Grimes | Die Treppe zum Meer | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 16

Reihe: Die Inspektor-Jury-Romane

Grimes Die Treppe zum Meer

Roman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-18834-4
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 16

Reihe: Die Inspektor-Jury-Romane

ISBN: 978-3-641-18834-4
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein spannender Fall für Inspektor Jury vor der stimmungsvollen Kulisse Cornwalls

Eigentlich wollte Melrose Plant, seines Zeichens Aristokrat und langjähriger Freund von Inspektor Jury, in Ruhe seinen Aufenthalt an der Küste Cornwalls genießen. Doch eine Serie von Todesfällen hält das Dorf in Atem. Gibt es einen Zusammenhang mit dem lange zurückliegenden, rätselhaften Tod zweier Kinder? Als die Ermittlungen der örtlichen Polizei ins Stocken geraten, hat Inspektor Jury eine zündende Idee...



Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.

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2


»Bringen Sie nur ein Kännchen Gift«, sagte der elegante Herr und legte die Speisekarte des Woodbine Tea-Room wieder behutsam zwischen das Salzfässchen und die Zuckerdose.

Johnny verzog keine Miene, während er sich die Bestellung notierte. »Einmal?«

Der elegante Herr nickte. »Und für mich ein Kännchen China-Tee. Ach ja, und nicht zu vergessen einen Teller mit Scones.« Melrose sah auf seine Armbanduhr. »Sie hat sich wahrscheinlich verirrt.«

China-Tee, Scones, notierte Johnny. »Einen China-Tee, einmal Gift, eine Portion Scones.«

»Na, sagen wir, zweimal das volle Teegedeck. Was sein muss, muss sein, wir sind schließlich in Cornwall, stimmt’s? Sorgen Sie aber unbedingt dafür, dass die Kuchenplatte immer in Reichweite steht.«

Johnny schrieb die Bestellung auf und nickte. »Mit den Scones warte ich noch, die sollen ja nicht abkühlen. Ich meine, bis Ihre Freundin eintrifft.«

»Hmmm, hmmm. Das Gift ist für sie.«

»Sie muss ja eine tolle Nummer sein.«

Während er sich dem Putzen seiner Brille widmete, warf ihm der elegante Herr einen tiefen Blick zu. (Einen tiefen, grünen Blick, hätte Johnny gesagt, wenn er ihn hätte beschreiben sollen. Was der für Augen hatte.)

»O ja, das ist sie.«

Die tolle Nummer kam durch die Tür des Woodbine Tea-Room gefegt, Wind und Regen im Rücken, die sie schoben und schubsten, als hätte das Wetter eine persönliche Abneigung gegen sie.

Die tolle Nummer legte ihre Pelerine ab, schüttelte sie aus, um die Regentropfen von sich höchstselbst auf jemand anderen zu übertragen – mit Erfolg, da eine beträchtliche Menge derselben in Melrose Plants Gesicht landete.

Dann ließ sich die tolle Nummer nieder und wartete darauf, dass Melrose endlich mit der Teestunde in Gang kam.

Melrose brauchte sich keine konversationsmäßigen Verrenkungen mehr auszudenken, denn der schlagfertige junge Kellner war so schnell wieder da, als hätte er ein Skateboard unter den Sohlen. Melrose war dankbar.

Obgleich er sich erstaunt fragte, wer dieser Knabe eigentlich war. Relativ groß, dunkelhaarig, recht gut aussehend, fünfzehn, sechzehn vielleicht? Die Mädchen rannten ihm vermutlich die Bude ein, hängten sich wie die Kletten an ihn. Ganz schön selbstbewusst gab er sich ja, das musste man sagen. Trug die weiße Schürze, ohne sich dabei lächerlich vorzukommen. Guter Gott, die meisten Jungs in seinem Alter würden lieber tot umfallen, als sich dabei ertappen zu lassen, wie sie in einer Teestube bedienten, noch dazu mit umgebundener Schürze.

