Friemond | Schwesterlein | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 380 Seiten

Reihe: Christin Erlenbeck

Friemond Schwesterlein

Niederrhein-Krimi
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95441-716-2
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Niederrhein-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 6, 380 Seiten

Reihe: Christin Erlenbeck

ISBN: 978-3-95441-716-2
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wenn das Kinderlachen verstummt Im beschaulichen Rheindorf Löhnen hat sich eine rechtsextreme Wohngemeinschaft, die ihr Leben streng nach den Gesetzen der Natur ausrichtet, in einem alten Herrenhaus niedergelassen. Als eine der Mitbewohnerinnen bei der Hausgeburt ihres Babys stirbt, wird dies von der Staatsanwaltschaft als Unglück eingestuft, und die Ermittlungen werden eingestellt. Die Polizistin und Psychologiestudentin Laura Bauer ist fassungslos und lässt sich zum Schein als Anhängerin völkischer Ideologie in die Gruppe einschleusen. Als in einer nahen Lehmgrube durch den sinkenden Grundwasserspiegel eine Kinderleiche auftaucht, wird nicht nur das Voerder Polizeiteam mit alten Geheimnissen konfrontiert. Auch Pfarrerin Christin Erlenbeck wird in einen Strudel von Erinnerungen gerissen - Erinnerungen daran, dass vor vielen Jahren genau hier ein Kind verschwand ...

Sabine Friemond (* 1968) ist gelernte Buchhändlerin. Ihre Liebe zu Büchern ist bereits daran ersichtlich, dass sie am Niederrhein eine Buchhandlung in Voerde betreibt. Ihre Heldin Pastorin Christin Erlenbeck ermittelt bereits in ihrem sechsten Fall.
Friemond Schwesterlein jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


11. Kapitel


März 2023

Für die Fahrt ins Duisburger Polizeipräsidium nutzte Laura die Bahn. Der Zug war überfüllt, aber immerhin halbwegs pünktlich losgefahren. Für die knapp zwanzig Minuten Bahnfahrt von Düsseldorf, wo sie ein Zimmer in einer WG hatte, bis Duisburg hatte sie sich keinen Sitzplatz gesucht, sondern war in der Nähe der Tür stehen geblieben. Sie war gespannt, warum die Neuwerth sie persönlich sprechen wollte, konnte sich aber denken, dass es um Johanna und Frieda Hochberg ging. Sie hoffte sehr, dass Johannas Tod doch noch einmal untersucht werden würde.

Das Timing war gut gewesen. Nur wenige Stunden nachdem sie mit einem riesigen Seufzer der Erleichterung den Schlusspunkt unter ihre Bachelorarbeit mit dem Thema »Kindliche Traumata von im Dienste staatlicher Körperschaften stehenden Bediensteten und ihre Auswirkungen auf deren Ermittlungsarbeit« gesetzt hatte, hatte die Staatsanwältin sie angerufen und um ein Gespräch gebeten. Dass sie nicht am Telefon mit ihr reden wollte, deutete für Laura darauf hin, dass ihr energisches Auftreten vielleicht etwas bewirkt hatte.

Wie aus einer explodierenden Sektflasche strömten die Reisenden aus dem Zug, als sich die Türen im Duisburger Hauptbahnhof öffneten. Die Menschenmenge ergoss sich auf den Bahnsteig, floss die Treppen hinunter und verteilte sich auf den Wegen zu den nächsten Bahnsteigen oder den Ausgängen. Laura ließ sich zum Hauptausgang treiben, sie brauchte nicht zu hetzen, würde pünktlich am Präsidium sein.

Die Duisburger Innenstadt hatte sie in den letzten Jahren gemieden. Sie war froh gewesen, dass Hamza, obwohl Duisburger, keinen Drang zu seiner Heimatstadt gehabt und sich gerne bei ihr in Düsseldorf aufgehalten hatte. Obwohl sie sich äußerlich komplett verändert hatte, hielt sie den Kopf gesenkt, befürchtete immer, dass gewisse Personen sie erkannten. Aber das war lächerlich. Diese gewissen Personen waren auch älter geworden und trieben sich hoffentlich nicht mehr in Hauseingängen oder auf Parkbänken herum und pöbelten, halb betrunken, Obdachlose oder Ausländer an. Außerdem musste sie sich klarmachen, dass sie vielleicht irgendwann einmal hier arbeiten würde und den Typen, denen sie einmal die knallharte Skinfrau vorgespielt hatte, sowieso begegnen würde.

