Funke | Der dunkelrote Fleck | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 166 Seiten

Funke Der dunkelrote Fleck

Eine Mordsgeschichte
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7557-0677-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Mordsgeschichte

E-Book, Deutsch, 166 Seiten

ISBN: 978-3-7557-0677-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Es ist die alte Frage von Schuld und Sühne, von Reue und Gewissen nach einem Verbrechen. Ein Mann erschlägt seine Mutter, er rächt sich für jahrelanges Martyrium, er entsorgt den Leichnam. Doch er findet keine Ruhe. Unerklärliches geschieht. Geräusche, Stimmen im Haus, Schuhe vor der Tür. Stammt dies alles von der Mutter? Sie ist doch aber tot? Und dann der Blutfleck, der immer wieder dort erscheint, wo er sie erschlug, auf den Fliesen in der Küche. Ist er real, dieser Fleck? Oder narrt ihn bloß sein Gewissen? Böse Erinnerungen quälen ihn. Schließlich der Polizeikommissar, der wie ein Rächer aus dem Nichts auftaucht und der ihm Falle auf Falle stellt, ihn überführt. Dies alles wird dem Mann zu viel. Am Ende hält er es nicht mehr aus. Die Schuld erdrückt ihn. Das Buch, so kurz und knapp es ist, so psychologisch hochspannend ist es konstruiert. Man wird förmlich eingesogen von diesem Text, kommt nicht los davon.

Klaus Funke, in Dresden geboren und auch heute noch dort lebend, ist ein erfolgreicher Autor von sprühender Phantasie und erzählerischer Kraft. Vielfältig sind seine Bücher. So schrieb er einige sehr sorgfältig recherchierte, historische Romane, mehrere Künstlerromane, besonders über Musiker des 19. Jahrhunderts, Gegenwartsdramen, Krimis und einige humorvolle, kabarettistische Texte. Ein paar seiner über 20 Romane und Erzählungen sind bei BoD erschienen. Alles ist bestell- und lieferbar.

