Fuchs-Gamböck | Tee mit Madonna, Cognac mit Ron Wood | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Edition Blickpunkt

Fuchs-Gamböck Tee mit Madonna, Cognac mit Ron Wood

Ich hatte sie alle!
2. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95996-057-1
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ich hatte sie alle!

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Edition Blickpunkt

ISBN: 978-3-95996-057-1
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Michael Fuchs-Gamböck hat seit Mitte der 80er mit Pop- und Rock-Musikern zu tun und über 4.000 Interviews mit Künstlern geführt. Der bekannte Musik-Journalist kennt dabei weder Hierarchien noch Berührungsängste. Egal ob Ikone, Top Star oder Neuentdeckung, vor MFG sind alle Übermenschen gleich. Hier sind die 40 verrücktesten, interessantesten Begegnungen, Interviews und Anekdoten aus über 20 rasanten Rock & Roll Jahren: AXL ROSE/GUNS 'N' ROSES - BELA B. - BJØRK - CHARLES BUKOWSKI - CHER - CHRIS KARRER/AMON DÜÜL II - DIE TOTEN HOSEN - FRANK FARIAN - GIANNA NANNINI - H. R. GIGER - HERMAN BROOD - IGGY POP - JAMES BLUNT - JANET JACKSON - KILLING JOKE - KRAFTWERK - LEMMY/MOTÖRHEAD - LENINGRAD COWBOYS - LOU REED - MADONNA - MARIANNE ROSENBERG - MATTHIAS REIM - MIKE OLDFIELD - MONSTER MAGNET - MORRISSEY - NICK CAVE - NIGEL KENNEDY - NINA HAGEN - PETER GABRIEL - POPOL VUH - PRINCE - RIO REISER - ROCKBITCH - ROGER WATERS/PINK FLOYD - RON WOOD/ROLLING STONES - SEX PISTOLS - SMASHING PUMPKINS - SPICE GIRLS - TOM WAITS - TYPE O' NEGATIVE

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Kabbala und Krabbelgruppe


Tee mit Madonna

Es war ein milder Herbsttag des Jahres 1998. Ein paar Journalisten aus allen Teilen Deutschlands saßen im Foyer eines noblen - pardon: natürlich des besten - Hotels in der Düsseldorfer Innenstadt herum und redete nicht viel. Sie warteten. Es war eine angespannte, erregte Atmosphäre. Auch ein gewisses Misstrauen herrschte unter jenen Auserwählten. Wie das unter Auserwählten häufig so ist.

Ich bestellte ein Glas Rioja und schwieg mit, denn das, was wir irgendwann später - Genaues wusste keiner von uns - leisten sollten, war mehr als ein Job. Es ging um Berufung. Denn irgendwo ganz in der Nähe, vielleicht sogar im selben Gebäude, war SIE. SIE, die Königin des Pop, der ultimative Inbegriff des weiblichen Role Models, der modernen Diva. Und um mit dieser strahlenden Ausnahme-Person ein paar Minuten unserer von Gewöhnlichkeit und Mittelmäßigkeit geprägten Lebenszeit verbringen zu dürfen, hatte uns die Plattenfirma “Warner” nach Düsseldorf bestellt. Die Journaille, war auf die Minute pünktlich komplett vertreten. Von der Firma hatte sich bislang niemand blicken lassen. SIE war selbstredend auch nicht aufgetaucht. SIE trägt den markenwirksamen Namen Madonna. Wobei es in ihrem Fall garantiert nicht der Name war, der sie zu einer der bekanntesten Frauen auf unserem Planeten machte. Nein, Madonna hat sich ihre Position im Pop-Olymp durch harte Arbeit, cleveres Marketing und einen unerschütterlichen Glauben an sich selbst gesichert.

Seien wir doch mal ehrlich: Es gibt talentiertere Sängerinnen und Schauspielerinnen in der Welt als sie. Auch könnte ich spontan mindestens zehn Kandidatinnen nennen, die mir begehrenswerter erscheinen. Aber egal - alle diese Frauen sind nicht Madonna. Niemand sonst ist Madonna. Sie ist keine Marke, kein Label, kein Typ denn sie ist definitiv nicht austauschbar. Eine absolute Rarität und Kostbarkeit in unserer schnelllebigen, beliebigen Zeit. Weil wir auserwählten Journalisten hier in diesem Hotel das wussten, hockten wir in diesem Foyer. Und warteten. Immerhin, der Rioja war wirklich gut...

