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E-Book, Deutsch, 336 Seiten
Greifenstein Liebeskummer & Lametta
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-377-90276-4
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman | Weihnachtlicher Roman um einen Neuanfang in einer kleinen Bäckerei
E-Book, Deutsch, 336 Seiten
ISBN: 978-3-377-90276-4
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gina Greifenstein lebt und arbeitet als freie Autorin in der Südpfalz. Sie schreibt Romane, Krimis und Kochbücher. Ihre Backbücher bei Gräfe und Unzer sind Bestseller und in mehrere Sprachen übersetzt. Regionalkrimi-Fans unterhält sie kriminell-humorvoll mit ihrem fränkisch-pfälzischen Ermittler-Duo Paula Stern und Bernd Keeser. Ihr Roman »Der Traummann auf der Bettkante« (Piper) war 2008 für den DELIA-Preis nominiert. Zuletzt sind von ihr bei Piper erschienen: »Katastrophen haben kurze Beine« und »Sechs Fremde und ein Dackel« - letzterer ist in Zusammenarbeit mit Anne Grießer und Barbara Saladin entstanden.
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Driving home for Christmas
Die grellen Bremslichter registrierte Sandra beinahe zu spät. Nur wenige Zentimeter hinter der Stoßstange des vor ihr fahrenden Autos kam sie zum Stehen. Der Schreck ließ ihr Herz schneller schlagen.
Vor lauter Tränen konnte sie fast nichts sehen. Wie Sturzbäche rannen sie aus ihren Augen und verschleierten ihren Blick. Liefen über ihre Wangen, blieben an Nase und Kinn kurz hängen und landeten dann auf ihren Oberschenkeln, sodass die Jeans schon ganz nass war.
Das, was sie da machte, war ein Blindflug und lebensgefährlich.
Nur weil sie schnell wegwollte. Weg von allem, weg von Paul, der sie so fies hintergangen hatte, weg von ihrem Zuhause, das seit nicht mal einer Stunde nicht mehr ihr Zuhause war. Einfach nur weg.
Andererseits wäre es gar nicht so schlimm, tot zu sein, überlegte Sandra und schnäuzte sich in das letzte Papiertaschentuch, das die Packung hergab. Jetzt einfach umfallen, dann hätte der Herzschmerz genauso ein Ende wie die blöde Heulerei.
Die Autos vor ihr fuhren wieder an. Sie atmete tief durch und gab einigermaßen gefasst ebenfalls Gas. Im Stop-and-Go-Modus lenkte sie ihren Wagen durch die morgendliche Rushhour aus München hinaus.
Endlich wurde der Verkehr flüssiger, dafür kamen erste Zweifel in ihr auf. Hätte sie vielleicht doch nicht einfach ihre Tasche packen und so überstürzt abhauen sollen? Hätte sie besser bleiben und mit Paul reden sollen?
Nein, es war gut, dass sie gegangen war. Ohne Betteln, ohne langwierige und vor allem erniedrigende Diskussionen. Ohne Heulen, ohne dramatische Szenen. Und vor allem hocherhobenen Hauptes. Die Tränen waren zum Glück erst geflossen, als sich die Aufzugtür geschlossen hatte und sie auf dem Weg in die Tiefgarage war.
Nein, sie musste weg. Sie hätte Pauls Nähe nicht mehr ertragen können. Er würde zwar erst einmal zu dieser anderen Frau ziehen, bis sie eine eigene Bleibe gefunden hatte, aber wie hätte das funktionieren sollen, sie wäre doch durch alles, was in der Wohnung herumstand, an ihn erinnert worden? Überall waren Denkmäler ihres gemeinsamen Lebens – angefangen mit dem großen Poster von ihrem Bali-Urlaub im letzten Jahr an der Wand über der Sitzlandschaft. Ein traumhaft schönes Foto, auf dem sie eng umschlungen vor einem Wasserfall standen und sich innig in die Augen sahen. Zu einer Zeit, als er sie noch geliebt hatte …
Erneut öffneten sich alle Schleusen. Sandra schaffte es gerade noch, in einen Parkplatz einzubiegen, wo sie das Auto stoppte und sich erst einmal ihrem Kummer hingab.
Paul hatte sie abgelegt wie ein abgetragenes Kleidungsstück. Vielleicht war ihre Beziehung nach beinahe acht Jahren ja irgendwie abgetragen? Obwohl sie das nie so empfunden hatte. Ganz im Gegenteil, sie hatte die daraus resultierende Vertrautheit sehr genossen. Natürlich war dieses erste Prickeln, die erste Verliebtheit, Routinen gewichen. Aber war das nicht ganz normal? Man konnte doch nicht immer himmelhoch jauchzend durchs Leben gehen – dann würde auch das Himmelhoch-Jauchzen irgendwann langweilig werden, oder?
Aber Paul wollte anscheinend weiter himmelhoch jauchzen. Nur nicht mit ihr.
Zu Tode betrübt ließ sie den Kopf an die Scheibe sinken und schloss die Augen. Das kühle Glas an ihrer linken Gesichtshälfte tat gut.
Wo sie denn hinwolle, hatte er ihr nachgerufen, nachdem sie ein paar Kleidungsstücke und den flüchtig gepackten Kulturbeutel in ihre Reisetasche geworfen hatte und in die Diele geeilt war.