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In dieser Stunde habe ich, nach meinen Kinderphantasien, in denen ich mir den Tod der Mutter vorgestellt, ausgemalt und mit den ausgefallensten Methoden ersonnen hatte, zum ersten Mal wirklich vorgenommen, meine Mutter umzubringen; damals und von da ab ist dieser Plan, der zuerst wie verschüttet gewesen ist und gar kein richtiger Plan war, wieder und wieder aufgetaucht und mit der Zeit ist er gewachsen, gereift wie eine dunkle unheilvolle Wolke, wie ein wiederkehrender alles beherrschender Nebel, bis... – Oh, ich habe sie zu gut gekannt und wusste, sie konnte nichts vergessen, nichts und niemals verzeihen wie ein Elefant, der vor langer Zeit einmal den Knüppel gespürt hat, und so bin ich mir sicher, dass meine Mutter sich mit dreißigjähriger Verspätung an mir gerächt hat als sie mich in der Dachkammer aufgespürt hat, mich und meine über alles geliebte Irene, weil sie sich an mir als einem Zeugen, einem überraschten, konfrontierten, aber unschuldigen Zeugen dafür rächen wollte, dass ich ihre Untreue, ihren Verrates, ihre böse Tat seinerzeit mitangesehen habe, dass ich, obwohl noch ein Kind damals, dennoch wissend und erkennend gewesen bin. Damals vor dreißig Jahren. Und ich denke wieder zurück wie ich an meinem dreizehnten Geburtstag, oder richtiger am Tage danach, in zerknittertem Schlafanzug über den Flur gegangen bin, die Haare wirr und noch den Schlaf in den Augen, am Morgen um acht, und wie mir da plötzlich der mächtige, gewaltige Herr Persick in den Weg getreten ist und den Vorrang zur Toilette beansprucht hat, schweigend zunächst, mürrisch und verkatert, nur wegen seiner Körpergröße und weil er der Gast gewesen ist bei der Mutter, der über Nacht geblieben war, der bedeutende Herr Persick, der Genosse Persick wie man damals zu sagen hatte… Schon Wochen vorher hat sie, die Mutter, von diesem Genossen Persick gesprochen, als von einem gebildeten, klarsichtigen Menschen und “Genossen“ wie sie immer wieder gesagt hat. Sie sprach davon, seit sie diesen Lehrgang an der Parteischule besucht hatte. Dass sie auch dieser Partei angehört hat, dieser Einheitspartei habe ich erst im Zusammenhang mit ihrer „politischen Weiterbildung“, wie es zu heißen hatte, erfahren. Freilich wusste ich, dass Vater gleich nach dem Krieg, aus seinen Erfahrungen als Frontsoldat, wie er sagte und wie er immer ganz fest geglaubt hat, und damit von Deutschland niemals wieder Krieg und Nazismus ausgehen solle, damit Frieden und eine gerechtere Ordnung entstünde, dass der Vater also in diese Partei eingetreten war, zusammen mit seinem Schwiegervater, meinem Großvater Albert, der als ehemaliger Sozialdemokrat mehr oder weniger „gezwungen freiwillig“, wie er einmal selbst gesagt hat, auch zu denen übergetreten ist. Doch dem Vater habe ich das Wenige, was er vom Krieg und seiner Gefangenschaft erzählt hat, geglaubt, es war glaubwürdig, was er berichtete und man konnte auch als Kind diesen Gedanken folgen und sie für gerecht und folgerichtig halten, weil er das Fürchterliche des Krieges am eigenen Leibe erlebt und erlitten hatte, weil ihm in Russland drei Zehen abgefroren sind und weil er in Jugoslawien einen Oberschenkeldurchschuss bekommen hat, weil er tagtäglich sein Leben in diesem sinnlosen Krieg für Deutschland und und seinen Führer gewagt hat und weil er nun wollte, dass so etwas nie wieder passiere, ihm nicht und niemand anderem auch. Deshalb habe ich ihm geglaubt und seinen Entschluss, jetzt einmal politisch auf der richtigen Seite stehen zu wollen, verstanden, auch mit zehn oder zwölf oder dreizehn Jahren habe ich das begriffen. ja und es war auch Stolz in mir, dass mein Vater solche Folgerungen gezogen hat und sich aus Überzeugung und mit ehrlichem Herzen einsetzte für das Neue, was versprochen wurde, wieder und wieder, und was immer mehr Gestalt anzunehmen schien, in diesen ersten, den fünfziger Jahren bis zu jenem August im Jahre einundsechzig. Und er hat auch nie damit geprahlt, dass er jetzt der „Arbeiterklasse“ und „ihrer führenden Kraft“, wie es zu nennen war, angehörte, einer Kraft, die zu bestimmen gehabt hat und die, wie mir meine Mutter während ihres Lehrganges diese „Klasse“ als die vorgelesen hat, die nichts als „Ihre Ketten“ zu verlieren hätte und die „zur führenden Kraft“ berufen sei. Für meinen Vater ist das alles irgendwie normal und folgerichtig gewesen, ohne Pathos, ohne diese ins Übergroße gesteigerte Heldenrolle, die meine Mutter aus ihrer Zugehörigkeit