E-Book, Deutsch, Band 2, 152 Seiten
Reihe: Linguistik und Schule
Geist / Krafft Deutsch als Zweitsprache
2. aktualisierte Auflage 2019
ISBN: 978-3-8233-0189-9
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sprachdidaktik für mehrsprachige Klassen
E-Book, Deutsch, Band 2, 152 Seiten
Reihe: Linguistik und Schule
ISBN: 978-3-8233-0189-9
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Barbara Geist ist als Sprachwissenschaftlerin und Sprachdidaktikerin an der Universität Leipzig tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u.a. Didaktik des Deutschen als Zweitsprache, Mehrsprachigkeitsdidaktik, Zweitspracherwerb, Sprachdiagnostik und Unterrichtskommunikation (Rechtschreibgespräche). Sie veröffentlicht in Fachzeitschriften und entwirft Unterrichtsmaterialien mit dem Fokus des gemeinsamen Unterrichts in sprachlich heterogenen Klassen. Prof. Dr. Andreas Krafft ist Professor für deutsche Sprache und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Entwicklung metasprachlicher Fähigkeiten und der Grammatikunterricht, Interpunktionserwerb und Interpunktionsdidaktik sowie die Didaktik des Deutschen als Zweitsprache.
Autoren/Hrsg.
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2.1 Fachliche Grundlagen: Mündliche Sprachproduktion und -rezeption in Unterricht und Alltag
Eine Besonderheit des Kompetenzbereichs ist, dass gesprochene Sprache1 Lerngegenstand und -medium zugleich ist. Jedoch unterscheidet sich ein Unterrichtsgespräch in vielerlei Hinsicht von einem Alltagsgespräch: Die Zahl der (potentiellen) SprecherInnen ist höher und es bestehen hierarchische Unterschiede zwischen SuS und Lehrperson (Hochstadt et al. 2015). Die Charakteristika von Unterrichtskommunikation wurden bereits umfangreich erforscht (u.a. Ehlich/Rehbein 1979, Becker-Mrotzek/Vogt 2009, Grundler/Vogt 2013, Heller/Morek 2015). Die Herausforderung, als Lehrkraft nicht immer als Gesprächsleiter(in), Gesprächsteilnehmer(in) mit einem hohen Redeanteil oder Aufgabensteller(in) aufzutreten, ist groß. Ebenso relevant ist jedoch, sich eben dieser immer wieder praktizierten Handlungsmuster von Unterrichtskommunikation als Lehrkraft bewusst zu sein und dann mit Blick auf die Sprachförderung von SuS mit DaZ die Rolle des Sprachvorbilds ernst zu nehmen (Jeuk 2013: 119). Es gibt bislang wenig Forschung zur Unterrichtskommunikation mit dem Fokus auf die sprachliche Heterogenität der Klasse. Aus diesem Grund greifen wir in diesem Kapitel auch auf Methoden der Sprachheilpädagogik und Fremdsprachdidaktik zurück, sofern diese uns einsetzbar für den Regelunterricht in mehrsprachigen Klassen erscheinen. Bei der Darstellung der fachlichen Grundlagen setzen wir zwei Schwerpunkte: 1. Besonderheiten der deutschen Sprache (mit Fokus auf die gesprochene Sprache) und 2. Bildungssprache. Der Zweitspracherwerb ist in der Förderung des und verstehenden eine zentrale Orientierungsgröße und wird im folgenden Abschnitt in Auszügen beschrieben.
Um im Unterricht den SuS ein sprachliches Vorbild zu sein, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu fördern, dem Erwerbsstand angemessene Aufgaben zu formulieren und Leistungen zu bewerten, gilt es, mindestens die Sprache, in der der Unterricht stattfindet, genauestens zu kennen. Daher möchten wir ausgewählte Besonderheiten des Deutschen hier kurz darstellen.
Während es sich beim stimmlosen [t] und dem stimmhaften [d] um verschiedene Phoneme handelt (z.B.
Das Deutsche verfügt über ein sehr umfangreiches Vokalinventar. In der Standardsprache des Arabischen treten dagegen nur die Vokale [a], [?], [?] sowie deren langen Versionen [?:], [i:], [u:] auf (Zeldes/Kanbar 2014). SuS mit Arabisch als L1 erwerben demnach völlig neue Phoneme im Zweitspracherwerb, verfügen jedoch nicht mehr über die sprachenübergreifende Fähigkeit zur intuitiven Lautdifferenzierung, mit der Säuglinge ausgestattet sind (Kauschke 2012). (Weiterführend s. Hirschfeld/Reinke 2016.)