Jetzt kam ihr diese Frage absurd vor: Hatte ihn das wirklich interessiert? Sie hatte ihm keine Antwort gegeben, nicht nur, weil sie in diesem Moment in einer Art Schockzustand gewesen war und kein Wort über die Lippen gebracht hätte, sondern auch, weil sie ihm darauf keine Antwort hatte geben . Sie hatte einfach nur irgendwie reagiert, war in die Stiefel geschlüpft, hatte den Mantel vom Haken gerissen, ihren Schlüssel geschnappt und war filmreif aus der Wohnung geflohen.
Ab sofort ging es Paul nichts mehr an, wohin sie ging oder nicht ging. Sollte er sich doch Sorgen machen, er hatte es verdient.
Sie hatte selbst erst gewusst, wohin es sie zog, als sie in der Tiefgarage aus dem Lift gestiegen war. Es gab nur einen einzigen Ort, wo man sie mit offenen Armen aufnehmen und trösten würde: ihr Elternhaus. Der Schmerz würde zwar nicht verschwinden, aber das weihnachtlich geschmückte Zuhause, der Duft nach frisch gebackenen Plätzchen und die uneingeschränkte Liebe von Mama und Papa würden ihn ganz sicher lindern. Nirgendwo auf der Welt war es schließlich gemütlicher und vor allem sicherer als bei den eigenen Eltern zur Weihnachtszeit. Mama würde sie mit all ihrer Liebe auffangen und verwöhnen, so, wie sie es immer getan hatte, wenn Sandra in der Vergangenheit unglücklich gewesen war.
Unbändige Sehnsucht packte sie auf einmal, aber es lagen noch dreihundertfünfzig Kilometer zwischen ihr und Markingen. Die Tatsache, dass sie dieses Weihnachten eigentlich nicht hatte nach Hause fahren, sondern mit Paul nach London fliegen wollen, kam ihr auf einmal wie aus einem anderen Leben vor.
Ob er wohl mit der Neuen nach London flog? Gebucht hatte er ja bereits. Paul … Pah! Sollte er doch machen, was er wollte, sie würde auch ohne ihn zurechtkommen.
Entschlossen startete sie den Motor und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein. Sie schaltete das Radio an, und als wenig später gespielt wurde, drehte sie voll auf und grölte voller Inbrunst und nicht sonderlich schön mit. Ja, sie fuhr nach Hause, genauso wie Chris Rea, zu den Menschen, die sie liebte und die sie liebten, die sie zwar nicht erwarteten, sich aber freuen würden, dass sie dann doch Weihnachten mit ihnen feiern wollte. Und da war es sogar egal, dass Meike auch da war. Sie würde ihre doofe kleine Schwester ganz einfach hinnehmen und am besten ignorieren.
Kilometer um Kilometer brachte Sandra hinter sich. Und je weiter sie sich von München und Paul entfernte, desto größer wurde die Vorfreude auf daheim.
Irgendwann musste sie den Sender wechseln, weil Bayern 3 sich, je weiter sie sich von München entfernte, mit einem immer lauter werdenden Rauschen verabschiedete. Und kaum, dass sie auf RPR1. umgeschaltet hatte, fuhr auch dort Chris Rea nach Hause – ein Vorhaben, das sie erneut lautstark unterstützte.
Das würde ab sofort ihr Lieblingslied sein. Und immer, wenn sie es in Zukunft hören sollte, würde sie an diesen Tag, an Fahrt nach Hause denken … und wahrscheinlich auch an Paul, aber das verdrängte sie schnell. Nicht nur, weil sie sowieso nie wieder an diesen Kerl denken wollte, sondern auch, weil ihr sofort wieder die Tränen kamen.
Sie hatte die Nase voll vom Weinen. Denn wie, bitte schön, sollte man mit tränenverschwommenem Blick klar nach vorn schauen? Nicht nur beim Autofahren, sondern auch in die Zukunft? Und die sah im Moment nicht sonderlich rosig aus, eher grau. Grau wie der Himmel über ihr, aus dem jetzt tatsächlich ein paar mickrige Schneeflocken fielen, die aber auf der Windschutzscheibe sofort schmolzen. Sogar der Schnee war mickrig – genauso wie ihr Liebesleben.
Doch je näher sie der Pfalz und dem Pfälzer Wald kam, desto dicker wurden die Flocken. Ab Karlsruhe blieben sie dann tatsächlich liegen, und sie musste die Scheibenwischer einschalten, um die weiße Pracht, die sich auf der warmen Scheibe sofort in Matsch verwandelte, beiseitezuschieben.
Weiße Weihnachten! Wie sehr hatte sie sich das als Kind immer gewünscht, doch meist war sie enttäuscht worden. Umso mehr genoss sie den Anblick, fast fröhlich beobachtete sie, wie die winterlich tristen Randstreifen ein weißes Häubchen bekamen. Ein paar der Bergspitzen in der Ferne waren auch schon weiß überzuckert, woraus sie schloss, dass auch in Markingen Schnee liegen musste.
Umso heimeliger würde das Haus ihrer Eltern aussehen, wenn sie in nicht mal einer Stunde davor parkte. Mit Lichterketten,...