Frost Verlockung der Nacht
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-07949-9
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman - Cat & Bones 6
E-Book, Deutsch, Band 6, 384 Seiten
Reihe: Cat & Bones
ISBN: 978-3-641-07949-9
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Um gegen Apollyon, den dunklen Propheten der Ghule, bestehen zu können, erhielt Cat von der Voodoo-Königin Marie Laveau Macht über Geister. Im letzten Moment konnte Cat so mit ihrem geliebten Bones einen Krieg zwischen Vampiren und Ghulen abwenden. Doch noch immer bleibt Cat und Bones keine Gelegenheit, ihre Zweisamkeit zu genießen. Denn ein uralter heimtückischer Geist will Cats neue Fähigkeiten für seine Zwecke nutzen, und Bones wäre ihm dabei nur im Weg. Doch der Geist hat Cats Zorn unterschätzt!
Cat und Bones sind auch im 6. Roman ein unwiderstehliches Paar.
Jeaniene Frost ist eine »New York Times«- und SPIEGEL-Bestsellerautorin, ihre Romane erscheinen in 20 Sprachen. Neben dem Schreiben liest Jeaniene gerne, schaut sich Filme an, erkundet alte Friedhöfe und macht Roadtrips. Sie lebt mit ihrem Mann in Florida.
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1
Ich zerknüllte die vor mir liegende Rechnung und warf sie nur deshalb nicht fort, weil der Geistliche auch nichts dafür konnte, dass mein Onkel noch immer im Diesseits weilte, nachdem wir seine Asche in geweihter Erde bestattet hatten. Inzwischen hatten wir alles ausprobiert, was unsere Freunde – lebende, untote und andere – uns geraten hatten, um meinen Onkel in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Nichts hatte funktioniert, was man daran erkennen konnte, dass Don vor mir hin und her tigerte, ohne dabei im eigentlichen Sinne den Boden mit den Füßen zu berühren.
Sein Frust war verständlich. Wenn man starb und nicht gerade vorhatte, zum Vampir oder Ghul zu werden, ging man eigentlich davon aus, dass man nicht länger in dieser Welt festhängen würde. Klar hatte ich schon mit Gespenstern zu tun gehabt – in letzter Zeit sogar ziemlich oft –, aber verglich man die Gesamtzahl der Verstorbenen mit der Anzahl existierender Geister, lag die Chance, zur Spukgestalt zu werden, doch bei unter einem Prozent. Und dennoch war mein Onkel in dieser seltenen Zwischenexistenz gefangen, ob es ihm gefiel oder nicht. Für einen Mann, dessen Fähigkeiten zur Manipulation seines Umfelds fast an die von Machiavelli herangereicht hatten, musste das umso ärgerlicher sein.
»Wir probieren was anderes«, meinte ich und zwang mich zu einem falschen Lächeln. »Hey, du bist doch Profi im Meistern widriger Umstände. Du hast es geschafft, die Welt des Übersinnlichen vor den Amerikanern geheim zu halten, obwohl es Komplikationen wie Handy-Videos, das Internet und YouTube gibt. Du findest schon einen Weg ins Jenseits.«
Mein Aufmunterungsversuch brachte mir lediglich einen bösen Blick ein. »Fabian hat das nie geschafft«, murrte Don und wies mit einer unwirschen Handbewegung auf meinen vor dem Büro herumlungernden geisterhaften Freund. »Und die unzähligen anderen auch nicht, die es zu dir hinzieht, seit du zum Gespenstermagnet mutiert bist.«
Ich wand mich innerlich, aber er hatte recht. Früher war ich der Meinung gewesen, es wäre das Ungewöhnlichste überhaupt, als Tochter eines Vampirs und eines Menschen geboren zu werden, aber das bewies nur, wie wenig ich über die seltsamen Launen des Schicksals wusste. Nach meiner Verwandlung zur vollwertigen Vampirin war ich eindeutig die seltsamste Person der Welt. Im Gegensatz zu jedem anständigen Vampir ernährte ich mich nicht von menschlichem Blut. Nein, ich brauchte untotes Blut zum Überleben, und daraus bezog ich mehr als nur Energie. Gleichzeitig nahm ich auch – zeitweise – die besonderen Fähigkeiten des Spenders in mich auf. Nachdem ich von einer Ghula getrunken hatte, die zufällig über einen ungewöhnlich starken Draht zu den Toten verfügte, war ich für jeden Geist im selben Postleitzahlengebiet unwiderstehlich geworden. Im Stillen sorgte ich mich, ob womöglich meine geborgten Fähigkeiten mit daran schuld sein konnten, dass Don den Übertritt ins Jenseits nicht schaffte. Sicher war ihm der Gedanke auch schon gekommen, deshalb war er wohl auch noch mieser drauf als sonst.