Das Deutsche ist eine sehr wortbildungsfreudige Sprache – ein Beispiel dafür sind die häufig auftretenden Komposita. Auch im Englischen sind zusammengesetzte Nomen wie möglich, während im Polnischen kaum Komposita gebildet werden. Ihre Länge im Deutschen ist jedoch beachtlich, so sind drei Wurzeln wie in normal und mehr als drei Wurzeln zwar selten, aber durchaus möglich (z.B. ). Prinzipiell lässt sich das nahezu unendlich fortsetzen, wie die berühmte zeigt. Bei der häufigsten Variante, den Determinativkomposita, gilt, dass das erste Element das zweite spezifiziert: So unterscheiden wir z.B. und . Wann ein Fugenelement eingefügt wird (und wenn ja, welches), ist lexikalisch zu erwerben. Das häufigste Fugenelement ist das [s], z.B. in . Unklar ist, wieso das kein ist, ist es doch von Huhn gelegt (Truckenbrodt 2014: 53).
Abb. 2: Deklination der attributiven Adjektive mit definitem Artikel, aus: Granzow-Emden 2014: 267
Die Konjugation der Verben ist im Deutschen kein leichtes Unterfangen, vergleicht man die Suffixe im Präsens (ich geh-e, du geh-st, er/sie/es geh-t etc.) z.B. mit dem Englischen, in dem die Regel für die einzige Abweichung vom Infinitiv bereits ausreicht. Wesentlich komplexer als die Konjugation ist jedoch die Deklination im Deutschen, die wohl den Begriff ‚Stolperstein‘ verdient.
Im Unterschied zu vielen anderen Sprachen wird auch das Adjektiv an den Kasus des attribuierten Nomens angepasst (Abb. 2). Dabei ist zu beachten, dass sich dessen Flexion auch an der Umgebung orientiert: Während bei definiten Artikeln eine ‚schwache‘ Endung ( bzw. ) verwendet wird (Abb. 2), erfolgt bei indefiniten Artikeln eine deutlichere Markierung (z.B. ).2 Hinzu kommt die Besonderheit, dass das Deutsche die drei Genera Maskulinum, Femininum und Neutrum mit je einem anderen Artikel kennzeichnet, während einige Sprachen im Unterschied zum Deutschen keine Artikel verwenden (z.B. Russisch, Türkisch), für jedes Nomen denselben Artikel nutzen (z.B. Englisch) oder nur über zwei verschiedene Artikel verfügen (z.B. Französisch, Spanisch) (Tab. 2).
Deutsch | Englisch | Französisch | Spanisch | Russisch |
die G?bel | the fork | l? fourchette | tenedor | ??´??? (vilk?) |
d?s Bett | the bed | lit | l? c?m? | ?????? (krov?t‘) |
Stein | the stone | l? pierre | l? piedr? | ?á???? (k?mjen) |
die Fl?sche | the bottle | l? bouteille | l? botell? | ????´??? (butýlk?) |
Tab. 2: Sprachenvergleich Artikel und Genus (in Anlehnung an Riegler et al. 2015: 91, dort farbige Hervorhebungen)
Eine eindeutige Markierung der Kasus liegt nur im Maskulinum vor, während andererseits ein und dieselbe Form (z.B. ) völlig unterschiedliche Aufgaben übernimmt (z.B. Dativ/Genitiv Singular, setzt das Wissen voraus, dass feminin ist) (s. auch Kap. 6).
Eine weitere Besonderheit des Deutschen sind trennbare Verben: So entsteht durch den vorangestellten Baustein aus ein neues Verb: . Betonte vorangestellte Morpheme (Verbpartikeln) wie , oder werden im V2- oder V1-Satz im Präsens abgetrennt und stehen im rechten Verbfeld (Konrad die Tafel ). Die Bedeutung von Verben mit und ohne Präverb unterscheidet sich in der Regel: Während und je nach Kontext synonym verwendet werden können, ist das bei und nicht möglich. Zudem unterscheiden sich bei diesen Verben nicht nur die Bedeutung(en), sondern auch die Zahl und Art der obligatorischen Ergänzungen. Hingegen werden unbetonte Präfixe wie - in und - in im Unterschied zu...