Fossum | Evas Auge | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 332 Seiten

Reihe: Konrad Sejer

Fossum Evas Auge

Thriller | Kommissar Konrad Sejer 1 | Das raffinierte Psychogramm einer norwegischen Kleinstadt
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98952-441-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Thriller | Kommissar Konrad Sejer 1 | Das raffinierte Psychogramm einer norwegischen Kleinstadt

E-Book, Deutsch, Band 1, 332 Seiten

Reihe: Konrad Sejer

ISBN: 978-3-98952-441-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Eindringlich und erbarmungslos zeigt die skandinavische Bestsellerautorin, dass in Ausnahmesituationen jeder zum Täter werden kann.»Eine großartige Erzählerin und Erforscherin der menschlichen Psyche.« Bestsellerautor Jo Nesbø Zwei Tote werden in einer norwegischen Kleinstadt gefunden: Ein Mann am Flussufer, mit Messerstichen übersät, und eine Prostituierte, in ihrer Wohnung erwürgt. Kommissar Konrad Sejer steht vor einem Rätsel: Zwei Verbrechen - scheinbar ohne Verbindung. Und niemand will etwas gesehen haben ... Die junge erfolglose Malerin Eva findet sich als alleinerziehende Mutter in zunehmender Bedrängnis. Ihrer kleinen Tochter kann sie kaum noch ein warmes Zuhause bieten. Da eröffnet ihr das Wiedersehen mit jemandem aus der Vergangenheit eine letzte Möglichkeit. Eva muss sich fragen: Wie weit ist sie als Mutter zu gehen bereit? Und dann beobachtet sie etwas, das nicht für ihre Augen bestimmt war. Etwas, aus dem Albträume gemacht sind ... Der erste Fall in der Thrillerreihe um Konrad Sejer, in der jeder Band unabhängig gelesen werden kann. Fans von Henning Mankell werden begeistert sein! Als Hörbuch bei Saga Egmont erhältlich sowie als eBook bei dotbooks.

Karin Fossums international erfolgreiche Krimis sind vielfach preisgekrönt. Ihr genaues Gespür für menschliche Abgründe beweist die norwegische Bestsellerautorin auch in der neuen Eddie-Feber-Reihe. Bei dotbooks veröffentlichte Karin Fossum ihre Krimireihe um Eddie Feber mit den Romanen »Familienbande« und »Nachtläufer«, die auch als Printausgaben und Hörbücher bei Saga Egmont erhältlich sind. Außerdem erscheint bei dotbooks ihre Konrad-Sejer-Reihe mit den Thrillern »Evas Auge«, »Fremde Blicke«, »Schwarzer Wald«, »Dunkler Schlaf« und »Stumme Schreie«, die als Hörbücher bei Saga Egmont erhältlich sind.
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Kapitel 2


Der Fluß strömte durch die Landschaft und zerriß die kalte Stadt in zwei fröstelnde graue Hälften. Es war April, es war kalt. Dort, wo der Fluß die Innenstadt erreichte, ungefähr beim Zentralkrankenhaus, begann er, zu schäumen und sich aufzuspielen, als ob ihn der Lärm des Verkehrs und der Industrieanlagen an seinen Ufern nervös mache. Der Fluß strömte und sprudelte immer heftiger, je weiter er sich in die Stadt vorarbeitete. Vorbei am alten Theater und am Bürgerhaus, entlang an der Eisenbahnlinie und vorbei am Markplatz, an der alten Börse, in der sich jetzt ein McDonald’s eingerichtet hatte, hinunter zur Brauerei mit ihrer schönen pastellgrauen Farbe, die außerdem die älteste Brauerei im Land war, bis zum Cash & Carry, zur Autobahnbrücke, einem großen Gewerbegebiet mit mehreren Autohändlern und schließlich bis zum alten Wirtshaus. Dort konnte der Fluß endlich den letzten Seufzer ausstoßen und sich ins Meer wälzen.

Es war später Nachmittag, die Sonne ging schon unter, und bald würde sich die Brauerei aus einem öden Koloß in ein Märchenschloß mit tausend Lichtern verwandeln, die sich im Fluß spiegelten. Erst nach Einbruch der Dunkelheit wurde diese Stadt schön.

