Fischer | Einheit der Kirche? | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Fischer Einheit der Kirche?

Zum Kirchenverständnis der großen Konfessionen
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-290-17679-2
Verlag: Theologischer Verlag Zürich
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Zum Kirchenverständnis der großen Konfessionen

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-290-17679-2
Verlag: Theologischer Verlag Zürich
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Viele Christen wünschen die Einheit der Kirche. Doch bei dem Versuch, ein gemeinsames Kirchenverständnis zu definieren zeigt sich, dass Katholiken, Orthodoxe und Protestanten Kirche je anders erleben. Um ein fruchtbares Gespräch zu führen, ist es aber notwendig, das Selbstverständnis der eigenen wie der anderen Kirchen kennenzulernen. Helmut Fischer stellt, von den Anfängen der Kirche ausgehend, die verschiedenen Kirchenstrukturen mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden dar. Er entfaltet das jeweilige Selbstverständnis der Kirchen aus ihren offiziellen Dokumenten. Damit werden die Leserinnen und Leser befähigt, sich ein eigenes Urteil über die Möglichkeiten und Chancen einer kirchlichen Einheit zu bilden.

Helmut Fischer, Dr.theol., Jahrgang 1929, war zuletzt Professor am Theologischen Seminar in Freidberg/Hessen und viele Jahre dessen Direktor. Er ist seit 1991 im Ruhestand und heute in der Lehrerfortbildung tätig, in der Erwachsenenbildung sowie als Autor und als Lehrer für Ikonenmalerei.
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|16| 2 Die Anfänge von Kirche


Die Geschichte der Kirche, das Verständnis ihres Wesens und ihrer Funktionen, entwickelten sich nicht aus einem einheitlichen Konzept, sondern entfaltete sich aus vielfältigen Ansätzen. Dieser historische Tatbestand weist bereits auf jenes Spannungsfeld hin, das wir seit einem Jahrhundert als das Problem von Einheit und Vielfalt der Christenheit diskutieren und in dem Begriff »Ökumene« bündeln. Von der lange gehegten Vorstellung, dass am Beginn eine einheitliche Kirche existiert habe, die erst später in mehrere Teile auseinanderbrochen sei, müssen wir uns verabschieden.

2.1 Der Ursprung des griechischen Wortes ekklesía (Kirche)


Was drückt sich in der Selbstbezeichnung ekklesía aus, mit der die Urgemeinde in Jerusalem ihre Gemeinschaft charakterisierte? Die älteste schriftliche Erwähnung finden wir in einer biographischen Notiz des Apostels Paulus in seinem Brief an die Galater, geschrieben 52/53: »Unerbittlich verfolgte ich die ekklesía Gottes und suchte sie zu vernichten« (Gal 1,13).

Ekklesía bedeutet im profanen Griechisch »Volksversammlung«. Bezogen auf die Gemeinde deutet das auf eine überschaubare Versammlung hin, die inhaltlich durch eine besondere Beziehung zu Gott charakterisiert ist. So wird man sich unter ekklesía nicht eine Kirche im Sinne einer Großorganisation vorzustellen haben, sondern eine konkrete örtliche Gemeinde, in der sich Christen versammelten, sei es in Jerusalem oder an anderen Orten.

Unser deutsches Wort »Gemeinde« hält den Charakter der konkreten örtlichen Versammlung fest. Das deutsche Wort »Kirche« ist wohl von dem griechischen kyriakós (zum |17| Herrn gehörig) abgeleitet und charakterisiert die Gruppe, die sich um ihren Mittelpunkt, den Herrn, versammelt. Das gilt entsprechend auch für die späteren Versammlungsgebäude derer, die sich als »zum Herrn gehörig« verstehen.

2.2 Die Anfänge von Gemeinde und Kirche


2.2.1 Der historische Jesus und Kirche


Gemeinde im Sinne einer Versammlung derer, die aus dem Geist Jesu leben, gibt es erst nach Ostern. Es überrascht daher nicht, dass der Begriff ekklesía in der Jesusüberlieferung der Evangelien nicht auftaucht. Die beiden Stellen in Mt 16,18 und 18,17, an denen von ekklesía die Rede ist, gelten in der bibelwissenschaftlichen Forschung seit langem als späte sekundäre Bildungen der palästinensischen Gemeinde. Das Markus- und das Lukasevangelium kennen diese Texte nicht, und auch im Johannesevangelium kommt der Begriff ekklesía nicht vor. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass Jesus die Absicht hatte, eine Kirche zu gründen, oder das gar getan hätte. Ob und inwiefern eine Kirche aus dem Wirken des irdischen Jesus notwendig hervorging, wird an anderer Stelle zu erörtern sein.

