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E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Grassberger Das unsichtbare Netz des Lebens

Wie Mikrobiom, Biodiversität, Umwelt und Ernährung unsere Gesundheit erhalten

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-7017-4667-5
Verlag: Residenz
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Erfolgsautor zeigt neue Wege auf, wie der Mensch sich vor schädlichen Umwelteinflüssen schützen kann.

Wie erhalten wir in Zeiten neuartiger Pandemien, chronischer Krankheiten, zunehmender Urbanisierung und medialem Dauerfeuer unsere körperliche und geistige Gesundheit? Basierend auf umfassenden ökologischen Betrachtungen und unter Berücksichtigung der neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Mikrobiomforschung zieht Martin Grassberger Schlüsse über die fundamentalen Wechselwirkungen zwischen uns und unserer Umwelt und zeigt, wie wir trotz beunruhigender Entwicklungen ein gutes und gesundes Leben führen können. Martin Grassberger stellt in "Das unsichtbare Netz des Lebens" den Menschen in den Fokus und erklärt, wie jeder Einzelne sich, seine Kinder und die Umwelt schützen kann.
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Prolog: Geburt
»Blut, Schweiß und Tränen«, sagt Luise mit einem erleichterten Lächeln. Das umschreibe kurz gefasst die Geburt ihrer Tochter, die vor zwei Wochen in einem Wiener Krankenhaus das Licht der Welt erblickte. Luise und ihre Tochter sind wohlauf, obwohl »es eigentlich nicht so lief, wie geplant«, zumindest wenn es nach Luise gehen sollte. Sie wollte ihr Kind eigentlich lieber zu Hause auf die Welt bringen als in einem unpersönlichen Krankenhaus mit steriler Atmosphäre und all seiner Hektik. Als sie ihrem Frauenarzt im Zuge einer der Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen den Plan einer »natürlichen Hausgeburt« eröffnete, fiel dieser aus »allen Wolken« und »wurde richtig unfreundlich«, erinnert sich Luise. »Anstatt mich als Patientin in meinem Wunsch ernst zu nehmen und die Vor- und Nachteile einer Hausgeburt zu besprechen, schürte er nur Unsicherheit und Angst, indem er diverse Horrorszenarien von abgebrochenen Hausgeburten skizzierte.« Die Hausgeburt einer Erstgebärenden sei wohl die verrückteste und gleichzeitig dümmste Idee, die jemand in einem zivilisierten Land haben könne, so der Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. »Sie gefährden damit sich und Ihr Kind. Wollen Sie das wirklich?«, fragte der Arzt Luise und wartete keine Antwort ab, ehe er weiter konstatierte, dass in einem Krankenhaus sämtliche Risiken minimiert werden könnten. Dort bestünden nämlich alle Möglichkeiten zur Überwachung durch ein CTG (ein Gerät zur Überwachung der Wehentätigkeit und der kindlichen Herztöne, Anm.), einer medikamentösen Auslösung oder Hemmung der Wehentätigkeit, einer Unterdrückung der Schmerzen durch den Anästhesisten und im Falle von Komplikationen könne sofort ein Kaiserschnitt durchgeführt werden. Die eindringlichen Worte ihres Arztes brachten Luise zum Grübeln. Immerhin handelte es sich bei ihm um einen sehr erfahrenen und für seine fachlichen Kompetenzen geschätzten Gynäkologen. Was, wenn er recht behalten sollte? War es denn wirklich so eine dumme Idee, sein Kind zu Hause in unterstützender Begleitung einer versierten Hebamme gebären zu wollen? Die folgende Phase der Entscheidungsfindung gestaltete sich als Achterbahn der Gefühle für Luise, aber auch für ihren Partner, denn beide