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E-Book, Deutsch, Band 63, 100 Seiten
Reihe: Der junge Norden
Grahl Jonas gibt sich auf
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-69049-523-3
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der junge Norden 63 - Arztroman
E-Book, Deutsch, Band 63, 100 Seiten
Reihe: Der junge Norden
ISBN: 978-3-69049-523-3
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Carolin Grahl ist eine erfahrene Serienschriftstellerin, die schon in verschiedenen Romangenres tätig gewesen ist. Serien wie Der Sendlinger und Gut Waldeck tragen die unverwechselbare Handschrift der am Bodensee ansässigen Autorin. Mit der seit kurzem von uns veröffentlichten Originalserie Der junge Norden hat sie ihre schriftstellerische Meisterschaft einmal mehr unter Beweis gestellt. Der spanische Wurzeln tragende Alexander Norden, ein Neffe des berühmten Dr. Daniel Norden, wird in München Medizinstudent, von seinem Onkel aufmerksam beobachtet. Das aufregende Studentenleben des sehr und vielseitig begabten Alexander wird von Carolin Grahl auf einzigartige, spannende Weise geschildert.
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»Wir müssen zum Englischen Garten? Ist da nicht heute dieses große Sommerfest?« Alex stieß prustend die Luft aus. »Das wird nicht ganz einfach werden, fürchte ich. Weil die Zufahrtsmöglichkeiten relativ begrenzt sind.«
Lars Rudolf zuckte die Schultern. »Da stimme ich dir durchaus zu, Alex. Aber was sollen wir machen? Direkt vor der großen Bühne, auf der vom Nachmittag an die Sänger mit ihren Bands auftreten, also ganz in der Nähe des Hesseloher Sees, ist ein junger Mann bewusstlos zusammengebrochen. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Seine Freundin, die offenbar mit ihm zusammen das Sommerfest besucht hat, hat den Notruf abgesetzt! Die junge Frau war völlig durch den Wind. Sie konnte vor Aufregung kaum sprechen.«
»Na schön, versuchen wir unser Glück«, seufzte Alex und lenkte den Rettungswagen in Richtung Englischer Garten.
Als sie die Schwabinger Altstadt passiert hatten und näherkamen, hörten sie bereits von Weitem Musik, Stimmengewirr und Gelächter.
»Die sind alle total in Feierlaune. Und zum Teil wahrscheinlich auch schon sturzbetrunken. Da ist bestimmt kaum ein Durchkommen«, maulte Phil, ein junger Sanitätsassistent auf seinem ersten Rettungseinsatz, und kratzte sich am Kopf. »Das kann ja heiter werden.«
Dr. Rudolf bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Ich kann einen Lachanfall gerade noch zurückhalten«, knurrte er, während Alex den Rettungswagen direkt hinter der Brücke über den Schwabinger Bach abstellte, die Tür aufstieß und heraussprang. »Los, hilf mir mit der Trage«, forderte er Phil auf.
Wenig später bahnten Dr. Rudolf, Alex und Phil sich ihren Weg durch die zahlreichen Gäste des Sommerfests, die ihnen nur widerstrebend und zögernd Platz machten. Schon nach den ersten Metern wischte Phil sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Puh, so eine Hitze! Das ist ja kaum auszuhalten«, stöhnte er. »Meiner Schätzung nach hat es hier mindestens fünfunddreißig Grad. Kein Wunder, dass der junge Mann umgekippt ist. Wahrscheinlich hat ihn der Hitzschlag getroffen!«
»Das ist nicht auszuschließen«, meinte Dr. Rudolf, dem ebenfalls bereits Schweißperlen auf der Stirn standen. »Wie man auf die Idee kommt, sich bei einer solchen Affenhitze mit Döner, Pizza und Bratwürsten vollzustopfen und das Ganze auch noch mit Bier hinunterzuspülen, verstehe, wer mag. Ich jedenfalls begreife es nicht. Außerdem ist die Musik viel zu laut. Und die vielen Kinder, die an den für sie aufgestellten Hüpfburgen und Schaukeln herumwuseln und krakeelen wie kleine Monster, sind schlicht und ergreifend nervig.«
»Wir waren auch einmal Kids und hatten unsere Freude an solchen Spielen«, gab Alex zu bedenken. »Und was die Musik angeht, finde ich sie keineswegs zu laut. Im Gegenteil: Der Sound ist richtig cool.«
Diesmal war es Alex, den ein verächtlicher Blick aus Dr. Rudolfs Augen traf. »Wenn du mit Sina erst einmal eigene Kinder hast, wirst du schnell merken, welche Nervensägen du dir in dein Leben geholt hast. Dann wirst du an mich und meine Worte denken. Aber dann ist es bereits zu spät. Und was deinen Musikgeschmack angeht – der ist ganz einfach unterirdisch.«
»Ist er immer so schlecht gelaunt? Und so schrecklich negativ?«, raunte Phil Alex zu.
