E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Finn Mordstrand
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7325-8424-6
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nordsee-Krimi
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
ISBN: 978-3-7325-8424-6
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Nordseekrimi für alle Fans von Nina Ohlandt und Klaus-Peter Wolf
Grausiger Fund auf der Insel Pellworm: Eine Gruppe Jugendlicher entdeckt in der Zisterne eines heruntergekommenen ehemaligen Mädcheninternats die Leiche einer Frau. Gesa Harms, die einzige Polizistin der Insel, nimmt die Ermittlungen auf. Doch dann wird im Schlamm unter der Leiche kurz darauf ein weiteres Opfer entdeckt: Ein weibliches Skelett, das dort bereits vierzig Jahre zuvor abgelegt wurde. Zwei Tote im gleichen Versteck? Für Gesa steht fest, dass die Morde miteinander in Verbindung stehen - und die Spur in die Vergangenheit weist ...
'Es macht Spaß, Gesa bei ihren Ermittlungen und auch bei ihren kleinen Kämpfen zu begleiten. [...] Ein unterhaltsamer und spannender Insel-Krimi.' (Leseratte1310, Lesejury)
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
Thomas Finn, geboren 1967 in Chicago, studierte Volkswirtschaft und war als Journalist und Autor für diverse deutsche Verlage und Magazine tätig, u. a. als Chefredakteur für das Phantastik-Magazin Nautilus. Seit 2001 arbeitet er als Roman-, Spiele-, Theater- und Drehbuchautor. Er ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, u. a. mit der Segeberger Feder. Thomas Finn lebt und arbeitet in Hamburg.
Weitere Informationen über den Autor finden Sie auf seiner Homepage: http://www.thomas-finn.de.
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Sturmtief
Das Haus hatte etwas Lauerndes. Am Nachthimmel über dem Mansardendach ballten sich die Wolken, die Fassade war von Ranken überwuchert und an den hölzernen Fensterläden rüttelte der Wind. Dort, wo sie fehlten, glotzten Jan dunkle, gläsern schimmernde Löcher entgegen.
Inzwischen war er klatschnass vom Regen und ihn fröstelte, was nicht allein an den Böen lag, die nasskalt vom Meer heranwehten. Seit Tagen wurde vor dem Februarsturm gewarnt, der sich im Nordwesten zusammenbraute und die Nordsee mit zunehmender Kraft in die Deutsche Bucht hineinpeitschte. Auch Pellworm war von dem Orkan nicht verschont geblieben. Am Vormittag war der Fährbetrieb zum Festland eingestellt worden, und die Feuerwehr hatte alle Hände voll zu tun, um die Insel sturmfest zu machen. Warum also hatten er, Oliver und Lisa sich auf Patricks wahnsinnigen Vorschlag eingelassen, bei dem Mistwetter einmal quer über die Insel zu radeln? Sie hatten auf der Herfahrt immerhin sehen können, wie hoch die Flut gegen den Deich drückte. Und auf der Insel musste es doch noch irgendeinen anderen Ort geben, der ebenfalls als Versteck taugte und deutlich bequemer zu erreichen war.
»Wo sind wir hier eigentlich?« Obwohl Lisa dick mit Mütze, Mantel und Schal eingemummelt war, schien Jans Schulkameradin zu frieren. Ihr Blick glitt zu den Kastanien, die das düstere Anwesen umstanden und deren Zweige in Wind hin und her wogten.
Jan war froh, dass er nicht der einzige Unwissende war. Ohne Zweifel handelte es sich bei dem Gebäude vor ihnen um ein Gutshaus aus dem neunzehnten Jahrhundert. Das Haus, die angrenzenden Bauten mit den heruntergekommenen Reetdächern, der offene Fahrradschuppen und der verwilderte Garten, der das Grundstück halb umschloss, schienen der Kulisse eines Film Noir entsprungen zu sein.
»Das ist das alte Internat«, rief Oliver gegen den Wind. »Sag jetzt nicht, dass du noch nie davon gehört hast?« Lisas Bruder mühte sich vom Fahrradsattel und sah sich um. »Ich hoffe, hier ist wirklich niemand?«
»Keine Angst. Hier kommt alle paar Wochen höchstens mal ein Hausmeister vorbei.« Patrick lehnte sein Rad trotz des Windes lässig gegen einen altersschwachen Fahnenmast, und Jan tat es ihm wie selbstverständlich nach. Lisa sollte auf keinen Fall bemerken, dass ihm nicht ganz wohl in seiner Haut war.