wollten nur das Beste und sicherlich keine unnötige Gefährdung ihres ungeborenen Kindes. Schließlich wurde ihnen aber eine erfahrene Hebamme empfohlen, die sowohl in einer Geburtsklinik arbeitete, als auch Hausgeburten betreute. Schon beim ersten Gespräch beruhigte die Hebamme Luise. Sie würde schon seit 20 Jahren Hausgeburten begleiten und es sei bisher eher selten der Fall gewesen, dass sie den Vorgang abbrechen und mit der Gebärenden in ein Spital fahren musste. Vor allem die Tatsache, dass die Hebamme über ein mobiles CTG-Gerät verfügte und somit den Geburtsvorgang – insbesondere das Wohlergehen des Kindes – dadurch überwachen könne, erschien der mittlerweile hochschwangeren Luise Sicherheit und Halt gebend, sodass sie sich letztlich trotz vieler mahnender Gegenstimmen gemeinsam mit ihrem Partner für eine Hausgeburt entschließen konnte. Einen Tag nach dem errechneten Geburtstermin war es dann so weit. »Die Hebamme war nach 20 Minuten da und alles verlief wie geplant«, erinnert sich Luise. Als dann aber nach sieben Stunden der Geburtsfortschritt im eigenen Schlafzimmer etwas stagnierte, entschied die Hebamme »sicherheitshalber«, wie sie sagte, in die Geburtsklinik, in der sie auch arbeitete, zu fahren. Dort angelangt, wurde die Lage des Babys mittels Bauchultraschall kontrolliert und folglich konnte Luise in einem abgedunkelten Entbindungsraum des Kreißsaals mit Unterstützung ihrer »eigenen« Hebamme und ihres Partner nach weiteren zwei Stunden schließlich ihre Tochter gebären. Und zwar ganz so, wie sie sich das eigentlich für zu Hause vorgestellt hatte: nämlich ohne jegliche medizinische Intervention auf »natürliche Weise«, allerdings nun mit der Sicherheit einer medizinischen Geburtshilfe im Hintergrund »für den Fall des Falles«. Als sogenannte »ambulante Geburt« durfte Luise, nachdem eine Kinderärztin den Neuankömmling untersucht und ihr Einverständnis gegeben hatte, die Geburtsklinik nach vier Stunden wieder verlassen, um gemeinsam mit ihrem »kleinen Wunder« im Wochenbett Bekanntschaft zu schließen. Das Stillen funktionierte wunderbar und die regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen durch die Hebamme fanden stressfrei in häuslicher Umgebung statt. Viele Frauen wünschen sich wie Luise eine sanfte Geburt mit geringer medizinischer Intervention, am liebsten in vertrauter Umgebung oder in den eigenen vier Wänden. Die moderne Medizin steht derartigen Bestrebungen allerdings sehr skeptisch gegenüber, denn immerhin kommt es selbst in Krankenhäusern, trotz aller Möglichkeiten der modernen Medizin, regelmäßig zu Geburtskomplikationen. Und genau diese haben Ärztinnen und Ärzte im Hinterkopf, wenn sie mit den Wünschen von Frauen nach einer sanften und »natürlichen« Hausgeburt konfrontiert werden. Aber ist nicht die Geburt ein absolut natürliches Phänomen, das seit Millionen von Jahren reibungslos funktioniert? Wäre sie es nicht, dann gäbe es die Spezies Mensch doch schon längst nicht mehr. Aber so einfach ist die Sache nicht. Über 130 Millionen Babys werden weltweit jedes Jahr geboren und immer noch sterben 2,4 Millionen Säuglinge innerhalb des ersten Lebensmonats.1 Das sind die bitteren Fakten und die Ursachen hierfür sind vielfältig. Weltweit sterben auch 211 von 100 000 Frauen im Zuge der Geburt.2 Allerdings bestehen erhebliche Unterschiede zwischen wohlhabenden Ländern und sogenannten Entwicklungsländern bzw. Ländern, deren medizinisches System in diesem Bereich mangelhaft ist oder manche Bevölkerungsschichten