Fitzpatrick | Der geheime Faden | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 422 Seiten

Fitzpatrick Der geheime Faden

Historischer Roman
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98952-646-4
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, 422 Seiten

ISBN: 978-3-98952-646-4
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein Leben im Schatten - ein unsterbliches Erbe ... Als die Historikerin Madeleine ein jahrhundertealtes Tagebuch findet, stellt sie dazu Nachforschungen in Canterbury an - und erfährt Unglaubliches über die berühmteste Stickarbeit des 11. Jahrhunderts: England im Jahr 1064. Die junge Stickerin Leofgyth wächst in einer unsicheren Zeit am Hofe König Edwards auf. Intrigen sind an der Tagesordnung, denn der König ist sterbenskrank und es kündigt sich ein Machtwechsel an. Doch trotz der Gefahr harrt Leofgyth aus, denn sie wurde von Königin Edith mit einer wichtigen Aufgabe betraut: Gemeinsam mit ihrem Lehrer, dem Mönch Odericus, der ihr Lesen und Schreiben beibrachte, soll sie als Erste Stickerin des Hofes eine Chronik in Bildern schaffen - den sagenhaften Teppich von Bayeux ... - Canterbury; 11. Jahrhundert und Gegenwart - Ein opulenter historischer Roman auf zwei Zeitebenen über die berühmteste Stickarbeit des Mittelalters - und die Intrigen, die darum gesponnen wurden ... - Für Fans von Rebecca Gablé und Tanja Kinkel »Man weiß gar nicht, auf welche Zeitebene man sich mehr freuen soll!« Die Buchrebellin auf Amazon.de

Kylie Fitzpatrick wurde in Kopenhagen geboren und wuchs in Australien auf. Sie arbeitete für Spiel- und Dokumentarfilmproduktionen in England und Los Angeles. Heute ist sie als Autorin, Pädagogin und beratende Redakteurin tätig. Ihre historischen Romane wurden in mehreren Sprachen veröffentlicht. Die Website der Autorin: https://www.kyliefitzpatrick.net/ Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin die Romane »Am Horizont das rote Land« und »Der geheime Faden«.
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Kapitel 1


Madeleine schaute auf die Uhr. Es dauerte eine Weile, bis sie die römischen Zahlen des Zifferblatts erkennen konnte. Deutete der kleine Zeiger wirklich auf das »X«? Das durfte doch nicht wahr sein! Nach einem Moment der Verwirrung kam sie zu dem Schluss, dass es tatsächlich schon kurz nach zehn Uhr morgens war und sie geschlagene zwei Stunden damit verbracht hatte, einen mittelalterlichen Text aus dem Lateinischen zu übersetzen. Jetzt musste sie sich extrem beeilen. Sie schoss von ihrem Schreibtisch hoch und stieß in ihrer Hektik gegen einen Stapel mit unkorrigierten Klausuren, die sie an den wenig erfreulichen gestrigen Abend erinnerten. Gleich beim Aufwachen hatte sie es bitter bereut, dass sie drei Gläser von dem mittelmäßigen Syrah getrunken hatte, um sich über das miserable Niveau der Klausuren hinwegzutrösten. Und das, obwohl sie genau wusste, dass sie sich solche Eskapaden nicht leisten konnte, wenn sie am nächsten Morgen eine Vorlesung über die Aufteilung des Reiches Karls des Großen halten musste. Und diese Vorlesung begann in einer knappen halben Stunde.

Sie rannte ins Bad und bemühte sich, ihre Gedanken irgendwie wieder ins einundzwanzigste Jahrhundert zurückzuholen. Es ärgerte sie maßlos, wenn sie morgens hetzen musste. Keine zehn Minuten später hüpfte sie bereits auf einem Bein zurück in ihr Arbeitszimmer und zog den Reißverschluss an ihrem Stiefel hoch, während sie sich gleichzeitig umschaute, ob sie noch etwas mitnehmen sollte. Ein eher vergebliches Unterfangen – das Zimmer war chaotisch, weil sie hier alles unterbringen musste, was in ihrem kleinen Büro in der Universität, das sie mit einem anderen Dozenten teilte, keinen Platz fand. In letzter Zeit hatte sie sich angewöhnt, zu Hause zu arbeiten; Rosa fand, sie ziehe sich in einen »ungeselligen Kokon« zurück – aber Rosa machte öfter solche Bemerkungen, und Madeleine hatte längst gelernt, diese nicht allzu ernst zu nehmen.

