E-Book, Deutsch, 175 Seiten
Gray DIE FARBE DES TODES
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7487-4964-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Krimi-Klassiker!
E-Book, Deutsch, 175 Seiten
ISBN: 978-3-7487-4964-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
An einem heißen Sommertag wird in einem Friseursalon in London Mrs. Lotus-Smith tot in ihrer Kabine aufgefunden. Sie ist offensichtlich durch einen elektrischen Schlag ums Leben gekommen. Aber warum hat der Mörder ihr eine Schere in die Brust gestoßen? Warum wurde rote Farbe über ihre blonden Haare geschüttet? Und warum verwickeln sich die Zeuginnen, die Superintendent Cardiff zu diesem Mordfall vernimmt, bei ihren Aussagen in Widersprüche - insbesondere die hübsche Pauline und die attraktive Rosalie? Superintendent Cardiff verfolgt hartnäckig verschiedene Spuren. Er kommt zu keinem Ergebnis. Da geschieht plötzlich ein zweiter Mord - ein Mord, mit dem sich der Mörder in Sicherheit bringen will. Jedoch: Diese gefährliche Rechnung geht nicht auf. Vielmehr gibt sie Cardiff die Möglichkeit, die beiden ebenso mysteriösen wie makabren Verbrechen aufzuklären... Der Roman Die Farbe des Todes der britischen Schauspielerin und Schriftstellerin Dulcie Gray (* 20. November 1915 in Malaysia; ? 15. November 2011 in Northwood, Middlesex, England) erschien erstmals im Jahr 1968; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1969. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
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Zweites Kapitel
Es war immer noch unerträglich heiß, und die fünfzehn Menschen im Salon sahen fast alle erschreckt, müde und unglücklich aus. Die kleine June, ein neunzehnjähriges Mädchen mit runden Backen und blonden Haaren, weinte leise, und Madame Justin bemühte sich nervös, sie zu beruhigen und gleichzeitig mit den Polizeibeamten zu sprechen. Der rechteckige, lila gestrichene Raum, in dessen Mitte zwei Reihen von lindgrünen Frisiertischen standen, war in der rechten Hälfte völlig leer. Die linke Seite wirkte, als würde dort eine Vorstandsversammlung abgehalten. Am Ende, auf einem Sessel vor einem der Waschbecken, saß Superintendent Cardiff von der Kriminalpolizei Paddington West und links neben ihm Sergeant Tyler. Beide machten sich Notizen. Die Angestellten, einschließlich Justin selbst, und die Kundinnen, die gebeten worden waren, bis zur Ankunft der Polizei zu warten, saßen oder standen in einem verlängerten Halbkreis vor ihnen. Hinter der Tür links, in der Färbekabine, waren immer noch der Polizeiarzt, ein Fotograf und zwei Experten für Fingerabdrücke beschäftigt. Der Superintendent lächelte Madame Justin ermutigend zu. »Ja«, sagte er, »ja, ich verstehe. Ich werde mich später noch gründlich umschauen, glaube aber, dass ich jetzt schon einen Überblick über die räumliche Lage habe. Der Raum da drüben«, er wies mit dem Kopf nach links, »wo wir die Leiche gefunden haben, ist die Färbekabine. Darin steht an der Wand, der Tür gegenüber, ein großer Schrank, in dem Sie Ihre Präparate aufbewahren. Dieser Schrank bleibt unverschlossen, und es gibt zu ihm keinen anderen Zugang als durch die Kabine.« »Ja«, sagte Madame Justin. »Rechts, durch diese Tür dort«, er wies wieder mit dem Kopf, »ist zunächst rechts eine Toilette für die Kundinnen, dann geradeaus ein Aufenthaltsraum mit einer Kantine, wohin die Angestellten gehen können, wenn sie nichts zu tun haben, und dahinter ein Waschraum.« »Ja.« »Mrs. Merliss...«, Mrs. Merliss, die ungefähr einen Meter von ihm entfernt stand, fuhr schuldbewusst auf, »...arbeitet den ganzen Tag im Aufenthaltsraum und bereitet Sandwiches, Tee oder Kaffee für die Kundinnen und Angestellten. Stimmt das?