E-Book, Deutsch, 244 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Fink Fehlzeiten aktiv managen
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-648-18374-8
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Methode und Strategie zur Reduzierung von Abwesenheit und Steigerung der Mitarbeitermotivation. Gesundheitsmanagement für mehr Wertschätzung, Respekt, Zufriedenheit und Produktivität
E-Book, Deutsch, 244 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-18374-8
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Manuel Fink, geboren 1974, zog es nach einer klassischen Ausbildung zum Handwerksmeister und Betriebswirt in die Personaldienstleistung. Durch die Zusammenarbeit mit hunderten Kundenunternehmen aus Handwerk, Dienstleistung und Industrie, sowie seinen Qualifizierungen zum Trainer für Erwachsenenbildung, Business Coach und Industrial Engineer, lernte er die unterschiedlichsten Herangehensweisen zum Thema Motivation, Produktivität, Führung und Fehlzeiten kennen. Heute berät er Unternehmen in ganzheitlichen HR Strategien und ist Experte für das Reduzieren von betrieblichen Fehlzeiten.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Betriebliches Gesundheitsmanagement
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Personalwesen, Human Resource Management
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Management: Führung & Motivation
Weitere Infos & Material
1.3 Einflussfaktoren für Fehlzeiten
Die Einflussfaktoren und die Höhe von Fehlzeiten sind vielschichtig und variieren nach Branche, Unternehmensgröße und wirtschaftlicher sowie betrieblicher und außerbetrieblicher Situation. Auf betrieblicher Ebene hängen Fehlzeiten eng mit den Arbeitsbedingungen, der Arbeitsorganisation und der Führungskultur zusammen. Lärm, Hitze oder ergonomische Mängel können physische Beschwerden verursachen. Unklare Aufgabenstellungen, übermäßiger Leistungsdruck oder mangelnde Arbeitsorganisation können Unzufriedenheit, Überlastung und Burn-out fördern. Und eine schlechte Führungskultur, geprägt von autoritärem Verhalten, fehlender Anerkennung und schlechter Kommunikation, führt zu Stress und psychischen Belastungen.
Außerbetriebliche Gründe finden sich bei den Mitarbeitenden selbst: Wie ist die persönliche Belastbarkeit und wie das Freizeitverhalten? Gibt es zusätzliche Verpflichtungen wie Nebentätigkeiten oder Ehrenämter, die an den Kräften zehren? Wie ist die familiäre Situation, wie steht es um die Gesundheit von Angehörigen und vieles mehr. Die Palette der Krankheitsarten ist breit gefächert. Erst durch die COVID-19-Pandemie haben Atemwegserkrankungen die Rückenschmerzen von der Spitzenposition verdrängt – dicht gefolgt von psychischen Erkrankungen, die ebenfalls sehr stark zunehmen. Mehr dazu in Kapitel 4.
Aufgrund dieser vielfältigen Einflussfaktoren sind ein ganzheitlicher Ansatz und das aktive Managen von Fehlzeiten entscheidend.
Was sind die Gründe für den rasanten Anstieg des Krankenstandes?
Oftmals werde ich gefragt, warum der Krankenstand in unserem Land so hoch und zuletzt so massiv gestiegen sei? In einem Satz ist dies nicht zu beantworten, da es zahlreiche Handlungsfelder mit verschiedenen Einflussfaktoren gibt. Für einen ersten und schnellen Überblick gehe ich auf fünf zentrale Faktoren ein. Im Verlauf des Buches werde ich jeden Aspekt mit Zahlen, Daten und Fakten untermauern.
Umgang mit Atemwegserkrankungen
Seit der COVID-19-Pandemie stellen wir ein verändertes Bewusstsein im Umgang mit Atemwegserkrankungen fest. Wer früher vielleicht mit einer Erkältung zur Arbeit ging, bleibt heute eher zu Hause. Hier müssen wir abwarten, wie sich dieses Verhalten entwickelt. Gegenmaßnahmen wie Homeoffice sind nicht überall möglich.
