E-Book, Deutsch, 512 Seiten
Götzelmann Geschichte der Evangelischen Fachhochschule Ludwigshafen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-3596-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Von der Gründung 1971 bis zur Schließung 2008. Mit einem chronologischen Überblick von 1946 bis 2022
E-Book, Deutsch, 512 Seiten
ISBN: 978-3-7578-3596-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Evangelische Fachhochschule wurde im Jahr 1971 in Trägerschaft der Pfälzischen Landeskirche eröffnet und zum März 2008 aufgelöst. Ihre Studiengänge und ihr Personal wurden als neuer vierter Fachbereich in die staatliche Fachhochschule Ludwigshafen überführt. In den knapp 37 Jahren ihres Bestehens betrieb die Evangelische Fachhochschule Studiengänge für Sozialarbeit, Sozialpädagogik bzw. Soziale Arbeit, für Pflegepädagogik und Pflegeleitung, für Religionspädagogik und kirchliche Bildungsarbeit, für Mediation, für Sozialgerontologie und für Unternehmensführung im Wohlfahrtsbereich. Sie entfaltete Aktivitäten in Fort- und Weiterbildung sowie Forschung. Das Buch arbeitet die Geschichte dieser Bildungsinstitution inklusive ihrer Vorgeschichte seit 1946 auf und gibt einen Überblick der Entwicklungen des aus ihr hervorgegangenen Fachbereichs Sozial- und Gesundheitswesen von 2008 bis 2022. Es dokumentiert die personellen Entwicklungen und enthält vier transkribierte Interviews mit Zeitzeug:innen. Es thematisiert das akademische Selbstverständnis, das Spannungsfeld von Wissenschaftsfreiheit und kirchlicher Bindung, die Schließungsdebatten und den Trägerwechsel sowie die Entwicklung von Professionalisierung und Fachlichkeit.
Arnd Götzelmann wurde 1961 geboren, wuchs in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen auf, studierte evangelische Theologie an den Universitäten Bonn, Melbourne/Australien und Heidelberg, absolvierte ein Aufbaustudium in Diakoniewissenschaft, war Vikar und Pfarrer der Evangelischen Kirche der Pfalz in Mutterstadt und Ludwigshafen a.Rh. von 1987 bis 1993, promovierte 1993 in Heidelberg und war dort wiss. Assistent am Diakoniewissenschaftlichen Institut von 1993 bis 1999, Fortbildungsreferent beim Diakonischen Werk Pfalz in Speyer von 1999 bis 2003, wurde 2002 im Fach Praktische Theologie an der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau habilitiert und ist seit 2002 Professor an der Evangelischen Fachhochschule Ludwigshafen bzw. seit 2008 am Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen der staatlichen Hochschule in Ludwigshafen.
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1. Vorgeschichte und Vorläuferinstitutionen
Zum Verständnis der Gründung und Entwicklung der Fachhochschule der Pfälzischen Landeskirche in Ludwigshafen ist es hilfreich, sich ein Bild davon zu machen, was ihr vorausging. Was also gehört zur Vorgeschichte und welche Vorläuferinstitutionen hatte die Fachhochschule?15 1.1. Professionalisierung der Sozialen Arbeit Zwischen 1899 und 1945 waren in Deutschland 69 Ausbildungsstätten für die soziale Berufsarbeit entstanden, die sich vorwiegend an Frauen richteten.16 Für Männer gab es nur wenige, mehrheitlich evangelische Diakonen-Ausbildungsstätten in Deutschland.17 In der Pfalz hatte es vor 1948 keine Soziale Frauenschule oder Wohlfahrtsschule und auch kein NSV-Volkspflegerinnenseminar gegeben. Die nächstgelegenen Fachschulen mit längerer, wechselvoller Tradition befanden sich in Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg, Darmstadt, Frankfurt am Main und Saarbrücken.18 Anlass für die Bemühung, eine evangelische Ausbildungsstätte für Sozialarbeit in der Pfalz zu gründen, war für die Verantwortlichen der Pfälzischen Landeskirche und des Landesvereins für