7.3.3;4.3.3 Organisationswandel und Verbreitung der Unsicherheit (Indikatoren der schriftlichen Befragung);107
7.4;4.4 Zwischenfazit - Die Erosion des „organization man“;113
8;5. Anforderungswandel;117
8.1;5.1 Institutionalisierte Rollen und Berufsorientierungen;117
8.2;5.2 Das „Räderwerk“ Unternehmen: professionell-bürokratische;118
8.3;5.3 Reorganisation und Rollenwandel;122
8.3.1;5.3.1 Der Intrapreneur in der Linienposition;122
8.3.2;5.3.2 Der neue Dienstleister: prekär oder selbst unternehmerisch;133
8.3.3;5.3.3 Anforderungswandel: Beitragsorientierung reicht nicht mehr;143
8.4;5.4 Anforderungen und Anforderungsentwicklung auf der Grundlage der schriftlichen Befragung;145
8.4.1;5.4.1 Anforderungen an Führungskräfte - ein Überblick;146
8.4.2;5.4.2 Anforderungswandel und Organisationswandel;153
8.4.2.1;5.4.2.1 Der Zusammenhang von Anforderungswandel und Organisationswandel;153
8.4.2.2;5.4.2.3 Konstellationen der Veränderung von Verantwortung und Entscheidungsspielräumen;157
8.4.2.3;5.4.2.4 Partielle Angleichung der Anforderungsprofile zwischen den Führungsebenen bei fortbestehenden Machtunterschieden;161
8.4.2.4;5.4.2.5 Anforderungsveränderungen und Machtverteilung nach Funktionen;166
8.4.3;5.4.3 Personalführung: Bedeutungszuwachs, Akzentverschiebung und Erosion traditioneller Autoritätsgrundlagen;172
8.4.3.1;5.4.3.1 Akzentverschiebungen: Delegation(szwänge) und keine Entspannung des „Man-in-the-middle“-Konflikts ;173
8.4.3.2;5.4.3.2 Veränderungen der Autoritätsgrundlagen und Austauschbeziehungen;176
8.4.3.2.1;5.4.3.2.1 Kontinuität und Wandel der Fachautorität;176
8.4.3.2.2;5.4.3.2.2 Erosion traditioneller Austauschbeziehungen in reorganisierten Unternehmen;191
8.4.3.3;5.4.3.3 Führung und Organisationsbindung - ein Resümee;207
9;6. „Arbeiten als Hobby“? Zentrale Aspekte der Arbeits- und Berufssituation;210
9.1;6.1 Einleitung;210
9.2;6.2 „Arbeit ist (weit mehr als) das halbe Leben“ - Arbeitszeit und Verfügbarkeitsansprüche - Kontinuitätslinien und Veränderungen;215
9.2.1;6.2.1 Arbeitszeit von Führungskräften - mehr als ein Zeitmaß; Indikator für Status, Leistung und Loyalität und „Einsatz“ für Aufstiegsambitionen;216
9.2.2;6.2.2 Arbeitszeiten von Führungskräften: Entwicklung und Einflußfaktoren;221
9.2.2.1;6.2.2.1 Arbeitszeiten, Arbeitszeitentwicklung und Verfügbarkeit;221
9.2.2.2;6.2.2.2 Arbeitszeitentwicklung und Organisationswandel;224
9.2.2.3;6.2.2.3 Bewertungen der Arbeitszeit;228
9.2.3;6.2.3 Das Arbeitszeitproblem der Führungskräfte: akzentuiert und doch relativiert - ein Zwischenfazit;237
9.3;6.3 Herausforderung oder Überforderung?;242
9.3.1;6.3.1 Belastung und Streß - ein Thema mit Variationen;242
9.3.2;6.3.2 Ursachen der Belastungsentwicklung;245
9.3.3;6.3.3 Herausforderung und Belastung - zwei Seiten einer Medaile;248
9.3.4;6.3.4 Belastungswahrnehmungen im Spiegel der schriftlichen Befragung;253
9.4;6.4 Karriere und Reorganisation: „Freie Bahn dem Tüchtigen“ ;262
9.4.1;6.4.1 Einleitung;262
9.4.2;6.4.2 Reorganisation und berufliche Entwicklungsmöglichkeite;267
9.4.2.1;6.4.2.1 Neuverteilung von Karrierechancen im Reorganisations;270
