Febel | Krähenschrei | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 472 Seiten

Febel Krähenschrei

Die Geschichte von Ikkyu
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96240-179-5
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Geschichte von Ikkyu

E-Book, Deutsch, 472 Seiten

ISBN: 978-3-96240-179-5
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ikkyu Sojun (1394 - 1481), Zen-Mönch und unehelicher Sohn des Kaisers, Dichter, Tuschemaler, Baumeister, der bei einem Krähenschrei über dem Biwa-See das Erwachen erfuhr, sich aber stets weigerte, solches zu lehren - dieser biografische Roman folgt dem Lebensweg eines außergewöhnlichen Universalgenies im Japan des fünfzehnten Jahrhunderts, beschreibt Ikkyus harte Ausbildung im Zen, begleitet ihn dann auf seinen Wanderschaften, während derer das einfache Volk ihn liebte und schätzte, da er die Ungerechtigkeiten der Zeit und die Überheblichkeit von Adel und Klöstern ohne Furcht anprangerte, dann weiter durch die Wirren der Onin-Kriege, während derer Kyoto in Schutt und Asche gelegt wurde, danach beim Wiederaufbau der gewaltigen Tempelanlage des Daitokuji, die noch heute steht, bis hin zu seiner späten Liebe zur blinden Sängerin Mori, der viele von über tausend in der Sammlung Verrückte Wolke zusammengefassten Gedichte gewidmet sind. Noch heute steht Ikkyu Sojun für einen umfassenden kulturellen Aufbruch, der im Westen allenfalls mit der Renaissance vergleichbar wäre.

Reinhard Febel, geboren 1952, lehrt Komposition am Mozarteum in Salzburg. Er ist Stipendiat der Villa Massimo in Rom und Träger des Beethoven-Preises der Stadt Bonn, hat für Musiktheater, Orchester und andere Besetzungen komponiert sowie Libretti, Hörspiele, Geschichten und Romane geschrieben, darunter die Opern Nacht mit Gästen nach Peter Weiss, Morels Erfindung nach Adolfo Bioy Casares und die Trilogie Morde in Bildern nach eigenen Libretti sowie die Romane Die alten Samurai (ein Kriminalroman) und Klang des Verbotenen (eine biografische Fantasie über den Komponisten Domenico Scarlatti), die Kurzgeschichtensammlung Giftiger Fisch und anderes mehr. Febel hat zwei Töchter und lebt bei Salzburg und in Berlin.
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Sengikumaru 5


Das Früheste, woran sich Sengikumaru erinnern konnte, war Haut.

Genauer gesagt: Haut und Stoff, Duften und Rascheln, feine Gewänder und die weiche, warme Haut der Mutter. Auch ihre Brüste, an denen er sog, wie dies vor nicht allzu langer Zeit der Kaiser höchstpersönlich getan hatte, der damals achtzehnjährige Gokomatsu, dessen Konkubine Mama gewesen war.

Ungewöhnlich weit vermochte der Kleine sich zurückzuversetzen. Oft sah er sich wieder als winziges, hilfloses Wesen, Sengikumaru, der später Shuken werden würde, dann Sojun, dann Ikkyu, und dann letztendlich Toter und Staub.

Doch soweit war es noch nicht.

Sengikumaru Shuken Sojun Ikkyu Staub blickte also zurück. Er erinnerte sich, was die Mutter ihm über seine Herkunft erzählt hatte. Des Kaisers Nebenfrau war Mama gewesen, eine unter mehreren sogar, doch ist die Liebe zweier Menschen ja immer nur eine von vielen Möglichkeiten: das hatte die Mama dem kleinen Sengikumaru recht bald zu erklären versucht. Das Wort Liebe war bei jener Verbindung trotz allem angebracht – dies zu bestätigen, hatte wiederum der Kleine tagaus, tagein von der Mutter erbettelt.

Eine Liebe allerdings, welche die schöne junge Frau nicht allzu weit geführt hatte, schon gar in die Nähe des kaiserlichen Throns, sondern vielmehr, wie es einer Nebenfrau gebührte, in ein Nebenhaus, für ihren Nebenfötus und dann die Nebengeburt, alles so unauffällig wie möglich.

