E-Book, Deutsch, 204 Seiten
Funke Jacek Boehlich und die blonde Tote
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7528-7514-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 204 Seiten
ISBN: 978-3-7528-7514-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Klaus Funke, geboren in Dresden, ist ein bekannter Autor erfolgreicher Romane wie Zeit für Unsterblichkeit, Der Teufel in Dresden, Die Geistesbrüder, Heimgang u.v.a. Neuerdings hat er auch Kriminalromane veröffentlicht: Franzi, Ein einsames Haus, Jacek Boehlich und die blonde Tote u.a.m. Mit - Die Betrogenen - hat Funke ein äußerst authentisches Buch geschrieben, welches zahlreiche Eigenerfahrungen und Selbsterlebtes enthält. Es ist darum ein Zeitzeugnis in der literarischen Form des Romans.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Gut. Sie sind manchmal doch zu etwas nütze, Wiethold. O.k. machen wir es so. Im Übrigen, Sie können noch ein paar Bilder von der ganzen Wohnung hier und von ein paar einzelnen Sachen machen.
Denken Sie, dass es ein Tatort ist?
Nein, das denke ich nicht. Trotzdem, Bilder sind immer auch Fakten. Und Fakten brauchen wir. Man kann nie wissen…
Auf einmal stieß der Hauptkommissar einen Pfiff aus.
Er hatte den Inhalt des Papierkorbs, eines kleinen schwarzen Drahtgeflechts, der neben dem Schreibtisch stand, auf dem Laminat-Fußboden ausgekippt und mit spitzen Fingern darin herum gewühlt. Jetzt hielt er zwei kleine Papierzettel in der Hand.
Hier! rief er, haben wir vielleicht etwas. Es waren die Gastrechnung und ein Bonuskärtchen eines Berliner Restaurants. Böhlich las vor: „Hier jeht´s Ihnen jut – allet wie bei Muttern, bloß ohne Muttern“!“ – „Silberfisch“ Bar, Oranienburger Straße 37 – täglich ab „Neune“ abends – dann die Telefonnummer, Fax, Email-Adresse.
Wetten, in dieser Kaschemme werden wir fündig? Das sag ich Ihnen!
Böhlich war begeistert. Er klopfte seinem Assistenten auf den Rücken, dass dieser einen Hustenanfall bekam. Ja, husten Sie nur, Wiethold. Das reinigt die Bronchien.
Dass wir in diesem „Silberfisch“ einen richtigen Fisch an Land ziehen, sagt mir mein Riecher – und er fasste sich tatsächlich an seine fleischige, rötliche Nase. Werden gleich heute noch hingehen. Man muss die Eisen schmieden…
Wie spät ist es jetzt?
Um halb Sechs, Chef.
Wenn wir so nach Sieben eintreffen, dann passt das, vielleicht kriegen wir da sogar einen Happen zu essen, da ist sind ein paar vom Stammpersonal meistens schon da.
Und ich wette, irgendein Keeper wird uns schon Bescheid sagen. Die Barkeeper sind nämlich die Leute mit den besten Augen. Ja, weiß Gott, die haben bessere Augen als unsereiner. Die sehen alles. Und die merken sich auch was. Und viele von denen haben auch Lebenserfahrung und Menschenkenntnis. Glauben Sie mir, Wiethold, ich könnte mit Ihnen wetten…
Sie wissen, ich wette nicht mit Ihnen.
Ja, ich weiß, Sie haben Angst vor dem Verlieren… Aber, zurück zu den Barkeepern.
Wenn ich was zu melden hätte, ich würde unsere Auszubildenden ein halbes Jahr als Keeper in eine Bar stecken. Sozusagen Zwangspraktikum… Die kämen wieder und wären…
Alkoholiker…
Ach Quatsch. Nee, Wiethold, die wären Füchse im Menschenbeobachten… Also drucken Sie das Bild von diesem Gregor aus. Das nehmen wir mit. Und von der Toten das Bild haben Sie bitte auch am Mann. Und ganz klar von dieser Cora Kreher.
Mensch, haben wir da überhaupt eins? Los suchen Sie Menschenskind, krempeln Sie die Bude um. Irgendein Bild von ihr muss doch zu finden sein? Junge Frauen, zumal, wenn sie hübsch sind, sind immer auch eitel. Die haben immer Bilder von sich irgendwo herumliegen…
Vielleicht sogar Aktfotos.
Wiethold! Wann werden Sie je erwachsen?
Warten Sie, rief der Hauptkommissar, der plötzlich ganz gegen seine Gewohnheit zapplig und aufgeregt geworden war, ich werd gleich mal den Schreibtisch und alle Schubfächer durchsuchen… da hab ich noch nicht… Suchen Sie inzwischen im Kleiderschrank, in Mänteln und Blazern, in Handtaschen und Beuteln, im Bad, neben dem Spiegel. Irgendwo liegt bestimmt irgendein Bild, vielleicht gibt es sogar so eine Art Fotoalbum?
Ja, da finden wir dann die Babybilder! Die Kleine auf der Kuscheldecke.
Wiethold!
Ja, Chef?
Das ist hier kein Spaß. Nehmen Sie sich zusammen.
Es dauerte nicht lange und die beiden Kriminalisten, die alles durchsuchten, das unterste nach oben wühlten, hielten mindestens fünf oder acht oder wer weiß wie viele Fotos von Cora Kreher in den Händen.
Wiethold breitete sie wie ein Kartenleger auf der Tischplatte im Wohnzimmer aus. Der Hauptkommissar stand daneben und lächelte zufrieden.
Donnerwetter! staunte Wiethold, mit der würde ich auch mal… ein verdammt hübscher Käfer… und die Figur…und die Augen… und das Blond.