Ihr Blick fiel auf den Schreibtisch, wo der säuberlich abgeschriebene lateinische Text lag, der heute Morgen mit der Post gekommen war. Irgendetwas an diesem Dokument hatte sie sofort in seinen Bann gezogen. Seinetwegen war ihr jedes Zeitgefühl abhandengekommen. Der Begleitbrief ihrer Mutter lag noch ungelesen daneben. Madeleine steckte ihn schnell in ihre Handtasche, ehe sie fluchtartig die Wohnung verließ.

Auf dem Weg von ihrer Wohnung zur Universität kehrten ihre Gedanken immer wieder zu dem Grund ihrer Verspätung zurück. Das Dokument war nicht in angelsächsischem Latein verfasst, wie sie zuerst angenommen hatte, sondern in Kontinentallatein – der Sprache, die von den römischen und normannischen Priestern verwendet wurde, die um die Jahrtausendwende nach England gelangt waren. Aber die – mit Sicherheit – fiktive Erzählerin war verblüffenderweise eine Frau aus dem elften Jahrhundert, kein Mönch. Das war eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Wo hatte Lydia diesen Text abgeschrieben? Madeleines Mutter las so gut wie nie Romane, abgesehen von ihren gelegentlichen – und unerklärlichen – Ausflügen in die russische Literatur. Komisch war auch, dass Lydia den lateinischen Text von Hand abgeschrieben hatte, ehe sie ihn abschickte, statt ihn einfach zu fotokopieren. Bestimmt erklärte sie das alles in ihrem Brief. Madeleines Mutter war schon im Ruhestand und lebte jetzt in Canterbury, nachdem sie viele Jahre in London die Geschichte des Hauses Tudor im 15. und 16. Jahrhundert unterrichtet hatte. Vielleicht war sie dabei, ihr Interessengebiet auszuweiten?

Die kühle Luft der Normandie sorgte dafür, dass ihr Kopf wieder klar war, als sie das Gebäude der historischen Fakultät betrat, das am westlichen Ende des Universitätsgeländes lag. Den Gedanken an die Übersetzung konnte sie allerdings immer noch nicht ganz abschütteln. Dass es um eine Näherin ging, die lesen und schreiben konnte, irritierte sie. Damals waren selbst die meisten Männer Analphabeten gewesen. Der Verfasser des Textes schrieb zwar einwandfreies klassisches Latein, hatte aber offenbar nicht sorgfältig recherchiert, denn sonst hätte er selbstverständlich wissen müssen, dass eine schreibende Frau im elften Jahrhundert praktisch undenkbar war, es sei denn, sie hätte im Kloster gelebt oder dem Adel angehört. Die Erzählerin wirkte jedoch sehr selbstbewusst und redegewandt, was, historisch betrachtet, bei Frauen vom Land eher selten vorkam.

Madeleine konnte mühelos nachvollziehen, dass Lydia die Geschichte einer Stickerin am Hofe König Edwards spannend fand, denn diese Epoche der englischen Geschichte war unglaublich abwechslungsreich. Andererseits fragte sie sich, wie viel von diesem Manuskript ihre Mutter wohl entschlüsselt hatte. Latein war nämlich nicht gerade ihre Stärke, schon gar nicht in seiner mittelalterlichen Variante.

Madeleine wagte einen Blick auf die Uhr und seufzte. Auf einen Umweg über die Cafeteria musste sie wohl oder übel verzichten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als die nächsten anderthalb Stunden ohne Kaffee zu überstehen. Keine besonders erheiternde Vorstellung! Dass sie sich gegen die Unterrichtsverpflichtung, die zu ihrem Job gehörte, ein bisschen sträubte, kam öfter vor. An manchen Tagen hatte sie einfach keine Lust, unter Menschen zu gehen.

Andererseits gaben ihr die Vorlesungen Gelegenheit, über mittelalterliche Geschichte zu sprechen, immerhin ihr Lieblingsthema, das sich jedoch bedauerlicherweise nicht unbedingt für Smalltalk bei Partys eignete. Energisch strich sie sich eine widerspenstige rotbraune Locke hinters Ohr, holte tief Luft und betrat den Hörsaal, der wie ein höhlenartiges Amphitheater gebaut war. Sie kam sich hier immer vor wie eine Schauspielerin, die sich als Dozentin verkleidet hatte. Der Raum war bis zur Hälfte mit Studienanfängern gefüllt. Im Verlauf des Semesters bröckelte die Zahl der Hörer meistens ab, denn eine ganze Reihe von Studenten begriff ziemlich schnell, dass sie mit einem Abschluss in Geschichte nicht viel anfangen konnten.

