Fossum | Schwarzer Wald - oder: Wer hat Angst vorm bösen Wolf | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 328 Seiten

Reihe: Konrad Sejer

Fossum Schwarzer Wald - oder: Wer hat Angst vorm bösen Wolf

Thriller | Kommissar Konrad Sejer 3 | Von der norwegischen Meisterin der psychologischen Spannung
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98952-945-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Thriller | Kommissar Konrad Sejer 3 | Von der norwegischen Meisterin der psychologischen Spannung

E-Book, Deutsch, Band 3, 328 Seiten

Reihe: Konrad Sejer

ISBN: 978-3-98952-945-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



»Karin Fossum erzählt verdammt spannend, furchtlos und poetisch.« Norddeutscher Rundfunk Flirrende Hitze liegt über dem norwegischen Dorf Finnemarka, als Kommissar Konrad Sejer zu einem Tatort gerufen wird: Die alte Witwe Halldis Horn wurde auf ihrem abgelegenen Hof brutal erschlagen. Schon bald fällt der Verdacht auf Erkki, einen Jungen, der aus der psychiatrischen Anstalt geflohen ist und der in der Nähe des Hofs gesehen wurde. Seit dem Tod seiner Mutter schreibt die Dorfgemeinschaft ihm jedes Unheil zu, das erkennt Konrad Sejer schnell. Soll er nur zum Sündenbock gemacht werden? Erkkis Therapeutin ist davon überzeugt. Doch bevor Sejer mehr herausfinden kann, werden die Ermittlungen von einem Bankraub überschattet. Dem Täter gelingt die Flucht - und als Geisel nimmt er ausgerechnet Erkki mit in die dunklen Wälder. Was wird dort draußen geschehen, wenn es nur noch heißt, fressen oder gefressen werden? Der dritte Fall in der skandinavischen Thrillerreihe um Konrad Sejer, in der jeder Band unabhängig gelesen werden kann, erschien vorab bereits unter dem Titel »Wer hat Angst vorm bösen Wolf«. Für Fans von Henning Mankell und Håkan Nesser!

Karin Fossums international erfolgreiche Krimis sind vielfach preisgekrönt. Ihr genaues Gespür für menschliche Abgründe beweist die norwegische Bestsellerautorin auch in der neuen Eddie-Feber-Reihe. Bei dotbooks veröffentlichte Karin Fossum ihre Krimireihe um Eddie Feber mit den Romanen »Familienbande« und »Nachtläufer«, die auch als Printausgaben und Hörbücher bei Saga Egmont erhältlich sind. Außerdem erscheint bei dotbooks ihre Konrad-Sejer-Reihe mit den Thrillern »Evas Auge«, »Fremde Blicke«, »Schwarzer Wald«, »Dunkler Schlaf« und »Stumme Schreie«, die als Hörbücher bei Saga Egmont erhältlich sind.
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Kapitel 3


Das Haus war eine Überraschung, es versteckte sich im Dickicht. Eine alte Kate, seit Jahrzehnten unbewohnt. Erstaunlich gut erhalten, obwohl Landstreicher längst nahezu alle Einrichtungsgegenstände ramponiert hatten. Nicht wenige hatten sich im Laufe der Jahre vorübergehend hier niedergelassen, den heruntergekommenen Räumen ihre Prägung aufgedrückt oder leere Flaschen hinterlassen.

Er blieb eine Weile zwischen den Bäumen stehen und starrte. Es war ein Holzhaus mit einem mit üppigem Gras bewachsenen Vorhof. Vorsichtig streckte er die Hand nach der schweren Tür aus und schob sie auf. Wartete einen Moment und schnupperte. Im Haus fand er Küche, Wohnzimmer und zwei Kammern, und in einem Etagenbett lag eine alte Matratze mit gestreiftem Bezug. Er schlich sich von Zimmer zu Zimmer und schaute sich um. Nahm den Geruch des alten Holzes in sich auf. In diesem Haus war Errki seinen Ahnen näher, als er ahnte. Es war eine alte Almhütte, errichtet auf der Rodung eines der vielen finnischen Siedlerplätze des 17. Jahrhunderts. Während er durch das Haus ging, belauschte er aufmerksam die stummen Wände. In diesem Haus schien sich irgendetwas zugetragen zu haben. In den Wänden hing arge Wut. An mehreren der dicken Baumstämme ragten Splitter aus riesigen Wunden, jemand schien mit einer Axt auf sie losgegangen zu sein. Kein Fenster war unversehrt, in den geborstenen Rahmen saßen nur noch vereinzelte Glasscherben. Er dachte kurz nach. Mit dem Auto konnte man unmöglich herkommen, und seines Wissens hatte niemand ihn gesehen, als er vom Weg abgebogen und den Hang heraufgeklettert war. Er hatte keine Uhr, aber er wußte, daß genau eine halbe Stunde vergangen war, seit er die Landstraße verlassen hatte. Daß er nichts zu essen und keine anderen Kleider hatte, machte ihm keine Sorgen. Aber er hatte Durst. Er bewegte die Kiefer, um ein wenig Speichel zu produzieren. Kaute am Ende auf seiner eigenen Zunge herum.