benachteiligt. Hierzu zählen auch westlich geprägte Länder wie die USA. So sterben in den USA doppelt so viele Kinder während der ersten Lebenstage als in Ländern der EU.3 Das Lebenszeitrisiko, während der Geburt zu versterben, beträgt für Frauen in reichen Ländern 1: 3300 verglichen mit 41:3300 in ärmeren Ländern. Und tatsächlich ist die Geburt eines Homo sapiens durchaus problembehaftet. Das Missverhältnis des kindlichen Kopfes zum weiblichen Geburtskanal ist bei Menschen im Vergleich zu anderen Primaten besonders auffällig. Die evolutionäre Entwicklung zu einem aufrechten Gang hat zu Veränderungen des weiblichen Beckens geführt, in deren Rahmen es zunehmend zu einem Missverhältnis zwischen Beckendurchmesser und kindlichem Schädel kam. Eine klassische Kompromisslösung der Evolution, der wir in ähnlicher Form in diesem Buch noch öfters begegnen werden. Die Vorteile des aufrechten Ganges (z. B. freie Hände und soziale Interaktion) wurden quasi gegen Nachteile bei der Geburt »eingetauscht«. Unterm Strich dürften aber die Vorteile des aufrechten Ganges überwogen haben, das zeigt uns der Blick zurück. Aus Sicht der Evolution ist ein schmales Becken von Vorteil, vor allem für unsere Fortbewegung. Auf der anderen Seite erhöhen sich die Überlebenschancen eines Babys, je größer es bei der Geburt ist. Vereinfacht könnte man aus evolutionärer Sicht sagen: Je schmäler das Becken und je größer das Kind, desto besser. Es liegt auf der Hand, dass das nur bis zu einem gewissen Punkt gut gehen kann, nämlich bis zu dem Punkt, an dem das Kind nicht mehr durch den Geburtskanal passt: Dann wird es abrupt fatal. In der Wissenschaft wird dieses Phänomen als »Fitnessklippe« bezeichnet.4 Auch der Übergang zur landwirtschaftlichen Lebensweise vor etwa 10 000 bis 12 000 Jahren, als eine proteinreiche Ernährung von einer kohlenhydratreichen Ernährung abgelöst wurde, könnte zu dem Geburtsdilemma beigetragen haben. Eine aus simplen Kohlenhydraten bestehende Ernährung führt nämlich zu einem erhöhten Geburtsgewicht des Kindes und zu einer geringeren Körpergröße der Mutter. Es konnte nachgewiesen werden, dass eine geringere Körpergröße auch mit einem engeren Geburtskanal verbunden ist. Kleine, übergewichtige Frauen haben somit zumindest zwei unterschiedliche Risikofaktoren für Geburtsprobleme: eine kleinere Beckendimension und eine höhere Wahrscheinlichkeit, ein großes Kind zu gebären.5 Zwischen 1980 und 2013 stieg zudem der prozentuelle Anteil an übergewichtigen und fettleibigen Frauen global von 29,8 Prozent auf 38 Prozent. Wie wir noch sehen werden, führen eine mangelhafte Ernährung vor und während der Schwangerschaft (weltweit ist eine von drei Frauen mangel- oder fehlernährt) sowie Fettleibigkeit zu zahlreichen weiteren gesundheitlichen Risiken – sowohl für die Mutter als auch für das...


Martin Grassberger studierte Medizin sowie Biologie in Wien und ist Facharzt für Gerichtsmedizin. Er lehrt unter anderem an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und an der Medizinischen Fakultät der Sigmund Freud Universität Wien in den Fachgebieten Human- und Gesundheitsökologie, Evolutionäre Medizin, Forensische Medizin und Pathologie. Grassberger ist Autor zahlreicher Publikationen. Sein Buch "Das leise Sterben" wurde Wissenschaftsbuch des Jahres 2020 in der Kategorie Naturwissenschaft/Technik. Zuletzt im Residenz Verlag erschienen "Das unsichtbare Netz des Lebens" (2021).


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