9.4.2.2;6.4.2.2 Umrisse und Realisierungsprobleme neuer Karrieremus;283
9.4.2.2.1;6.4.2.2.1 Die Karriere des mobilen Generalisten: Programm, Umsetzungsdefizite und -probleme;283
9.4.2.2.2;6.4.2.2.2 Entkopplung von „Geld und Geltung“ - Neubewertung von Leistung und Status;286
9.4.3;6.4.3 Bewertung der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten im Spiegel der Gesamtbefragung;295
9.4.4;6.4.4 Die Krise der traditionellen Karrieremuster - ein Resümee;312
10;7 Jenseits der Arbeit: Sachzwang Familie?;318
10.1;7.1 Traditionelle Partnerschaften versus neue Familienformen;320
10.2;7.2 Familiale Orientierungsmuster von Führungskräften: „Ich lebe mit meiner Frau und auch halb mit der Firma zusammen“;325
10.3;7.3 „Und daß da noch ein bißchen Zeit für einen selber und die Familie bleibt“ - Zeitliche Verfügbarkeit und außerberufliche Sphäre;328
10.3.1;7.3.1 Das Verhältnis von Arbeit und Privatbereich;328
10.3.2;7.3.2 Eigene Interessen - Der Freizeitbereich;335
10.3.3;7.3.3 Zeitliche Verfügbarkeit für Partnerschaft und Familie;340
10.4;7.4 Umgang der Führungskräfte mit privaten Ansprüchen im Unternehmen;350
10.5;7.5 Veränderungen auf Seiten der Partnerinnen und deren Konsequenzen oder: „da brauchen sie eine Frau, die da mitmacht!“;355
10.6;7.6 Resümee;370
11;8. Interessenorientierungen;373
11.1;8.1 Die Besonderheit der Datenerhebung und ihre Konsequenzen;374
11.2;8.2 Manager und Verbände: eine exotische Verbindung?;375
11.3;8.3 Interessenorientierungen von Führungskräften im Strukturwandel;407
11.3.1;8.3.1 Klassische Themen kollektiven Interessenhandelns: Entgelt und Arbeitszeit;410
11.3.2;8.3.2 Reorganisation und Interesse - Neue Lage, neue Antworten?;418
11.3.2.1;8.3.2.1 Neue Offenheit gegenüber kollektivem Interessenhanden;422
11.3.2.2;8.3.2.2 Orientierungswandel: Befunde der schriftlichen Befragung;429
12;9. Schlußbemerkung: Zur Einordnung unserer Untersuchungsergebnisse;450
13;Verzeichnis der Schaubilder;460
14;Verzeichnis der Tabellen;460
15;Literatur;465
4. Wachsende Unsicherheit: zentrales Kennzeichen der Arbeits- und Berufssituation von Führungskräften (S. 82-83)
4.1 Vorbemerkung
Es ist nicht ganz einfach, bei der Darstellung der Auswirkungen des Organisationswandels auf die Führungskräfte die Gewichte richtig zu setzen. Unser Bemühen, pointiert Entwicklungslinien zusammenzufassen, darf uns nicht dazu verleiten, notwendige Differenzierungen vorschnell einzuebnen. Insbesondere muß gewährleistet bleiben, die Ambivalenzen in der Bewertung der Arbeits- und Berufssituation zu würdigen. Schwierigkeiten der Darstellung der Ergebnisse ergeben sich ja nicht nur daraus, daß der Organisationswandel selbst sehr facettenreich ist. Im Untersuchungszeitraum überlagern sich die Wirkungen der Reorganisationsprozesse mit den Wirkungen der allgemeinen Wirtschaftskrise, des firmenspezifischen Niedergangs der Geschäftstätigkeit und „Standortkrisen", die mit Standortverlagerungen oder doch zumindest der Drohung damit einhergehen. All dies schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt für Führungskräfte nieder und begrenzt die Optionen und damit die innerorganisatorische Verhandlungsmacht der Führungskräfte.
