Grimes | Die Frau im Pelzmantel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 15, 100 Seiten

Reihe: Die Inspektor-Jury-Romane

Grimes Die Frau im Pelzmantel

Roman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-19128-3
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 15, 100 Seiten

Reihe: Die Inspektor-Jury-Romane

ISBN: 978-3-641-19128-3
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Inspektor Jury wird in einem Londoner Doppeldeckerbus auf eine ungewöhnlich attraktive blonde Frau aufmerksam, die wenige Reihen vor ihm Platz nimmt. Mit ihrem eleganten Pelzmantel ist sie eine auffällige Erscheinung, und Jury folgt ihr spontan bis zum Eingangstor des dunklen Fulham Parks, verliert dort jedoch ihre Spur. Am nächsten Tag wird die Leiche einer schönen Frau im Pelzmantel entdeckt - aus nächster Nähe erschossen. Jury identifiziert sie zunächst als die schöne Unbekannte, doch dann beschleichen ihn Zweifel ...

Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die 'Mystery Writers of America' kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum 'Grand Master', und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.
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1


London
November

Samstagabend. Kein Abend, den man allein und mit Busfahren verbringen sollte. Früher, als Schüler, wäre ein Samstagabend, an dem er nicht mit einem Mädchen oder wenigstens zu wilden Späßen aufgelegten Klassenkameraden verabredet gewesen wäre, wäre ein allein verbrachter Samstagabend ein Grund gewesen, sich zu schämen. Wer wollte an einem Samstagabend schon beim Alleinsein ertappt werden … Warum machst du dir eigentlich etwas vor, Jury? So war das Leben doch nicht, so nicht.

Wegen einiger Besorgungen in South Kensington war er mit der Untergrundbahn von Islington bis South Ken gefahren und direkt vor der Station in einen Bus Richtung Fulham Road gestiegen. Er war schon lange nicht mehr in dieser Gegend von London gewesen, obwohl er hier einen Teil seiner Kindheit verbracht hatte, jenen Teil, der die Bezeichnung »Kindheit« verdiente. Er war auch schon lange nicht mehr mit dem Bus gefahren. Nachdem der Schaffner ihn mit einem dieser leicht mißtrauischen Blicke gemustert hatte, zu denen Schaffner abgerichtet werden, nahm Jury die Stufen zum Oberdeck etwas rasanter, als selbst für die flinke Jugend ratsam gewesen wäre, und davon war er ja nun weit entfernt. Die einzigen Fahrgäste außer ihm waren ein Junge und ein Mädchen, die die Hände nicht voneinander lassen konnten, eine alte Dame, die mit dem Kinn auf der Brust dasaß und schlief, und ein dunkelhaariger Mann im Smoking. Komisch, daß der mit dem Bus fuhr. Jury überlegte, wo die Party wohl stattfand. Er war fast froh über sein streng reglementiertes Leben – keine eleganten Soupers, keine Champagnerpicknicks in Ascot. Nein, für ihn gab es nur die Arbeit, sein Zuhause und seine Stammkneipe.

Die Fulham Road wurde auf beiden Seiten von kleinen Geschäften gesäumt, teuren kleinen Läden wie Smallbone, dem protzigen Küchenausstatter. Wer, fragte sich Jury, besaß eigentlich eine Smallbone-Küche? Er hatte jedenfalls noch keine bei anderen Leuten gesehen. Muffige, verstaubte kleine Elektroläden, ein Oddbins-Supermarkt, dann die obligatorische Espressobar, offensichtlich als Ersatz für die ehemaligen Cafés. Traurige Geschichte. Gemüsehändler mit hohen Preisen, Kleidergeschäfte mit hohen Schaufenstern, die bis auf ein oder zwei seltsam schräggestellte, kopflose Schaufensterpuppen in pilzbraunen, lockerfallenden Kleidern leer waren. Ein paar elegante kleine Antiquitätengeschäfte, deren Fassaden wie auf römische Münzen geprägt aussahen.