Nein, nichts Persönliches sei die Abschiebung, hatte ein Bediensteter des Hofes erklärt und dabei gelächelt, als überbringe er eine freudige Botschaft.

Nein, der Kaiser selbst äußere sich zu derlei Angelegenheiten grundsätzlich nicht.

Tsubone Iyono, die Hofdame aus Iyo – so hatte man die Konkubine und zukünftige Mutter genannt – war eine Tochter des Beamten Hino, der am Südhof diente.

Seit langem schon war die kaiserliche Dynastie in eine südliche und eine nördliche Linie gespalten. Zwar hatte man sich vor ein paar Jahren darauf geeinigt, dass beide Familien abwechselnd den Kaiser stellen durften – die wirkliche Macht lag sowieso beim jeweiligen shogun, dem Kriegsherrn –, doch blieben die zwei Lager kaiserlicher Anwärter einander feindlich gesinnt.

Gokomatsu, der amtierende Kaiser und werdende Vater, wie auch dessen Hauptfrau, Kaiserin Motoko, gehörten der nördlichen Linie an. Diese war nun einmal mit Machtausüben dran, als der Kleine in einem unglücklicherweise südlichen Schoß empfangen wurde; und – wer wusste das schon? – jedweder Einfluss aus jenem Lager könnte den Lauf der Dinge, die zu tun waren, hemmen.

Dass die Südfrau Tsubone, mit richtigem Namen Teruko, nun ein nordsüdliches Bankert zur Welt bringen würde, könnte zum Beispiel die mühsam geregelte Thronfolge durcheinanderbringen. Die Frau musste also weg. Obwohl Gokomatsu sie liebte, und das sogar sehr! Doch was hatte ein Kaiser, insbesondere ein so junger, im Machtspiel der Zeit schon zu sagen?

Die Fäden wurden im Hintergrund gezogen. Misstrauen schlug Teruko entgegen, während sich ihre Tage neben dem Kaiser dem Ende zuneigten. Gelästert wurde über sie. Manches davon kam ihr zu Ohren, manches nicht.

»Man kann nie wissen«, flüsterte der eine oder andere, »ob sie nicht einen Dolch im Ärmel versteckt«, oder noch schlimmer: »in welchem Ärmel sie den Dolch versteckt.«

Was für ein Unsinn! In den Ärmeln verbarg sie höchstens parfümierte Tüchlein für ihre Tränen oder ein paar Nüsse.

Der Pavillon, vielmehr: der Palast, in dem Kaiser Gokomatsu seine Nebenfrau schließlich unterbrachte, lag in einer guten Gegend, in Sagano nämlich, einem westlichen Vorort der Hauptstadt. Dort wohnten Staatsbeamte aus vornehmen Familien neben reichen, schönen und begehrten Frauen mitsamt alten Männern und jungen Bediensteten sowie auch einige zu Geld gekommene Händler.

Die Wege zwischen den Anwesen waren von Bäumen überwölbt. Hier und da schoben sich Bambushaine zwischen die einzelnen Grundstücke, die aus parkartigen Flächen, Teichen und Blumenbeeten bestanden. Vögel zwitscherten allerorten.

Immerhin also lebte Teruko standesgemäß.

Ihr Bauch wuchs, während sie von Dienerinnen umsorgt wurde. Mit sechzehn Jahren brachte sie das Kind zur Welt. Es war eine einfache Geburt. Danach fühlte sie sich frisch und erleichtert, und war, obwohl ohne Mann, glücklich.

Sie liebte das Kind sogleich sehr.

Der junge Kaiser hatte es nicht gewagt, Teruko nach der Niederkunft zu besuchen, ließ aber eine Note vorbeibringen, ein hübsches Gedicht, das er selbst geschrieben hatte. Tausend Chrysanthemen kamen darin vor, eine Anspielung auf das kaiserliche Wappen.

So nannte die Mutter ihren Kleinen Sengikumaru, den

Tausend-Chrysanthemen-Bub.

Einige Zeit verging, doch nach einer Weile, als man die Nebenfrau am Hof beinahe vergessen hatte, suchte der Kaiser sie wieder auf.

Die Besuche wurden regelmäßiger. Er kam, wann immer er Lust auf sie hatte.

