E-Book, Deutsch, 322 Seiten
Gottschalk Marathon in den Tod
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7557-1893-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Roadtrip Thriller
E-Book, Deutsch, 322 Seiten
ISBN: 978-3-7557-1893-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Speditionsunternehmer Noel Kaminski reist mit einer Gruppe von Langstreckenläufern in den Kaukasus, um sich durch Höhentraining auf den Marathon in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, vorzubereiten. Am zweiten Übungstag wird einer der Läufer überfallen und ermordet. Sein Torso wird vor einem kaukasischen Wehrturm im höchst gelegenen Dorf Europas aufgefunden. Kurz darauf wird Noels Ehefrau bei einer Wanderung im Hochgebirge von einem Bären angefallen. Zwei Morde an den Teammitgliedern folgen. Noel nimmt eigene Ermittlungen auf, wodurch er ins Visier einer Mafia-Organisation gerät, die eine Blutspur durch Osteuropa zieht. Verfolgt von einem Auftragskiller läuft er tagelang mit seinem Freund ums Leben und flieht aus dem Kaukasus. In einem Flüchtlingsboot überqueren sie das Schwarze Meer. Doch die Schergen der Mafia sind ihren auf der Spur. Im Donaudelta überfallen sie den Freund und massakrieren ihn. Noel entkommt und irrt mit Bussen, Pferdewagen sowie einen seiner Trucks durch Osteuropa. Es gelingt ihm, sich bis nach Deutschland durchzuschlagen. Zu Hause erwartet ihn ein Inferno: Ein Feuerwerk aus Haas, Rachsucht, Machtgier und Eifersucht brennt ab. Am Ende der Geschichte wird deutlich, welche Werte im Leben zählen.
Engelbert Gottschalk,1963 in Moers geboren, wuchs in Krefeld auf. Nach dem Abitur führte ihn das Studium in die Römerstadt Trier und nach Frankfurt a. M., wo er sich mit Fragen der Stadtentwicklung sowie der Raum- und Regionalplanung auseinandersetzte. Heute wohnt und arbeitet er gemeinsam mit seiner Ehefrau in Düsseldorf. Zahlreiche Reisen führten ihn u. a. nach Osteuropa, wo er die Locations für den vorliegenden Roman vorfand. Er kennt alle in der Erzählung beschriebenen Orte aus eigener Anschauung. Seine Erzählung "Die Friedhofswärterin" ist im November 2018 im Rahmen der Anthologie "Versteckt liegende Friedhöfe und ihre Geheimnisse" bei Shadodex, Verlag der Schatten, erschienen. Ein Monat später kam die Geschichte "Liebe 2.0" in der Anthologie "Vollkommenheit" beim Hybrid Verlag auf den Markt. Weitere Veröffentlichungen u. a. im Kurzgeschichtenband von Elke Bockamp (Op de Dam) sowie die Story zweier pubertierender Jugendlicher bei Kindle ("Angst"). Im November 2019 wurde die Anthologie "Zartbitter, Geschichten von Nachtschwärmern, Traumtänzern und Pechvögeln" bei BoD veröffentlicht, im April 2020 die Fantasy-Novelle "Der Apfel des Todes". Die letzte Veröffentlichung "Hartbitter, Geschichten von Phantasten, Vorkämpfern und Glückssuchern" datiert von November 2020.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Startvorbereitungen Hinter der Biegung der Straße erschrak Noel Kaminski über die Fenster seines Reihenendhauses, dessen Leuchten ihm ein Fragezeichen auf die Stirn malte. Merkwürdig, dachte er, denn gewöhnlich begab sich seine Frau, die an einem irreversiblen Lungenemphysem litt, vor 22.00 Uhr ins Bett. Der 54-jährige Transportunternehmer beschleunigte seine Schritte. Vor dem Eingang des Hauses rutschte er über die Hinterlassenschaften eines Hundes aus. Pfui Teufel! Sicher wieder die Nachbarin. Die ist sich zu fein, um Hundescheiße einzusammeln. Noel benötigte zehn Minuten, um den Kot an seinen Lederstiefeln abzustreifen. Beim Eintritt ins Haus, wo in jedem Zimmer Licht brannte, strömte ihm ein Vanilleduft mit einem Hauch von Jasmin entgegen, das glatte Gegenteil des Gestanks unter seinen Sohlen. Eine kehlige Stimme erklang: »Hallo! Entschuldigung, dass es so spät geworden ist. Ich habe deiner Frau Reise-Knigge für euer Laufabenteuer in Tiflis mit auf den Weg gegeben.