Fischer | Behütete Kindheit in dunkler Zeit | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Fischer Behütete Kindheit in dunkler Zeit


1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-347-98295-6
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-347-98295-6
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wie erlebte ein Kind seine Kindheit in einem kleinen Dorf auf dem Lande? Was empfand es als amerikanische Panzer heranrollten? Leserinnen und Lesern erschließt sich in diesem Buch eine Welt wie sie über Jahrhunderte in den Dorfgemeinschaften der Vorkriegszeit bestanden hatte und wie sie sich durch die historischen Bedingungen veränderte. Eingebettet, nicht nur in eine Großfamilie, sondern in ein ganzes Dorf, das ebenfalls eine soziale Funktion hatte, wuchs Adam Fischer auf. Er wurde sechs Wochen nach Beginn des zweiten Weltkrieges geboren und beschreibt in seinem autobiografischen Bericht seine ersten 14 Lebensjahre. Es kommt ihm heute so vor, als habe er in zwei verschiedenen Welten gelebt. Der Autor stellt den starken Kontrast heraus, zwischen einem Kinderleben auf dem Lande vor 70 Jahren und heute. Auf der einen Seite wird ausführlich und tiefgehend Licht auf das alltägliche Leben auf dem Hof geworfen, das für die Kinder damals selbstverständlich war, auf der anderen der Blick auf die Schatten gelenkt, die sich in ihren Alltag mischen mussten. Bereits im frühen Alter wurde das Kind Adam Fischer durch zahlreiche Erlebnisse berührt, die es nicht einordnen konnte und die heute gemeinhin als Weltschmerz beschrieben werden könnten.

Eine schwere Erkrankung, für die kein Arzt eine Erklärung fand, forderte Autor und Landschaftsmaler Adam Fischer dazu auf, selbst nach den Ursachen zu forschen. Durch einige "Zufälle" führte das Leben ihn dahin, die Spur zu seinem innersten Kern wieder aufzunehmen und fortan nicht mehr gegen die kosmischen Gesetze zu verstoßen, die ihm zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bewusst gewesen waren. Er begann, "mit dem Herzen" zu verstehen, worum es in seinem Leben eigentlich ging und richtete sich vollkommen neu aus. In seinen Büchern zeichnet er seinen einzigartigen Erkenntnisweg nach. Es ist ein Weg ins Vertrauen.
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Früheste Kindheit

Meine Vorfahren väterlicherseits

Aus einer Zeit, lange bevor die eingangs angesprochene große Lebensfrage gestellt worden war, bestehen bruchstückhafte Erinnerungen an frühe Lebensjahre – an Erlebnisse, die ohne jeglichen zeitlichen Bezug auftauchen, ohne ein Vorher und Nachher zu kennen, wie Berggipfel aus einem Nebelmeer, an Gesprächsfragmente ohne jeglichen Bezug – aber da ist niemand mehr, den ich heute befragen könnte. Als sie noch unter uns weilten, meine Vorfahren, stellten sich diese Fragen nicht. Erst nachdem sie alle in jenes unbekannte Land gereist waren, tauchten Fragen auf, wie sich denn dies oder jenes genauer oder wie überhaupt zugetragen hätte.

Wie war das wohl für Großmutter Anna Elisabeth, genannt Anneliese, Fischer geborene Schwarz, als ihr Mann Konrad, mein leiblicher Großvater, im September 1914 von den Franzosen erschossen worden war, nachdem der Erste Weltkrieg gerade erst einige Wochen getobt hatte? Wie war ihr da wohl zumute, als diese Schreckensbotschaft kam: „… auf dem Felde der Ehre für das Vaterland gefallen“, und sie mit ihren beiden Söhnen, fünf und drei Jahre alt, von denen der ältere mein Vater werden würde, und dem Bauernhof alleine dastand?

Als ich in späteren Jahren um diese Geschehnisse wusste, war ich doch nie auf den Gedanken gekommen, mit ihr über diese Schicksalsschläge zu reden. Warum bloß nicht, frage ich mich heute mit Bitterkeit! Seit ich denken kann, war Großmutter für mich eine alte Frau – trug stets die hiesige bäuerliche, fast schwarze Tracht mit knöchellangen Röcken und Kopftuch. Was interessierten einen jungen Menschen die Gefühle einer alten Frau, die ohne Murren ihre tägliche Arbeit verrichtete? Ja, denkt dieser junge Mensch denn überhaupt einmal darüber nach, ob diese Frau denn auch Gefühle hat und dass sie einmal genauso jung war wie er selbst? Großmutter, vergib deinem kleinen, ersten Enkelsohn, für den du so viel getan hast, der sich so wenig um deine Nöte gekümmert hat!