2.2.2 Die Urgemeinde


Historisch kann als gesichert gelten, dass sich schon sehr bald nach dem gewaltsamen Tod Jesu im Jahr 30 christliche Gemeinden bildeten. Eine Schlüsselstellung nahm in der Anfangszeit die Urgemeinde in Jerusalem ein. Hier in Jerusalem, der Mitte und dem Heilsort Israels, hatten sich die maßgeblichen Persönlichkeiten des Jüngerkreises Jesu versammelt, zu denen Petrus mit dem »Kreis der Zwölf« gehörten. Sie waren überzeugt, dass mit der Auferstehung Jesu von den Toten die von Jesus verkündigte Endzeit angebrochen sei. Sie wussten Jesus in ihrer Mitte gegenwärtig und verstanden sich als der |18| Kern des erneuerten Gottesvolkes. Sie nannten sich »die Heiligen«, »das heilige Volk«, »die Auserwählten«, »das auserwählte Geschlecht« und »die königliche Priesterschar«. In der Gewissheit der Gegenwart Christi wussten sie sich zur Predigt und zum Handeln in seinem Namen ermächtigt und stark gemacht.

2.2.3 Erste heidenchristliche Gemeinden


Zur Jerusalemer Urgemeinde gehörten nicht nur Juden. Auch Männer, die aus hellenistischen Kreisen der jüdischen Diaspora stammten, hielten sich zur Urgemeinde. Ihr Sprecher war Stephanus. Hellenistische Judenchristen darf man sich auch als die ersten Missionare vorstellen, die außerhalb Jerusalems Gemeinden um sich sammelten. Das geschah ohne jede zentrale Organisation, rein aus dem Impuls heraus, die von Jesus verkündete Heilsbotschaft auch zu den nichtjüdischen Menschen zu bringen. Als Paulus im Jahr 33, also drei Jahre nach Jesu Tod, seine Heidenmission begann, traf er bereits einige nichtjüdische Christengemeinden an.

Bei einem Treffen mit den Leitern der Urgemeinde (Petrus, Herrenbruder Jakobus und Johannes) im Jahr 48 erwirkte Paulus, dass Nichtjuden, die sich der christlichen Gemeinde anschlossen, keinerlei jüdische Ritualgesetze zu erfüllen hatten. Mit dieser Entscheidung war der christlichen Botschaft der Weg in die religiös so vielfältige hellenistische Welt freigemacht. So entstanden durch private Initiativen (oft durch Händler, die in der Welt herumkamen), vor allem in den Zentren des Römischen Reichs christliche Gemeinden.

2.2.4 Charakter und Gestalt der ersten Gemeinden


Das einigende Band zwischen den Gemeinden war die Christusbotschaft. Die Art und Weise, in der die Gemeinden ihr Gemeinschaftsleben organisierten und ihre Versammlungen gestalteten, hing allerdings von den Gegebenheiten und den |19| Möglichkeiten am Ort ab. Von Beginn an war es entsprechend vielgestaltig.

Rechtlich oder kultisch geregelte Ämter gab es in den frühen Gemeinden nicht. Jesus hat nirgends Amtsträger eingesetzt. Er rief Menschen in seine Nachfolge. Damit berief er sie in eine Art Dienstgemeinschaft, die den Auftrag hatte, zur Umkehr zu rufen und die anbrechende Herrschaft Gottes auszurufen. Die Begriffe apóstolos, epískopos und diákonos bezeichneten Funktionen, die aber weder mit einer besonderen Stellung noch einem Rechtsstatus noch einer hohen Würde einhergingen. Diese inoffizielle offene Form einer Glaubens- und Dienstgemeinschaft dürfte der Normalfall von Gemeinde in den beiden ersten Generationen gewesen sein.

