E-Book, Deutsch, 1120 Seiten
Görner / Blum / Zöbeli Love Me Tender
15001. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95818-037-6
Verlag: Ullstein Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Drei Liebesromane zum Valentinstag
E-Book, Deutsch, 1120 Seiten
ISBN: 978-3-95818-037-6
Verlag: Ullstein Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Alexandra Görner ist 35 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in einer kleinen Stadt in Sachsen. Sie arbeitet in einem Zuliefererbetrieb für die Automobilindustrie und schreibt nur in ihrer Freizeit. Die verbringt sie außerdem am liebsten mit ihrer Familie und natürlich mit tollen Büchern.
Autoren/Hrsg.
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Drei
Schon die schicke Fassade des Shine ist eine Augenweide. Mit flotten Schritten erklimme ich die zehn Stufen der beeindruckenden Freitreppe und werde von einem Portier in tadelloser Uniform – rote Jacke, schwarze Hose – durch die großen, aus Holz und Glas bestehenden Schwingtüren geleitet. Er führt mich zum Fahrstuhl und nach einer nur sekundenlangen Fahrt öffnen sich die Türen und ich stehe in einem schummrig beleuchteten Flur. Gleich begegne ich Michael. Mein Herz wummert im Takt meiner Schritte. Der dicke, cremefarbene Teppich dämpft jegliches Geräusch. Ich bin aufgeregt, atme ein letztes Mal tief durch, dann wird mir eine weitere Tür geöffnet und ich betrete das Restaurant.
Ein leises »Wow« schlüpft durch meine Lippen. Das Shine macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Es strahlt. An der Decke sind Hunderte Lämpchen eingelassen, ähnlich einem Sternenhimmel. Ein Meer aus Kerzen ergießt sich regelrecht über die Tische. An Romantik nicht mehr zu überbieten. Ein Zittern erfasst mich. Hier ist es unglaublich schön. Ich entdecke Michael an einem Tisch direkt vor mir. Mein Herz macht einen Sprung. Auch hier, ein Meer aus Kerzen.
Er erhebt sich, als ich auf ihn zukomme.
Gerade plumpst sein Handy in die Innentasche seiner Jacke. Ich halte Michaels Blick, beobachte ihn, warte fast schon sehnsüchtig auf ein Funkeln in seinen Augen. Auf den Augenblick, wenn sich seine Lippen zu einem begeisterten »Oh« formen. Und verspüre einen Stich im Herzen, als all das ausbleibt. Stattdessen begrüßt er mich mit einem Kuss auf jede Wange. Nicht auf die Lippen. Das tut er niemals in der Öffentlichkeit. Er ist irgendwie ein bisschen verklemmt.
Unser Kellner rückt meinen Stuhl zurecht und ich lasse mich elegant darauf nieder.
Michael setzt sich jetzt ebenfalls. Die Hände vor seiner Brust verschränkt, starrt er mich aus seinen blauen Augen an, darauf wartend, dass der Champagner fertig eingeschenkt wird. Der Kellner wünscht uns einen angenehmen Abend und entfernt sich dann mit gedämpften Schritten.
Mein zukünftiger Ehemann. Perfekt sitzender schwarzer Anzug, blaue Augen, blondes Haar, ebenfalls perfekt frisiert.
»Du bist zu spät«, eröffnet er unser Gespräch. Ein missmutiger Zug liegt auf seinen schmalen Lippen. Und mein Herz setzt einen Schlag aus. »45 Minuten, Tess. Du weißt, was ich davon halte!« Seine Stimme ist jetzt anklagend.
»Ist mir bewusst«, sage ich angespannt. Ich bin kurz vorm Explodieren und könnte es jetzt wirklich darauf anlegen, ihn auf die Palme zu bringen. Aber, bevor ich noch etwas sage, was ich später eventuell bereuen könnte, schlucke ich meinen Ärger hinunter, lege meine Hand auf seine, lächle Michael an. Kein Streit. Nicht heute. Stattdessen versuche ich das Thema zu wechseln.
