E-Book, Deutsch, 180 Seiten
Filzmaier Atemlos
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7106-0441-6
Verlag: Brandstätter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Meine schönsten Sportgeschichten und was sie mit Politik zu tun haben
E-Book, Deutsch, 180 Seiten
ISBN: 978-3-7106-0441-6
Verlag: Brandstätter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an den Universitäten Krems und Graz. Einer breiten Öffentlichkeit ist er als politischer Analytiker des ORF, als Gastkommentator in Zeitungen sowie als Talkshowgast bekannt. Vor allem jedoch ist Filzmaier-Sportfan, Hobbysportler und Läufer: Seine einstige Bestzeit über 10 Kilometer liegt knapp unter 33 Minuten, die Halbmarathonbestzeit ist 1 Stunde und 12 Minuten.
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NATIONALGESCHICHTEN
Der französische Schriftsteller Romain Gary brachte es auf den Punkt: Patriotismus ist Liebe zu den Seinen, Nationalismus wäre Hass auf die anderen. Politisch ist es leider so, dass manche sich als Patrioten bezeichnen, die anstatt durch Liebe motiviert, vom Hass getrieben sind.
Sportlich ist es schön, sich die Farben der heimischen Flagge auf die Wangen zu schmieren und eine Nationalhymne mitzusingen. Es gibt so viele schöne Geschichten des Respekts vor anderen Nationen. Ein paar weniger schöne Sachen, die gibt es zugegeben genauso.
MEINE BESTEN SPORTSONGS
Nicht jeder Leser ist ein Sportfanatiker wie ich. Es soll gerüchteweise auch Musikfans geben. Was hoffentlich kein Widerspruch ist. Die berühmtesten Hits im Sport triefen oft vom nationalen Pathos. Gänsehaut lösen sie trotzdem aus. Bei mir jedenfalls. Nationalhymnen spielen hier sowieso außer Konkurrenz.
Ein Beispiel: Meistens ging es mir vor dem Fernseher so, dass ich Siege sowjetischer Sportler nur im inneren Zwiespalt anerkannte, weil sie politisch missbraucht wurden. Dasselbe gilt für das heutige Russland. Die Hymne der UdSSR jedoch hatte was. Das muss ich trotz meiner Unmusikalität zugeben. Wahrscheinlich haben die Russen nach der Sowjetzeit deshalb nur den Text umgeschrieben.
Wussten Sie, dass nach dieser Melodie in vielen Fußballstadien „Olé, hier kommt der BVB“ für Borussia Dortmund oder „Steht auf, wenn ihr Bayern seid“ gesungen wird? Wem die Verballhornung zu dumm ist, der soll sich „Go West“ von den Pet Shop Boys als Popversion im Video anhören und ansehen.
Die beste Gegenstrategie zur sowjetischen oder russischen Propaganda sind natürlich Siege. Nicht beim Fußball, denn da werden ja vorher die Hymnen beider Nationalmannschaften gespielt. Doch in olympischen Sportarten hätte es genügt, Sowjetsportler auf den zweiten Platz zu verweisen. Dann wird die Hymne nicht gespielt. In manchen Sportarten ist das schwierig. Etwa im Eiskunstlauf. Beim Paarlauf gab es Seriensiege der UdSSR. Die Interviews von Weltstar Irina Rodnina wurden zensuriert, weil sie Freunde in Bayern erwähnte. Sie musste von „Freunden in der DDR und BRD“ sprechen, um die Eigenständigkeit der „Demokratischen Deutschen Republik“ zu betonen.
1984 konterten die Briten olympisch. Im Eistanzen. Jayne Torvill und Christopher Dean erhielten ausnahmslos die Höchstnote 6,0. Zur Musik von Maurice Ravels Bolero. Gehen Sie ins Internet und schauen Sie sich das an.
Der Konter der Amerikaner konnte für mich noch mehr. Whitney Houston sang 1988 „One Moment in Time“. Vor den Olympischen Spielen in Seoul über den langen Weg eines Sportlers vom Talent zum Olympiasieger. Das Video zeigt nicht die singende Whitney Houston, sondern legendäre Sportszenen. Wer da keinen Gänsehautmoment hat, der ist sowohl Sportignorant als auch Musikbanause.
Noch amerikanischer ist „Eye of the Tiger“ von Survivor, aus dem dritten Teil des Boxerfilms „Rocky“. Das Lied ist irre gut, der Film aber latent rassistisch. Der gute Weiße schlägt den bösen Schwarzen. Das geht anders besser.
„Gonna Fly Now“ von Bill Conti ist der Titelsong und wird bereits im ersten Teil gespielt. Als Rocky die Stufen hinauf zum Eingang des Kunstmuseums in Philadelphia rennt und, oben angekommen, seine Arme triumphierend in die Höhe reißt. Cool.
„The Final Countdown“ von Europe wird beim Fußball gerne nach Toren gespielt. Politiker haben es als Auftakt für ihre Parteiveranstaltungen geklaut. Bei „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen als Fans von Fortuna Düsseldorf und FC Liverpool sind sie zum Glück noch nicht auf die Idee gekommen.
Gianna Nanninis und Edoardo Bennatos italienischen Sommer, „Un’estate italiana“, zerstörten die humorlosen Deutschen: als sie statt den Italienern in deren Heimspiel 1990 Fußballweltmeister wurden.
„We are the Champions“ von Queen wiederum passt klarerweise zu jedem Sportereignis. Viel trauriger und natürlich mein Liebling ist „Barcelona“ der Opernsängerin Montserrat Caballé mit Freddy Mercury. Die Liebeserklärung an die Stadt in Katalonien entstand 1987.