2.2.5 »Die Zwölf«


Die synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus,. Lukas) berichten, dass Jesus zwölf Apostel berufen hat, deren Namen – mit kleinen Abweichungen – auch genannt werden. Der älteste dieser Texte liegt in Mk 3,13–19 vor: »Und er steigt auf den Berg und ruft zu sich, die er um sich haben wollte; und sie traten zu ihm hin. Und er bestimmte zwölf, die er auch Apostel nannte, die mit ihm sein sollten und die er aussenden wollte, zu verkündigen und mit Vollmacht die Dämonen auszutreiben. Und er bestimmte die Zwölf: Simon, dem er den Beinamen Petrus gab, und Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, den Bruder des Jakobus, denen er den Beinamen Boanerges gab, das heißt ‹Donnersöhne›, und Andreas und Philippus und Bartolomäus und Matthäus und Thomas und Jakobus, den Sohn des Alfäus, und Thaddeus und Simon Kananäus, und Judas Iskariot, der ihn dann auslieferte.«

Umstritten ist, ob dieser Text einen historischen Vorgang wiedergibt. Plausibel ist die Einsetzung der »Zwölf« hingegen als Zeichenhandlung, mit der zum Ausdruck gebracht wird, |20| dass Jesu Verkündigung darauf zielt, ganz Israel (repräsentiert durch die zwölf Stämme) als das endzeitliche Volk Gottes zu sammeln. Historisch hatte dieser Zwölferkreis wohl keine langfristige Bedeutung. Als Paulus nach seinem Damaskuserlebnis Jerusalem etwa im Jahre 35 erstmals besuchte, verhandelte er nach Gal 1,18f mit den »Aposteln« Petrus und Jakobus, dem Bruder Jesu, der aber nicht zu dem Zwölferkreis gehörte. Der Zwölferkreis verlor bald nach Jesu Tod seine Bedeutung, schon deshalb, weil mit der Heidenmission die Christusbotschaft über Israel hinausdrängte.

2.2.6 Der Charakter der Jerusalemer Urgemeinde


In der Urgemeinde in Jerusalem war eine besondere Organisation zunächst nicht erforderlich, weil sie sich noch im Verband der Synagoge befand. Einer konkreten Struktur bedurfte sie erst dann, als sie sich vom Tempel und der Synagoge löste und als eigenständige Gemeinschaft formierte. In Anlehnung an den jüdischen Ältestenrat bildete man wohl ebenfalls einen Leiterkreis, dessen Sprecher Petrus war. Ob der Kreis der Zwölf dabei noch eine Rolle spielte, ist nicht mehr zu ermitteln. Da sich Petrus wegen seiner Missionstätigkeit unter Juden nur noch selten in Jerusalem aufhielt, übernahm der Herrenbruder Jakobus die Leitung der Gemeinde. Unter seinem Einfluss erhielten die jüdischen Traditionen wieder größeres Gewicht, und das Ältestenamt nahm deutlichere Gestalt als Hüteramt hinsichtlich der Tradition an.

Von einer Besonderheit der Jerusalemer Urgemeinde berichtet Apg 6,1–6. Danach wurde ein Kreis von sieben Personen eingerichtet, der sich der Belange und der sozialen Probleme jener hellenistischen Judenchristen annahm, die in Jerusalem wohnten. Diese Griechisch sprechenden Judenchristen, die nicht am synagogalen und kultischen Leben des Tempels teilnahmen und auch die jüdischen Ritualgesetze nicht einhielten, bildeten wohl schon sehr früh eine eigenständige Gruppe |21| innerhalb der Urgemeinde. Ihr Sprecher, Stephanus, wurde wegen seiner Christusbotschaft und seiner gesetzeskritischen öffentlichen Äußerungen vor der Stadt gesteinigt. In der Apostelgeschichte heißt es dazu: »Und die Zeugen legten ihre Kleider ab, zu Füßen eines jungen Mannes namens Saulus. … Saulus war einverstanden mit dieser Hinrichtung« (Apg 7,58 und 8,1). Daraus ist zu schließen, dass Stephanus unter den Augen des Saulus/Paulus zwischen 30 und 33 wegen seines Christuszeugnisses als der erste Märtyrer der Christenheit zu Tode gebracht wurde.

2.2.7 Die judenchristlichen Gemeinden im...



Helmut Fischer, Dr.theol., Jahrgang 1929, war zuletzt Professor am Theologischen Seminar in Freidberg/Hessen und viele Jahre dessen Direktor. Er ist seit 1991 im Ruhestand und heute in der Lehrerfortbildung tätig, in der Erwachsenenbildung sowie als Autor und als Lehrer für Ikonenmalerei.



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