»Nur hin und wieder. Vor allem, wenn es in der Liebe nicht klappt«, grinste Alex.
»Was hast du gesagt, Alex?«, wandte sich Dr. Rudolf abrupt um. »Von wegen Liebe und so weiter?«
»Ich? Äh … nichts Besonderes. Ich meinte nur, dass es wahre Liebe sein muss, wenn der junge Mann bei dieser Hitze auf das ach so schreckliche Sommerfest gegangen ist, vielleicht nur um seiner Partnerin eine Freude zu machen.«
Dr. Rudolf zog missmutig die Augenbrauen hoch, fand aber keine Zeit, Alex‘ Äußerung zu kommentieren, weil sie es endlich geschafft hatten, bis zu dem Bewusstlosen vorzudringen.
Seine Freundin, eine zierliche, dunkelhaarige junge Frau, stand auf Zehenspitzen und winkte ihnen mit beiden Armen aufgeregt zu. »Hier! Hier sind wir«, rief sie. »Jonas ist immer noch bewusstlos! Er …«
Sie verstummte mitten im Satz, als Dr. Rudolf, ein paar Neugierige, die große Eistüten in den Händen hielten, brüsk beiseiteschiebend, neben Jonas trat, sich zu ihm hinunterbückte und seinen Puls fühlte. »Hat er vor seinem Zusammenbruch schon über irgendwelche Beschwerden geklagt?«, erkundigte er sich bei der jungen Frau.
Sie überlegte eine Weile und schüttelte dann den Kopf. »Nicht dass ich wüsste«, antwortete sie. »Bis … bis auf gestern Abend. Da hat Jonas auf einmal sehr starke Kopfschmerzen bekommen. Aber dann hat er eine Aspirin geschluckt, und eine halbe Stunde später war der Spuk vorbei. Ich war mir unter diesen Umständen allerdings trotzdem nicht sicher, ob wir bei dieser Hitze wirklich auf das Sommerfest hier gehen sollten, und habe ihm heute Morgen vorgeschlagen, lieber zu Hause zu bleiben. Aber davon wollte Jonas nichts wissen. Er hatte sich schon so sehr auf seinen freien Tag und auf das Sommerfest gefreut. Und natürlich wusste er, dass auch ich mir eigens für das Fest freigenommen hatte.« Die junge Frau seufzte und schaute Dr. Rudolf an. »Glauben Sie, dass … dass die Hitze die Ohnmacht ausgelöst haben kann? Jonas ist plötzlich geschwankt. Er hat sich mir zugewandt und wollte etwas sagen, aber stattdessen hat er sich plötzlich an mir festgehalten. Und dann ist er von einer Sekunde auf die andere weggekippt. Er hätte mich fast umgerissen.«
»Hatte Jonas schon des Öfteren Kopfschmerzen?«, wollte Alex wissen.
»Ich … ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht wirklich«, gestand die junge Frau. »Denn selbst wenn er Schmerzen gehabt hätte, hätte ich davon wahrscheinlich nichts mitbekommen. Jonas ist kein Mensch, der jammert oder über irgendwelche Wehwehchen klagt. Auch wenn er mal erkältet oder sonst nicht besonders gut drauf ist, macht er das mit sich ab. Er steckt so etwas normalerweise einfach weg. Er ist stark, wissen Sie. Er ist wie ein Fels in der Brandung. Dass er jetzt so hilflos daliegt …«
»Bestimmt hat er nur einen Hitzschlag erlitten, von dem er sich rasch wieder erholt. Oder er ist dehydriert. Oder beides«, versuchte Phil, die unglückliche junge Frau zu trösten, doch Dr. Rudolf machte ein skeptisches Gesicht. Er verabreichte Jonas ein herzstärkendes Mittel und gab Alex und Phil Anweisung, ihn auf die Trage zu heben.