« Marissa Bakradze, eine Georgierin, die seit Jahren im Reihenhaus nebenan residierte, hockte neben seiner Ehefrau Eleftheria am Esstisch, auf dem eine halb leere Flasche Likör Zeugnis ablegte vom feuchtfröhlichen Beisammensein der Freundinnen. »Hast du vergessen, wie spät es ist? Morgen früh geht es um Punkt 6.00 Uhr los, Liebling.« Noel stemmte beide Hände in die Hüften. Eleftheria hob den Blick, schaute ihn mit ihrem Zahnpastalächeln an und erwiderte: »Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin es gewohnt, im Flieger zu schlafen.« »Wirklich? Ich befürchte, der Trip überfordert deine Kräfte. Wir reisen nicht zum Vergnügen nach Georgien. Höhenklima und Verpflegung sind für Menschen vom Niederrhein gewöhnungsbedürftig.« Anstatt zu antworten, verdrehte seine Frau die Augen und nippte am Likörglas. »Unsinn!«, rief Marissa mit einer Handbewegung, die keinen Widerspruch duldete. »In Georgien trifft man auf eine europäische Hochkultur, die mit Landschaften aufwartet, die woanders nicht zu finden sind. Der Kaukasus ist für die Gesundheit deiner Frau und für deinen Verstand förderlich.« Blöde Kuh! Muss die zu allem, was ich sage, ihren Senf dazu geben. Die Jelly Nails mit den lila Farbklecksen waren so lang, dass die Endvierzigerin sie bestimmt auch als Waffe einsetzen konnte. Trotz des grell geschminkten Gesichts lag ihre Haut in Falten - eine Wasserstoffblondine mit tief liegenden Augen, deren Ringe Zeugnis ablegten von der Lebenskerze, die von beiden Seiten brannte. Ihr gegenüber wirkte seine Frau wie eine Schönheitskönigin, obwohl Marissa elf Monate jünger war. Noels Gattin trug einen ungewöhnlichen Vornamen, die weibliche Form von Eleftherios, ein Heiliger im griechisch-orthodoxen Glauben. »Meine Freundin spricht mir aus der Seele«, flötete sie, ebenfalls Liebhaberin von Nagel-Trends und Parfumdüften aus Frankreich. Noel fragte nie nach Preisen, las ihr jeden Wunsch von den Lippen ab. »Der Arzt hat mir die Reise ausdrücklich erlaubt. Außerdem benötigt ihr jemanden, der euch anfeuert. Du strotzt auch nicht gerade vor Gesundheit«, führte Eleftheria weiter aus. Diese Bemerkung saß. Noel trat einen Schritt zurück und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Der Chef des nach seinem Familiennamen benannten Duisburger Speditionsunternehmens hatte einen Herzinfarkt hinter sich und stand unter ärztlicher Kontrolle. Vor fünf Jahren hatte er mit dem Ausdauersport begonnen und sich dabei allmählich gesteigert. Inzwischen war er passionierter Marathonläufer, leitete den Lauftreff eines Sportvereins und nahm an Wettkämpfen teil. Alles war im grünen Bereich, solange er sich nicht überforderte. »Nun übertreibe nicht! Ich fühle mich wie neugeboren. Bitte entschuldigt mich! Ich muss mich um die Reise kümmern. Die Airline hat eine Flugplanänderung vorgenommen. Die Maschine hebt eine halbe Stunde früher ab«, sagte Noel. Die Bemerkung über sein Befinden war gelogen, denn er hatte nach dem Arbeitstag im Betrieb und dem anschließenden Lauftraining einer Sitzung der Industrie- und Handelskammer beigewohnt, die um 21.00 Uhr beendet worden war. Auf dem Weg zum Obergeschoss blieb der Transportunternehmer in der Mitte der Treppe stehen, drehte sich auf dem Absatz um und knurrte: »Achte in Zukunft auf deinen Köter. Er hat wieder auf die Pflastersteine vor unserem Haus gekackt.« In Marissas Augen blitzte es. »Woher nimmst du die Unverfrorenheit, meinen Hund zu beschuldigen? Jedes Mal, wenn ich dir begegne, hagelt es Vorwürfe.« »Ach, wirklich?