»Sag ihnen, sie sollen leiser sein, Kätzchen«, murmelte Bones, als er ins Zimmer kam. »Ich kann ja meine eigenen Gedanken nicht hören.«
Ich erhob die Stimme, um sicherzugehen, dass ich nicht nur innerhalb des Hauses, sondern auch auf der Terrasse und im Garten gehört wurde.
»Bitte, Leute, würdet ihr euch wohl ein bisschen leiser unterhalten?«
Dutzende von Gesprächen wurden sofort gedämpfter weitergeführt, obwohl ich den Befehl extra als Bitte formuliert hatte. Mir war es noch immer unangenehm, dass mir dank meiner neu erworbenen Fähigkeiten sämtliche Geister blind gehorchen mussten. Ich wollte diese Macht über andere nicht und war dementsprechend vorsichtig in meiner Wortwahl gegenüber dem Geistervolk. Insbesondere was meinen Onkel betraf. Wie die Welt sich doch verändert, dachte ich. In all den Jahren, in denen ich Dons Team von Elitesoldaten angehört hatte, hatte es mich genervt, seinen Befehlen folgen zu müssen. Jetzt musste er sich nach meinen richten, wenn ich das wollte … damals mein sehnlichster Wunsch, und heute nur noch lästig.
Bones ließ sich in den nächsten Sessel sinken. Sein schlanker, muskulöser Körper strahlte eine berauschende Mischung aus Sexappeal und geballter Energie aus, obwohl er ganz lässig dasaß, einen nackten Fuß an meinem Schenkel. Sein dunkles Haar war noch feucht von der Dusche, die er gerade genommen hatte, sodass sich die kurzen Löckchen noch enger an seinen Kopf schmiegten. Ein einzelner Wassertropfen rollte träge seinen Hals hinunter in Richtung der gemeißelten Brust, und ich musste mir die Lippen anfeuchten, so stark war plötzlich mein Verlangen, dem Tropfen mit der Zunge nachzuspüren.
Wären wir allein gewesen, hätte ich dieses Verlangen nicht unterdrücken müssen. Bones wäre nur allzu bereit für ein kleines nachmittägliches Intermezzo gewesen. Seine Libido war so legendär wie seine Gefährlichkeit, aber angesichts der Tatsache, dass zwei Geister uns beobachteten, musste ich mich eben gedulden.
»Wenn noch mehr von diesen Spukgestalten auftauchen, pflanze ich rund ums Haus Knoblauch und Hanf«, stellte Bones beiläufig fest.
Mein Onkel warf ihm einen finsteren Blick zu, weil ihm klar war, dass diese Pflanzen in großen Mengen geisterabwehrend wirkten. »Nicht, bevor ich dort bin, wo ich hingehöre.«
Ich hustete, was nicht mehr notwendig war, seit ich nach Belieben aufs Atmen verzichten konnte.
»Meine Fähigkeiten sind bestimmt schon bald wieder verschwunden. Solche geborgten Eigenschaften haben sich bei mir bisher höchstens zwei Monate gehalten. Und so lange ist es jetzt schon fast her, dass … na ja.«
Noch immer wussten die meisten nicht, dass es Marie Laveau, Voodoo-Königin von New Orleans, gewesen war, die mich zu einer Art Kindergärtnerin für Geister gemacht hatte. Sie hatte mich dazu genötigt, ihr Blut zu trinken. Klar, später hatte ich begriffen, warum sie es getan hatte, aber als es passiert war, hatte es mich ziemlich wütend gemacht.
