Funken / Schulz-Schaeffer Digitalisierung der Arbeitswelt
1. Auflage 2008
ISBN: 978-3-531-91098-7
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Zur Neuordnung formaler und informeller Prozesse in Unternehmen
E-Book, Deutsch, 260 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-91098-7
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
* Der vorliegende Band ist aus einer Tagung hervorgegangen, die am 23. 11. 2006 in der Hauptstadtrepräsentanz der Bertelsmann AG in Berlin abgehalten wurde, und darf im buchstäblichen Sinne als ein gemeinsames Produkt der beiden H- ausgeber betrachtet werden. Freilich konnten auch sie sich den Gesetzen der Arbeitsteilung nicht ganz entziehen und mussten der notorischen Überbelastung im Forschungsbetrieb Tribut zollen. So hat Christiane Funken die Fragestellung des Buches entworfen, die Tagung konzipiert und die überwiegende Zahl der Referenten und Autoren ausgewählt und zur Mitwirkung bewogen. Ingo Schulz- Schaeffer hat die überwiegende Betreuung der Autorinnen und Autoren bei der Überarbeitung der Manuskripte übernommen und den größten Teil der Einf- rung geschrieben. Die Leitidee der Tagung war es, das notwendige Gespräch zwischen W- senschaftlern und Praktikern über eines der brennenden Probleme der gegenw- tigen Unternehmenskultur zu fördern, ja in mancher Hinsicht überhaupt erst in Gang zu setzen. Die Erfahrungsberichte der Vertreterinnen und Vertreter der Praxis, die an der Tagung teilnahmen, haben für das jetzt vorliegende Ergebnis wichtige Anstöße gegeben, und die rege Diskussion und der intensive Erf- rungsaustausch mit ihnen ist in vielfacher Weise in diesen Sammelband ein- flossen. Ihnen sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gedankt. Ausdrü- licher Dank gebührt auch den Autorinnen und Autoren, die sich bereitwillig der Herausforderung gestellt haben, die schwierige Frage nach dem Verhältnis von Formalisierung und Informalität unter den Bedingungen der Digitalisierung der Arbeitswelt konzeptionell auszuloten und nach empirisch tragfähigen Antw- ten zu suchen.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Einführung.- Das Verhältnis von Formalisierung und Informalität betrieblicher Arbeits- und Kommunikationsprozesse und die Rolle der Informationstechnik.- Arbeit.- Informalisierung als Komplement der Informatisierung von Arbeit.- Jenseits des Mythos vom „gläsernen Fahrer“: Die Rolle der Telematik im Transportprozess.- Kooperation und Kommunikation in dezentralen Organisationen — Wandel von formalem und informellem Handeln.- Kommunikation.- Ein Spiel zwischen Personen. Funktionen und Folgen der elektronischen Kommunikation in Unternehmen.- Arbeitsbeziehungen und Beziehungsarbeiten: Zur Gestaltung arbeitsbezogener und informeller Nachrichten in Unternehmen.- Emotionen erwünscht? Emotionalität, Informalität und Geschlecht in wissensintensiven Unternehmen.- Organisation.- Die organisatorische Einbettung von Informationstechnologien in einem globalen Entwicklungsprojekt.- Arbeitsstrukturen in virtuellen Organisationen.- Notwendige und vorläufige Formalisierungslücken in Organisationen.
Jenseits des Mythos vom „gläsernen Fahrer": Die Rolle der Telematik im Transportprozess (S. 69-70)
Daniela Ahrens
1. Einleitung
Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten bzw. zu steigern, sehen sich Speditionsunternehmen zunehmend herausgefordert, ihre Tätigkeit nicht länger auf den Gütertransport selbst zu begrenzen, sondern den Umfang und die Qualität ihrer Dienstleistungen zu erhöhen. Brancheninsider sprechen mit Blick auf den umkämpften Transport- und Gütermarkt bereits von einer Bedeutungsverschiebung vom reinen (austauschbaren) Frachtführer, der Güter von A nach B transportiert, zum Full Service Provider, der im Rahmen einer Kontraktlogistik Lagerhaltung, kundenspezifische Verpackung und unmittelbare Zustellung zum Kunden in sein Angebotsspektrum übernimmt. Speditionen stehen somit gegenwärtig den konfligierenden Zielen der „Kosteneffizienz", „Flexibilität" und „Dienstleistungsarbeit" gegenüber. In diesem Zusammenhang wird im Transport- und Logistikbereich die Einführung von Telematik derzeit mit hoher Emphase diskutiert.