»Erkennst du mein Kleid?« Ich kann nicht verhindern, dass meine Augen diesen hoffnungsvollen Schimmer annehmen und meine Stimme den dazugehörigen Klang. Michael hebt nur fragend seine Augenbrauen: »Sollte ich?« Seine Antwort versetzt mir einen weiteren Stich ins Herz. »Valentino. Es ist von Valentino.
Ich habe es im Store auf der Brompton Road gekauft. Wie damals«, füge ich lahm hinzu.
Er muss sich doch erinnern!
»Das sagt mir nichts, tut mir leid, Liebling«, fügt er etwas versöhnlicher hinzu.
Oh mein Gott! Er erinnert sich tatsächlich nicht an unser Kennenlernen. Wie kann er das vergessen? Es ist erst zwei Jahre her. Erst zwei verdammte Jahre!
Fest presse ich meine Lippen aufeinander, versuche den Kloß in meiner Kehle zu ignorieren, die aufsteigenden Tränen niederzuringen, mich zu beruhigen. Alles halb so wild, rede ich mir ein. Michael ist ein viel beschäftigter Mann. Wie kann ich ihm da Vorwürfe machen. Mal ehrlich, wie viele Männer erinnern sich schon an jede Kleinigkeit der ersten Begegnung? Genau, wahrscheinlich nur verdammt wenige. Wenn überhaupt. Außerdem sagt das gar nichts über unsere Liebe aus. Wir sind heute hier. Nur das zählt. Dann ist er eben nicht der superromantische Typ, der sich merkt, was seine Freundin beim ersten Date anhatte. Oder der Blumen und Pralinen mitbringt. Das ist gar nicht schlimm. Weil ich eigentlich auch nicht auf so was stehe. Ja ehrlich, wer will schon den ganzen Kram haben. Pralinen als Liebesbeweis – völlig überbewertet. Man wird eh nur fett von den Dingern.
Ich versuche Michael fröhlich zuzulächeln, aber selbst ich spüre, wie aufgesetzt das aussehen muss. Rasch versuche ich, den bitteren Geschmack, den seine Worte hinterlassen haben, mit dem teuren Champagner hinunterzuspülen. Aber was sonst so herrlich frisch und prickelnd schmeckt, vermag den fahlen Beigeschmack seiner Worte nicht zu vertreiben. Dennoch versuche ich, auf andere Gedanken zu kommen. Was mir ehrlich gesagt ziemlich schwerfällt.
Das ist also der Mann, den ich heiraten werde. Der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringe. Dieser Rest könnte echt lang werden. Wäre schließlich möglich, dass ich neunzig Jahre alt werde. Der Vater meiner Kinder. Ich versuche nicht zu zittern, als ich einen weiteren Schluck Champagner trinke. Noch hat er mich nicht gefragt, aber ich bin mir sicher, dass er es tun wird. Heute noch.
»Du siehst natürlich schön aus.«
Das ist alles, was ich bekomme. Schön. Nur »schön«.
Nicht »atemberaubend«, nicht »fantastisch«, nicht »wundervoll«.
Nur »schön«.
Enttäuscht sacken meine Schultern herab. Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben. Ich war bei Natalia zur Maniküre und Pediküre. Sie haben keine Ahnung wie schwierig es war, bei ihr so kurzfristig einen Termin zu bekommen. Ich habe am Telefon geweint, um sie zu erweichen. Geweint! Ruby hat meine Augenbrauen gezupft, und mein Make-Up ist verdammt noch mal perfekt. Alles für diesen einen Abend. Aber interessiert das Michael? Nein, nicht die Bohne. Er ist nur bockig wegen meines Zuspätkommens. Ehrlich gesagt bin ich mittlerweile ziemlich sauer. Er hat es tatsächlich geschafft, meine Laune in knapp zehn Minuten auf den absoluten Nullpunkt sinken zu lassen. Seufzend nehme ich die Speisekarte zur Hand. Das einzig Positive: Der Abend ist so schrecklich, noch schrecklicher kann er nicht werden.
