Grimm / Rölleke | Kinder- und Hausmärchen. Band 1: Märchen Nr. 1-86 | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 466 Seiten

Reihe: Reclams Universal-Bibliothek

Grimm / Rölleke Kinder- und Hausmärchen. Band 1: Märchen Nr. 1-86

Ausgabe letzter Hand
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-15-962395-5
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ausgabe letzter Hand

E-Book, Deutsch, 466 Seiten

Reihe: Reclams Universal-Bibliothek

ISBN: 978-3-15-962395-5
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die weitverbreitetste Geschichtensammlung in deutscher Sprache Die berühmten Märchen der Brüder Grimm - in Originalfassung: Eine wissenschaftlich fundierte Ausgabe für Studierende, allgemein Interessierte sowie Kultur- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Band 1 enthält die Märchen Nr. 1-86. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) waren Sprachwissenschaftler und Volkskundler und gelten als Mitbegründer der Germanistik. Die große Bedeutung ihres Werkes liegt neben der gemeinsamen Sammeltätigkeit von Märchen und Sagen auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft (Deutsches Wörterbuch). Jacob Grimm, 4. 1. 1785 Hanau - 20. 9. 1863 Berlin. Der Sohn eines Juristen studierte nach der Schulzeit in Kassel ab 1802 Jura in Marburg, war dann nach einer Parisreise mit Friedrich Carl v. Savigny von 1806 an Verwaltungsbeamter in Kassel und wurde nach den Befreiungskriegen 1814-15 mit diplomatischen Aufgaben in Paris und Wien betraut. 1816 erhielt er - wie zwei Jahre zuvor sein Bruder Wilhelm - eine Stelle an der Kurfürstlichen Bibliothek in Kassel. 1830 ging Jacob Grimm als Professor und Bibliothekar an die Universität Göttingen, wurde jedoch als einer der »Göttinger Sieben« 1837 nach einem Protest gegen die Aufhebung der Verfassung durch den neuen König von Hannover seines Amtes enthoben. Nach einer Übergangszeit in Kassel wurde er mit seinem Bruder Wilhelm nach Berlin berufen. 1848 war er Abgeordneter im Frankfurter Paulskirchen-Parlament. Die Brüder Grimm verstanden ihr schriftstellerisches und wissenschaftliches Werk als nationale, identitätsstiftende Unternehmung. Das galt im Einklang mit A. v. Arnim und C. Brentano für die Bemühungen um die Volkspoesie ebenso wie für die wissenschaftliche Arbeit. Jacob Grimms Bedeutung liegt dabei neben der gemeinsamen Sammeltätigkeit (Märchen, Sagen) mit Wilhelm v. a. auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft. Die erste Lieferung des größten Projekts, des Deutschen Wörterbuchs, erschien 1852. Abgeschlossen wurde es 1961. Wilhelm Grimm, 24. 2. 1786 Hanau - 16. 12. 1859 Berlin. Der Sohn eines Juristen studierte nach der Schulzeit in Kassel von 1803 bis 1806 Jura in Marburg, lebte dann als Privatgelehrter in Kassel, bis er hier 1814 eine Stelle an der Kurfürstlichen Bibliothek erhielt. 1830 ging Wilhelm Grimm als Bibliothekar (seit 1831 a. o. Prof., 1835 o. Prof.) an die Universität Göttingen, wurde jedoch als einer der »Göttinger Sieben« 1837 nach einem Protest gegen die Aufhebung der Verfassung durch den neuen König von Hannover seines Amtes enthoben. Nach einer Übergangszeit in Kassel wurde er mit seinem Bruder Jacob nach Berlin berufen. Die Brüder Grimm verstanden ihr schriftstellerisches und wissenschaftliches Werk als nationale, identitätsstiftende Unternehmung. Das galt im Einklang mit A. v. Arnim und C. Brentano für die Bemühungen um die Volkspoesie ebenso wie für die wissenschaftliche Arbeit. Wilhelm Grimm legte wichtige wissenschaftliche Ausgaben mhd. Texte vor; sein Buch über Die Deutsche Heldensage wurde ein wissenschaftliches Standardwerk. Sein Name ist jedoch v. a. mit den Kinder- und Hausmärchen verbunden, die ihren besonderen Märchenton erst durch seine Bearbeitung der Texte von der zweiten Au?age an erhielten. In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (UB 17664.) - © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.
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[39]3. Marienkind.