Demografische Aspekte
In einer zunehmend alternden Gesellschaft steigen die Ausfälle aufgrund von Verschleißerscheinungen. Jenseits der 55 dauert die Zeit bis zur Genesung fast doppelt so lange wie bei den unter 25-Jährigen. Hinzu kommt, dass die jüngeren Generationen ein anderes Verständnis von (ihrer) Gesundheit und Loyalität zu ihrem Arbeitgeber haben und sich früher krankschreiben lassen als ältere Mitarbeitende.
Arbeits- und Fachkräftemangel
Der Personalmangel im Gesundheitswesen ist ein sehr plakatives Beispiel, weil wir es am eigenen Leib spüren, wenn wir einen Arzttermin brauchen oder in Behandlung sind. Es herrscht ein notorischer Fachkräftemangel, der zu vielen Überstunden sowie psychischen und körperlichen Mehrbelastungen beim Pflege- und Arztpersonal führt. Aber auch in den Fertigungs- und Dienstleistungsbereichen führen Leistungsdruck, Mehrarbeit und unterschiedliche Krisen zu Stress, Überlastungen und krankheitsbedingten Ausfällen.
Anstieg psychischer Erkrankungen
Laut dem Psychreport der DAK 2023 haben wir im Zehnjahresvergleich einen Anstieg der Arbeitsausfälle wegen psychischer Erkrankungen um 48?%. Das Gesundheitswesen liegt auf dem traurigen ersten Platz. Ein besonders großer Anstieg bei Krankschreibungen aufgrund Depressionen oder Ängsten ist bei den jüngeren Generationen festzustellen.
Die wirtschaftliche Situation
Da der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel so hoch ist, überdauert dieser selbst die aktuell schwache Konjunktur. In dieser Situation befinden wir uns bereits seit Jahren und es ist kritisch, dass dies gleich zweimal auf den Anstieg der Fehlzeiten einzahlt. Bei den demografischen Prognosen wird sich das auch nicht ändern. Bereits nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 war das Thema Fachkräftemangel präsent und nahm in den 2010er-Jahren rasant Fahrt auf. Parallel steigt auch der Krankenstand kontinuierlich an. Das ist ein Teufelskreis: Mitarbeitende fühlen sich aufgrund des Fachkräftemangels unersetzbar und melden sich eher krank, da sie davon ausgehen, auf der Arbeit durch eine oder mehrere Krankmeldungen nicht mit Nachteilen rechnen zu müssen.
Ein zusätzlicher Einflussfaktor, für den es aber keine Vergleichszahlen gibt, ist die digitale Erfassung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Seit dem 01.01.2023 erfolgt bei den gesetzlich Krankenversicherten eine automatisierte, elektronische Übermittlung der Krankmeldung vom Arzt zur Krankenkasse. Das Papierformat, was nicht immer zur Krankenkasse getragen wurde, entfiel und führt so zu einer gesteigerten Erfassungsquote.
Fehlzeiten sind ein emotionales Thema
Krankheiten und gesundheitliche Beschwerden beeinflussen das persönliche Wohlbefinden, das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität jedes Betroffenen – und andersherum. Deshalb ist der betriebliche Krankenstand nicht nur eine Frage der Wirtschaftlichkeit und Produktivität, sondern immer auch eine individuelle.
Wir Menschen sind unterschiedlich stark mit unserer Arbeit, den Kolleg:innen sowie dem Arbeitgeber verbunden. Ein hoher persönlicher Krankenstand kann daher Gefühle von Versagen, Überforderung oder Isolation auslösen. Jedoch zeigt er auch oftmals Gleichgültigkeit und eine Haltung von »Krank ist krank!« bei den Menschen, welche keine Verbundenheit und Identifikation mit ihrer Arbeit haben.
Auf der anderen Seite kommunizieren Unternehmen mit einem hohen Krankenstand ihre Unzufriedenheit darüber deutlich und geben zu verstehen, dass sie diese unbedingt reduzieren müssen. Dies kann zu Unsicherheiten, Ängsten und Spannungen auf beiden Seiten führen.