Teruko nahm es ihm nicht übel. Wer war sie auch schon – und wer hingegen er?

Gokomatsu ließ sich in einer Sänfte vortragen, natürlich inkognito. Dazu verwandte er ein schmuckloses Gerät ohne kaiserliche Insignien und ließ während des Transports die Vorhänge zugezogen. Auch die beiden Träger waren unauffällig gekleidet, so dass man in der Sänfte bestenfalls einen mittleren Beamten oder einen neureichen Onkel vermuten würde.

Während Kaiser Gokomatsu seinen Geschäften mit Teruko nachging, hatten die Diener frei und durften sich in der nächsten Kneipe etwas genehmigen, natürlich, ohne dabei auch nur ein Sterbenswörtchen über ihren Herrn fallen zu lassen.

Leicht fiel den beiden das nicht, insbesondere, nachdem ihnen der Sake zu Kopf gestiegen war. Überdies war die Nachbarschaft neugierig, auch wenn niemand den Mut hatte, rundheraus Fragen zu stellen.

Sterbenswörtchen: dies war durchaus wörtlich zu nehmen, denn ein Fehltritt bedeutete hier die Todesstrafe, die man allenfalls durch Selbsttötung würde abwenden können, und das hieße ja wohl, vom Regen in die Traufe zu kommen.

Angesichts dieser Schattenseite ihrer ansonsten sicheren und gutbezahlten Stellung schwiegen die zwei beim Trinken wie ein Grab. Stets waren sie danach rechtzeitig zur Stelle, um ihren Meister abzuholen. Der Zeitbedarf des Kaisers war ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Nie kamen sie zu früh oder zu spät.

Im allgemeinen Durcheinander ließ sich des Kaisers Abtransport dann unauffällig bewerkstelligen. Fortwährend wurde den Reichen etwas angeliefert: Kleidung, Getränke, Fisch, andere verderbliche Lebensmittel, auch fertig Gekochtes; kaum einmal hatten es die Anwohner nötig, ihre Landsitze in Person zu verlassen; sogar die Liebhaber schwebten ja wie von selbst herbei, und von morgens bis abends wimmelten Sänften durcheinander, rote, bunte oder schwarze Kästen mit ihren Trägern, aber auch Männer mit Kiepen, Verkäufer, Wachleute sowie Boten aus allen Himmelsrichtungen.

Natürlich munkelte man trotzdem dies und das, wenn der Fremde in seiner schwarzen Sänfte sich in den Wirrwarr einreihte, die Vorhänge schloss und davongeschwankt wurde, doch andererseits hatten so gut wie jedes Haus und jede Familie Besucher, deren Absichten einem nichts angingen und um die man sich am besten nicht kümmerte.

Das war auch gut so, denn in der Nähe des kaiserlichen Hofes zu leben, hatte Vor-, aber auch Nachteile. Letztere ließen sich beträchtlich vermindern, indem man versuchte, über möglichst viel nicht Bescheid zu wissen.

Ob der Nachbarschaft also klar war, wer da ab und zu einund ausging?

Vielleicht.

Aber dann zeigte man es nicht. Überall wurde Teruko freundlich begrüßt – dies sprach übrigens dafür, dass man es wusste, denn immerhin war sie eine alleinstehende Frau mit Kind. Ihr Personal wurde zuvorkommend bedient. Die Nachbarskinder wurden nicht sogleich weggeschleift, wenn sie mit Sengikumaru spielen wollten.

Einige Jahre vergingen.

Der Kleine wuchs, lernte sprechen und noch allerhand mehr. Bald war er fünf Jahre alt.

Teruko begann, sich einsam zu fühlen. Der Kaiser besuchte sie immer seltener, wohl durch neue Nebenfrauen zu sehr in Anspruch genommen. Oft blieb die junge Frau wochenlang mit ihrem Kind allein und wartete.

»Er kommt«, flüsterte sie dann, wenn es draußen raschelte oder knarrte, und der Kleine sah schon Büsche sich auseinanderbiegen, Tore rucken, am helllichten Tag sich jemand anschleichen. »Ja! Mein Kaiser kommt!« So sagte sie, Tsubone Iyono, die ehemalige Konkubine. Nie hätte sie ihren Kaiser Mann genannt.

Wenn Gokomatsu...



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