zu dieser Partei abgelesen hat. Doch, wie ich dachte, ist das alles aus ihr erst während dieses Lehrganges hervorgebrochen, es war, als ob sie sich erst jetzt bewusst geworden wäre, dass sie zu den Siegern und Führern in diesem Staat gehörte, dass sie durch ihre Mitgliedschaft in dieser Einheitspartei und besonders durch dieses politische Studium zur Elite gehörte, die das Privileg hätte, alles, und besonders alles besser zu wissen als der unwissende Rest, als „die Masse“, wie sie zu nennen war, eine Masse, die berufen gewesen sein sollte, immer nur zu führen, anzuführen, vornweg zu marschieren und herablassend auf die große Mehrheit der Geführten und Geleiteten zu blicken. Und im Gegensatz zu meinem Vater, der nie irgendwelche Schlagworte und Begriffe aus der Politik, genau wie mein Großvater Albert, verwendet hat, sondern immer bildhaft und einfach aus seiner Erfahrung und der ableitbaren Vernunft gesprochen hat, war es meine Mutter, die, seit sie diese „politische Weiterbildung“ absolvierte hat, am Abendbrottisch, bei Spaziergängen, bei den einfachsten Hausarbeiten, selbst bei der Kontrolle unserer Schulaufgaben, unverständlichste Begriffe und „Schlagworte“, die der Großvater immer abwinkend als „Totschlagworte“ bezeichnet hat, ausgesprochen hat, Worte, wie die „von einem Gespenst, das umginge in Europa“ oder „die Expropriation der Expropriierten“ (was ich bis heute nicht verstanden habe) oder dass es „revolutionäre Situationen“ gäbe oder „die Mehrwerttheorie“ oder „die Lehren aus der Pariser Kommune“, wovon ich auch schon in der Schule gehört hatte, oder „die zwei Taktiken der Sozialdemokratie“ oder „herrschende Klasse“ oder „Bourgeoisie“ und so weiter, und sie hat darüber gesprochen, dass es um die Grundlagen und den Aufbau des Sozialismus in unserem Land ging und dass wir uns gegen die Kapitalistenknechte verteidigen müssten, dass wir unsere „Ideologie“ rein und wahrhaftig zu halten hätten, weshalb sie mir den ersten und zweiten Band von Karl Mays „Old Surehand“ weggenommen hat, obwohl die gar nicht mir, sondern einem Freund gehört haben, und sie in den Küchenofen gesteckt hat, mehrmals mit dem Schürhaken nachstochernd, und weshalb sie „kapitalistische“ Klaviernoten, wie Bing Crosbies „Swing and Sing“-Album, was der Vater aus der Gefangenschaft mitgebracht hatte, ebenfalls diesem Feuer überantwortet und verächtlich als „Westmusik“ oder „Hotmusik“ bezeichnet hat. Ja, sie hat andauernd davon gesprochen, dass sie linientreu sei und „die führenden Genossen“, wie sie zu nennen wären, liebe und ihnen vollstes Vertrauen schenke, bei allem, was sie täten und was sie in ihrer großen Weisheit dem Volke an Glück brächten ... Was sie mit dieser Liebe wirklich gemeint hat, habe ich dann am Beispiel des bedeutenden Genossen Persick erfahren, von dem sie häufig und in letzter Zeit immer häufiger gesprochen hatte, so dass wir glauben mussten, ohne diesen Persick ginge weder bei uns noch sonstwo auf der Welt irgendetwas erfolgreich vonstatten, der aber, ohne dass ich es hätte wehren können, plötzlich als Gast zu meinem dreizehnten Geburtstag erschienen war. Womit es zusammenhing, ob es daran gelegen hat, dass er Sekretär der Kreisleitung gewesen ist und meine Mutter den Lehrgang „mit besonders großem Erfolg“ abzuschließen vorhatte, wenn sie sich solcher Unterstützung versicherte, oder ob es daran gelegen hat, dass mein Vater wieder einmal zu einer längeren Dienstreise aufgebrochen war oder dass Großvater Albert ganz plötzlich zu Verwandten ins Erzgebirge fahren musste, nein, womit es wirklich zusammenhing, habe ich nicht erfahren und das habe ich mir damals auch nicht, sondern erst viel später denken können. Jedenfalls thronte der mächtige Genosse Persick nun an unserer Kaffeetafel, mitten unter meinen Schwestern und ein paar Schulfreunden, die gekommen waren und die ich, nach vorheriger peinlicher Namensnennung, habe auswählen dürfen, wobei meine Mutter einige, darunter meinen Lieblingsfreund, den Jürgen Manesilber, und auch meinen zweitbesten Freund, den Bernd Reichenau, von der Liste gestrichen hat, weil sie nicht „zuverlässig“, wie es genannt wurde, nämlich nicht linientreu wären; der eine, weil sein Vater eine kleine Schraubenfabrik besaß, also Kleinkapitalist war, der andere, weil sein Bruder wegen „vollendeter Sabotage gegen die sozialistische Ordnung“ im Gefängnis Bautzen, dem „gelben Elend“, einsaß. Solche „Elemente“, hat die Mutter gesagt,...



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