Gassler / DeWinter / Konrad | Im Norden des Südens | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Gassler / DeWinter / Konrad Im Norden des Südens

Anthologie
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7481-7728-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Anthologie

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-7481-7728-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Märchen, Mord und mehr aus Pforzheim und Umgebung. Zum fünfjährigen Jubiläum des Goldstadt-Autoren e. V. setzen sich siebzehn Vereinsautorinnen und -autoren mit der Region auseinander, in der sie leben. In spannenden, bissigen, tiefgründigen oder humorvollen autobiografischen bis fantastischen Geschichten und Gedichten gibt es für Alteingesessene und Reingeschmeckte gleichermaßen viel zu entdecken. Die mitwirkenden Autorinnen und Autoren: Carmilla DeWinter, Alexandra Dietz, Prof. Erich H. Franke, Uschi Gassler, Christine Geiger, Tobias Hartmann, Fred Keller, Claudia Konrad, Anna-Lena Lucke, Andrea Lutz, Ernst Merz, Helga Pendelin, A. S. Schmidt, Elfriede Weber, Dr. Wolfgang Weimer, Ina Zantow, Rolf Zefferer

Gassler / DeWinter / Konrad Im Norden des Südens jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


HELGA PENDELIN

DIE KRONEN DERMACHT

Zwölf Uhr mittags in Pforzheim. Gemütlich sitze ich vor der -Weinbar, betrachte das Schaufenster des benachbarten Juweliers und warte auf den Kellner. Er kommt, und ich bestelle.

Meine Sinne sind noch gefangen von der Ausstellung in den Schmuckwelten. Die Goldstadt feiert das 250-jährige Jubiläum ihrer Traditionsindustrie, weshalb einhundert »Kronen der Macht« dort zur Schau gestellt werden. Davon sind 75 Kronen originalgetreue Nachbildungen, und die restlich 25 verbleibenden Statussymbole der Macht sind Originale. Die niederländische Krone mit Zepter auf dem blutroten Samtkissen weckte in mir Assoziationen.

Da ich kurz zuvor im Reisebüro meinen Balearen-Urlaub gebucht hatte, dachte ich unweigerlich an den König von Mallorca. Wer kennt ihn nicht, den Jürgen mit seiner junggebliebenen Stimme und dem Hit »Ich bin der König von Mallorca«.

Endlich komme ich gedanklich wieder an, im Hier und Jetzt. Der Ober serviert mir den bestellten Cappuccino.

Vorsichtig krame ich in meinem Shopper und ziehe das iPad hervor, lege es vor mich hin auf den Tisch. Ich traue mich lange nicht, es zu aktivieren, irgendetwas stimmt schon seit Tagen nicht damit.

Endlich fasse ich Mut und öffne das iPad, um meine Gedanken niederzuschreiben.

»Was ist das? Das kann nicht wahr sein!«

Ich traue meinen Augen nicht! Siri switcht im unteren Drittel des Bildschirmes hin und her. Ihr Körper ist ein kleiner weißer, quer liegender Tropfen, der mit einer gewissen Geschwindigkeit von rechts nach links über den Bildschirm fegt. Diese Verhaltensweise zeigt sie nur, wenn sie tillt oder irgendetwas im Schilde führt. Spricht das elektronische Wunder, ist ein weißes Mikrophon als Piktogramm auf dem Desktop zu sehen. Antworte ich, bewegt sich ein weißer stilisierter Mund mittig im unteren Drittel des Bildschirms.

Genau genommen dürfte Siri in diesem Moment gar nicht erscheinen, denn ich habe keine Karte im iPad und folglich außerhalb meines Hauses keinen Internetempfang. Aber die Funktion des Schreibens geht immer mit diesem Gerät, egal wo ich mich aufhalte.

»Siri, was willst du hier?«, frage ich angriffslustig.