Ich weiß auch nicht, ob zu diesem Zeitpunkt ihre Schwiegereltern noch lebten, der „Ackermann“ Fischer mit seiner Frau. Von beiden kenne ich nicht einmal die Vornamen. Konnten die ihr damals noch hilfreich zur Seite stehen oder stand sie alleine da mit dem Hof?

Dieser Urgroßvater, dessen Namen ich trage, ist auf einem Gruppenfoto zu sehen als Gründungsmitglied der Raiffeisengenossenschaft Obergeis. Es war mir nicht möglich, dieses Datum zu ermitteln. Schon lange sind diese kleinen Genossenschaften untergegangen – in den großen Volksund Raiffeisenbanken.

Mein Onkel Hans, der Bruder meines Vaters, übergab mir eines Tages dieses Gruppenfoto und zeigte mir, wer unser gemeinsamer Vorfahre ist. Ich habe sein Porträt als Einzelbild aus dieser Gruppe heraus vergrößern lassen und in meinem Zimmer aufgehängt – ein gestutzter Vollbart, so, wie ich ihn seit 25 Jahren trage. Schon mancher, der dieses Bild an der Wand sah, sagte spontan zu mir, ich würde genauso aussehen. Mein Schwager, Norbert Schneevoigt, meinte gar, ich könnte seine nächste Inkarnation sein.

Am 13. September 2011 fuhr ich zu Hans Stiebing nach Obergeis. Sein Großvater war ein Bruder meines Großvaters. Ich brachte Hans eine Kopie dieses Gruppenfotos, auf dem unser gemeinsamer Urgroßvater zu sehen ist. Er blickte darauf, schaute mich an und sagte: „Du siehst genauso aus.“

Hans wusste mir auch noch Folgendes zu erzählen, wovon ich bis dahin keinerlei Kenntnis hatte: Vom Bauer Friedrich Reinhardt aus Bad Hersfeld (der inzwischen auch verstorben war) hatte er gehört, dass jener Urgroßvater Fischer dort in Aua eingeheiratet hatte. Vorher solle es bei „Spielmanns“ eine Lotterwirtschaft gewesen sein. Dieser Vorfahr erst habe alles wieder auf die Beine gebracht. Wäre er nicht ein tüchtiger Mann gewesen, hätte er bestimmt nicht zu den Gründungsmitgliedern der Raiffeisengenossenschaft gehört.

Am 18. November 2011 fuhr ich vormittags zu Anneliese Arning, geborene Schwarz, nach Rengshausen, der einzigen noch lebenden Cousine meines Vaters. Ich hegte die Hoffnung, sie könnte mir noch etwas über die Geschichte meiner Familie sagen. Sie stammte aus Mühlbach, aus demselben Haus wie meine schon erwähnte Großmutter, die ihre Tante und Patin war. Leider hatte ich auch hier zu lange gewartet. Mit ihren 94 Jahren konnte sie die infrage kommenden Personen nicht mehr unterscheiden und schaute mich auf meine Fragen hin ganz hilflos an. Sie ist vor mir die Letzte der ganzen Generation. Von meines Vaters und von meiner Mutters Seite her gibt es sonst niemanden mehr. Dieser besagte Urgroßvater Fischer soll nach einer Schilderung meines Onkels Hans Fischer bereits mit 50 Jahren an einer Lungenentzündung gestorben sein, nachdem er auf seinem Rücken einige Ferkel von Ellingshausen über den Pommer nach Aua getragen, sich dabei übernommen und erkältet habe. Wie alt war da wohl mein Großvater, als er seinen Vater verlor, und warum hat er mir nie davon erzählt?

Wie war das mit der Urgroßmutter Fischer, von der ich weder Vor- noch Geburtsnamen weiß, als sie fast in der Jauchegrube ertrunken sein soll?