Jury hatte sich eigentlich in die erste Reihe setzen wollen, wo man durch das breite Fenster einen ungehinderten Ausblick auf die Straße hatte und sich vorkam, als würde man darüberschweben. Doch waren diese Sitze schon von ein paar Halbwüchsigen mit kurzrasierten Haaren und gnädigerweise leiser gestelltem Ghettoblaster in Beschlag genommen worden. Also hatte er sich in sicherem Abstand weiter nach hinten gesetzt.

Er hatte die nächtliche Straße schon immer gemocht. Als er noch Uniform trug, hatte er sich immer für den Spätdienst einteilen lassen. Er war gern an den abgesperrten Läden vorbeigegangen und hatte in schwach erleuchtete Durchgänge gespäht. Vielleicht konnte man sich in der Nacht einfach gut verstecken – irgendwo in einem Durchgang, in einer Türnische.

Seit einigen Jahren trug sich Jury nun schon mit dem Gedanken, aus London wegzugehen oder sich auf irgendeine Dienststelle auf dem Land versetzen zu lassen, etwa nach Exeter. Macalvie würde ihn sicher mit Handkuß nehmen. Oder in die verschneiten Moore von Nord-Yorkshire hinauf. Oder nach Stratford-upon-Avon. Für Sam Lasko wäre es das Höchste. Jury arbeitete ja jetzt schon recht oft an Laskos Fällen mit. Beim Gedanken an Stratford überlegte er, wo Jenny Kennington wohl steckte. Sie war schon vor Monaten weggegangen, gleich nach ihrem Prozeß. Er konnte immer noch nicht begreifen, was zwischen ihm und Jenny schiefgegangen war, warum sie sich gegenseitig nicht mehr recht vertrauten. Er war sich einmal so sicher gewesen, daß sie zusammenbleiben würden. Nicht zum ersten Mal sinnierte er über seine Probleme mit Frauen nach. Nun ja, einen Todesfall konnte man wohl kaum als »Problem« bezeichnen. Jane Holdsworth … Helen Minton … Molly Singer … Nell Healey. Wenigstens Nells Rettung hätte ihm gelingen müssen … Rettung. Ein seltsamer Gedanke in dem Zusammenhang. Nicht bloß seltsam, auch arrogant. Hatte Jenny ihn nicht einen Mann genannt, der »Frauen aus brennenden Gebäuden ziehen« will?

Er sah aus dem Fenster auf eine kleine Menschenansammlung vor einem Geschäft, das Pelze verkaufte. Die Demonstranten blockierten die Tür. Was wollten sie eigentlich abends hier, der Laden hatte doch geschlossen? Sie trugen Pappschilder mit schrecklichen Bildern von Tieren, die in Laborkäfigen eingesperrt oder in Fußangelfallen eingeklemmt waren. (Waren solche Fallen denn inzwischen nicht gesetzlich verboten?) Die Passanten mußten um die Gruppe herumlaufen und dabei zwangsläufig auf die Schilder sehen.

Der Bus fuhr an den Tierschützern vorbei.

Sein Leben ähnelte dieser Busfahrt, dachte er und verwarf den ebenso rührseligen wie gefühlsduseligen Gedanken gleich wieder. Die Ziellosigkeit dieser Fahrt war daran schuld; er wußte nicht einmal, wohin er fuhr. Wahrscheinlich nach Putney, denn es war ein 14er, der an der nächsten Haltestelle an einen anderen 14er heranfuhr, vor dem noch ein Bus stand. Die Nummer konnte er aber nicht sehen. Es gab eine ziemlich lange Schlange, offensichtlich hatten die Leute schon lange gewartet. Er stellte Betrachtungen über die Gesetzmäßigkeit von Busfahrplänen an, dergemäß sich drei identische Busse hintereinander an einer Haltestelle drängten. Wieso gab es so was? Erst wartete man eine verdammte Ewigkeit, und dann kamen gleich drei an. Sergeant Wiggins hätte bestimmt eine Antwort parat. Hatte er meistens, wenngleich selten eine überzeugende. Jury mußte lächeln.