»Wohin bringen Sie Jonas?«, fragte die junge Frau.
»Wir bringen ihn in die Behnisch-Klinik«, antwortete Dr. Rudolf. »Machen Sie sich keine Sorgen, dort ist er in den besten Händen.«
Unsicher kaute die junge Frau auf ihrer Unterlippe herum. »Kann ich … kann ich vielleicht im Krankenwagen mitfahren?«, rang sie sich schließlich zu der Frage durch, die ihr auf der Zunge brannte. »Ich … ich heiße übrigens Bianca. Bianca Seethaler.«
»Selbstverständlich können Sie im Krankenwagen …«, begann Alex spontan, besann sich aber gerade noch rechtzeitig und warf Dr. Rudolf einen fragenden Blick zu. »Ich denke, es wäre kein Problem, wenn Frau Seethaler mit uns mitfährt, oder?«
»Geht in Ordnung«, beschied Dr. Rudolf. »Natürlich kann Frau Seethaler mit uns zur Behnisch-Klinik kommen.«
Bianca atmete erleichtert auf. Als sie neben der Trage herlief, auf der Jonas lag, strich sie ihm sachte über die Stirn und nahm dann seine Hand in die ihre. »Er wird doch wieder gesund?«, wandte sie sich an Alex. »So ein Hitzschlag ist doch nicht tödlich, oder? Und er verursacht hoffentlich auch keine bleibenden Schäden?«
»Nein, ich denke nicht«, erwiderte Alex mit gesenktem Blick. Dass Phil Bianca Seethaler den Floh mit dem Hitzschlag ins Ohr gesetzt hatte, mochte für die junge Frau fürs Erste tröstlich sein, doch Alex glaubte nicht an die »Diagnose« des jungen Rettungsassistenten.
Vorsichtig hob er, als sie beim Rettungswagen angelangt waren, mit Phils Hilfe die Trage in das Fahrzeug. Bianca kletterte zu Jonas in den hinteren Teil des Sanitätswagens, und auch Dr. Rudolf, dem während der Fahrt zur Behnisch-Klinik die medizinische Versorgung des Patienten oblag, näherte sich dem Rettungswagen.
Alex wollte sich gerade zum Fahrersitz begeben, um wie gewohnt das Steuer zu übernehmen, als Dr. Rudolf ihn plötzlich am Ärmel seines weißen Kittels packte und zurückhielt.
»Und? Glaubst du auch an einen Hitzschlag, Alex?«, fragte er unvermittelt.
Alex wirkte einen Moment lang unsicher, doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein, eher nicht«, erwiderte er.
»Aha. Und worauf tippst du, wenn die Hitze deiner Meinung nach nicht schuld an der Ohnmacht des Patienten ist?«
Auch diesmal zögerte Alex kurz, ehe er antwortete. »Wenn Jonas älter wäre, also mindestens fünfzig plus oder so, würde ich … einen Schlaganfall vermuten«, sagte er dann. »Aber Jonas ist schätzungsweise in meinem Alter, höchstens sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig Jahre vielleicht. Für einen Schlaganfall also eigentlich noch viel zu jung.«
»Das stimmt«, erwiderte Dr. Rudolf. »Trotzdem habe auch ich spontan an einen Schlaganfall gedacht. Natürlich sind Schlaganfälle bei jungen Menschen nicht alltäglich, aber ausgeschlossen sind sie nicht. Man sagt nicht umsonst, dass Ausnahmen die Regel bestätigen. Abgesehen davon wurde ich in letzter Zeit schon etliche Male zu relativ jungen Schlaganfallpatienten gerufen. Die Ausnahmen scheinen sich zu häufen.«
Alex wirkte mit einem Mal sehr betroffen. »Wenn es sich wirklich um einen Schlaganfall handelt, wäre das eine schreckliche Diagnose«, sagte er. »Ich hoffe, dass sie sich nicht bestätigt. Oder wenn doch, wünsche ich Jonas von ganzem Herzen, dass ihm zumindest Spätfolgen erspart bleiben.«
»Das wünsche ich...