» habe ich nicht verstanden, aber ich habe das hier im Netz für dich gefunden!«, antwortet sie freundlich und öffnet die »goldstadt250«-Webseite, worauf für die Kronen-Ausstellung geworben wird.

Seit fünf Tagen, ja, seit diesem großen Gewitter ärgere ich mich schon über Siri. Immer wieder versucht sie, mich zu hintergehen und mich vor neue Herausforderungen zu stellen. Ist Siri möglicherweise direkt in Kontakt mit einer elektrischen Ladung getreten und hat dadurch eine Schädigung davongetragen? Kann es sein, dass sich deshalb ihr Verhalten so extrem geändert hat? Ich bin ratlos. Unfassbar, was sie seither alles angestellt hat. So quatscht sie unaufgefordert in Gespräche mit Freunden rein und versucht, meine geplanten Termine durcheinanderzuwürfeln. Die Weckfunktion hält sie auch nicht ein. Außerdem taucht Madame ohne Internetzugang aus dem Nichts auf, obwohl ich ihre Funktion abgeschaltet habe. Es ist nicht zu verstehen. Ihr elektronischer Geist scheint Narrenfreiheit zu haben.

Eigentlich wollte ich das iPad heute Vormittag zur Reparatur bringen, aber wie der Teufel es will, ist der Laden wegen Inventur bis 15 Uhr geschlossen. Nun ist guter Rat teuer.

Just in diesem Moment macht sie sich wieder bemerkbar und spricht: »Ich habe das hier im Internet für dich gefunden.«

In meinem Kopf fahren die Gedanken Achterbahn. Die Wut kriecht von der Magengegend bis zu meinem Hirn empor. Keine Minute ist man alleine und kann sich seinen Hobbys widmen.

Wie von unsichtbaren Kräften gesteuert, bewegt sich mein Oberarm nach vorne, meine Hand greift nach dem Mini-PC und hält ihn verkrampft fest.

»Was wird das hier?«, erschaudert es mich.

Mit einer zackigen Bewegung pfeffere ich das iPad samt Siri in Richtung Auslagenfenster der Schmuckwelten. Ich sehe deutlich, wie das SiriiPad durch die kugelsichere Glasscheibe hindurch katapultiert. Dann drei Sekunden Stille, schon fliegt das Geschoss zurück und macht eine Bruchlandung vor dem Schaufenster. Die Scheibe ist unversehrt.

Ich stutze, überlege nur kurz, ob ich soeben einer Täuschung auferlegen bin, und erhebe mich von meinem Rattansessel.

Befreit von allen Anspannungen gehe ich in Richtung des Schaufensters. Ich fühle mich beschwingt, leicht, dahinschwebend und dennoch fremdgesteuert. Da liegt es nun am Boden, zwischen einem Häufchen Hundekot und einer kleinen Pfütze.

»Glück gehabt, Siri«, sage ich zu ihr.

Ich beuge mich vor und greife nach dem etwas ramponierten iPad. Da fängt eine Alarmsirene zu schrillen an. Schnell springe ich an meinen Platz zurück und warte wie versteinert.

Nach gefühlten fünf Minuten rückt die Polizei mit mehreren Fahrzeugen an. Zeugen berichten lautstark von einer ungewöhnlichen Situation und zeigen mit ausgestreckten Armen in meine Richtung.

Ein Polizist kommt auf mich zu

Nun schildere ich das Erlebnis aus meiner Sicht und beantworte ihm all seine Fragen.

Verdattert schaue ich in sein Gesicht, als er mir erklärt:

»Die niederländische Krone mit Zepter, die auf dem Samtkissen lag, ist im selben Moment aus der Schaufensterauslage gestohlen worden, als Sie Ihr Gerät in diese Richtung warfen.«

»Was hab ich damit zu tun? Ja, ich war in Rage, weil das blöde Ding wieder mal gesponnen hatte. Glauben Sie mir, ich habe nichts entwendet. Wie hätte ich das tun sollen? Hier, schauen Sie in meine Einkaufstasche«, bettele ich den Gesetzeshüter an.