Schließlich ging er in den Raum, der früher die Küche gewesen war, und öffnete aufs Geratewohl einige Schubladen. Die Griffe waren verschwunden, er mußte seine langen Fingernägel wie Hebel benutzen. Er fand eine Gabel mit abgebrochenen Zinken und eine Packung Stearinkerzen. Krümel und Spinngewebe. Kronkorken. Eine leere Streichholzschachtel. Vor dem eingeschlagenen Fenster hingen die Reste einer Tüllgardine; als er sie berührte, zerfielen sie zwischen seinen Fingern zu Staub. Er ging zurück ins Wohnzimmer. Von dort schaute ein Fenster auf den Hof, das an der Wand gegenüber dagegen auf einen See. An dieser Wand stand ein altes Sofa mit grünem, genopptem Bezug, an der gegenüberliegenden ein Schrank. Er öffnete die Tür und schaute hinein. Leer. Der Bretterboden war verschmutzt und klebrig. Vorsichtig ließ er sich auf das Sofa sinken. Die Federn ächzten, und eine Staubwolke stob von dem verschlissenen Bezug auf. Also ging er wieder in die erste Kammer, zu dem Bett mit der Matratze. Streifte Jacke und T-Shirt ab und legte sich hin. War für eine Ewigkeit verschwunden. Als er endlich wieder erwachte, hatte er vergessen, wo er war, und außerdem hatte er geträumt. Deshalb beging er den großen Fehler, ohne vorheriges Nachdenken in die Sonne hinauszulaufen. Es war demütigend, seinen eigenen Inhalt von der Treppe kratzen und sich Nestors boshaftes Gelächter anhören zu müssen. Während ihm sein Gedärm wie Schlangenbrut durch die Finger glitt.

Er erwachte zum zweiten Mal. Setzte sich vorsichtig auf und starrte ins Leere. Strich sich über die Brust, doch die Brust war unversehrt. Nur eine rote, gezackte Narbe war noch vorhanden. Sie begann mitten zwischen den Brustwarzen und zog sich zum Nabel hinunter. Die Sonne stand jetzt höher am Himmel. Er stand auf. Die Kammer war fast leer, außer dem Bett gab es nur einen grob gezimmerten Nachttisch, kaum mehr als eine Kiste. Langsam durchquerte er den Raum. Öffnete die Nachttischschublade. Und während er hineinstarrte, rieb er sich zerstreut eine wehe Stelle an der Hüfte. Er hatte auf etwas Hartem gelegen. Er kehrte zum Bett zurück und betrachtete die Matratze. Betastete sie mit den Fingern. Dort lag etwas Schmales, Hartes. Mißtrauisch hob er die Matratze an und drehte sie um. Auf der Unterseite wies der Bezug ein großes Loch auf, ein wenig von der Schaumgummifüllung war entfernt worden. Er schob die Hand in das Loch und bohrte sich einen Weg. Fand etwas Kaltes. Zog es hervor und starrte es verwundert an, mochte seinen Augen nicht trauen. Ausgerechnet hier, in dieser heruntergekommenen Kate, in einer alten, angeschimmelten Matratze, lag ein Revolver. Er hielt ihn vorsichtig mit beiden Händen und schaute in den Lauf hinein. In Errkis Händen war diese Waffe ein fremder Gegenstand, doch als er sie in die rechte Hand nahm und mit dem Finger den Abzug berührte, spürte er, wie gut sie darin lag. Welche Kraft sie besaß. Alle Macht auf Himmel und Erden. Brise, Windstoß und Sturm. Neugierig öffnete er das Magazin und schaute hinein. Dort steckte eine einzige Kugel.

Aufgeregt nahm er sie heraus und untersuchte sie sorgfältig. Sie war lang und blank und an der Spitze überraschend rund. Er schob sie wieder ins Magazin und freute sich darüber, wie gut sie hineinpaßte. Nachdem er diesen Fund gemacht hatte, sah er sich erst einmal ausgiebig um. Irgendwer hatte hier übernachtet und den Revolver versteckt. Das war seltsam. Vielleicht war der Unbekannte überrascht worden und hatte die Waffe nicht mitnehmen können. Vielleicht wartete er auf den richtigen Zeitpunkt, um zurückzukommen und sie zu holen. Es war ein schöner Revolver. Errki hatte keine Ahnung von Waffen, aber diese hielt er für einen großkalibrigen Revolver von teurer Marke. Er las die kleinen Buchstaben auf dem Schaft: Colt.