2 Angesichts eines wachsenden
Verkehrsaufkommens und einer steigenden Bedeutung der Kundenorientierung wird die effiziente Planung und Steuerung von Transport-, Umschlags- und Lagerprozessen durch Telematik auch für mittelständische Speditionen unausweichlich. Im Beitrag geht es um die Frage, wie sich durch den Einsatz von Telematik Arbeitsabläufe und Kommunikationsprozesse in der Organisation wandeln. Betriebswirtschaftliche und logistische Rationalisierungskalküle versprechen sich viel von der neuen Technologie, unterschätzen aber die strukturbildenden Wechselbeziehungen zwischen Technik und sozialen Handlungs- und Kommu nikationsprozessen. Telematik schafft zwar in der Tat die Voraussetzungen für innovative Logistikprozesse. Dies ist aber keine hinreichende Erklärung für ihr erfolgreiches Funktionieren.
Der Bias auf betriebswirtschaftliche und logistische Rationalisierungskalküle überschätzt die Rolle der Technik und unterschätzt die strukturbildenden Wechselbeziehungen zwischen Technik und sozialen Handlungs- und Kommunikationsprozessen. Die Auftragsabwicklung in Transportprozessen erfolgt hochgradig arbeitsteilig: Auftragsannahme, Preisermittlung, Routen- und Tourenplanung, Fahrer- und Fahrzeugeinsatz sind eigenständige Aufgabenbereiche.
Zudem ist die Leistungserfüllung durch die räumlich und zeitlich voneinander getrennten Arbeitsorte des LKWs und des Speditionsbüros gekennzeichnet. Der Einsatz von Telematik zielt in erster Linie darauf ab, die resultierenden Koordinationsprobleme durch ein höheres Maß an Kontrolle und Standardisierung von Abläufen zu bewältigen. Diese Betrachtung von Telematik als Mittel der Kontrolle und Überwachung geht stillschweigend von einem Dualismus aus, nach dem menschliche Handlungen als potenzielle Störungsquellen zunehmend durch Technik zu ersetzen seien, um ein Höchstmaß an Effizienz und Effektivität zu erreichen.
Der vorliegende Beitrag zeigt, dass diese Betrachtungsweise nicht nur unzutreffend ist, sondern auch deutlich zu kurz greift. Denn Telematik eröffnet durchaus auch die Möglichkeit neuer kooperativer Arbeitsbeziehungen, die quer zur vorherrschenden funktionalen und hierarchischen Arbeitsteilung liegen. Zu diesem Zweck knüpft der Beitrag an Überlegungen der pragmatischen Techniktheorie (vgl. Rammert 1998) an und untersucht den Telematikeinsatz unter der Perspektive des „verteilten Handelns" (Rammert 2003: 292). Während jedoch bei dem auf der Begriffsebene ambitionierten Ansatz von Rammert/Schulz- Schaeffer (2002) unterschiedliche Grade der Handlungsfähigkeit von Technik im Vordergrund stehen, konzentrieren sich die folgenden Überlegungen auf die Frage nach den Konsequenzen für die Arbeitswelt, wenn bestimmte Tätigkeiten an die Technik delegiert bzw. soziale Kommunikationsprozesse durch Technik digitalisiert und standardisiert werden.
Mit dieser konzeptuellen Perspektive soll einerseits in Rechnung gestellt werden, dass Telematik integraler Bestandteil der Arbeitsprozesse ist. Zum anderen soll aber vermieden werden, die Technik bereits vorab in ein eindeutiges Zweck-Mittel-Schema zu pressen. Wir haben es vielmehr mit einem „hybriden Aktionszusammenhang" (ebd.) zu tun, der es zu einer empirisch offenen Frage macht, wie sich die Aktivitäten durch den Telematikeinsatz neu strukturieren und verteilen.