Von vielen Ereignissen weiß ich nur deshalb, weil ich als Kind gelegentlich einen Gesprächsfetzen der Erwachsenen aufschnappte. Es liegt in seiner Natur, dass ein Kind kaum Fragen an vergangene Ereignisse hat. Es lebt ganz im Augenblick. So habe ich auch erst spät, etwa im Alter von 15 Jahren, erfahren, dass mein Großvater Johannes Fischer der Bruder meines 1914 im Krieg gebliebenen, leiblichen Großvaters Konrad war. Auch erfuhr ich dies mehr zufällig, als ich meine Mutter fragte, wer denn der auf dem Kriegerdenkmal stehende, 1914 gefallene Konrad Fischer sei. Ich glaubte, er sei ein Mitglied der Familie Fischer, die neben der Dorflinde wohnte, aber mit uns nicht verwandt war.

Während meiner achtjährigen Volksschulzeit hing in unserem Klassenzimmer ein großes Porträt eines jungen Soldaten mit breitem Passepartout und schwarzem Rahmen. Acht lange Jahre bin ich daran vorbeigegangen, habe es oft angeschaut und nicht gewusst, dass es mein leiblicher Großvater war. Als dem Ersten, der damals – 1914 – sein Leben lassen musste, wurde ihm diese Ehre erwiesen. Aber niemand hatte uns Schulkindern etwas darüber gesagt.

Mit dem Ende der Nazi-Herrschaft fand auch die Verherrlichung des „Heldentodes auf dem Felde der Ehre“ sein Ende. Außerdem war unser späterer Lehrer Lehmann Heimatvertriebener aus Ostpreußen und hatte von daher auch keine engere Beziehung zu solchen Einzelheiten einer Dorfgeschichte. So erfuhr ich erst viel später, als unsere einklassige Volksschule aufgelöst wurde und dieses Bild den Angehörigen zurückgegeben wurde, wer denn da acht Jahre lang auf mich heruntergeschaut hatte.

Heute, in der Rückschau, erscheinen mir diese Zusammenhänge recht merkwürdig. Der Mann, der für mich von klein auf Großvater verkörperte, war also der Bruder meines wirklichen, leiblichen Großvaters. Das hatte ich mit 15 auch nur beiläufig registriert. Es hatte mich nicht bewegt und schon gar nicht erschüttert. Großvater war nun mal der, den ich von klein auf kannte und der mich die vielen Jahre begleitet hatte, wie ein Großvater es nicht besser machen konnte.

Als nun dieser Großvater 1918 aus dem Krieg nach Hause kam, stand da seine Schwägerin mit Haus, Hof und den beiden kleinen Söhnen alleine da: Er war der jüngste von fünf Geschwistern, vier Männer und eine Frau. Der älteste war in Frankreich geblieben, die anderen waren – alle bis auf ihn – verheiratet und nicht mehr im Elternhaus. Was tat Großvater?

Er heiratete seine 15 Jahre ältere Schwägerin. Sicher keine Liebesheirat – Pflichterfüllung, Verantwortung? Ich weiß es nicht. Jedenfalls hatte ich einmal mitbekommen, er hätte vor Kriegsbeginn eine Liebschaft gehabt, die ihm aber untreu geworden wäre. Vielleicht weil er selbst so viele Jahre fern war, irgendwo in Frankreich. So zog das grausige Geschehen eines großen Krieges seine weiten Kreise bis hinein in viele kleine Einzelschicksale. Der Hof konnte weiter bestehen und die beiden Halbwaisen hatten wieder einen Vater, der eigentlich ihr Onkel war. Wie musste damals Großvater zumute gewesen sein? Er war 1918 erst ein junger Mann von 23 Jahren. Gerne würde ich auch mit ihm heute darüber reden.

Die Großeltern bekamen noch einen gemeinsamen Sohn, meinen Onkel Georg. Wie ich von meiner Mutter hörte, war er ein verzogenes Kind. Großvater musste ihn wohl bevorzugt haben, zum Nachteil der beiden angenommenen Söhne.

Mein Vater hat nie ein Wort mit mir gesprochen über seine bestimmt nicht leichte Kindheit und Jugend nach dem Verlust seines leiblichen Vaters. Mutter sagte mir, Vater hätte viel zu viel arbeiten müssen. Onkel Georg wäre immer geschont worden.

Diese Seite meines Großvaters kenne ich nur vom Hörensagen. Ich...



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