Fröhlich | Lauf Gabler, lauf | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 308 Seiten

Fröhlich Lauf Gabler, lauf

Roman
2. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8192-5594-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 308 Seiten

ISBN: 978-3-8192-5594-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alexander Gabler lebt als Journalist in Konstanz am Bodensee. Im Grunde verläuft sein Leben unspektakulär und ereignislos, wären nicht die scheinbar harmlosen Dinge des Alltags, die seine ganze Kraft als Bonvivant in Anspruch nehmen: Die schmerzliche Trennung von seiner Liebsten, sein ruiniertes Bankkonto, die Wehen seines Berufes und sein Drang nach einer Freiheit, die es so wie er es sich wünscht gar nicht geben kann. Er ist ein Suchender, lernt skurrile Typen kennen, reist in die USA, in die Bretagne und nach Paris und versucht, das Beste aus seinem Leben zu machen. Auch wenn seine Träume nicht in Erfüllung gehen, er zimmert sich doch seinen Alltag so zurecht, dass er sich selbst noch im Spiegel anschauen kann.

Johannes Fröhlich Geboren 1963 in Singen/Htwl, studierte nach dem Abitur Jura in Augsburg und Berlin, lebte in München, bevor er sich am Bodensee niederließ. Er arbeitete u.a. als Rechtsberater, Krankenpfleger, Pressesprecher und Gerichtsreporter. Seit den 2000er Jahren Tätigkeiten als Fotograf, Zeitungsredakteur, Biograf, Kulturjournalist, Theatermacher und Autor. Zuletzt erschien das Lesebuch "Anstiftung zur Melancholie". Fröhlich lebt und arbeitet in Konstanz am Bodensee.
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No 1


Gabler stand am Fenster und schaute auf das rosarote T, das am Dach des vierzehnstöckigen Fernmeldegebäudes gegenüber angebracht war. Die Aprilsonne begann langsam dahinter zu verschwinden, es war bereits später Nachmittag.

„Das Leben ist eine rosarote Sackgasse“, dachte er. „Alles ist irgendwie rosarot. Nichts Halbes und nichts Ganzes.“

Er war gerade erst aufgestanden, den vorigen Abend hatte er bis in die Puppen bei der Eröffnung eines neuen Szenelokals verbracht. Ein entfernter Bekannter hatte ihn gefragt, ob er für das Stadtmagazin etwas darüber schreiben wolle. Die Gastronomie war zwar nicht sein Metier, außerdem hasste er solche Events, wie man das heutzutage nannte, doch er hatte zugesagt. Schon um der paar Kröten willen, die er für die Fotos verdienen konnte.

In seinem Kopf perlten die Reste zahlreicher Gläser billigen Proseccos nach. Er versuchte sich zu erinnern, wie er nach Hause gekommen war. Es musste zu Fuß gewesen sein, soviel stand fest, denn seit über einem Monat hatte Gabler kein Auto mehr. Sein heiß geliebter alter Saab stand abgemeldet auf dem Grundstück eines Gebrauchtwagenhändlers. Der Wagen war Gablers Heiligtum gewesen. Lange Zeit hatte er dafür gespart, nun konnte er ihn nicht mehr finanzieren. Die Reparaturkosten fraßen sein in letzter Zeit immer spärlicher gewordenes Zeilenhonorar auf.

„Und für das Ding wollen Sie noch Geld haben?“, hatte der Typ mit seinen grau melierten Schläfen ihn gefragt.

„Na ja, ein wenig wird es schon noch geben.“

Wenn er länger als drei Monate steht, kann ich ihn gleich verschenken, rechnete Gabler nach. „Gebrauchtwagenverkaufsprovision“ hallte es ihm noch in den Ohren. Welch widerliches Wort im Zusammenhang mit einem Gegenstand, der einem ans Herz gewachsen war.

Die Eröffnung war ein voller Erfolg gewesen. „Norbert’s Event“ hatte es auf der Einladung geheißen. Man ging wirklich aus sich heraus, hinein in die Eventklamotten, hinein in die schwitzende Eventmenge, hinein in den kostenlosen Eventalkohol.

