Geiger Die rechtliche Organisation kollektiver Patienteninteressen



Der Autor befasst sich mit der Problematik der Errichtung einer Interessenvertretung für Patienten im Gesundheitswesen und den mit einem solchen Institutionalisierungsprozess zusammenhängenden rechtlichen Fragen. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme, in welcher der Verfasser zunächst untersucht, wie es derzeit um die Repräsentanz der Patienteninteressen auf der Systemebene bestellt ist, wendet er sich der Frage zu, wie sich eine Patientenpartizipation an gesundheitspolitischen Konsensverfahren begründen lässt. In dem anschließenden konzeptionellen Teil entwickelt der Verfasser ein Ombudsmannmodell, in dem Patientenbeauftragte einerseits als Ansprechpartner für Patienten fungieren und andererseits deren Interessen auf der Systemebene repräsentieren. Ein Schwerpunkt der Erörterungen liegt dabei auf der verfassungsrechtlichen Dimension der Problematik.
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und Problemstellung.- Ausgangslage und konzeptionelle Grundlagen einer Organisation kollektiver Patienteninteressen.- Begründung des Ausbaus kollektiver Patientenrechte.- Konzeption einer Interessenvertretung von Patienten.- Die rechtliche Organisation kollektiver Patienteninteressen — Vorschläge für die Praxis.- Ausblick.- Zusammenfassung in Thesen.


§ 2 Die Demokratisierung der Richtliniengebung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (S. 261-262)

Es ist oben dargelegt worden, dass nach dem – seit dem GMG nun mehr explizit zum Ausdruck kommenden – Willen des Gesetzgebers1195 dem Gemeinsamen Bundesausschuss eine Kompetenz zu verbindlicher Rechtskonkretisierung in Bezug auf die Leistungsansprüche der in der GKV versicherten Patienten zukommt. Nach hier vertretener Auffassung ist eine solche Kompetenz nach der Regelungssystematik des SGB V – was die gemeinsame Selbstverwaltung angeht – allerdings ausschließlich für den Gemeinsamen Bundesausschuss anzunehmen.

Insofern kommt auch nur diesem eine eigenständige Bedeutung im Rechtskonkretisierungskonzept des SGB V zu, so dass auch nur er staatliche Gewalt im Sinne des Art. 20 II GG ausübt und daher der demokratischen Legitimation bedarf. Anders wäre dies freilich zu beurteilen, würde man die Einschätzung des 1. Senats des BSG teilen und auch den Vertragsparteien in der gemeinsamen Selbstverwaltung eine rechtskonkretisierende Kompetenz in Bezug auf die Versicherten zusprechen, was indes – wie dargelegt – weder der vertraglichen Regelungstechnik gerecht wird noch der Gesamtsystematik des SGB V entspricht.1196 Es sollen daher im Folgenden, unter Bezugnahme auf die aufgezeigten demokratischen Defizite des Gemeinsamen Bundesausschusses, einige Wege zur Herbeiführung einer Demokratisierung des sozialversicherungsrechtlichen Richtlinienerlasses erwogen werden.

Prinzipiell denkbar wären hierbei zwei Methoden: ein (personeller) Umbau des Gemeinsamen Bundesausschusses, oder aber die Übertragung der Regelungskompetenz an die Ministerialverwaltung, mithin eine Überführung der Regelungsmaterie in die staatliche Verordnungsgebung.

Eine solche „Wahlmöglichkeit" in den Lösungsansätzen bestünde allerdings nur, wenn man entweder einen verfassungsrechtlichen „Numerus clausus der Rechtsetzungsformen" von vornherein verneinte, oder aber sich die Richtlinien als in den Kanon verfassungsrechtlich akzeptierter Rechtsetzungsformen einreihen, sich namentlich als Satzung identifizieren ließen, da sich ein Umbau der Selbstverwaltung andernfalls bereits von vornherein nicht als Alternative anböte und die Entscheidung schon insofern nur auf die Verordnungsgebung fallen könnte. Zunächst ist daher zu klären, ob sich das Grundgesetz prinzipiell als formenoffen erweist oder ob sich der Verfassung hinsichtlich exekutiver Normierungsformen ein Typenzwang entnehmen lässt.

A. Verfassungsrechtlicher „Numerus clausus der Rechtsetzungsformen"?

Ohne Zweifel bereitet die Einordnung der Richtlinien im Vertragsarztrecht in die Regelungstypik der traditionell Akzeptanz findenden Normierungsmechanismen einige Schwierigkeiten, doch sind verfassungsrechtliche Gründe, die zu einer solch formgebundenen Qualifikation zwingen würden, nicht ersichtlich. Das Grundgesetz kennt neben dem Verfassungsrecht selbst das hierarchisch ihr untergeordnete förmliche Parlamentsgesetz sowie die Rechtsverordnung, deren existentielle Voraussetzungen in Art. 80 GG normiert sind.

Darüber hinaus wird die Verwaltungsvorschrift im Zusammenhang mit der Ausführung von Bundesgesetzen zur Sicherung eines einheitlichen Gesetzesvollzugs genannt. Keine textliche Erwähnung findet sich im Grundgesetz hingegen für die Satzung, obwohl diese traditionell als hergebrachtes positives Regelungsinstrument anerkannt und nicht in Frage gestellt wird. Somit mag sich als Kanon klassischer Rechtsetzungsformen das Instrumentarium des Verfassungsrechts, des Parlamentsgesetzes, der exekutivischen Rechtsverordnung, der Satzung sowie schließlich der Verwaltungsvorschrift gleichsam historische Anerkennung verschafft haben, doch kann von einer systematischen grundgesetzlichen Katalogisierung exekutivischer Normsetzungsformen im technischen Sinne nicht die Rede sein.

Angesichts der Absenz einer solchen expliziten verfassungsrechtlichen Enumeration zulässiger Rechtsetzungsformen würde man von einem Numerus clausus der Rechtsetzungsformen daher allenfalls dann ausgehen können, wenn die grundgesetzliche Regelungssystematik eine solche Auslegung nahe legte, sich also Anhaltspunkte für einen Formenzwang aus der Verfassung selbst entnehmen ließen. Die fehlende Systematik, mit der das Parlamentsgesetz, die Rechtsverordnung und die Verwaltungsvorschrift in der Verfassung lediglich genannt und dabei weder definiert noch – wie auch immer – zueinander in Beziehung gesetzt werden, spricht indes eher gegen einen grundgesetzlichen Formenzwang.


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