Grän | Die Hochstaplerin | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Grän Die Hochstaplerin


1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-95530-198-9
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-95530-198-9
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Felicitas liebt den Luxus, doch sie hat Schulden und wenig Talent zu ehrenwerten Berufen. Als Hochstaplerin macht sie Karriere. Was sie nicht ahnt: Austern essen kann gefährlich werden ...Klara, Felicitas' Ziehmutter, liebt Marx und Brecht und wird zur Komplizin im eigenwilligen Kampf gegen das Kapital. Die beiden Frauen nutzen die Spielregeln der Gesellschaft zu ihrem Vorteil. Regel eins: Armut schändet. Regel zwei: Geld stinkt nie. Regel drei: Die Eitelkeit der Männer ist grenzenlos gewinnbringend. In einer auf Lust- und Gewinnmaximierung orientierten Welt ist die Hochstaplerin ein Wesen von großer Anpassungsfähigkeit, das seine Siege genießt und aus den Niederlagen lernt. So wird aus der schonungslosen Entkleidung der Männergesellschaft auch ein Striptease der Frauen - böse, komisch und bisweilen sehr unmoralisch.

Christine Grän, geb. 18. April 1952 in Graz, arbeitete nach ihrem Germanistik- und Anglistikstudium in ihrer Heimatstadt als Gesellschafts-Redakteurin beim Bonner Generalanzeiger. Insgesamt fünf Jahre lebte sie in Botswana / Afrika, wo sie eine Lodge leitete. Dort enstand auch erste Anna-Marx-Krimi »Weiße sterben selten in Samyana«, der nach ihrer Rückkehr 1986 veröffentlicht wurde. Seither arbeitet sie als freie Journalistin und Autorin, u. a. für die »Welthungerhilfe«. Christine Grän ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt heute in München.
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1. Kapitel


D Fundament, über das sich die Konversation hochstaplerisch wölbte. Seine Gier: mich erlegen, hinlegen, weglegen. Der Typ des Jägers und Sammlers schwang seine Keule mit anmutigen Worten. In seiner Höhle floß Jahrgangschampagner, serviert von höflichen Pinguinen, die als Kellner verkleidet waren. Sie sahen melancholisch aus, vielleicht, weil sie mutlose Revolutionäre waren, die das feine Gesindel verachteten. Ich stellte mir vor, daß die linke Hand, die sie angewinkelt am Rücken versteckten, zur Faust geballt war. Das Gesindel lachte verhalten und tupfte sich nach jedem Bissen den Mund mit weißen Stoffservietten ab, an denen Speichel, Speisereste und Lippenstift hängenblieben. Meine Spur war kirschrot.

Sein Gesicht war rund und fahl wie Baals Mond, und aus seinem Mund flossen Sätze, die so neu nicht waren. Männer sind verhinderte Rennfahrer, Großwildjäger, Kamikazeflieger, Samuraikrieger, christliche Märtyrer. Alles, was es über das Leben zu sagen gab, reduzierte einer wie er auf Gewinn- und Lustmaximierung. Seinesgleichen saß in Chefsesseln, Vorständen, Wirtschaftsvereinigungen, Parteigremien. Las Bilanzen und Berichte, das Manager-Magazin und die Bild-Zeitung. Wußte, was in Schanghai die Nutten kosten. Der Charme war von Arroganz getränkt und dem Wissen um die ökonomische Fragwürdigkeit von Moral. Gute Habenichtse mochten einen wie ihn als Bösewicht verteufeln, doch Sein und Haben waren die Größen, die in seiner Welt zählten. War er nicht Stütze der Gesellschaft? Rückgrat der Wirtschaft? Elite? Er trank Bier nicht aus Dosen, verabscheute Polyestertrainingsanzüge und das Grölen in Fußballstadien. Er zählte zu den Menschen mit Designergeschmack, feinen Eßmanieren und kulturellen Ambitionen. Er war Spitze des Eisberges und somit der Sonne am nächsten, naturgemäß.