Ich studiere aufmerksam die Karte. Man hab ich einen Hunger. Ich könnte ein ganzes Rind verschlingen. »Das Steak klingt wirklich lecker. Das nehme ich.«
»Nicht nötig, Liebling!«, unterbricht Michael mich. »Ich habe unsere Bestellung schon vor deinem Eintreffen aufgegeben. Das Essen müsste gleich serviert werden.«
Ich starre ihn an.
»Und nach was steht mir heute der Sinn?« Nicht mal annähernd versuche ich, die Schärfe aus meiner Stimme zu nehmen. Ich hasse es, von Michael bevormundet zu werden. Aber zu spät. Nicht nötig, dass er mir sagt, was er für mich bestellt hat. Denn im selben Moment stellt der Kellner einen Teller Muscheln vor mir ab.
Einen riesigen Teller Muscheln.
»Die doppelte Portion für dich, Liebling. Ich weiß doch, wie sehr du Muscheln liebst.« Die Freude, die aus Michaels Stimme spricht, ist unüberhörbar. Erinnern Sie sich noch, wie ich vorhin sagte, der Abend kann nicht schrecklicher werden? Tja, er kann.
Muscheln! Oh, bitte nicht! Da habe ich einmal diesen absolut blöden Fehler gemacht: Michael hatte mich zum Essen eingeladen, zu sich nach Hause. Ich dumme Kuh hatte doch tatsächlich angenommen, er habe selbst gekocht. Was im Nachhinein natürlich total idiotisch von mir war. Es gab Muscheln. Sie waren grauenhaft. Ehrlich! Aber um ihn nicht zu verletzen, behauptete ich, dass die Muscheln wirklich sehr schmackhaft waren. Ja genau, ich habe das Wort »schmackhaft« benutzt. Ich brachte es nicht über mich, ihm die Wahrheit zu sagen. Später erzählte er mir von seiner Köchin und dass sie diese Muscheln zubereitet hatte. Und genau dieser dumme, wirklich dumme Fehler hängt mir immer noch nach. Denn irgendwie ist Michael seit diesem Abend der Annahme, dass Muscheln mein Lieblingsessen sind. Tja, so ist das also mit diesen Notlügen. Und heute Abend sitze ich hier und habe diesen riesigen Teller vor mir stehen. Wenn ich diese schleimigen Dinger nur ansehe, wird mir kotzübel. Eigentlich wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um Michael die Wahrheit zu sagen, ihm zu gestehen, wie ekelhaft ich Muscheln finde. Ich hätte jetzt wirklich gerne ein Steak. Aber dann gucke ich in seine Augen, er lächelt mich an, seine Hand liegt jetzt wieder auf meiner. Ok, denke ich. Ich reiße mich jetzt einfach zusammen. Muscheln. Es sind nur Muscheln. Ich will die Stimmung jetzt wirklich nicht versauen. Dann verschiebe ich das auf einen anderen Tag. Ich meine, ich kann die Muscheln ja mal probieren. Es könnte ja tatsächlich sein, dass sie total lecker schmecken.
Wie sich herausstellt, schmecken sie überhaupt nicht lecker. Sie sind genau so ekelhaft, wie sie aussehen. Mir schläft fast das Gesicht ein, als der Kellner vor Michael ein saftiges, dickes Rindersteak abstellt. Gleich darauf schiebt er sich das erste Stück in den Mund und kaut genüsslich. »Das beste Steak, das ich je gegessen habe«, verkündet er. »Argentinisches Rindfleisch.«
Ich dreh durch. Neidisch glotze ich auf jeden Bissen, den Michael sich in seinen Mund schiebt.
»Was hast du denn Liebling? Du hast deine Muscheln ja noch nicht mal angerührt.« Ich lächle schlapp und stecke mir eines dieser schwabbeligen Dinger in den Mund. Jetzt nur nicht kauen. Ich schlucke die pampige Masse gleich im Ganzen runter. »Nur noch ein paar«, mache ich mir selbst Mut. Dann behaupte ich...