« Der Superintendent sah Mrs. Merliss fragend an, doch Madame Justin antwortete für sie. »Ja«, bestätigte sie abermals. »Gut. Jetzt kommen wir hier zu diesem Raum. Es ist der Hauptsalon, wo gewaschen, geschnitten und gelegt wird. Geradeaus, mir gegenüber, ist der Durchgang zur Kasse, wo Sie und Diana Whittaker arbeiten. Rechts in diesem Vorraum ist eine Garderobe mit einem Vorhang, und die große Glastür, auf die wir sehen, ist der einzige Ausgang vom Geschäft auf die Straße.« »Ganz richtig«, sagte Madame Justin. »Kommen wir jetzt zu der Färbekabine zurück. Soviel ich verstanden habe, arbeitet dort nur ein Mädchen...«, er warf einen Blick in sein Notizbuch, »...Rosalie Burton. Sie allein ist in der einzigen abgeschlossenen Kabine beschäftigt. Stimmt das?« »Ja«, sagte Rosalie. »Wie ich sehe, tragen Sie ein Sommerkleid, Miss Burton, während alle anderen Mädchen Nylonkittel tragen. Wie kommt das?« »Ich bin heute Abend mit meinem Freund verabredet und durfte früher Schluss machen«, sagte Rosalie. »Ich wollte gerade gehen, als das alles passierte.« »Mit das alles meinen Sie wohl den Tod von Mrs. Lotus-Smith?« »Ja.« »Waren Sie mit Ihrer Arbeit bei ihr fertig?« »Ja. June sollte den Rest für mich übernehmen.« »Sie haben ihr das Haar rot gefärbt?« »Nein, ich habe es gebleicht, um es zu blondieren. Ich kann einfach nicht begreifen, wie das passiert ist.« »Sie können sich nicht geirrt haben - die falsche Flasche genommen und es rot statt blond gefärbt haben?« »Ganz ausgeschlossen«, sagte Rosalie empört. »Warum nicht?« »Weil ich es gar nicht gefärbt habe. Zum Färben brauche ich eine Flüssigkeit, zum Blondieren ein Pulver, das ich in Wasser auflöse und zu einem Brei verrühre. Als ich wegging war sie blondiert. Das ist wahr. Ich schwöre es.« Sie wurde rot und ballte die Fäuste. »Trotzdem hat June Norris, die wohl Mr. Brians Gehilfin ist, zu Madame Justin gesagt, als sie ihr den Tod von Mrs. Lotus-Smith meldete: »Jemand hat ihr das Haar rot gefärbt.«« »Ich habe es auch nicht getan«, schluchzte June unglücklich. Superintendent Cardiff und Sergeant Tyler wechselten Blicke, dann räusperte sich der Superintendent. »Gehen wir am besten chronologisch von Anfang an vor«, sagte er. »Mrs. Lotus-Smith sollte um sechzehn Uhr fünfzehn kommen, um ihr Haar blondiert, gewaschen und gelegt zu bekommen. Das Blondieren sollte Rosalie Burton vornehmen, Waschen und Legen Mr. Brian, assistiert von June Norris. Mrs. Lotus-Smith erschien aber erst um zwanzig vor fünf. Daraufhin bestimmte Madame Justin, Rosalie Burton sollte nur das Blondieren selbst erledigen, June Norris dann die Dampfhaube abnehmen, sie waschen und an Mr. Brian weitergeben.« »Ja«, stimmte Madame Justin zu. »Leider verstehe ich wenig von Frisierkünsten«, bemerkte der Superintendent trocken. »Wollen Sie daher so freundlich sein, Madame Justin, mir genau zu erklären, was geschieht, wenn eine Kundin das Haar blondiert bekommt, so dass ich es als Mann begreifen kann.« Justin und seine beiden männlichen Angestellten lächelten höflich. »Selbstverständlich«, sagte Madame Justin. »Ich will es Ihnen gerne in allen Einzelheiten beschreiben. Die Kundin wird in die Färbekabine geführt - im vorliegenden Fall habe ich die Kundin selbst hineingeführt. Zu allererst hat sie am Eingang Mantel und Hut abgelegt und einen Xylon-Kittel von uns angezogen. Rosa für die Kundinnen, lila für die Angestellte, die färbt, blau für die Gehilfinnen, weiß für die Maniküre. Das Blondieren wird vorgenommen, indem eine dicke weiße Paste mit einem Pinsel über den ganzen Kopf verteilt wird. Das Haar wird in kleine Streifen abgeteilt. Man beginnt mit dem Einpinseln hinten im Nacken und geht dann nach und nach weiter bis zur Stirn. Dazu braucht man ungefähr eine halbe Stunde. Anschließend kommt die Kundin für fünfundvierzig Minuten unter die Dampfhaube. Das ist übrigens der Apparat mit der helmartigen Haube und dem länglichen Metallzylinder hinten, den Sie in der Kabine gesehen haben.