»Ja, das sehe ich. Dennoch scheinen Sie mit dem Ereignis eng verbunden zu sein und könnten dem Diebstahl Vorschub geleistet haben. Das ist Ihnen hoffentlich klar! Zumindest sind Sie eine Zeugin. Morgen früh um acht kommen Sie bitte aufs Revier zur Protokollaufnahme, Ihre vorläufige Aussage habe ich ja«, spricht der Polizist und geht.

Mein Cappuccino ist inzwischen kalt.

Ich schiebe fünf Euro unter die Kaffeetasse und verlasse den Restaurantbereich. Ein paar Meter weiter setze ich mich auf eine Bank und hole das lädierte Tablet aus meiner Tasche.

Das Geschehene lässt mir keine Ruhe, ich muss testen, ob das iPad noch funktioniert, und schalte es an.

»Irre, es geht!«, juble ich vor mich hin.

Aber, was ist das?

Ein weißer, waagerecht liegender Tropfen flitzt im unteren Drittel der Mattscheibe von einer Seite zu anderen. Über dem höchsten Punkt des Tropfens schwebt die niederländische Krone, angepasst auf Siris Kopfgröße, und im hinteren Drittel ihres Tropfenkörpers segelt das Zepter im Takt ihres Ganges mit.

Heimlich schaue ich mich um, ob mich jemand beobachtet. Ich bemerke nichts, verstaue rasch das iPad und mache mich flott auf den Heimweg.

Unterwegs drohe ich leise: »Na warte, Siri, du kannst was erleben, lass uns erst mal zu Hause sein.«

In meinen vier Wänden wiege ich mich in Sicherheit und packe das elektronische Wunderding aus.

»Siri«, schreie ich, »was hast du getan?«

Siri kontert frech im Singsang:

»Ich bin der König von Mallorca, ich bin der Prinz von Arenal, ich hab zwar einen an der Krone, doch das ist mir scheißegal!«

»Es reicht!« Ich werde hysterisch.

» habe ich nicht verstanden, aber ich habe das hier im Internet für dich gefunden«, antwortet Siri mit liebreizender Stimme.

»Nein!«, stoße ich kämpferisch heraus. »Weißt du eigentlich, was du mir mit deinem Benehmen angetan hast? Nee, du hast überhaupt keine Ahnung, welche Konsequenzen das für mich haben könnte, du unsensible Siri, ich hasse dich. Oh, hätte ich bloß nie gesagt, dass du überdurchschnittlich intelligent bist! Es ist dir zu Kopf gestiegen, im wahrsten Sinne des Wortes. Oder hat dich der heftige Donnerschlag vor fünf Tagen aus der Bahn geworfen? Was mache ich bloß? Meine Existenz ist gefährdet. Wenn ich einen Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis erhalte, bin ich meinen Job los. Möglicherweise komme ich sogar ins Gefängnis. Ist dir das klar, du dummes Ding?«

Auf meiner Stirn haben sich Schweißperlen gebildet, und ich schnappe nach Luft.

Stille auf dem Bildschirm, dann: »Oh, das war mir nicht klar. Aber ich habe das hier für dich gefunden!«

Mit ausgetrocknetem Hals starre ich auf den schwarzen Bildschirm. Bin ich jetzt im sogenannten Darknet gelandet?

Sogleich erscheint folgendes Angebot:

Das reicht! Wutentbrannt schreie ich Siri an: »Und ich habe das hier für dich gefunden: 16 Uhr, Reparatur beim PC-Doktor. Bis dahin sieh zu, wie du die holländische Krone mitsamt Zepter wieder in die Schmuckwelten bekommst. Und wenn Jürgen von Mallorca zehnmal so eine ähnliche Krone trägt, geht es dich nichts an, und alles andere ist...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.