„Event“, dachte Gabler. „Oh Mann. Mal sehen, was dabei herauskommt.“

Die mehr oder minder illustre Schar von Gästen – schwarz dominierte natürlich – eine Mischung aus geladenen Freunden des Wirtes und zu späterer Stunde auftauchenden nicht geladenen Gesichtern, denen man ständig begegnete, wenn es etwas umsonst gab, war voll des Lobes über das einfallsreiche Ambiente: Das gesamte Mobiliar bestand aus hundseinfachen Tischen und Stühlen aus Holz, die mit knallrotem Kunstleder überzogen waren. Als Beleuchtung fungierten einige gelbe Neonröhren an der Decke, Bilder an den Wänden gab es keine. Vermutlich hätten sie gestört.

„Was schreibe ich nur darüber“, hatte Gabler gleich gedacht. Die Sache ist doch in drei Sätzen gegessen. Ebenso das ganze Ding selbst, wenn der Besitzer nach dem ersten Ansturm in einem halben Jahr Konkurs anmelden muss. Vielleicht dauert es ein ganzes Jahr.

Auch an der Theke war nichts Besonderes, sie war einfach aus dem selben Holz wie die Möbel, nur ohne den grellen Überzug. Auf die Frage an einen der Kellner nach der Garderobe für den Mantel meinte dieser nur, es gäbe keine. Da würde immer so viel geklaut, es sei besser, wenn die Gäste ihre Jacken bei sich behielten.

„Eine Garderobe ist ja auch out heutzutage“, sagte eine junge Frau, welche die kurze Unterhaltung mitgehört hatte.

Eine Garderobe out? Auch das noch. Na ja, vielleicht kommt ja noch was, versuchte Gabler sich bei Laune zu halten.

Es kam tatsächlich noch etwas. Nachdem binnen der ersten Stunde alle mit ihren Beteuerungen abgeschlossen hatten, dass es nett von Norbert sei, den Prosecco kostenlos auszuschenken, folgte eine kurze Ansprache des „Brauereigebietsleiters“, wie dieser sich vorstellte.

„Wir sind stolz darauf, hier ein ganz neues Produkt anbieten zu können“, meinte er, „es handelt sich um eine spezielle Biersorte, welche auch durch das Etikett auf der Flasche vor allem fortschrittlich denkende Menschen anspricht.“

Gabler hatte schon einiges gehört, diese Art von billiger PR jedoch war ihm neu. Ein Bier mit Etikett für fortschrittlich denkende Menschen also.

FRAG war der wundersame Name des Gebräus, und auf den gebrüllten Schlusssatz „FRAG Marsch“ der insgesamt zirka zehn bis zwölf Sätze fassenden Ansprache wurden auf Tabletts die ersten Flaschen gereicht. Das Etikett zeigte eine aus dem Wasser auftauchende oder abtauchende Hand - genau konnte man das nicht feststellen - die eine Flasche FRAG umklammerte.

„Bis zwölf Uhr gibt es FRAG umsonst, danach eine Woche zum halben Preis“, meinte der Brauereigebietsleiter dann noch.

Die Flasche auf der Flasche, dachte Gabler. Das Prinzip der ersaufenden Matroschka.

Er griff sich ein Exemplar und beschloss, nachdem der Geschmack für ihn der gleiche war wie der vieler anderer Biersorten auch, der Sache auf den Grund zu gehen.

Der Brauereigebietsleiter erwies sich als dankbares Objekt für ein Kurzinterview. Auf die Frage, was es mit der Hand auf sich habe, ob FRAG einen nun ins Wasser rein oder aus dem Wasser raus ziehen würde, erklärte er beim Lösen seines Krawattenknotens, das müsse doch jedem normal denkendem Menschen klar sein. Wer wolle heutzutage noch untergehen, die Wege von uns allen müssten schließlich nach oben führen.

„Und FRAG hilft dabei?“, fragte Gabler nach.