Eva ließ ihre kleine Tochter, die am Flußufer entlangrannte, nicht aus den Augen. Die Entfernung zwischen ihnen betrug zehn Meter, und Eva gab sich Mühe, mit der Kleinen Schritt zu halten. Es war ein grauer Tag, nur wenig Menschen waren hier unterwegs, ein eiskalter Wind kam vom schäumenden Fluß her. Wenn Eva jemanden mit freilaufendem Hund sah, atmete sie erst wieder auf, wenn der Hund an ihr vorbei war. Sie sah niemanden. Ihr Rock flatterte ihr um die Waden, der Wind wehte durch ihren Pullover, und deshalb hatte sie sich beide Arme um den Leib geschlungen. Emma lief zufrieden immer weiter, sie sah nicht besonders graziös aus, denn sie wog viel zu viel. Ein dickes Kind mit großem Mund und eckigem Gesicht. Ihre roten Haare schlugen ihr in den Nacken, und durch das Wasser in der Luft sahen sie schmutzig aus. Durchaus kein hübsches, adrettes kleines Kind, doch das wußte Emma nicht, und deshalb tanzte sie ziemlich sorglos dahin, ohne Eleganz, dafür aber mit einem Lebenshunger, wie ihn nur ein Kind haben kann. Noch vier Monate bis zum Schulbeginn, überlegte Eva. Eines Tages wird sie in den kritischen Gesichtern auf dem Schulhof ihr Spiegelbild entdecken, und sie wird sich zum ersten Mal ihrer unschönen Erscheinung bewußt werden. Aber wenn sie ein starkes Kind ist, wenn sie auf ihren Vater kommt, der eine andere gefunden hat und weggezogen ist, dann wird das keine große Rolle für sie spielen. Daran dachte Eva Magnus an diesem Tag am Flußufer. Daran, und an den Mantel, der zu Hause im Flur am Haken hing.

Eva kannte den Weg sehr genau, sie waren hier schon zahllose Male entlanggewandert. Emma bestand immer wieder darauf, wollte nicht auf die alte Gewohnheit verzichten, über den Flußweg zu schlendern. Für Eva war das nicht so wichtig. In regelmäßigen Abständen verschwand die Kleine unten am Wasser, weil sie irgendetwas entdeckt hatte, das sie genauer in Augenschein nehmen mußte. Eva starrte mit Adleraugen hinterher. Wenn Emma ins Wasser fiel, gab es außer Eva niemanden, der sie retten konnte. Die Strömung war reißend, das Wasser eiskalt, das Kind schwer. Eva schauderte.

Jetzt hatte Emma einen flachen Stein ganz unten am Wasser entdeckt und rief nach ihrer Mutter. Eva ging zu ihr. Der Stein war gerade so groß, daß beide darauf sitzen konnten.

»Hier können wir nicht sitzenbleiben, der Stein ist naß. Wir können uns eine Blasenentzündung holen.«

»Ist das gefährlich?«

»Nein, aber es tut weh. Es brennt, und du mußt dann dauernd Pipi machen.«

Sie setzten sich trotzdem. Beobachteten staunend die lebhaften Stromwirbel.

»Wie kommt die Strömung ins Wasser?« fragte Emma.

Eva mußte kurz überlegen.

»Nein, Himmel, das weiß ich wirklich nicht. Vielleicht hat es etwas mit dem Flußboden zu tun, es gibt soviel, was ich nicht weiß. Das lernst du bald alles in der Schule.«

»Das sagst du jedes Mal, wenn du keine Antwort weißt.«

»Ja, aber es stimmt auch. Auf jeden Fall kannst du dann deine Lehrerin fragen. So eine Lehrerin weiß viel mehr als ich.«

»Das glaube ich nicht.«

Ein leerer Plastikkanister kam in hohem Tempo angesegelt.

»Den will ich! Holst du ihn mir raus?«

»Nein, igitt, laß das schwimmen, das ist doch bloß Abfall. Ich friere, Emma, können wir nicht bald nach Hause gehen?«

»Nur noch ein paar Minuten.«

Emma strich sich die Haare hinter die Ohren und stützte das Kinn auf die Knie, aber ihre Haare waren starr und unwillig und fielen ihr wieder ins Gesicht.

»Ist das sehr tief?« Sie nickte zur Flußmitte hinüber.

»Nein, eigentlich nicht«, sagte Eva leise. »Acht oder neun Meter, nehme ich an.«

»Das ist doch schrecklich tief.«

»Nein, ist es nicht. Die allertiefste Stelle der ganzen Welt ist im Stillen Ozean«, sagte Eva nachdenklich. »Eine Art Graben. Er ist elftausend Meter tief. Das nenne ich schrecklich tief.«

»Da würde ich aber nicht gern baden. Du weißt doch ganz viel, Mama, so eine Lehrerin weiß das bestimmt nicht alles. Ich wünsche mir eine rosa Schultasche«, sagte Emma.

Eva schauderte.

»Mm«, sagte sie laut. »Die sind schön. Aber sie werden so schnell schmutzig. Ich finde die braunen schön, diese braunen Ledertaschen, weißt du, was ich meine? Solche, wie die Großen sie haben?«

»Ich bin nicht groß. Ich komm’ doch erst in die erste Klasse.«

»Ja, aber du wirst doch größer, und du kannst nicht jedes Jahr eine neue Schultasche haben.«

»Aber jetzt haben wir doch mehr Geld, oder?«

Eva gab keine Antwort, warf bei dieser Frage jedoch einen raschen Blick über ihre Schulter, eine Angewohnheit, die sie früher nicht gehabt hatte. Emma fand ein Stöckchen und hielt es ins Wasser.