« Anstatt sich auf ein Streitgespräch einzulassen, eilte Noel die Treppenstufen hoch und schlug die Tür zum Arbeitszimmer hinter sich zu. Ihm missfiel, dass sich seine Frau mit Marissa in konstanter Regelmäßigkeit traf. Zweimal in der Woche verabredeten sich die Damen zu Theaterveranstaltungen, Kinovorführungen oder Konzerten, wobei sie nie vor 21.00 Uhr zurückkehrten. Zudem gewann er den Eindruck, dass die Damen nicht nur über die Reise gesprochen hatten. Wie sonst war die Festbeleuchtung im Haus zu erklären? Mit zunehmender Ehedauer hegte Noel die Befürchtung, dass er mit Eleftheria nicht harmonierte. Für sie war es eine Form von Gewalt, die Zeit allein mit ihrem Mann zu verbringen. Sie war eine extrovertierte Person, pflegte Kontakte zu Freunden, Verwandten und ihrer Familie. Ständig klingelte die Telefonanlage mit vier Mobilteilen im Haus, die Ferngespräche auf allen Ebenen, einschließlich des Kellergeschosses, ermöglichte. Die Smartphones, von denen sie drei ihr Eigen nannte, bedurften der zweimaligen Aufladung binnen 24 Stunden. Der Pfeifton, der bei jeder neuen Nachricht erklang, raubte Noel, der sich am Feierabend nach Ruhe sehnte, den letzten Nerv. Eleftheria hasste die Inaktivität, suchte ständig nach Möglichkeiten, die Zeit zu gestalten, liebte Partys ebenso wie Ausflüge oder Wochenendtrips. Selbst eine Stunde Leerlauf reichte aus, um ihren Unwillen hervorzurufen. Es kam vor, dass sie an einem Tag mehrere Aktivitäten gleichzeitig plante, um nicht Gefahr zu laufen, der Langeweile anheimzufallen. Noel hingegen hatte die Arbeit, den Sport und seine Frau. Die Dauer eines Tages hätte der doppelten Zeitspanne bedurft, um allen Ansprüchen zu genügen. Je älter er wurde, desto weniger ertrug er andere Menschen. Die Freizeit verbrachte er am liebsten mit ihr allein. Für ihn war seine Frau ein Stern, der die Welt zum Leuchten brachte. Jedes Mal, wenn der Gedanke an Entzweiung aufkam, versuchte er, ihn zu verdrängen, denn er passte nicht zu seiner Vorstellung von Liebe. Für Noel war sie eine Person, die ihre Andersartigkeit und Exklusivität zelebrierte. Er verzieh ihr, wenn sie beim Bummel über die Düsseldorfer Königsallee die Kreditkarten überzog oder Privatentnahmen vom Betriebskonto tätigte. Mit ihr blühte der Mittfünfziger auf, war nicht mehr das Gesicht in der Menge, sondern ein Herr in Begleitung eines Paradiesvogels. Seitdem er mit ihr verheiratet war, stieg der Umsatz der Firma, ein Umstand, den er auf die Glückshormone zurückführte, die die Liebe in ihm hervorrief. Seine größte Sorge bestand darin, Eleftheria zu verlieren und im Sturm des Lebens allein zu stehen. Noel nahm sich vor, die Zeit in Georgien dazu zu nutzen, die Liebe zu erneuern und zu vertiefen. Er fuhr den Computer hoch, um den E-Mail-Account zu öffnen. Eine Nachricht des Prokuristen, den die Angestellten im Speditionsunternehmen in Verballhornung des Familiennamens „Lippmann“ hinter vorgehaltener Hand „Lippi“ nannten, poppte hoch. Es ist 22.10 Uhr! Was macht der Kerl so spät im Betrieb, dachte Noel und überflog die Nachricht. Die letzten Sätze las er zweimal: »Ein Truck wurde in Ungarn als gestohlen gemeldet. Ich habe die Polizei und die Versicherung informiert. Machen Sie sich keine Sorgen! Ich regle das und wünsche Ihnen und Ihrer Frau einen schönen Urlaub.« Noel nahm das Smartphone zur Hand und gab die Kurzwahl ein, unter der sein Prokurist gewöhnlich zu jeder Tages- und Nachtzeit zu erreichen war. Niemand meldete sich. Der Transportunternehmer schrieb eine E-Mail mit Fragen zum Vorgang. Seine Hände zitterten, denn zum ersten Mal seit Bestehen des Speditionsbetriebs wurde ein Lastkraftwagen im Ausland vermisst. Auch auf die schriftliche Anfrage erfolgte keine Reaktion. Noel vermutete, dass Herr Lippmann die Firma nach Versenden der Mail verlassen hatte. Morgen früh rufe ich ihn an. Die Angelegenheit lässt mir keine Ruhe. Mit gerunzelter Stirn überprüfte er die Unterlagen für die zehntägige Reise nach Georgien, wo Ende Oktober des Jahres 2019 der „Tiflis Marathon“, ein Laufwettbewerb mit Teilnehmern aus der ganzen Welt, stattfinden sollte. Er druckte die Tickets für den Flug von Dortmund nach Kutaissi, einer Stadt in Westgeorgien, aus. Danach nahm er den Bericht des...