Im Regelfall prallen zwei unterschiedliche Perspektiven aufeinander, was unweigerlich zu Konflikten führt:
-
Erkrankte Mitarbeitende wollen ihre Beschwerden bestmöglich auskurieren, um einer Intensivierung vorzubeugen sowie wieder umfänglich ihren gewohnten Lebensstil wahrzunehmen. Eine schnellstmögliche Rückkehr an den Arbeitsplatz steht deshalb nicht unbedingt an erster Stelle. Auch ist allgemein bekannt, dass das Verschleppen einer Krankheit zu wiederholten und längeren Ausfallzeiten führen kann. Gerade letztes Argument bietet Potenzial für einen Bewertungskonflikt.
-
Arbeitgeber verfolgen von Haus aus das Ziel, die Produktivität so hoch wie möglich zu halten. Dies ist in unseren Köpfen mit der schnellstmöglichen Rückkehr an den Arbeitsplatz verbunden.
Zudem schwingen bei vielen Erkrankungen immer wieder Fragen mit wie »Ist die Person wirklich erkrankt?« oder »Ist es wirklich so schlimm, dass sie zu Hause bleiben muss?«.
Der betriebliche Krankenstand fußt also nicht nur auf Zahlen und Fakten, sondern ist ein komplexes und hoch emotionales Thema.?Es beeinflusst maßgeblich das individuelle Wohlbefinden und das kollektive Arbeitsklima.
Falsch gedacht: Warum »Krank ist krank!« nicht stimmt
Mit diesem Satz wird üblicherweise ausgedrückt, dass eine Person, die krankgeschrieben ist, auch wirklich erkrankt ist und somit nicht zur Arbeit gehen kann und muss. Doch ist das wirklich so? Bedingt. Haben Sie schon einmal nach »Krankmachen Arbeit« oder nach »Ausreden für Blaumachen« gegoogelt oder auf YouTube, TikTok oder Amazon eingegeben? Sie vielleicht nicht, aber andere bis zu 1,2 Millionen Mal.
Abb. 3: Social Media – Krankmelden (Beispiel-Posts) Abb. 4: Social Media – Blaumachen (Beispiel-Posts)Es gibt sogar Bücher, die beschreiben, wie man krankfeiert. Ich frage mich, wie man so etwas verlegen kann.
Abb. 5: Buchtitel »Arzt Tricks – Lieber krank feiern als gesund schuften!«Wir reden hier über Sozialversicherungsbetrug. Und es zeigt, dass einige Menschen zu einem gewissen Zeitpunkt entscheiden, nicht zur Arbeit zu gehen. Obwohl sie nicht krank, sondern fit genug wären.
Neben dem Betrug an unserer Sozialversicherung liegt zudem ein Vertragsbruch vor: Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit verpflichtet. Dies ergibt sich aus § 611a BGB. Im Gegenzug muss der Arbeitgeber die erbrachte Arbeitsleistung in Höhe der Vereinbarung vergüten. Bewusst krankmachen auf Kosten des Unternehmens und der Kollegen spricht gegen den Arbeitsvertrag und darf nicht akzeptiert werden.
Da Krankmachen kein neues Phänomen ist, ist es auch so stark in unseren Annahmen und Denkmustern verankert. Leider schadet dies den wirklich Erkrankten, die unsere Unterstützung benötigen. Ich könnte für entsprechende Beispiele mehrere Jahrzehnte zurückgehen – stelle folgend allerdings vier Studien aus jüngerer Zeit vor, drei aus dem letzten Jahrzehnt und eine aus 2024.
Eine Studie des niederländischen Beratungsunternehmens Aon Consulting von 2010 hat bei einer Befragung von 7.500 europäischen Arbeitnehmern Folgendes ermittelt: 15?% der Befragten gaben an, eine Krankheit vorgeschoben zu haben, als sie sich beim letzten Mal bei der Arbeit krankgemeldet hatten. Zusätzliche 10?% betreuten in ihrer letzten Abwesenheit ein Familienmitglied. Peter Abelskamp, damaliger Direktor für Gesundheit und Leistungen der Region EMEA bei Aon Consulting, kommentierte dies so: »Eine Milliarde Stunden als vorgetäuschte Krankentage in ganz Europa und die damit zusammenhängenden...