Wiewohl einiges dafür spricht, daß der eingeschlagene Weg des Organisationswandels selbstverstärkende Mechanismen aufweist, so daß die Reproduktion der neuen Strukturen über den beobachteten Zeitraum hinaus nahegelegt wird (vgl. auch Faust 1997), so müssen wir doch auch damit rechnen, daß über den eingeschlagenen Weg selbst erneut nachgedacht wird und dies nicht nur zu Modifikationen oder einer Abschwächung des Organisationswandels, sondern womöglich zu einer (zumindest partiellen) Trendumkehr führen kann (vgl. z.B. Bahnmüller/Salm 1996). Unumkehrbar ist der Prozeß jedenfalls nicht, wenn wir die Möglichkeit von Lernprozessen unterstellen, in denen die Akteure die nicht-intendierten Nebenfolgen ihrer früheren Entscheidungen bearbeiten. Insbesondere die im neuen Paradigma ausgeblendeten „stillen" Leistungen des heute viel geschmähten bürokratischen mittleren Managements könnten unter dem Eindruck der Erfahrungen mit „schlankem Management" und internem Unternehmertum eine neue Runde der Reflexion über die Rolle des mittleren Managements einläuten (vgl. Walgenbach/Kieser 1995; Deutschmann u.a. 1995).
Gerade wenn die Ereignisse im Fluß sind, die neuen Führungsrollen sich angesichts unterschiedlicher Ausgangslagen und im Widerstreit unterschiedlicher Interessen erst formieren, läßt sich das neue Bild noch nicht in klaren Federstrichen zeichnen. Bevor wir also in Grundzügen die Rollenveränderung des mittleren Managements nachzeichnen, wollen wir zuerst einen zentralen Gesichtspunkt ganz in den Vordergrund rücken: die zunehmende Unsicherheit der Beschäftigungssituation und des Status der Führungskräfte, die auch auf die Prozesse der Definition neuer Führungsrollen ausstrahlt.
Wir versuchen im folgenden erst einmal zu umreißen, welchen Umfang die Gruppe der „Opfer" des Organisationswandels annimmt und was dies für die Betroffenen in ihrer subjektiven Perspektive bedeutet. Über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus entsteht bei einem weit größeren Kreis von Führungskräften ein Gefühl der Verunsicherung, das bis weit in die Reihen derjenigen reicht, die sich hinsichtlich ihrer Positions- und Aufgabenbeschreibung selbst als Gewinner der Reorganisationsprozesse bezeichnen würden. Nichts ist mehr wie es einmal war und nichts ist auf Dauer erworben. So läßt sich die Stimmungslage vieler Führungskräfte in den Unternehmen beschreiben, die einen radikalen Umbau der Führungsorganisation vorgenommen haben. Die Sicherheit der Organisationszugehörigkeit, eines wohl etablierten Status und der Zukunftsaussichten ist dahin und dies tangiert auch die bisherige Selbstverständlichkeit, mit der Führungskräfte „ihrem" Unternehmen Loyalität entgegenbrachten. „Risse" oder gar „Brüche" im Verhältnis zum Unternehmen werden von vielen Führungskräften thematisiert. Gerade in den Großunternehmen, der bisherigen Heimstatt des „organization man", werden diese Selbstverständlichkeiten untergraben, während noch offen ist, auf welcher Grundlage zukünftig Loyalität entstehen soll.