Innere Mission Pfalz die professionelle Bearbeitung sozialer Probleme, die hauptsächlich mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges zusammenhingen: Arbeitslosigkeit, Armut, Familien- und Gesundheitsprobleme, Fluchtelend, Wohnungslosigkeit etc. Fachlich ging es den protestantischen Gründerinnen und Gründern darum, – zunächst nur – weibliche Fachkräfte in einem christlichen Sinn ganzheitlich und hochwertig zu qualifizieren, die staatlichen Positionen so mit christlich-evangelischem Geist zu durchdringen und mit der katholischen Kirche und ihrer 1947 in Andernach gegründeten Wohlfahrtsschule gleich zu ziehen.19 1.2. Die Evangelische Schule für kirchlichen und sozialen Dienst in Speyer 1948 Mit der „Evangelischen Schule für kirchlichen und sozialen Dienst“ in Speyer wurde im Jahr 1948 die erste Ausbildungsstätte für Soziale Arbeit in der Pfalz gegründet. Träger war damals der Landesverein für Innere Mission Pfalz.20 Dr. rer. pol. Walda Rocholl (1897-1991) im Jahr 1935 in Mannheim Quelle: Archiv Peter Reinicke Maßgeblicher Initiator der „Evangelischen Schule für kirchlichen und sozialen Dienst“ und ihrer Nachfolgeeinrichtung war der pfälzische Sozialpfarrer Eugen Herrmann, dessen Frau an der Mannheimer „NSV-Frauenschule für Soziale und Sozialpädagogische Berufe“ noch im Dritten Reich unter der Leitung von Dr. Walda Rocholl ihr Examen als „Volkspflegerin“ – die neue Berufsbezeichnung des NS-Regimes – abgelegt hatte. Herrmann gewann die wegen ihrer NS-Vergangenheit in den ersten beiden Jahren nach Kriegsende von Hilfsarbeiten lebende Dr. Rocholl, um ‚seine‘ evangelisch-soziale Frauenschule in Speyer mit aufzubauen – zunächst als Leiterin und einzige hauptamtliche Lehrkraft der Wohlfahrtspflegerinnenabteilung, ab 1950 als Direktorin des Seminars für Sozialberufe. Für Pfarrer Herrmann fiel die problematische Vergangenheit des NSDAP-Mitglieds Rocholl offenbar weniger ins Gewicht. Vielmehr sah er in der promovierten Volkswirtin wegen ihrer Erfahrung in Sozialer Arbeit und in der Lehre und Leitung von Sozialen Frauenschulen bzw. Ausbildungsstätten für NS-Volkspflegerinnen eine ge- eignete Person für sein Vorhaben. Mit Vorlage ihres Entnazifizierungsbescheids vom 25. August 1947 konnte sie in den kirchlichen Dienst eintreten.21 Ein kurzes Intermezzo als Schulleiter, Leiter der Gemeindehelferinnenausbildung und hauptamtlich Lehrender der ersten Jahre gab der wegen seiner antisemitischen Publikationen umstrittene Königsberger Psychologe und Theologieprofessor Dr. Carl O.H. Schneider (1900-1977).22 Von 1948 bis 1950 hatte die Schule zwei hauptamtlich Lehrende, Rocholl und Schneider. Ab 1950 lehrte die Schulleiterin Dr. Rocholl als einzige hauptamtliche Kraft zusammen mit zahlreichen nebenamtlich Lehrenden, 1952 wurde die hauptamtliche Stelle für eine Psychologin mit Dr. Elisabeth Hennig besetzt, bald gefolgt von Erdmute Wurmbach, ab 1960 von Elisabeth Nüssle, ab 1963 von Margret von Eichmann, ab 1968 von Ursula Schindler (seit 1969: verheiratete Lübking) besetzt. 1959 kam aus Mitteln des Bundesjugendplanes eine dritte hauptamtliche Stelle für Pädagogik und Jugendarbeit/-hilfe dazu, die Dr. Ulrich Panter erhielt, ab 1963 folgte ihm der Volkswirt Hans Hoferichter, ab 1965 der Jurist Klaus Pfitzenmaier, der u.a. Rechts- und Verwaltungskunde sowie politische Bildung lehrte. 