So sprach Johannes Brenner, und ich hörte ihm aufmerksam zu, wie es sich für eine Nehmerin ziemte, schließlich finanzierte er den Champagner und die Austern sowie prozentual das Personal des Tempels, in dem wir saßen, den Klavierspieler, die Tischdekoration, Stromkosten und Lebensmittelrechnung. Johannes Brenner gehörte zur geduzten Stammkundschaft, zu jenen, die niemals schmatzten oder schlürften, nie hungrig waren und deshalb immer souverän, übersättigt bisweilen und aus diesem Grunde ein wenig gelangweilt, was eine Art von samtvioletter Stimmung schuf oder den Glashauseffekt mit Eisblumenbelag. Das Gewicht des Geldes wog schwer, auch wenn es in Plastikkarten gepreßt war, in diamantenbesetzten Uhren verewigt, in maßgefertigten Schuhen abgefedert.

«Geld macht nicht glücklich», sagte Johannes Brenner, und ich erwiderte, daß Geld mich in der Tat nicht glücklich mache. Eine läßliche Lüge, die er hinnahm, weil er zu den Männern gehörte, die mit Frauen Monologe führten. Er fand mich erfrischend, so sagte er, und ich gab das Kompliment in maskuliner Färbung zurück, indem ich ihn einen sehr interessanten Mann nannte.

Johannes lächelte. Die Lippen waren wulstig, aber das Gebiß perfekt. Zuviel Gesicht für die kleinen schlauen Augen. Ich dachte darüber nach, ob die grauen Strähnen in den braunen Haaren Friseurkunstwerk waren. Die Bartstoppeln schimmerten bläulich, Millimetersprossen der dezenten Dekadenz und ein Hinweis darauf, daß einer wie er es sich leisten konnte, ein wenig außerhalb der Konfektion zu stehen. Er trug ein schwarzes Seidenhemd zum italienischen Seidenanzug, und als er aufstand, um zur Toilette zu gehen, wiegte er sich unmerklich in den Hüften, die schmal waren und nett anzusehen.

Von vorne zeigte er ein wenig Bauch, Champagnerbauch, seidenumspannt. Er rieb sich die Hände, als er zurückkam, als wolle er mir zeigen, daß er sich nach jenem intimen Vorgang mit Seife gewaschen habe. Sieh her, sagte die Geste, ich bin ein ordentlicher und hygienischer Mensch, und einer wie ich leidet nicht an ansteckenden Krankheiten, so etwas widerfährt nur Perversen und Verlierern. Er war frisch eingesprüht, ein wohlriechender, appetitlicher Mann, auf dessen breiter Stirn in unsichtbaren Lettern stand: ich bin ein Sieger.

Ich hatte nicht die Absicht, ihm zu widersprechen. Ich habe niemals die Wahrheit gesagt in der Liebe. Wozu sollte das dienen, wenn nicht der narzißtischen Kränkung, der vollkommenen Preisgabe, der Entzauberung der Illusion, daß zwei füreinander geschaffen seien? In gewisser Weise waren wir ein perfektes Paar, denn was wir voneinander wollten, bedurfte nicht des Gleichklangs der Gefühle. Johannes hatte die Absicht, einen teuren Abend mit Sex zu beenden. Geldmänner investieren in der Erwartung eines Gegenwertes, wobei er die Phase des Erlegens als durchaus reizvoll erachtete. Der Sieg war das Erotikum, der Sex nur noch Abwicklung. Aber noch waren wir nicht soweit, und er ließ nachschenken und bemerkte, daß er Frauen schätze, die trinkfest waren.

Austern waren eine lächerliche Grundlage für zwei Flaschen Champagner, aber er hatte in dieser Hinsicht recht. Ich war eine begabte Trinkerin, auch wenn ich Wein bevorzugte oder Whisky, mit eiskaltem Wasser verdünnt. Zu den seltsamen Vorurteilen, die Männer über Frauen pflegen, gehört jenes, daß wir Champagner lieben. Als ob das Prickeln auf der Zunge läge. Jede professionelle Prostituierte rührt die Kohlensäure mit dem Strohhalm aus dem Glas, um Blähungen zu vermeiden.