« Cardiff nickte. Madame Justin fuhr fort: »Oben an dem Zylinder ist ein abschraubbarer Deckel, zum Einfüllen des Wassers. Das Wasser wird elektrisch geheizt, wenn man die Haube an die Steckdose neben dem Waschbecken anschließt, und der Dampf entströmt durch ein feines Metallrohr oben in der Plastikhaube.« »Vielen Dank«, sagte Cardiff. »Das ist eine klare Beschreibung.« Madame Justin lächelte und fuhr fort: »An der Haube ist eine Uhr. Nach fünfundvierzig Minuten wird die Kundin ans Waschbecken gesetzt und die Paste abgewaschen, was ungefähr vier Minuten dauert. Anschließend geht sie in den Hauptsalon zum Legen, Trocknen und Auskämmen.« »Aha«, sagte Cardiff. »Nun, Miss Burton, an welchem Punkt dieser Prozedur verließen Sie Mrs. Lotus-Smith und übergaben sie June Norris?« »Bald nachdem ich sie unter die Haube gesetzt hatte.« »Wie bald?« »Ein paar Minuten.« »Zwei bis drei, oder fünf bis zehn? Wollen Sie bitte genauer werden«, sagte Cardiff trocken, und Tyler sah ihn leicht erstaunt an. »Zwei bis drei.« »Und was haben Sie in diesen zwei bis drei Minuten getan?« »Ich habe den Pinsel und die Schale, in der ich die Paste angerührt hatte, ausgewaschen. Dann habe ich alles in den Vorratsschrank gestellt, den Schrank abgeschlossen, nachgesehen, ob Mrs. Lotus-Smith bequem saß, und June gesagt, was ich getan hatte. Dann bin ich nach hinten gegangen, um mich umzuziehen.« »Und fast vierzig Minuten später waren Sie immer noch da?« »Ich wollte möglichst gut aussehen. Ich habe eine sehr wichtige Verabredung.« Rosalies Stimme klang ärgerlich. »Das hatte Mrs. Lotus-Smith offenbar auch«, erwiderte der Superintendent ruhig. »Was soll das heißen?«, fuhr Rosalie auf. Cardiff sah sie interessiert an. Ein aufbrausendes Mädchen, dachte er missbilligend. Aber sie war sehr hübsch. Sie hatte langes, lose herabfallendes dunkles Haar und große braune Augen in einem lebhaften, intelligenten Gesicht. Sie war nicht geschminkt. Das weiße Kleid, das sie sich für ihre Verabredung ausgesucht hatte, saß eng und brachte ihre sehr gute Figur zur Geltung. Sie war überdurchschnittlich groß, mit starken Brüsten und Hüften. Ihre Beine waren ein wenig kurz, dafür gut geformt. »Schickes Mädchen«, dachte Cardiff, »aber ein Vulkan.« Nicht ausgesprochen sein Typ. »Warum soll etwas dahinterstecken?«, fragte er sanft. »Es war lediglich eine Bemerkung.« »Ich dachte, Sie wollten uns in einen Topf schmeißen - Mrs. Lotus-Smith und mich«, sagte Rosalie gereizt. »Da Sie einer der letzten Menschen sind, die sie lebend gesehen haben, denke ich an Sie in Zusammenhang mit Mirs. Lotus-Smith«, antwortete Cardiff steif und wunderte sich nicht, dass Rosalies Temperament wieder aufzuflammen schien, doch beherrschte sie sich und sagte nichts. Cardiff wandte seine Aufmerksamkeit jetzt June zu. »Miss Norris«, sagte er, »Miss Burton hat uns gesagt, sie habe Mrs. Lotus-Smith unter die Haube gesetzt, sie habe danach die Kabine gesäubert und sei dann zum Umziehen gegangen, nachdem sie Ihnen Bescheid gesagt hatte. Stimmt das?« »Ja, soweit ich mich erinnere«, sagte June kläglich. »Sie sagte mir, Mrs. Lotus-Smith säße unter der Dampfhaube, und ich sollte sie übernehmen.« »Können...