»Madam?« Er taxierte Agatha mit einem kurzen, prüfenden Blick: graues, zum Nest geschlungenes Haar, braunes Wollkostüm, an kleine Baumstümpfe erinnernde Fesseln. »Der Herr empfahl getrennte Kännchen, das volle Teegedeck, also Scones und diverse Kuchen, extra dicke Sahne und Marmelade.«

Agathas Miene hellte sich auf. »Wieso zwei Kännchen, Melrose?«

Nicht willens, näher darauf einzugehen, zuckte Melrose stumm die Schultern.

Der Junge antwortete an seiner Stelle. »Er dachte, Sie hätten vielleicht gern eine andere Sorte Tee. Statt Schwarztee vielleicht einen Oolong?«

Dieser Knabe, dachte Melrose, verbringt viel Zeit in der Phantasiewelt. Er hätte sich ihm dabei zu gern angeschlossen, nachdem Agatha ja nun eingetroffen war, doch die Jugend hat Schwingen und das Alter ist gefesselt. Wie sie herausgekriegt hatte, dass er nach Cornwall fahren wollte, wer es hatte durchsickern lassen, war Melrose immer noch schleierhaft. Immerhin hatte sie keinen blassen Schimmer, weshalb er hierher gekommen war.

Nachdem ihm die Anzeige mit dem zur Vermietung stehenden Anwesen in Country Life aufgefallen war, hatte er spontan beim Maklerbüro Aspry & Aspry angerufen und mit einer gewissen Mrs. Laburnum einen Besichtigungstermin drei Tage später vereinbart. Sodann hatte er ab Paddington Station einen Platz im Erster-Klasse-Abteil des Great Western reserviert und war mächtig stolz auf sich gewesen, weil er zur Abwechslung einmal ganz spontan gehandelt hatte. »Das kommt bei mir recht selten vor«, hatte er Marshall Trueblood gegenüber (selbstzufrieden) geäußert, als sie im Jack and Hammer – dem beliebtesten, besser gesagt, dem einzigen Pub von Long Piddleton – bei einem Drink saßen.

»Sie?« Trueblood roch an seinem Drink, atmete tief ein und fing prompt an zu husten. Als er fertig war, sagte er: »Das sind Sie doch immer. Sie treffen doch fast alle Entscheidungen ganz spontan.«

Melrose lehnte sich überrascht zurück. »Ich? Spontan?«

»Na, Menschenskind, war es etwa mein Vorschlag, nach Venedig zu fahren, als Viv-Viv den Termin für die Hochzeit mit Graf Dracula anberaumt hatte.«

»Ach du meine Güte, das ist doch was ganz anderes, was gaaanz anderes. Das war doch – na, Sie wissen schon, bloß ein kleiner Jux. Was ich meine, ist beispielsweise kurzerhand mal nach Äthiopien zu fahren. Einfach so. Ganz ohne großes Federlesens.«

»Wie viel Federlesens machten Sie, als Sie Vivian verkündeten, Richard Jury würde heiraten, und sie sollte sich besser schleunigst auf die Heimreise machen? Etwa zehn Sekunden, wenn ich mich recht erinnere.«

»Moment mal, Moment. Das war Ihre Geschichte, die haben Sie ausgeheckt.«

»Nein, habe ich nicht. Na gut, vielleicht doch. Also schön. Und was ist mit damals, als Sie –?«

Melrose beugte sich über den Tisch, packte Trueblood bei seiner Armani-Krawatte und zog heftig daran. »Marshall, worauf wollen Sie eigentlich hinaus? He?«

»Auf gar nichts. Auf gar nichts will ich hinaus.«

Melrose schnippte die Krawatte wieder gegen Truebloods blassgelbes Hemd. Der war heute ganz in Rosa und Bernsteingelb gekleidet und sah wie immer aus wie der Traum eines jeden Herrenschneiders.