Madeleine musste sich zusammenreißen, um keine Grimassen zu schneiden, sondern brav mit ihrer Einleitung zu beginnen. »Die Geschichte des frühen europäischen Mittelalters ist auf eine Art und Weise dokumentiert, die uns zwingt, auf Quellen zurückzugreifen, die sich gelegentlich widersprechen. Diesem Phänomen werden Sie während Ihres Studiums immer wieder begegnen.«

Das Gesichtermeer starrte sie an. Madeleine lächelte ihr freundlichstes Lächeln. Ein junger Mann in der zweiten Reihe antwortete mit einem vieldeutigen Grinsen. Sein Blick wanderte abwärts und ruhte einen Moment lang auf ihren Brüsten. Madeleine wartete, bis er ihr wieder ins Gesicht schaute, und fixierte ihn dann mit festem Blick. Das war ihre übliche, wenn auch meist wirkungslose Verteidigungsstrategie gegen sexuell ausgehungerte Knaben im ersten Studienjahr. Hier im Hörsaal war es untersagt, sich für etwas anderes zu interessieren als für Geschichte. Ihr neuer Verehrer hielt ihrem Blick jedoch stand – er war attraktiv, aber nur körperlich. Arroganz war in Madeleines Augen keine Eigenschaft, die Männer anziehend machte. Sie wandte sich jetzt demonstrativ an die Studenten im hinteren Teil des Raums und gab durch ihren energischen Tonfall zu verstehen, dass es an der Zeit sei, sich Notizen zu machen.

»Als die Sachsenchronik begonnen wurde, widmeten sich die Schreiber zuerst der Vergangenheit und begannen mit der römischen Besatzung. Die Chronik wurde noch lange nach der Regierung Alfreds des Großen fortgeführt, bis zur Mitte des zwölften Jahrhunderts. Diese Aufzeichnungen bilden die einzige zusammenhängende Sammlung von Texten über die Geschichte Englands. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um unpersönliche Aufzählungen von Fakten. Aber warum hätte ein Mönch im elften Jahrhundert, der in einem kalten Skriptorium stundenlang auf einer harten Holzbank sitzen musste – warum hätte so jemand mehr schreiben sollen als das Allernotwendigste?« Madeleine schwieg und lächelte wieder. Die Studenten, die sich die Mühe gemacht hatten mitzuschreiben, hielten ebenfalls inne; die aufgeweckteren unter ihnen schauten sie fragend an. Sie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, warum – sie hätte eigentlich über das Reich Karls des Großen sprechen sollen! Die Vorlesung über England vor der Eroberung durch die Normannen war erst nach dem Mittagessen dran. Offensichtlich spukte ihr immer noch die Sachsenchronik im Kopf herum.

Ihre Laune verbesserte sich schlagartig, als sie das Büro betrat und feststellte, dass Philippe, mit dem sie sich den Raum teilte, nicht da war. Auf Gesellschaft hatte sie mit ihrem verkaterten Kopf nämlich wenig Lust. Sie schob die Papiere auf ihrem Schreibtisch beiseite, um die Tastatur ihres Computers freizulegen, stellte den Rechner an, und während das Gerät sein Vorlaufprogramm abspulte, kramte sie in ihrer Handtasche nach Lydias Brief, in der Hoffnung, eine Erklärung zu dem rätselhaften lateinischen Dokument zu finden.

Liebste Madeleine,

meinst du, du könntest diesen kurzen Text für mich übersetzen – ich bin bei meinen Recherchen darauf gestoßen und sehr neugierig. Wir können uns ja vielleicht darüber unterhalten, wenn du das nächste Mal kommst (bleibt es bei deinem geplanten Besuch am 26. Januar?). Das Buch, aus dem ich den Text kopiert habe, würde dich bestimmt brennend interessieren, denn schließlich betrifft es ja eher deine – historische – Domäne als meine.

Mit meinem Vorhaben, ein bisschen Ahnenforschung zu betreiben, komme ich leider schrecklich langsam voran – wie dir vermutlich jeder bestätigen wird, der je der wahnwitzigen Idee verfallen ist, frühere Generationen ergründen zu wollen. Es trifft sich gut, dass ich mit Joan Davidson vom Zentrum für genealogische...



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