„FRAG kann in unserer Welt vieles leichter machen“, war die Antwort.

Gabler traute seinen Ohren nicht, doch er wurde heiß auf weitere absurde Informationen. Wie der Name denn zustande gekommen sei, war seine nächste Frage. Ob das Wort eine Abkürzung sei, oder ob es aus einer anderen Sprache stamme.

„FRAG ist ein Fantasiewort. Unsere Firma hat unter mehreren Werbeagenturen einen Wettbewerb ausgeschrieben, ohne die läuft heute ja gar nichts mehr. Den Zuschlag haben wir gegeben, weil die ersten zwei Buchstaben gleich sind wie zum Beispiel bei den Wörtern Freiheit oder Freundschaft. Fröhlichkeit kann man auch assoziieren. -AG haben wir als Endung angehängt, weil das Ganze schön kurz bleibt und man es amerikanisch aussprechen kann, FRÄG. Dabei dachten wir im Übrigen auch an das Wort „Frog“.

Gablers Gesichtszüge vermittelten offenbar Unverständnis.

„Sie als Journalist sind doch bestimmt des Englischen mächtig“, kam als nächstes. „Frog“ heißt Frosch, und das ist doch ein lustiges und sympathisches Tier, nicht wahr? So soll auch unser Bier eines für lustige und sympathische Menschen sein.“ Gabler war baff.

„Ach Frosch, deswegen die grüne Flasche“, stellte er sich verständlich.

„Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen, Sie sind ja schlauer als ich dachte.

„Nein, die Farbe der Flasche ergab sich daraus, dass grünes Glas momentan das billigste im Recyclingverfahren ist. Eigentlich wollten wir mit Weißglas neutral bleiben.“

„Ach so“, meinte Gabler. Soweit hatte er alles begriffen. Die letzte Frage stellte er aus rein privatem Interesse, weil er sich gelegentlich schon Gedanken darüber gemacht hatte, in die Werbebranche zu wechseln. Ein ehemaliger Kollege von ihm war vor einiger Zeit bereits abgewandert.

„Würden Sie mir sagen, wie viel die Agentur für ihren Vorschlag bekommen hat?“

„Eigentlich darf ich nicht darüber sprechen, das ist Betriebsgeheimnis“, kam als Antwort, „aber die Zahl war vierstellig, das können Sie ruhig wissen.“

„Vierstellig?“, fragte Gabler zur Sicherheit noch einmal nach. „Nach oben oder unten tendierend?“

„Wo denken Sie hin, nach oben natürlich.“

„Und wie lange dauerte dieser Wettbewerb, können Sie mir das noch sagen?“

„Sie sind neugierig, junger Mann, das gefällt mir. Wir hatten von der Ausschreibung bis zu unserer Entscheidung glaube ich an die acht Monate.“

Acht Monate. Für vier Buchstaben. Und das vierstellig bezahlt.

Gabler bedankte sich, wechselte von FRAG zu Prosecco und begann auszurechnen, wie viele Zeilen er für die Zeitung schreiben musste, die ihn momentan als Freiberufler beschäftigte, um auf eine vierstellige Summe zu kommen. Vermutlich hätte er bis zum Ende irgendeines seiner vielleicht noch kommenden Leben gebraucht.

Nach der FRAG-Performance des Brauereigebietsleiters ging man zum gemütlichen Teil des Abends über: Parmaschinken, Melone, billigem Prosecco und reichlich Froschbier.

„Froschbier“, dachte Gabler.

Genau. Warum eigentlich nicht Froschbier? Als Etikett ein Frosch, der aus dem Wasser springt. Vielleicht im Taucheranzug.

Das Ganze war fast schon peinlich, besonders die ausgelassene Heiterkeit, mit der die Veranstaltung begangen wurde.

Gabler war das alles ziemlich egal, es passte zu dem Gefühl von Indifferenz, das er seit Wochen in sich trug. Alles war ihm seit der Trennung von Anne mehr oder weniger gleichgültig geworden. Er erledigte den restlichen Pflichtteil der Geschichte, machte noch ein...



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