Fahrgäste kamen die Treppe hochgepoltert. Zwei davon verstauten raschelnd ihre Päckchen auf dem Sitz hinter ihm. Eine der beiden Frauen war offenbar Amerikanerin, denn sie erzählte ihrer britischen Freundin lang und breit von Thanksgiving, dem amerikanischen Erntedankfest. Ob sie wohl rechtzeitig nach Hause kam, um sämtliche Vorbereitungen zu treffen? Sie erzählte von ihrer weit verstreuten Verwandtschaft, die immer aus anderen Bundesstaaten angereist kam, um den engsten Familienkreis zu besuchen, der sich mit Eltern, Großeltern, Tanten, Onkel, Kindern und Babys an sich schon riesig anhörte. Letztes Jahr an Thanksgiving (erzählte sie ihrer Freundin, die zur Unterhaltung lediglich ab und zu ein »Aha«, »So so« oder »Was du nicht sagst!« beisteuerte) waren sie bei Tisch dreiundzwanzig Leute gewesen. Sie beschrieb das Essen – den Truthahn, das Gemüse, die verschiedenen Brotsorten, Kuchen und Torten … Für Jury hörte es sich an wie das reinste mittelalterliche Festgelage.

Die Frau war völlig enthusiastisch, was diesen Feiertag anging. Warum bloß? Wie konnte jemand Lust darauf haben, ein derart gigantisches Essen für so einen Haufen Leute zuzubereiten? An einem Feiertag wollte er nichts tun außer schlafen, lesen und sich im Angel ein Extrabierchen genehmigen. Oder mehrere. Ihre Stimme hob und senkte sich inmitten des übrigen Stimmengewirrs, der halblaut geführten Unterhaltungen und gedämpften Geräusche, die von der Fulham Road hereindrangen. Wenn sie doch bloß den Mund halten würde. Er hatte die Nase voll von ihr. Ihre Freundin ebenfalls, konnte er sich denken.

Jury schloß die Augen und stemmte das Kinn in die Hand. Endlich standen die beiden Frauen auf, wobei die Amerikanerin beim Zusammenklauben von Päckchen und Regenschirm einen Riesenwirbel veranstaltete. Ohne ihren Redefluß zu unterbrechen, ging sie hinter ihrer Freundin die Treppe hinunter zum unteren Deck.

Da er auf der linken Seite saß, konnte er die Fahrgäste aussteigen sehen. Hier an der Haltestelle Chelsea und Westminster Hospital war er einen kurzen Augenblick verwirrt und überlegte, ob es das Krankenhaus war, in dem er geboren worden war. Etwa ein halbes Dutzend Leute stieg aus, in der Mehrzahl Frauen, so daß er nur raten konnte, welche davon die Amerikanerin war. Die Große, entschied er, die mit den meisten Päckchen, umweht von einem Flair von Haute Couture – gutgeschnittener Mantel, modische Schuhe mit klobigen Absätzen. Ja, das mußte sie sein. Sie wandte sich einer kleinen, unscheinbar gekleideten Frau zu und redete beim Weitergehen auf sie ein.

Nachdem er die Amerikanerin abgehakt hatte, sah Jury auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein paar Leute aus einem Pub namens The Stargazey kommen. Der Name – Sternguckerchen – gefiel ihm. Er glaubte, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben, und überlegte, ob es wohl mehr als ein Stargazey gab. Während der Bus noch an der Haltestelle stehenblieb – wohl weil er eine Minute zu früh dran war –, beobachtete Jury eine Blondine im luxuriösen, eleganten dunklen Pelzmantel, die gerade die Straße überquerte. Nachdem er sie kurz aus den Augen verloren hatte, sah er sie gleich darauf vorn um den Bus herumgehen und einsteigen. In den paar flüchtigen Sekunden hatte er sich einen Eindruck von ihr verschafft: sehr blond und attraktiv. Wie attraktiv, hatte er nicht feststellen können, dazu hatte er ihr Gesicht nicht lange genug gesehen. Der Bus fuhr ruckend vom Randstein und rollte die Fulham Road hinunter.

Ein Hauch von Parfum zog an ihm vorüber. Er hob den Blick und sah, daß sich die Blonde ein paar Reihen vor ihm hinsetzte. Er genoß es, dasitzen und sie...


Grimes, Martha
Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.



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