Freimuth | Moderation | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band Band 22, 125 Seiten

Reihe: Praxis der Personalpsychologie

Freimuth Moderation


1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8444-1969-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band Band 22, 125 Seiten

Reihe: Praxis der Personalpsychologie

ISBN: 978-3-8444-1969-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Erfindung und Entwicklung verschiedener Formen der Moderation in den letzten Jahren zählt zu den wesentlichen sozialen Innovationen im Bereich der Unternehmensführung. Sie gewannen an Bedeutung in dem Maße, wie die Wichtigkeit von Kommunikation bei Entscheidungen in Gruppen erkannt wurde. Mit den verschiedenen Moderationsverfahren steht inzwischen ein differenzierter Kanon von Methoden, Verfahren und Formaten zur Verfügung, um Konflikte und Probleme in Entscheider-Gruppen im Rahmen von Workshops, Konferenzen oder Projektbesprechungen zu lösen. Darüber hinaus sind verschiedene Verfahren der Großgruppen-Moderation hinzugekommen, die Hunderte von Betroffenen an Entscheidungen zu beteiligen vermögen. Die Kenntnis all dieser Verfahren und ihrer Grundlagen gehört zur modernen Unternehmensführung, weil Entscheidungen unter dem Einfluss unterschiedlicher Stakeholder nicht zuletzt auf Konsens angewiesen sind.
Der vorliegende Band gibt dem Leser einen kompakten Überblick über die psychologischen Grundlagen der Moderation und die Rolle des Moderators als Beobachter der Kommunikation in Entscheider-Gruppen. Sehr differenziert werden die verschiedenen Gestaltungsmittel der Moderation erläutert, von Fragetechniken über Visualisierung und Ergebnissicherung bis hin zur Wahl von Settings für die Gruppenarbeit. Die für den Moderator vorherrschende rhetorische Form sind Fragen. Wie er in diesem Zusammenhang vorgeht und was er damit in Gruppen bewirken kann, wird mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet. Darüber hinaus wird dargestellt, welche unterschiedlichen Varianten für Moderation entwickelt wurden und was alles bei der Entscheidung für eine bestimmte Form der Moderation und der Auswahl des Moderators zu beachten ist. Das Spektrum umfasst den klassischen moderierten Workshop bis hin zu Open Space.

Freimuth Moderation jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2      Theorien und Modelle der Moderation


2.1    Theorien der Moderation

Soziale Innovationen

Was sich anfänglich in Deutschland unter der Überschrift Moderation entwickelte, war zunächst ein wenig geordnetes Ensemble von „Methoden, Techniken, Hardware, Spielregeln, Settings und Verhaltensempfehlungen“, die bei Problem- und Konfliktlösungen in Gruppen von Entscheidern eingesetzt wurden (Friedmann, 1996). Alle diese Konzepte sind schrittweise in der konkreten Beratungsarbeit entstanden, nicht am grünen Tisch. Es war ein inkrementaler und experimenteller Vorgang des Lernens, weniger ein systematischer Prozess. Das vorrangige Ziel bestand darin, die praktischen Verständigungsprobleme von Gruppen zu lösen. Eine kohärente psychologische Theorie lag dieser Entwicklung zunächst nicht zugrunde (neuerdings: Nußbeck, 2006), wenngleich jedoch eine Reihe von psychologischen und sozialwissenschaftlichen Strömungen diskutiert und nach pragmatischen Maßstäben verarbeitet wurde. Man kann die Entwicklung der Moderation eher als eine Folge von sozialen Innovationen (Bornstein, 2004) begreifen, die sich nach und nach insbesondere mit der pädagogischen Aufbereitung für Moderatoren-Trainings systematisiert haben und für deren Erklärung Versatzstücke aus unterschiedlichen Theorie-Gebäuden in pragmatischer Absicht Eingang fanden in die Beratungsarbeit.