Wiethold! sagte Böhlich streng, straffen Sie doch mal Ihren Arsch, verdammt und suchen sie zwei oder drei Bilder aus, möglichst aber normale Alltagsfotos, nichts Gestelltes vom Fotografen, und solche, wo wir denken, dass sie neueren Datums sind… die Jugendfotos lassen wir hier. Verstanden?
Und! Wiethold! Böhlich hob den Zeigefinger.
Ja, Chef?
Nichts privat einstecken. Nehmen Sie sich zusammen. Sie sind ja wie ein Spätpubertierender. Ich denke Sie leben in einer geordneten Beziehung?
Und dann! Alles hier aufräumen, so dass nichts weiter auffällt. Alles so zurücklassen, als wäre nichts gewesen. Klar? Ich geh derweil rüber zur Witwe Norrington und mach mit der das Protokoll. Sie klingeln dann, wenn Sie hier alles aufgeräumt haben. Klar? – Klar, Chef.
Die Bar „Der Silberfisch“ hatte einen ebenerdigen Eingang. Von ihm aus ging es 5 Stufen abwärts zu den im Keller gelegenen, einem Labyrinth gleichenden, ewig düsteren Räumen und Regionen. Von außen wirkte das Lokal eingezwängt zwischen einem größeren italienischen Ladencafé „la dulcinella“, einer winzigen Bankfiliale der „Citybank“ und einem ebenfalls italienischen Textilladen, dem Herrenausstatter „Hugo Tagliatti“. Von der Straße aus schwer zu erkennen, lag „Der Silberfisch“ ein wenig versteckt und eingebettet in die an dieser Stelle gutbürgerlich freundliche Sandsteinfassade der Oranienburger Straße, verschattet von jungen Lindenbäumen und verdeckt von parkenden Autos und wandelnden Fußgängern.
Zwei oder drei ebenfalls ebenerdige Fenster mit dunkelgrünen Butzenscheiben waren für die Blicke der auf dem Trottoir Wandelnden undurchdringlich. Über der dunklen Tür, die aussah wie der Eingang zu einem Großtresor, hing eine auf antik getrimmte Stalllaterne, die den ganzen Tag brannte. Daneben die Schaukästen für die Leistungen des Lokals, wo es neben Essen und Trinken, Lapdance und Poledance, ab zwei Uhr nachts auch Striptease gab. Links und rechts neben dem Eingang stand in großen und ab dem Abend in Hellgrün beleuchteten Lettern „Silberfisch - Bar“.
Sowie er die Tür, die wie eine Schwingtür gestaltet war, mit dem Fuß aufgestoßen hatte, verwandelte Böhlich sich in einen böse dreinblickenden, unnahbaren Menschen.
Wiethold, hinter ihm, versuchte es dem Chef gleichzutun, aber er blieb ein Kerlchen, das man, besonders an diesem Ort, nicht ernst nehmen konnte.
Die Bar war noch leer. Irgendwo weiter hinten klapperte eine Putzfrau mit ihren Eimern und Schrubbern. Wegen der Butzenscheiben und der geschlossenen und Furcht einflößenden Drehtür war es halbdunkel und schummrig, wiewohl draußen, jetzt gegen Sieben, noch der helle Tag leuchtete. Vereinzelt blitzten ein paar Lichter an der Holztäfelung und den silbernen Geländern, die nach unten führten.
Als Böhlich und Wiethold die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatten, erhob sich drinnen ein Mann, füllig, ölig, Halbglatze, in einem weißen Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Er hatte offenbar eben etwas gegessen, einen Burger oder ein Sandwich. Er legte den halb angeknabberten Rest auf einen Teller und wälzte sich hinter dem Tresen vor, hinter dem er verborgen auf einem kleinen, niedrigen Hocker gesessen hatte.
Der Tresen gehörte zu einem Ausschank, gleich hinter dem Eingang. Es gab im Ganzen noch vier weitere solche, vom Personal und den Gästen als „Bar“ bezeichnete Getränkeausschanke. Die anderen lagen im tiefen Inneren, sozusagen im Bauch des „Silberfisches“.
Mit noch vollem Mund, in den Mundwinkeln Essensreste, musterte der Mann die Eingetretenen feindselig und schweigend. Seine buschigen Augenbrauen, die irgendwie im Widerspruch zu seiner Halbglatze standen, hatte er böse gerunzelt.
Er fühlte sich gestört. Er murmelte: Da hat der Laden noch jar nich offen und schon komm´wieder welche und wolln wat… det kotzt mich an, so ne Scheiße.
Böhlich tat erst einmal so, als ob er sich für diesen Mitarbeiter der Bar gar nicht interessiere. Er blickte sich suchend um, ging dann langsam auf einen der hohen Barhocker zu, knöpfte sein Jackett auf und setzte sich mit einem Seufzer. Wiethold tat dasselbe, das heißt er kletterte, denn er war einen halben Kopf kleiner als Böhlich, auf den Nachbarhocker, brachte eine Packung Zigaretten hervor, zog einen Ascher zu sich heran.
Der Mann hinter dem Tresen wusste genau, wen er vor sich hatte. So sicher und selbstverständlich benehmen sich nur die Bullen. Die tun so, als ob sie niemanden zu fragen brauchten und alles tun könnten, was ihnen beliebt. Aber die hier, die allerdings wären keine Berliner, dachte er, die Beiden hatte er noch nie gesehen. Und zu ihm kamen immer nur dieselben Bullen. Schon seit Jahren. Er kannte sie alle.
Er fragte: Wünschen sie irgendwas zu trinken? Die Floskel, dass das Lokal noch nicht geöffnet hätte, sparte er sich. Das hätte keinen Zweck gehabt. Er...