Innerlich ermutigt durch die vernünftige Analyse ihrer Befindlichkeiten, straffte sie ihre Schultern und hob den Kopf. Sie erstarrte, als ihr Blick wie ein Torpedo direkt in eisblaue Augen schoss.

Stefan Wagner hatte Kopfschmerzen vorgeschoben, um etwas eher von seiner Arbeitsstelle, der Rhein-Ruhr-Sicher, kurz RRS, aufbrechen zu können. Was auch nicht ganz gelogen war, denn seit einiger Zeit litt er wieder unter Schmerzen, die sich von seinem fein säuberlich ausrasierten Nacken bis zur Schädeldecke zogen.

Die Art von Schmerz, den er seit seiner Kindheit kannte.

Der immer auftrat, wenn sich die Dinge in seinem Leben änderten und ihm Kopfzerbrechen bereiteten.

So wie seit dem Treffen in dem Autohaus.

Natürlich hatte ihn die merkwürdige Frau im Café neugierig gemacht. Und etwas an ihrer Art hatte ihm gesagt, dass er zu diesem Treffen gehen sollte. Zu gekonnt hatte sie die fahrige, vielleicht angetrunkene Frau gespielt. Als sich die Adresse als ein Autohaus der Oberklasse entpuppt hatte, hatte er innerlich aufgelacht. War das ein billiger Marketingtrick gewesen?

Erwartungsvoll hatte er das Geschäft betreten. Etwas entfernt von ihm, auf der rechten Seite des Showrooms, hatte ein Verkäufer ein Gespräch mit einem älteren Mann geführt, auf der linken Seite betrachtete ein elegant gekleidetes Pärchen den Innenraum einer Limousine. Stefan schlenderte nun seinerseits zwischen den Autos hindurch, als ihn plötzlich die Frau leicht anrempelte. Lachend entschuldigte sie sich, sofort trat ihr Mann dazu, und während sich seine Partnerin noch wortreich entschuldigte, sprach ihn der Mann leise an.

»Gut, dass Sie gekommen sind«, sagte er.

Als Erstes fiel Stefan die Wortwahl auf. »Gut«, hatte er gesagt, nicht »schön«. »Gut« bedeutete, dass es auch ein »Schlecht« hätte geben können. Dann hatte er die fast unmerklichen Blicke des Paares bemerkt. Knappe, verstohlene Blicke nach links und rechts.

»Bitte«, strahlte der Mann ihn an. »Sie scheinen sich auch für dieses Auto zu interessieren. Setzen Sie sich ruhig mal hinein. Wir können den Innenraum ja zusammen begutachten.«

Ein Gefühl sagte Stefan, dass er besser tat, was der Mann ihm vorgeschlagen hatte. Die Frau hatte sich schon auf den Beifahrersitz gesetzt, der Mann nahm auf dem Rücksitz Platz, Stefan auf dem Fahrersitz.

»Wissen Ihre Leute, dass Sie privaten Kontakt zu einer gewissen Jasina und ihrer Familie pflegen?«, fragte ihn die Frau.

Er war beobachtet worden. Und wunderte sich, dass ihn diese Erkenntnis nicht schockierte.

»Sagen Sie mir zuerst, wer Sie sind«, verlangte er.

»Das ist erst einmal nicht wichtig«, antwortete der Mann wie erwartet. Stefan konnte das Lächeln in seiner Stimme hören, nahm aber die Antwort ohne Kommentar hin.

»Kann es sein, dass Sie dabei sind, Ihre Überzeugungen infrage zu stellen?«, hörte er nun die sanfte Stimme der Frau.

Und da wusste Stefan Wagner plötzlich, wo seine Reise hingehen würde. Trotz des fast sofort einsetzenden Kopfschmerzes atmete er tief durch. »Nein«, antwortete er, »meine ›Leute‹ wissen nichts davon. Und ehrlich gesagt weiß ich auch noch nicht, wie ich meine neuen Überzeugungen vertreten soll. Können Sie mir dabei helfen?«

Diesem ersten Treffen waren viele weitere gefolgt. Die Gedanken an Jasina, ihren Mann Adil und ihre Kinder Faris und Ceylin spornten ihn an, Antworten auf ihre Fragen zu geben. Das Paar, das wahrscheinlich gar kein Paar war, hatte ihm nie gesagt, für welche Behörde sie arbeiteten, aber er ahnte, dass sie vom Verfassungsschutz waren. Manchmal waren andere Personen bei den Gesprächen dabei, die ihm konkrete Fragen zu Anführern der rechtsextremen Szene stellten. Bei anderen Treffen sprach sein Gegenüber mit ihm einfach über Politik oder ganz banal über Sportereignisse oder Clubs, die gerade angesagt waren.