Begründung und Selbstklärung

Die vielen Moderatoren-Trainings, die durchgeführt wurden, erzwangen insbesondere durch die in den 70er-Jahren in die Organisationen strömenden kritischen Nachwuchskräfte einen Bedarf nach schlüssigen Erklärungen und Begründungen. Darüber hinaus bestand natürlich auch ein signifikantes Bedürfnis nach reflektierter Praxis. Wolfgang Schnelle (2002, S. 290), Mitbegründer des Quickborner Teams und von Metaplan®, schrieb dazu: „Wir tun dies, indem wir die Theorieangebote danach befragen, wie sie uns das zu erklären vermögen, was wir in unseren Beratungsarbeiten beobachten und erleben.“ Die Wissenschaft folgte der Praxis nach, erst später entstanden kohärentere Bezugsrahmen. Moderation war besonders anfänglich, ähnlich wie die gesamte Organisationsentwicklung (Wimmer, 2004), in erster Linie eher Aktionsforschung, nicht Erkenntnis an sich und keinesfalls irgendeine Form von privilegierter Datengewinnung über soziale Systeme.

Geniale Vereinfachung

Dem Bedürfnis nach Selbstklärung und Erklärung kamen daher zunächst Konzept-Angebote entgegen, die sich in didaktisch geschickter Weise und zuweilen formelhaft präsentierten. Klassisch dafür sind Watzlawick, Beavin & Jackson (1982, erstmals 1967). Ihre Axiome der Kommunikation wurden in unzähligen Seminaren „hergebetet“, ebenso wie die bekannten Feedback-Regeln, die auf Ruth Cohn (1988, erstmals 1975) zurückreichen. Solche Formen der pädagogischen Aufbereitung sind für den Diffusionsprozess sozialer Innovationen wichtig und hilfreich, sonst sind Techniken, Regeln und Einstellungen nicht erklärbar. Eberhard Schnelle, ebenfalls Mitbegründer des Quickborner Teams und von Metaplan®, sprach in diesem Zusammenhang von der „Kunst der genialen Vereinfachung“. Allerdings beinhaltet sie das Risiko des Reduktionismus und der Simplifikation durch missionierende Propheten und übereifrige Adepten, was in Ausdrücken wie etwa „Pinnwand-Methode“ oder „Kärtchen-Technik“ zum Ausdruck kommt.

Insgesamt gesehen ist es also recht gewagt, von „Theorien der Moderation“ zu sprechen. Rückschauend könnte jedoch die in Abbildung 8 dargestellte Systematik hilfreich sein, die andeutungsweise zeigt, an welche Theorie-traditionen bei der Herausbildung der Moderationsmethoden angeknüpft wurde.

Abbildung 8:
Theorieansätze, die für die Entwicklung der Moderation wichtig waren

Das Quickborner Team stand in den 60er-Jahren zunächst stark unter dem Einfluss der klassischen Kybernetik und der Informationstheorie. Zur Rezeption und Verbreitung dieser Konzepte aus den USA wurde ein eigener Verlag gegründet. Analog der Planungseuphorie in der etablierten Betriebswirtschaftslehre entwickelten sich Beratungskonzepte und Modelle, die unter der Überschrift komplexe Planung zur Bewältigung von Entscheidungskomplexität zusammen gefasst wurden.

Umgang mit Widerständen

Eine Relativierung dieser noch recht deterministischen Sicht von sozialen Systemen wurde eingeleitet durch die irritierende Erfahrung von Widerständen in betroffenen Organisationen, die solche direktiven Beratungskonzepte verständlicherweise erzeugen: Manager riefen daher nach Führungsmethoden, die ihnen helfen sollen, jene aus ihrer Sicht unerwünschten und ungehörigen Widerstände zu überwinden (Bendixen, Schnelle & Staehle, 1968, S. 21). Konzeptionell wurden diese Erfahrungen angereichert durch neue Erkenntnisse aus der Entscheidungstheorie, ersten Theorien über Komplexität und vernetztem Denken sowie insbesondere der Gruppendynamik, welche die Fruchtbarkeit von Konflikten betonte. Diese Sicht stand in einem krassen Widerspruch zu dem damaligen Verständnis industrieller Demokratie in Deutschland, das durch den Griff nach der ein für allemal gerechten Lösung, der Suche nach Gewissheit und der Angst vor der widerspruchsvollen Vielfalt der Wirklichkeit geprägt war (Dahrendorf, 1968, S. 197). Mit der zögerlichen Aufgabe dieser vergeblichen Suche nach Gewissheit gewannen Modelle über Kommunikation und Verständigung an Bedeutung, aus der frühen Kybernetik wurde die ganzheitliche Betrachtung von Systemen und Beziehungen übernommen.