Mein Bauch spannte, und der italienische Kellner servierte zwei Teller mit Dessertvariationen. Hier kehrte man nicht ein, um satt zu werden. Die teure Parfümflasche auf der Damentoilette war mit einer Kette befestigt, was darauf schließen ließ, daß der Patron seine Gäste einzuschätzen wußte. Das Kostbare ist tröpfchenweise zu genießen, besagte die vergoldete Ankettung, doch wer hätte mich wohl daran hindern können, die Flasche auszugießen und den Duft in Gestank zu verwandeln? Mein Respekt vor Geld hielt mich zurück, alle zerstörerischen Instinkte unterwarfen sich diesem Diktat der reinen Vernunft. Geld bedeutet, die Wahl zu haben. Geld öffnet Türen und bereitet warme Betten, es füllt den Magen und erfüllt die Sinne mit ästhetischen Genüssen. Kleidung. Kunst. Weite Räume mit viel Licht. Sonnenuntergänge auf Bora-Bora. Geld verzaubert Menschen in freundliche Dienstleistungswesen. Hält den Rest der Welt auf Distanz. Ich war dreiunddreißig Jahre alt und wußte, woran es sich zu glauben lohnte.

Der Innenarchitekt hatte Spiegel anbringen lassen, und die Kunst an den Wänden, das waren wir, die Darsteller des guten Lebens. Mein Spiegelbild zeigte eine Frau, die jugendliche Schönheit vortäuschte, ein Maskengesicht für Johannes Brenner, glatte, schwarze, halblange Haare, das weiße Kleid der Unschuld. Das, was man verloren hat, erscheint nur im Rückblick begehrenswert. Ich wünschte mir nicht, meine Kindheit zu wiederholen, die Gehversuche auf höheren Schuhen, die weiten Sprünge und lächerlichen Stürze, die Gefühlsschwankungen zwischen dem Glanz und dem Elend menschlicher Existenz. Eines Tages würde ich Leonard Cohen wiedersehen und mit ihm auf eine griechische Insel ziehen, in ein weißes Haus an einem blauen Meer, und er würde für mich Lieder komponieren und meinen Hunger mit Oliven stillen.

«Ein frohes neues Jahr», sagte Johannes Brenner, weil es zwölf Uhr war und ein altes Jahr zu Vergangenheit mutierte. Er küßte mich und streckte seine Zunge in meinen Mund. Alle küßten einander stehend. Der Wirt küßte alle. Die Kellner blieben ungeküßt. Sie warfen mit Konfetti und schenkten Champagner nach. Auf Kosten des Hauses. Drei Dudelsackspieler erschienen in schottischen Röcken, zu jung, um Cohen recht zu geben, zu spät, um die volle Gage für einen Mitternachtsauftritt zu kassieren. Ein Unfall hatte sie aufgehalten, ein abgerissener Arm von einem, der seinen Feuerwerkskörper zu früh gezündet hatte. Ein frohes neues Jahr hatte begonnen, und sie versicherten, daß höhere Gewalt im Spiel war.

«Das neue Jahr muß man mit neuen Frauen beginnen», sagte Johannes, nachdem er seine Zunge zurückgeführt, sein Glas ausgetrunken und über die Schulter geworfen hatte. Küsse leiten das Du ein. Du und ich. Zwei Parallelen, die sich in der Unendlichkeit nicht begegnen. Ein italienisches Nobelrestaurant, in dem Gäste mit Gläsern warfen und das wahnsinnig komisch fanden. Ein Kellner blutete am Arm und wurde diskret entfernt. Leichte Verletzungen wurden mit Trinkgeldern geahndet. Frauen staksten kichernd über Scherben. Männer lachten. Ein frohes neues Jahr. Ich war optimistisch und sagte ihm, daß wir Schweinefleisch und Sauerkraut essen sollten, die Symbole für Glück und Geld. Ob ich abergläubisch sei? Nur in Bezug auf Glück, sagte ich. Das Wort Glück hatte Konjunktur, wir waren alle glücklich, weil die Dudelsackspieler verstummten und ein frisches Jahr begann, in dem wir noch lebten und trunken waren, Schwestern und Brüder in byzantinischer Laune, und alle Morgen aller Jahre, jedes Erwachen im grellen Licht war weit entfernt, jeder Schmerz Utopie, jeder Tod Nonsens.

Draußen vor der Tür knallte es, doch die Gäste dieses Abends hatten auf ein Feuerwerk verzichtet, um für einen guten...



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