»Außer natürlich darauf«, sagte er, »dass Sie vollkommen überstürzt handeln. Sie halten sich doch nur deshalb für einen, der seine Schachzüge sorgfältig plant und die Dinge im Voraus ausklügelt, weil Sie dann sowieso nie was unternehmen – was denn, was denn? – ich möchte nur daran erinnern, wie Sie Superintendent R. J. ausgeholfen haben. Das nenne ich mir überstürzt! Ha, ha! Kaum schnippt Jury mit dem Finger, schon rasen Sie los wie ein geölter Blitz.« Trueblood ruckte ein paar Mal mit dem Arm und machte Zischgeräusche. Dann fragte er: »Wo steckt Jury eigentlich?«

»In Irland.«

»Nord? Süd? Wo?«

»In Nordirland.«

»Grundgütiger Himmel, wieso denn?«

»Er wurde wegen eines Falls dorthin geschickt.«

»Ach, wie banal.«

Melrose runzelte nachdenklich die Stirn. »Wovon haben wir eigentlich gerade gesprochen? Ich meine, bevor … Ach ja – Cornwall.« Er zog einen kleinen Notizblock hervor, schwarz und oben mit Spiralheftung, wie Jury immer einen bei sich hatte, und blätterte ein paar Seiten um. »Bletchley. Das liegt in der Nähe von Mousehole. Schon mal davon gehört?«

»Nein. Ich kann mir auch nicht denken, wie ich dazu käme. Sie kann ich mir dort ebenfalls nicht vorstellen. Sie haben überhaupt nichts an sich, was nach Cornwall passen würde.«

»Woher wollen Sie das wissen? Sie haben doch noch nie im Leben einen Fuß in diese Grafschaft gesetzt. Woher wissen Sie, was dorthin passt und was nicht?«

»Nun, zunächst einmal ist man dort alles andere als spontan. Sie würden es dort keine Woche aushalten – Autsch!«

Währenddessen wollte Agatha im Woodbine Tea-Room von ihm wissen: »Was ist denn los mit dir, Melrose? Du siehst ja vielleicht aus.«

Was immer das heißen mochte. Er rührte lächelnd in seinem Tee, warf noch ein Stückchen Zucker hinein und dachte an die entsetzliche Zugfahrt von London hierher, die er soeben hinter sich gebracht hatte. Eigentlich hatte er sich darauf gefreut; er genoss die Anonymität von Zügen – niemand weiß, wer man ist, wohin man fährt, gar nichts.

Nun gut, die Anonymität konnte er sich an den Hut stecken. Keine Chance.

Melrose hatte schon seit geraumer Zeit keinen Zug mehr bestiegen. Als Erstes erkundigte er sich beim Schaffner, wo sich der Speisewagen befand. Der Schaffner hatte bedauert, o nein, Sir, Speisewagen gibt’s nicht mehr. Aber gleich kommt jemand mit Tee und belegten Brötchen durch. Besten Dank, Sir.

Man hatte ihm damit eine Illusion zunichte gemacht. Kein gemütliches Herumsitzen am weiß gedeckten Tisch mit Brandy, Kaffee und Zigarre mehr. Und die schönen alten Abteile, wo er mit etwas Glück der einzige Passagier war oder – mit etwas mehr Glück – auf ein sonderbares Grüppchen von Mitreisenden stoßen konnte. Der Außengang, wo man sich ans Geländer lehnen und die grüne Landschaft vorbeirasen sehen konnte. Manchmal dachte er, Züge wären nur für Filme erfunden worden. Mord im Orientexpress. Es wäre doch sagenhaft, hier in dieser abgeschiedenen, unheimlichen, beinahe klaustrophobisch anmutenden Atmosphäre dabei zu sein, wenn ein Mord begangen wurde.

Oder nur diese beiden jüngeren Herren zu beobachten, die die Köpfe zusammengesteckt hatten und sich gedämpft unterhielten. Etwas ausheckten. Zwei Fremde im Zug. Womöglich gaben sie gerade einen Mord in Auftrag.

Oder jene strickende alte Dame mit den grauen Ringellöckchen, an der er vorhin vorbeigekommen...


Grimes, Martha
Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.



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