Insgeheim befürchtete er, dass sie auf Patrick stand. Patrick war immerhin fast volljährig und ging im Gegensatz zu den anderen dreien nicht mehr zur Schule. Auch Jan musste zugeben, dass Olivers langjähriger Kumpel ziemlich cool war. Sogar in einer Band spielte er.
Und so beobachtete Jan Patrick missmutig dabei, wie sich dieser den kleinen Rucksack vom Lenker schnappte. Darin musste sich die Shisha befinden, von der Oliver so geschwärmt hatte. Die arabischen Wasserpfeifen waren derzeit schwer angesagt. Jan hatte zwar bis auf eine gepaffte Kippe an seinem sechzehnten Geburtstag noch nie geraucht, aber in seiner alten Schule in Husum schworen sie auf Shishas. Blöderweise glaubten seine neuen Mitschüler auf Pellworm, dass er Erfahrungen damit hätte, und er hatte sie in dem Glauben gelassen.
»Ich hoffe, Oliver hat euch gesagt, dass wir nur bis zweiundzwanzig Uhr weg sein dürfen«, meinte Lisa.
»Da sind wir doch längst wieder zurück«, antwortete ihr Bruder leicht genervt. Auch er stellte sein Rad am Fahnenmast ab und wühlte dann in den Taschen seines Mantels. »Mist!«, fluchte er und blickte den Weg zurück, den sie gekommen waren. »Ich glaube, ich hab unterwegs meine Taschenlampe verloren.«
»Toll.« Patrick lüpfte die durchfeuchtete Sportkappe und strich sich das schwarz gefärbte Haar hinter die Ohren. »Hoffentlich habe ich meine dabei.« Er durchsuchte die Außentaschen seiner Lederjacke und präsentierte schließlich eine alte Flachbatterie-Taschenlampe, wie auch Jans Vater einst eine besessen hatte. Ihr Lichtkegel war trübe, und Jan wurde bei ihrem Anblick wehmütig zumute. Er hatte schon viel zu lange nicht mehr an seinen Vater gedacht. Oder hatte er den Gedanken an ihn lediglich verdrängt?
Patrick nahm die Lampe und schüttelte sie verärgert, doch der Lichtschein wurde nicht stärker.
»Hey, wer braucht noch Taschenlampen?« Jan fischte unter seiner Windjacke nach dem Smartphone und schaltete die Flashlight-App an, die die nähere Umgebung sofort in silbernen Schein tauchte.
Patrick nickte gönnerhaft. Lisa und Oliver taten es Jan nach und der nutzte die Gelegenheit, um ein Foto von Lisa zu schießen. Lisa lachte und nahm ihn nun ihrerseits mit ihrem Smartphone ins Visier. Abermals flammte ein Blitzlicht auf und eine Weile ging es hin und her.
»Könntet ihr mal mit diesem Kinderfasching aufhören!« Patricks Stimme klang gereizt. Er stand inzwischen oben auf den Stufen vor dem Eingangsportal und rüttelte erfolglos an den Türflügeln. Erwartungsgemäß waren sie verschlossen. Er begab sich unter eines der verkrauteten Fenster des Erdgeschosses, legte den Rucksack ab und hielt gleich darauf einen Kuhfuß in den Händen, den er rücksichtslos zwischen die Fensterläden rammte.
»Hey, was wird das denn?«, rief Jan empört. »Willst du da jetzt einbrechen?«
»Alter, bleib locker.« Patrick brach die Läden mit einem kräftigen Ruck auf. Das Geräusch ging im Pfeifen des Windes fast unter.
»Du weißt genau, wenn meine Mutter …«
»Was haste denn da für ein Muttersöhnchen mitgebracht?« Patrick warf Oliver einen verärgerten Blick zu.
»Du weißt schon, wer sie ist, oder?«, wandte Lisas Bruder kleinlaut ein.
»Na und?« Ungerührt rammte der Ältere das Brecheisen zwischen die frei gelegten Fensterflügel und brach auch diese auf. Patrick fixierte Jan herausfordernd. »Wenn du Schiss hast, kannst du ja abhauen. Aber wehe, du sagst auch nur ein Wort.«
Jan fühlte sich hin- und hergerissen. Wenn er jetzt ging, blieb das Image des Muttersöhnchens ewig an ihm hängen. »Ist ja gut«, meinte er und sah zu Lisa hinüber, die gerade alle vier Räder mit einem Bügelschloss sicherte. Er gewann den Eindruck, dass sie Zeit schinden wollte. Offenbar war auch ihr nicht wohl zumute.