1965 wurde mit der Sozialarbeiterin Ursula Schlösser die vierte hauptamtliche Lehrendenstelle für Praxisanleitung und Methodenlehre besetzt, 1969 die fünfte Stelle mit dem Sozialwirt Kurt Witterstätter.23 Die Nachfrage nach Wohlfahrtspflegerinnen oder Fürsorgerinnen, wie die frühen Sozialarbeiterinnen bezeichnet wurden, war nach dem Krieg auch in der Pfalz groß. So nannte die erste Vorsitzende des „Verbandes der Fürsorgerinnen von Rheinland-Pfalz“ Ehrgott in einem Brief vom 8. Dezember 1949 erhebliche Bedarfe an qualifiziertem Fachpersonal, wie „Fürsorgerinnen“ als „geeignete Kräfte … für den Aufbau der weiblichen Kriminalpolizei“, die „fast ausschließlich auf gefährdete Frauen und Jugendliche gerichtet ist“, an „Fachkräften bei den Jugendämtern“, an Personal für „die Leitung von Erziehungsheimen“, und auf „dem gesamten Gebiet der Wohlfahrtspflege, der Gesundheitsämter und vor allem der Familienfürsorge“ sowie für die „neuen Aufgaben“ „mit dem Eintreffen der längst erwarteten Flüchtlinge …, die mit den vorhandenen Kräften nicht zu lösen sind“. Sie benannte auch einen „Mangel an männlichen Fürsorgekräften“, die neu heranzubilden seien, denn: „Die durch den Krieg in den Reihen der Diakone gerissenen Lücken sind für längere Jahre nicht ausgefüllt.“ Ebenso ermunterte sie auch zur Qualifikation männlicher Wohlfahrtspfleger: „Erzieher für männliche Jugend in Erziehungsanstalten, Wanderarbeitsstätten, Aufnahmeheimen, Fürsorger für Innen- und Außendienst bei Jugend- und Wohlfahrtsämtern und nicht zuletzt hauptamtliche Kräfte für die Jugendpflege werden in Zukunft in erhöhtem Maße gefragt.“24 Titelseite des Prospekts von 1948, Quelle: Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz, Az. 520/24 (6118) 1.3. Das Seminar für Sozialberufe in Speyer 1950 Die „Evangelische Schule“ wurde bei ihrer Gründung 1948 mit zwei Abteilungen ausgestattet: Eine zur Ausbildung von Gemeindehelferinnen – Frauen (und später auch Männer), die den protestantischen Gemeindepfarrern bei der Kinder-, Jugend- und Frauenarbeit helfen und/oder Religionsunterricht erteilen sollten – und die andere zur Qualifikation für Wohlfahrtspflegerinnen. 1950 erhielt die Wohlfahrtspflegerinnenabteilung die staatliche Anerkennung und wurde als eigenständige Institution unter dem neuen Namen „Seminar für Sozialberufe“ weitergeführt.25 Nun wurden auch erstmals Männer aufgenommen, die zukünftig über die Jahre ca. ein Drittel aller Absolvierten ausmachen sollten. Der Gemeindehelferinnenausbildung fehlte die staatliche Anerkennung, so dass sie eingestellt und in andere kirchliche Institutionen verlagert wurde. Jedoch keimte der Anspruch, zusätzlich für kirchlich-diakonische Berufe auszubilden, auch am Seminar für Sozialberufe und der aus ihm hervorgegangenen Höheren Fachschule für Sozialarbeit (ab 1964) und für Sozialpädagogik (ab 1970) immer wieder auf. Er wurde aber erst in den 1970er Jahren im Fachbereich Religionspädagogik und kirchliche Bildungsarbeit an der Fachhochschule der Pfälzischen Landeskirche in Ludwigshafen realisiert – und das nur für wenige Jahre. Aufnahmebedingungen in den ersten Jahren waren ein Alter zwischen 19 (später 20) und 35 Jahren, mind. Mittlere Reife, hauswirtschaftliche Kenntnisse, Kenntnisse im Maschinenschreiben sowie verschiedene berufliche Vorbildungen je nach Hauptfach: Für die Richtung Gesundheitsfürsorge wurde eine Kinder- oder Krankenpflegeausbildung, für die Jugendwohlfahrtspflege eine Erzieherinnen- oder Lehrerinnenausbildung od. dreijährige Berufsarbeit in der Wohlfahrtspflege und für die Wirtschaftsfürsorge der Abschluss der Höheren Handelsschule oder eine dreijährige kaufmännische Lehre oder dreijährige Berufstätigkeit gefordert. Einige der Schülerinnen und Schüler erhielten in den 1950er Jahren ein staatliches Sozialstipendium (Beihilfe). So hatten sich z.B. die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schülerin U.W. 1955 verschlechtert. Ihr Vater hatte schon für die Schul- und Berufsausbildung von ihr und zwei Söhnen aufkommen müssen. Gerade wurde sie rechtskräftig von ihrem Mann geschieden, der ihr...