Aber immer wieder machte man ihm klar, dass er sein Leben nicht verändern und weiterhin zu den Treffen mit den Nationalgesinnten gehen sollte.

»Wenn Sie Menschen wie Jasina und ihrer Familie wirklich helfen wollen, dass sie angstfrei und respektiert in Deutschland leben können«, hatten sie ihm klargemacht, »müssen Sie uns helfen, Ihre ehemaligen«, dabei hatten sie ihn freundlich angelächelt, »Gesinnungsgenossen von innen heraus zu bekämpfen.«

Und das wollte er. Immer mehr widerstrebten ihm die Treffen in irgendwelchen Hinterzimmern mit heruntergekommenen, dummen rechten Skins, die nur aus Langeweile, Frust und Minderwertigkeitskomplexen bei Aktionen gegen Ausländer mitmachten. Er musste sich sehr anstrengen, verächtlich über Ausländer zu reden, denn sofort sah er Jasina und ihre anderen ausländischen Kolleginnen und Kollegen vor sich, wie sie sich um seine Mutter und ihre Mitbewohnerinnen und Mitbewohner kümmerten. Die teilweise ein so perfektes Deutsch sprachen, dass ihn die Ausdrucksweise und das sehr oft fehlerhafte Gestammel seiner »Gesinnungsgenossen« nur zum Fremdschämen brachten.

»Kennen Sie einen gewissen Sören Zimmermann?«, wurde er eines Tages bei einem weiteren geheimen Treffen gefragt. Der Beamte des Verfassungsschutzes legte ein Foto vor ihm auf den Tisch, das einen jungen Mann mit rasiertem, blankem Schädel zeigte. Er war nur von der Seite zu sehen, aber Stefan konnte deutlich seinen aufgerissenen Mund erkennen. Er dachte kurz nach, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Aber nicht auszuschließen, dass er mir schon mal begegnet ist. Ich kann mir nicht alle Namen merken, und«, er lächelte resigniert, »mit ihren kahl rasierten Köpfen sehen die natürlich auch alle etwas gleich aus.«

»Sören Zimmermann wird von der Polizei gesucht«, erfuhr er, »er hat vor ungefähr einem Jahr, vermutlich mit einem Baseballschläger, ein Kind, einen neunjährigen türkischen Jungen, krankenhausreif geprügelt. Der Junge liegt immer noch im Krankenhaus, die Ärzte wissen noch nicht, ob er jemals wieder gesund wird. Ein Imbissbetreiber hat einen Mann wegrennen sehen und Sören Zimmermann später in der Kartei der Polizei wiedererkannt.«

Neun Jahre alt. Stefan schluckte. Genau wie Faris, Jasinas Sohn.

Stefan wusste natürlich auch, wie weitverzweigt die rechtsradikale Bewegung war. Wie gefährlich. Er war schließlich ein Teil der Führungsriege. Noch. Und deswegen hatte er dem Plan, der ihm unterbreitet worden war, sofort zugestimmt.

Aber als er jetzt, kurz bevor er das Präsidium betreten wollte, in die großen, blaugrauen Augen der Frau guckte, die zu stalken ihm einen diebischen Spaß bereitete, wurde ihm plötzlich klar, dass ihn die Vergangenheit noch eine Weile beschäftigen würde.

Einige Tage zuvor

Nachdem die Polizistinnen und Polizisten der Voerder Polizeiwache im letzten Sommer in das neue Gebäude an der Friedrichsfelder Straße mitten in Voerde gezogen waren, verfügten sie nun über einen in ihren Augen unglaublichen Komfort. Die modernen Fenster schlossen so leicht, aber trotzdem so dicht, dass man die vorbeifahrenden Autos kaum hörte, und die Klimatisierung ließ einen das Wetter, ob es draußen heiß war oder grau und kalt, vergessen. Aber das Angenehmste waren die Dienstzimmer. Ergonomische Schreibtische, rückenschonende...


Friemond, Sabine
Sabine Friemond (* 1968) ist gelernte Buchhändlerin.
Ihre Liebe zu Büchern ist bereits daran ersichtlich, dass sie am Niederrhein eine Buchhandlung in Voerde betreibt.
Ihre Heldin Pastorin Christin Erlenbeck ermittelt bereits in ihrem sechsten Fall.

Sabine Friemond (* 1968) ist gelernte Buchhändlerin.
Ihre Liebe zu Büchern ist bereits daran ersichtlich, dass sie am Niederrhein eine Buchhandlung in Voerde betreibt.
Ihre Heldin Pastorin Christin Erlenbeck ermittelt bereits in ihrem sechsten Fall.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.