»Wie kommt der Schaum ins Wasser?« fragte sie dann. »Dieser gelbe, fiese Schaum.«

Sie schlug mit dem Stöckchen ins Wasser. »Soll ich die Lehrerin danach fragen?«

Noch immer gab Eva keine Antwort. Auch sie hatte jetzt das Kinn auf den Knien liegen, ihre Gedanken gingen wieder auf Wanderschaft, und sie sah Emma nur noch undeutlich aus dem Augenwinkel heraus. Der Fluß erinnerte sie an etwas. Jetzt konnte sie unten im schwarzen Wasser ein Gesicht flimmern sehen. Ein rundes Gesicht mit schmalen Augen und schwarzen Brauen.

»Leg dich aufs Bett, Eva.«

» Was? Wieso denn?«

»Mach es einfach. Leg dich aufs Bett.«

»Können wir zu McDonald’s gehen?« fragte Emma plötzlich.

»Was? Ja, sicher. Wir gehen zu McDonald’s, da ist es immerhin warm.«

Sie erhob sich leicht verwirrt und nahm ihr Kind am Arm. Schüttelte den Kopf und starrte in den Fluß. Das Gesicht war verschwunden, aber sie wußte, es würde wieder auftauchen, würde sie vielleicht für den Rest ihres Lebens verfolgen. Sie gingen hoch zum Wanderweg und gingen weiter zur Stadt. Niemand begegnete ihnen.

Eva merkte, daß ihre Gedanken wegliefen, sie gingen ihre eigenen Wege und landeten an Orten, die sie lieber vergessen hätte. Das Rauschen des Flusses ließ Bilder vor ihr auftauchen. Sie wartete auf das Verschwinden dieser Bilder, sie wollte endlich ihre Ruhe. Und inzwischen verging die Zeit. Ein Tag nach dem anderen, und inzwischen waren es sechs Monate geworden.

»Kriege ich eine Juniortüte? Die kostet siebenunddreißig Kronen, und mir fehlt noch Aladdin.«

»Ja«

»Und was willst du, Mama? Chicken McNuggets?«

»Weiß noch nicht.«

Eva starrte wieder in das schwarze Wasser hinab, beim Gedanken ans Essen wurde ihr schlecht. Sie aß überhaupt nicht sonderlich gern. Jetzt sah sie, wie sich unter dem graugelben Schaum die Wasseroberfläche hob und senkte.

»Wir haben doch jetzt mehr Geld, Mama, wir können essen, was wir wollen, oder?«

Eva schwieg. Sie blieb plötzlich stehen und kniff die Augen zusammen. Dicht unter der Wasseroberfläche sah sie etwas Grauweißes. Es wiegte sich schlaff hin und her und wurde von der starken Strömung ans Ufer gepreßt. Evas Augen waren so sehr mit diesem Anblick beschäftigt, daß sie die Kleine vergaß, die nun ebenfalls stehengeblieben war, und die genauer hinsah als ihre Mutter.

»Das ist ein Mann!« rief Emma. Sie bohrte die Fingernägel in Evas Arm und machte große Augen. Einige Sekunden lang starrten beide nur die aufgedunsene, halb aufgelöste Gestalt an, die mit dem Kopf voran zwischen die Steine trieb. Der Mann lag auf dem Bauch. Sein Hinterkopf war nur schütter behaart. Eva nahm Emmas Nägel, die sich durch ihren Pullover bohrten, gar nicht wahr, sie sah nur den grauweißen Toten mit den blonden, zerzausten Haaren, und sie wußte nicht sofort, daß sie wußte, wer er war. Aber seine Turnschuhe - die hohen, blauweißgestreiften Turnschuhe ... ein heftiger Blutgeschmack füllte plötzlich ihren Mund.

»Das ist ein Mann«, sagte Emma noch einmal, jetzt leiser.

Eva wollte schreien. Der Schrei erstickte in ihrer Kehle. »Er ist ertrunken. Der Arme, er ist ertrunken, Emma!«

»Warum sieht er so fies aus? Fast wie Wackelpudding! «

»Weil«, stammelte Eva, »weil das so lange her ist.«

Sie biß sich so hart auf die Lippe, daß sie platzte. Der Blutgeschmack ließ Eva fast umsinken.

»Müssen wir ihn aus dem Wasser holen?«

»Nein, spinnst du! Das macht die Polizei!«

 »Rufst du die jetzt an?«

Eva legte den Arm um die breite Schulter ihrer Tochter und stolperte mit ihr über den Weg. Gleich darauf schaute sie sich um, als erwarte sie einen Angriff. An der Auffahrt zur Brücke stand eine...



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