»Was meinst du, Nestor«, murmelte er und drehte und wendete die Waffe. Dann hielt er inne und ließ sie fallen. Sie knallte auf den Boden. Er lief in die Küche, klammerte sich am Spülbecken an und blieb eine Weile so stehen. Das hätte er sich ja denken können. Daß Nestor ekelhafte Vorschläge machen würde. Er hörte, wie sie da unten in dem finsteren Keller lachten, daß der Staub nur so aufflog. Dann ging er wieder in die Kammer und starrte den Revolver lange an. Endlich schob er ihn in die Matratze zurück. Er brauchte ihn nicht, er hatte andere Waffen. Danach wanderte er durch das Haus, von der Küche ins Wohnzimmer und zurück, und die ganze Zeit starrte er die verdreckten Bodenbretter an. Sie knackten und ächzten in unterschiedlicher Tonhöhe. Bald hatte er auf seiner Wanderung von Zimmer zu Zimmer eine ganze Melodie gespielt. Seine schwarzen Haare wurden wütend hin und her geschwenkt, Jacke und Hose taten es ihnen nach. Er streckte die Arme schräg nach unten und bewegte die Finger im Takt der Brettermusik. Er wurde in den Rhythmus hineingesogen, er ging und ging, er konnte nicht aufhören und wollte es auch gar nicht. In dieser leichten Trance fand er Frieden, er brauchte nur zu gehen, hin und her, mit gleichmäßigen Schritten und gespreizten Fingern. Knack knack, Errki geht, hin und her, wieder und wieder, von Zimmer zu Zimmer, knacketiknack.

Er wußte nicht, wie lange er schon unterwegs war, aber schließlich faßte er Mut und blieb vor der Haustür stehen. Öffnete sie, vorsichtig. Hemmungslos ergoß sich der Sonnenschein über die Bäume. Er schlug die Augen nieder und trat vorsichtig auf die Steintreppe. Ging langsam durch das Gras. Blieb stehen, schnupperte in Richtung der Tannenzapfen über und der Buntnesseln und Farnsträucher unter ihm. Wurzel, Stengel und Blatt. Endlich war er wieder unterwegs. Wußte nicht, wohin, wußte nicht, was er vorhatte. Nestor lenkte seine Schritte den Hang hinab, zu den Häusern. Es war noch immer früh am Morgen. Ganz besonders morgenmuntere Menschen hatten wohl gerade ihre Füße auf den Boden gesetzt. Sie hatten die Vorhänge zur Seite geschoben und in den strahlenden Tag hinausgeblickt. Einen heißen Tag. Hell. Flimmernd und grün. Optimistisch schmiedeten sie Pläne für diesen Tag, zur Feier des schönen Wetters und des schmerzlich kurzen Sommers. Eine von denen, die da Pläne machten, war Halldis Horn. Sie lebte allein auf einem kleinen Hof, nicht weit von der alten Finnenrodung entfernt. Und als Errki die ersten Schritte durch das Gras machte, streifte sie sich gerade das Nachthemd über den Kopf.

Ihre erste und auch ihre zweite Jugendblüte waren längst vorbei.

Und sie war viel zu dick. Aber für einige wenige vorurteilslose Gemüter bot sie absolut einen Anblick. Groß und rund und hochbusig, mit einem grauen Zopf, der ihr wie eine Eisentrosse über den Rücken hing. Ihr Gesicht war rund und frisch, ihre Wangen rosig angehaucht, ihr Blick hatte sein scharfes Funkeln behalten.

Sie ging durch Wohnzimmer und Küche und öffnete die Tür zum Hof. Hob das Gesicht in die Sonne. Blieb eine Weile auf der Treppe stehen, in karierter Schürze und Holzpantinen, und schaute sich aus zusammengekniffenen Augen um. An den Beinen trug sie braune Kniestrümpfe. Nicht, weil es kalt gewesen wäre, sondern weil sie wußte, daß Frauen in ihrem Alter besser nicht zuviel nackte Haut zeigen, und auch wenn nie ein Mensch herkam, abgesehen vom Kaufmann einmal die Woche, gab es doch immer den Herrgott mit seinem ewigen, allwissenden Blick. Was ja seine Vor- und Nachteile hatte, um es mal so zu sagen. Denn sie war zwar gläubig, kritisierte das göttliche Walten aber auch bisweilen voller Zorn und betete danach nicht um Vergebung. Jetzt starrte sie eine Löwenzahninvasion an. Überall wuchs Löwenzahn, er schien zu gedeihen wie Unkraut und drohte ihren ganzen gepflegten Hof zu ruinieren. Zweimal jeden Sommer rückte sie dem Unkraut mit einer Hacke zu Leibe. Ihren wütenden Hieben fiel eine Pflanze nach der anderen zum Opfer. Sie arbeitete gern, aber...



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