Fünf Jahre später wurde sie zur Hymne für die dortigen Olympischen Spiele. Doch der Mitbegründer, Komponist und Leadsänger der Popgruppe Queen, war ein Jahr davor im Alter von nur 45 Jahren gestorben.
Meinen absoluten Lieblingssong kennen freilich wohl nur Insider. „Sirius“ von Alan Parsons Project. Es singt keiner und geht einzig und allein um das instrumentale Intro. Der eine oder andere Fan im Basketball würde das Stück vielleicht wiedererkennen, weil sein Verein damit die Ankündigung der Startaufstellung untermalt. Das sind aber nichts als billige Nachahmungstäter.
Googeln Sie den Liedtitel und „Chicago Bulls“! Zu deren Glanzzeiten in den 90er-Jahren begleitete Sirius vor jedem Basketballspiel die Verkündung der Anfangsaufstellung, mit Scottie Pippen und Michael Jordan. Wer nun ratlos guckt, der muss auf YouTube gehen. Ich empfehle, in der Suchmaske „Michael Jordan Top 50 All Time Plays“ einzugeben. Dann bitte 15 Minuten lang schauen und staunen.
LIEDER UND HYMNEN
In den USA hat kein Politiker eine Wahlchance, der nicht „Take me out to the ball game“ singen kann. Gemeint ist Baseball. Das Lied ist über hundert Jahre alt. Im Originaltext handelt es von einem jungen Mädchen, das von ihrem Freund zu einer Show ausgeführt werden soll. Sie will aber von ihm zu einem Baseballspiel begleitet werden.
Inzwischen ist es die inoffizielle Hymne des Baseballs. Noch viel berühmter als „You’ll never walk alone“ der Liverpooler Fans beim Fußball. Auf meinen Reisen durch die USA fand ich stundenlange Baseballspielbesuche wenig prickelnd. Die Detailregeln sind dem Europäer kaum bekannt. Neun „Runden“ lang tut sich oft wenig, bis alle raus sind.
In Filmen war für mich dagegen gefühlt jeder zweite Schlag ein Homerun. Ins Publikum unter dessen allgemeinem Jubel. Wer den Ball kriegt, ist ein Glückspilz. In echt kommt das verdammt selten vor. Wenn aber alle in der Auszeit nach dem siebten Inning vulgo Runde das Lied „Take me out to the ball game“ singen, das hatte was.
In Kanada kein Eishockeyfan zu sein, das wiederum wäre, als würde der Münchner Oberbürgermeister sich weigern, auf dem Oktoberfest das Bierfass anzuzapfen. Die Kanadier sind mit dem Puck die Weltbesten. 2017 bei einem Spiel zwischen Edmonton und Anaheim versagte vor dem Spiel das Mikrofon.
Der engagierte Sänger konnte nicht zu Ehren der Gäste aus Kalifornien trällern. Er konnte eigentlich schon, doch seine Stimme ohne Mikro hört im Riesenstadion keiner. Die 18.000 kanadischen Fans halfen spontan und sangen selbst „The Star-Spangled Banner“.
Können Sie sich vorstellen, dass österreichische Fußballfans in einem vergleichbaren Fall die schweizerische Hymne singen? Nie im Leben. Von der serbischen oder türkischen Hymne ganz zu schweigen. Da würde es eher rund um das Zuwanderungsthema zu Auseinandersetzungen am Rande der Gewalttätigkeit führen. Bei der deutschen Hymne wäre das angesichts der Geschichte zugleich heikel und gefährlich. Kanadier ticken anders.
BEGEISTERUNG AUF KANADISCH
1981 war Canada Cup. Für mich die eigentliche Weltmeisterschaft mit den Besten der Besten, weil die nordamerikanische Profiliga während der offiziellen WM keine Spielpause machte. Doch im Cup spielte Wayne Gretzky, der bis heute sämtliche Rekorde der nordamerikanischen Hockeyliga NHL hält.
Es war zugleich die Zeit des Kalten Krieges, der durch den Boykott und Gegenboykott der Olympischen Sommerspiele 1980 und 1984 in Moskau und Los Angeles seitens der USA und UdSSR einen Höhepunkt erreichte.
Dementsprechend hatten die US-Amerikaner ihren Eishockeysieg bei den Winterspielen in Lake Placid als „Miracle on Ice“ und Triumph über die Sowjetunion als das Reich des Bösen inszeniert. Doch da waren ja die kanadischen Superstars wegen der olympischen Amateurregel nicht dabei gewesen. Gretzky und seine Starkollegen Mike Bossy, Marcel Dionne und Guy Lafleur spazierten durch die Vorrunde. Im Halbfinale schossen sie die USA aus der Halle.
Für das Finale in Montreal gegen ein noch dazu stark verjüngtes Team der UdSSR erwartete das Land eine Riesenshow und einen Kantersieg. Ich ebenfalls. Was damals kein Experte und ich schon gar nicht erkannten: In den Reihen der Sowjets formierte sich gerade ein jugendliches Sturmtrio, das später ein Jahrzehnt lang unter dem Namen KLM unbestritten das beste der Welt sein würde: Sergej Makarow, Igor Larionow und Wladimir Krutow.
Da waren zudem die ebenfalls noch jungen Abwehrspieler Wjatscheslaw Fetisow und Alexej Kasatonow. Eishockeykenner...