Patrick stemmte die Fensterflügel auf und kletterte ins Hausinnere.
»Hey, macht euch keine Sorgen. Niemand wird je von alledem erfahren«, versuchte Oliver, Jan und seiner Schwester Mut zu machen. Er zog die Mütze vom Kopf und der Wind fuhr durch sein zerzaustes Haar. Es war so blond wie das von Lisa. Aufmunternd zwinkerte er den beiden zu und kletterte ebenfalls durch die Fensteröffnung.
Lisa und Jan folgten ihm zögernd und standen kurz darauf in einem alten Speisesaal. Zumindest legten die langen Tische und die vielen drumherum gruppierten Stühle für etwa zwei Dutzend Personen dies nahe. Auf einer Kommode stapelten sich alte Sitzbezüge, und Jans Blick fiel auf leere Regale und kitschige Schiffsgemälde an den Wänden – als er von einem Lichtstrahl geblendet wurde.
Er zuckte erschrocken zusammen – Der Hausmeister? – und entdeckte zu seiner Erleichterung sein eigenes Abbild in einem fast blinden Spiegel an der Wand gegenüber.
Seine Jacke war leicht verdreckt und die Kapuze seines Wollpullis klebte klatschnass an seinem Kopf. Er streifte sie ab und schüttelte sein rotes Haar. Im Raum flammte wieder Lisas Blitzlicht auf. Offenbar nutzte sie die eingebaute Kamera, um für etwas Helligkeit zu sorgen.
Patrick wählte die nächstgelegene Tür. Durch sie gelangten sie ins Vestibül des alten Gebäudes. Irgendwo im Haus klapperte ein Fensterladen, und über ihnen in der Decke knarrte es.
»Das hier war mal ein Internat«, raunte Patrick.
»Warst du schon mal hier?« Lisa sah sich argwöhnisch um.
»Nö. Noch nicht. Aber da rauf dürfte es zu den alten Schlafräumen gehen.« Er leuchtete zu einer geschwungenen Treppe, die von der Vorhalle aus nach oben in den ersten Stock führte. Jan interessierte sich mehr für den alten Kamin direkt gegenüber dem Eingangsportal, über dem ein präparierter Heringshai an der Wand hing. Von dem verstaubten Wandschmuck abgesehen war die Halle leer.
Patrick grinste. »Sagt selbst, ist doch ein ziemlich abgefahrener Treff, oder?«
Jan leuchtete noch immer den Hai an, als er am Rande seines Sichtfeldes eine Bewegung auszumachen glaubte. Aufgeschreckt ließ er den Lichtschein seines Smartphones durch die Halle wandern. Doch alles, was er aus dem Dunkeln holte, war ein düsterer Korridor, der von der Halle aus in den gegenüberliegenden Trakt des Hauses führte. Schattenspiele. Schon wieder.
Er schüttelte über sich selbst den Kopf.
Hinter ihm flammte abermals Lisas Smartphone auf. »Hier zieht es«, flüsterte sie.
»Ach, komm schon.« Oliver grinste. »Jetzt mach nicht so auf Mädchen. Wir suchen uns jetzt eine gemütliche Ecke und zünden dann unser Pfeifchen an.«
Diesmal war er es, der vorausging. Statt den Weg über die Treppe nach oben zu wählen, betrat er den dunklen Korridor, den Jan misstrauisch beäugte. Dort öffnete er eine Tür. »Hey, wer sagt’s denn? Das ist die Küche. Mit etwas Glück gibt es hier Wasser.«
»Dann mal los.« Patrick folgte ihm ohne Zögern und war kurz darauf ebenfalls verschwunden.
Jan versuchte, Lisa Mut zu machen, indem er ihr zulächelte. Dann betraten sie den Wirtschaftstrakt und entdeckten neben weiteren Türen ausgetretene Treppenstufen hinunter in den Keller des Gebäudes. Im Hintergrund quietschte derweil ein Wasserhahn und das Rumpeln einer alten Wasserleitung war zu hören, dem ein deutlich vernehmbares Plätschern folgte. »Was für eine Drecksbrühe«, ertönte Olivers Stimme. Patrick...