Es waren bestimmt zwei Stunden vergangen, ehe eine freundliche Vertreterin von “Warner” plötzlich vor uns stand und uns mit gütigem Lächeln engelsgleich verkündete: “Tut mir leid, die Verspätung, Leute, aber Madonna wollte noch kurz Shoppen gehen in der City.” K U R Z ?! “Ich konnte es ihr einfach nicht abschlagen”, fuhr die nette Dame fort. Die weiblichen Vertreterinnen meiner Zunft kicherten irgendwie blöde. Shoppen, das Zauberwort der normalen Frau. Shoppen verzeiht bei ihnen alles. Die “Warner”-Lady erklärte, dass Madonna in zehn Minuten bereit sei für die Interviews - “jeder von euch hat exakt 20 Minuten, ich stoppe die Zeit”, meinte sie. Sie fächelte mit einem Stück Papier durch die Luft, auf dem der akribische Ablaufplan der Gespräche aufgelistet war. Ich war Kandidat Nummer Zwei. Prima, da war noch Zeit für einen Rioja...

Während ich an meinem Glas nippte, wurde ich mit einem Mal merkwürdiger Weise vollkommen nüchtern. Ich dachte bei mir: “Warum dieser irre Aufwand für eine einzige Person, dieses Warten, diese Nervosität, diese Huldigung?” Denn so richtig gerechnet hatte eigentlich keiner mehr mit Madonna, wenigstens damals nicht, im Frühjahr 1998. Nachdem sie im Jahrzehnt davor mit Pomp und Provokation ein glanzvolles Leben vor den gierigen Augen der Menschheit geführt hatte, machte sie sich in den letzten Jahren ziemlich rar. Sie lernte Yoga und beschäftigte sich mit der jüdischen Geheimlehre Kabbala. Sie wurde am 14. Oktober 1996 Mutter einer Tochter und ließ sich die Haare wachsen. Immerhin, 1994 hatte sie als einzigen Beitrag für die 90er nochmals ein Multi-Platin-Album namens „Bedtime Stories“ vorgelegt. Und jetzt also „Ray Of Light“. Madonna Ciccione, wie die Dame bürgerlich heißt, hatte für diese Produktion den hippen Londoner DJ und Dance-Produzenten William Orbit verpflichtet – und der stieß für sie völlig neue,
innovative musikalische Türen auf. Oder, in Madonnas etwas verschwurbelten Worten: „Er hat meinen 13 neuen Songs eine verwegene Mixtur aus meditativen Trance-Sounds, warmherzigem Trip Hop, flirrenden Drum & Bass-Rhythmen, jeder Menge Pop und üppigen orchestralen Arrangements verpasst. Dadurch klingen die Lieder auf „Ray Of Light“ modern und altmodisch zur selben Zeit, sie sind tanzbar und laden gleichzeitig zum Träumen ein.“

Textlich hatte sich bei Signora Ciccione ebenfalls eine Menge getan – statt ruppiger Sex-Lyrik von einst sang sie auf „Ray Of Light“ Meditations-Mantren in Sanskrit, Schlaflieder an Tochter Lourdes oder verträumte Danksagungen an eine höhere Gewalt. Die lyrische Welt der am 16.8.1958 in der US-Autometropole Detroit geborenen Entertainerin wirkte im Jahr 1998 extrem optimistisch und irgendwie abgehoben. Die Verse einer Musikerin, die aktuell ein Leben als reiche Hausfrau zwischen Kabbala und Krabbelgruppe führte. Das klang nicht sonderlich prätentiös.

Als Madonna die weiträumige Interview-Suite des noblen Düsseldorfer Hotels mit festem Schritt betrat - sie hatte kurz zuvor in der Suite nebenan ihr erstes Interview beendet -, konnte von Optimismus und Abgehobenheit nicht die Rede sein. Mir fehlte beides, und das trotz des Riojas, der in meinem Magen munter vor sich hin blubberte. Obwohl die Diva, Tochter eines aus Italien stammenden Autoschweißers aus dem Kaff Bay City im US-Bundesstaat Michigan, lediglich 155 Zentimeter groß ist, obwohl sie lässig und beinahe ungeschminkt vor mir saß und damals zudem extrem schmal und zerbrechlich aussah, herrschte auf der Stelle eine unglaubliche Spannung und Nervosität im Raum. Madonna war der Inbegriff von Souveränität, nichts entging ihrem Blick, sie füllte mit ihrer einzigartigen Präsenz noch die hinterste Ecke der Suite. Und ihr fester Händedruck glich dem eines Kampfsportlers. Vor allem aber ließ er keinen Zweifel an ihrem unerschütterlichen Selbstbewusstsein zu. Madonna ist schon zu Lebzeiten eine Ikone, obwohl sie eine Menge dafür tat, eben diesen Eindruck im Gespräch zu entschärfen. Doch es gelang ihr nicht. Vielleicht auch, weil im Kopf des Interviewers zu viele Bilder und Klischees aus einer einzigartigen Karriere eingegraben waren. “A Cup Of Tea?”, fragte sie mich, knipste ein gewinnendes Lächeln auf ihrem markanten Gesicht an. Sie hielt die Kanne bereits in der Hand. Ich hatte keine Chance mehr, mich gegen das Gebräu zu wehren, wollte ich nicht zum Anti-Gentleman des Jahres gekürt werden. “It’s Yogi-Tea, very healthy”, fügte sie mit einer Stimme hinzu, die keinen Widerspruch zuließ. Ich überlegte still, wie sich der Yogi-Tee mit dem Rioja vertragen würde.