»Ich kenne einen Geist, der drei Wochen auf seinen Eintritt ins Jenseits warten musste«, meldete sich Fabian aus der Tür zu Wort. Auf mein dankbares Lächeln hin trat er ganz ein. »Bestimmt fällt Cat noch etwas ein, das dir den Übergang ermöglichen wird«, fügte er voller Zuversicht hinzu.
Der Gute. Echte Freunde findet man eben in unterschiedlichster Gestalt, selbst in transparenter.
Don war nicht überzeugt. »Ich bin seit über fünf Wochen tot«, entgegnete er knapp. »Kennst du jemanden, der sich so lange gedulden musste?«
Mein Handy klingelte, sodass Fabian eine Antwort erspart blieb, weil ich drangehen musste. Das Timing war echt gut, denn seinem Gesichtsausdruck nach hätte Don Fabians Auskunft ohnehin nicht gefallen.
»Cat.«
Ich brauchte nicht erst einen Blick auf die Nummernanzeige zu werfen, um an dieser einen Silbe zu erkennen, dass es Tate war, der Hauptmann meines alten Teams. Er wollte vermutlich Don sprechen, da Geisterstimmen allerdings technisch nicht gut übertragbar waren, musste ich Vermittlung spielen.
»Hey, was gibt’s?«, fragte ich und winkte Don herbei, während ich mit den Lippen »Es ist Tate« formte.
»Kannst du heute Abend zum Stützpunkt kommen?« Tates Tonfall war seltsam. Zu offiziell. »Der Controller des Teams möchte dich kennenlernen.«
Controller? »Seit wann haben wir denn so was?«, erkundigte ich mich und vergaß ganz, dass ich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr von »wir« sprechen konnte, wenn es um das Team ging.
»Seit heute«, gab Tate zurück.
Ich warf Bones einen Blick zu, wartete aber nicht auf sein zustimmendes Achselzucken, bevor ich antwortete. Wir hatten nichts Wichtiges vor, und meine Neugier war geweckt. »Okay, ich bin in ein paar Stunden bei euch.«
»Komm nicht allein.«
Diesen letzten Teil flüsterte Tate kurz vor dem Auflegen. Ich zog die Augenbrauen hoch. Mehr, weil er so leise gesprochen hatte, dass nur jemand mit übernatürlichem Gehör ihn verstehen konnte, als wegen der Worte selbst.
Da war eindeutig etwas im Busch. Mir war klar, dass Tate nicht gemeint hatte, ich sollte Bones mitbringen, denn der begleitete mich ohnehin immer, wenn ich meinen früheren Arbeitsplatz besuchte. Er hatte sich auf jemand anderen bezogen, und mir fiel nur einer ein, der gemeint sein konnte.
Ich wandte mich an Don. »Lust auf einen Ausflug?«
Aus der Luft betrachtet wirkte der Stützpunkt wie irgendein beliebiges einstöckiges Gebäude umgeben von jeder Menge ungenutztem Parkplatz. In Wirklichkeit handelte es sich um einen alten Atombunker, dessen bewusst unauffällig gehaltenes Äußeres die Tatsache verbarg, dass er unter der Erde über vier weitere Stockwerke verfügte. Die Sicherheitsmaßnahmen hier waren streng, wie man es bei einer Geheimbehörde zur Überwachung der Untoten auch nicht anders erwarten würde. Dennoch war ich überrascht, als wir zehn Minuten über dem Gebäude schweben mussten, bevor unser Heli Landeerlaubnis erhielt. Wir waren schließlich nicht unangemeldet hereingeschneit.
Als Bones und ich ausstiegen, wurden wir vor den Flügeltüren auf dem Dach von drei behelmten Wachleuten aufgehalten.
»Ausweis«, bellte uns der erste Soldat an.
Ich lachte. »Der war gut, Cooper.«
Die Visiere der Wachen waren so dunkel, dass ich ihre Gesichter darunter nicht erkennen konnte, aber alle hatten schlagende Herzen, und Cooper war der Einzige meiner alten menschlichen Freunde, der frech genug war, so...