Forderung nach Partizipation

Die humanistische Psychologie und die auf ihr basierenden partizipativen Führungsmodelle prägten die normativen Grundlagen der Moderation, der Glaube an Ressourcen und die Motivierbarkeit von Menschen. Dieses veränderte Führungsverständnis wurde natürlich auch gespeist durch die politischen Transformationen in Deutschland Ende der 60er-Jahre: Eine Reihe von jungen Beratern kam mit entsprechenden Leitbildern in das Quickborner Team und beeinflussten den Diskurs in diese Richtung nachhaltig.

Selbstorganisation und Kontextsteuerung

In den letzten Jahren standen Arbeiten über Lernen in Gruppen und Organisationen im Vordergrund, die theoretisch u. a. auf die Instruktionspsychologie zurückgeführt werden können. Von immenser Bedeutung für ein modernes Verständnis von Moderation waren schließlich die Erkenntnisse aus systemischen Theorien über Wahrnehmung, die die relative Geschlossenheit von sozialen Systemen postulierten und die Begrenzungen der Rolle des Moderators klarer fassten. All das mündet heute ein in Theorien über die Steuerung von Systemen und ihrer Selbstorganisation. „Selbst“ heißt, dass soziale Systeme selbstbezüglich sind. Sie bringen ihre kognitiven und emotionalen Muster mit eben diesen Mustern hervor (Haken & Schiepek, 2006). Das gilt ebenso für die Beobachtungen und Rückkopplungen des Moderators. Aus dieser Perspektive kann moderatorisches Fragen und Intervenieren nicht als Form direkter Einwirkung gesehen werden, sondern im Sinne von Kontextsteuerung, d. h., die Schaffung von Bedingungen, die es für das zu beeinflussende System attraktiv oder unausweichlich erscheinen lassen, eine selbstgenerierte Veränderung vorzunehmen (Neuberger, 2002, S. 632).

Diese mehr als grobe Skizze zeigt, wie vielfältig die Einflüsse aus Theorie, Praxis und dem gesellschaftlichen Umfeld auf die Entstehung der Moderation waren und sind. Im Folgenden nun zu den einzelnen konzeptionellen Grundlagen einige weitere Ausführungen:

2.1.1  Entscheidungen in Gruppen

Die theoretische Reflexion der Dynamik von Entscheidungen in Gruppen war ein wichtiger Impuls für die Entstehung bzw. Begründung der Moderation. In der vorherrschenden Entscheidungstheorie blieb die Bedeutung von Gruppen ziemlich ausgeblendet. Man ging davon aus, dass Entscheidungen rational von einzelnen Managern getroffen werden, die zwischen Optionen unter Abschätzung von Nutzen und Kosten eine rationale Wahl treffen (Jungermann, Pfister & Fischer, 1998). Den Hintergrund bildete eine strukturierte und hierarchische Organisation. Sie benötigt keine Kommunikation für das Fällen und die Geltendmachung von Entscheidungen. Alle relevanten Informationen und Kompetenzen können in diesem Modell auf den jeweils betroffenen Ebenen erwartet werden (Wimmer, 2006).

Einfluss von Experten auf Entscheidungen

Diese Vernunftutopie erhielt Blessuren durch die Befunde von Herbert Simon (1955) zur eingeschränkten Rationalität bei Entscheidungen. In der Praxis wurden die Folgekosten der schwerfälligen Hierarchie und langwieriger Entscheidungen beklagt, bedingt etwa durch die mangelhafte Adaption des Wissens eigensinniger Experten (Scott, 1968). Mit anderen Worten, mit der wachsenden Bedeutung von Expertenwissen für plausible Entscheidungen entstanden nichthierarchische Austauschbeziehungen (Thompson, 1968). Eine mögliche Antwort, diese wichtigen Ressourcen in komplexe Entscheidungen einzubeziehen, war die Herausbildung von mehrdimensionalen Organisationsformen, wie etwa die Matrix-Struktur (Prahalad, 1988). Eine weitere Alternative wurde schon frühzeitig in Gruppen gesehen (Hofstätter, 1957), die im Kontrast zur schwergängigen Abstimmung über bürokratisierte Abläufe und die Linienorganisation auf unmittelbaren Kontakt und direkten Austausch von relevanten Informationen beruhen. Ihre direkte und ungefilterte Interaktion versprach mehr Kreativität und ein höheres Problemlösungspotenzial.

Industrielle Demokratie

Gleichberechtigtes Arbeiten und Entscheiden in Gruppen kam darüber...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.