Die erste Frage bei einem Interview ist meist die entscheidende, an ihr liegt es, wie der Rest eines Gesprächs verläuft. Zumindest gilt dieses ungeschriebene Gesetz bei Mega-Stars wie Madonna, die schon Millionen öffentliche Auskünfte gegeben haben. Ich hatte beschlossen, die Sache keck anzugehen. Wohl auch, um gegen meine eigene Befangenheit, was Madonna betrifft, vorzugehen. “In den Medien”, brabbelte ich, “wurde eine Menge über Ihren weiteren Image-Wechsel diskutiert. Hat Madonna sich wieder mal ein neues Mäntelchen übergestreift, mit dem sie der Öffentlichkeit begegnen will?” Madonna fixierte mich, wie mir schien, mit stählernem Blick, ehe sie antwortete:

“Ich glaube, die Leute machen sich viel zu viele Gedanken über mein Image, das haben sie all die Jahre über getan. Die Sache ist die, dass ich seit vier Jahren kein richtiges Album mehr veröffentlicht habe, natürlich bin ich in dieser Zeit gewachsen und habe mich verändert und – bang! – mit dieser „neuen Madonna“ wird die Menschheit plötzlich konfrontiert. Dabei ist diese „neue Madonna“ für mich eine alte Bekannte. Ich bin es ja, die jeden Tag mit sich selbst zusammen ist. Ich würde in diesem Zusammenhang also nicht von Image sprechen. Das bin einfach nur ich, eine Frau von 40. Klar bin ich eine andere als vor vier Jahren: Ich ließ mein Haar wachsen, ich habe inzwischen ein Baby, ich mache Yoga und bin heutzutage ein ganzes Stück gelassener als damals. Doch das ist keine Frage des Images, sondern eine Frage des Alters. Ich bin nicht eines Morgens aufgewacht, habe einen Knopf gedrückt und war plötzlich die neue Madonna.” Madonna lachte kurz auf.

Ich hingegen dachte nach, während ich versonnen an meinem Yogi-Tee nippte. Glaubte Madonna diesen Schmäh, den sie soeben erzählt hatte, wirklich? Sie, die Königin der Verkleidung, die Meisterin des Imagewandels, die durch nichts anderes derart populär geworden ist? Oder ist Madonna ein Image auf zwei Beinen, das sich dieser Tatsache gar nicht bewusst ist? Ich wollte bei dieser Überlegung ansetzen, wusste aber, dass ich einen anderen Zugang finden musste, wenn ich Näheres erfahren wollte. So bemühte ich ein Zitat des Nachrichtenmagazins STERN, das über Madonna in einem damals aktuellen Portrait folgendes geschrieben hatte: „Sie ist fast unsichtbar. Sie schockt niemanden. Und meditiert.“ Fand sie sich in diesen Sätzen wieder?

“Ich gaube, solche Sätze spiegeln eher die Meinung des Autors wider, als dass sie etwas über mich aussagen”, gab sie kühl zurück. “Ich habe auch nie in Dekaden gedacht, also: „Das sind die 70er, deshalb musst du ein Disco-Mäuschen sein. Das sind die 80er, deshalb musst du provozieren auf Teufel komm raus. Und das sind die 90er, also musst du meditieren.“ Natürlich habe ich auf die Zeitumstände beständig reagiert, doch das geschah ohne jede Berechnung. Ich sah mir meine Umgebung an und habe daraus etwas analysiert und umgesetzt. So einfach ist das. Ich bin ja eine Reflektion...



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