Vor einem großen Walde lebte ein Holzhacker mit seiner Frau, der hatte nur ein einziges Kind, das war ein Mädchen von drei Jahren. Sie waren aber so arm, dass sie nicht mehr das tägliche Brot hatten und nicht wussten was sie ihm sollten zu essen geben. Eines Morgens gieng der Holzhacker voller Sorgen hinaus in den Wald an seine Arbeit, und wie er da Holz hackte, stand auf einmal eine schöne große Frau vor ihm, die hatte eine Krone von leuchtenden Sternen auf dem Haupt und sprach zu ihm »ich bin die Jungfrau Maria, die Mutter des Christkindleins: du bist arm und dürftig, bring mir dein Kind, ich will es mit mir nehmen, seine Mutter sein und für es sorgen.« Der Holzhacker gehorchte, holte sein Kind und übergab es der Jungfrau Maria, die nahm es mit sich hinauf in den Himmel. Da gieng es ihm wohl, es aß Zuckerbrot und trank süße Milch, und seine Kleider waren von Gold, und die Englein spielten mit ihm. Als es nun vierzehn Jahr alt geworden war, rief es einmal die Jungfrau Maria zu sich und sprach »liebes Kind, ich habe eine große Reise vor, da nimm die Schlüssel zu den dreizehn Türen des Himmelreichs in Verwahrung: zwölf davon darfst du aufschließen und die Herrlichkeiten darin betrachten, aber die dreizehnte, wozu dieser kleine Schlüssel gehört, die ist dir verboten: hüte dich dass du sie nicht aufschließest, sonst wirst du unglücklich.« Das Mädchen versprach gehorsam zu sein, und als nun die Jungfrau Maria weg war, fieng sie an und besah die Wohnungen des Himmelreichs: jeden Tag schloss es eine auf, bis die zwölfe herum waren. In jeder aber saß ein Apostel, und war von großem Glanz umgeben, und es freute sich über all die Pracht [40]und Herrlichkeit, und die Englein, die es immer begleiteten, freuten sich mit ihm. Nun war die verbotene Tür allein noch übrig, da empfand es eine große Lust zu wissen was dahinter verborgen wäre, und sprach zu den Englein »ganz aufmachen will ich sie nicht und will auch nicht hinein gehen, aber ich will sie aufschließen, damit wir ein wenig durch den Ritz sehen.« »Ach nein«, sagten die Englein, »das wäre Sünde: die Jungfrau Maria hat’s verboten, und es könnte leicht dein Unglück werden.« Da schwieg es still, aber die Begierde in seinem Herzen schwieg nicht still, sondern nagte und pickte ordentlich daran und ließ ihm keine Ruhe. Und als die Englein einmal alle hinausgegangen waren, dachte es »nun bin ich ganz allein und könnte hinein gucken, es weiß es ja niemand, wenn ich’s tue.« Es suchte den Schlüssel heraus, und als es ihn in der Hand hielt, steckte es ihn auch in das Schloss, und als es ihn hinein gesteckt hatte, drehte es auch um. Da sprang die Türe auf, und es sah da die Dreieinigkeit im Feuer und Glanz sitzen. Es blieb ein Weilchen stehen und betrachtete alles mit Erstaunen, dann rührte es ein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward der Finger ganz golden. Alsbald empfand es eine gewaltige Angst, schlug die Türe heftig zu und lief fort. Die Angst wollte auch nicht wieder weichen, es mochte anfangen was es wollte, und das Herz klopfte in einem fort und wollte nicht ruhig werden: auch das Gold blieb an dem Finger und gieng nicht ab, es mochte waschen und reiben so viel es wollte.

Gar nicht lange, so kam die Jungfrau Maria von ihrer Reise zurück. Sie rief das Mädchen zu sich und forderte ihm die Himmelsschlüssel wieder ab. Als es den Bund hinreichte, blickte ihm die Jungfrau in die Augen, und sprach »hast du [41]auch nicht die dreizehnte Türe geöffnet?« »Nein« antwortete es. Da legte sie ihre Hand auf sein Herz, fühlte wie es klopfte und klopfte, und merkte wohl dass es ihr Gebot übertreten und die Türe aufgeschlossen hatte. Da sprach sie noch einmal »hast du es gewiss nicht getan?« »Nein« sagte das Mädchen zum zweitenmal. Da erblickte sie den Finger der von der Berührung des himmlischen Feuers golden geworden war, sah wohl dass es gesündigt hatte und sprach zum drittenmal »hast du es nicht getan?« »Nein« sagte das Mädchen zum drittenmal. Da sprach die Jungfrau Maria »du hast mir nicht gehorcht, und hast noch dazu gelogen, du bist nicht mehr würdig im Himmel zu sein.«

Da versank das Mädchen in einen tiefen Schlaf, und als es erwachte, lag es unten auf der Erde, mitten in einer Wildnis. Es wollte rufen, aber es konnte keinen Laut hervorbringen. Es sprang auf und wollte fortlaufen, aber wo es sich hinwendete, immer ward es von dichten Dornhecken zurück gehalten, die es nicht durchbrechen konnte. In der Einöde, in welche es eingeschlossen war, stand ein alter hohler Baum, das musste seine Wohnung sein. Da kroch es hinein, wenn die Nacht kam, und schlief darin, und wenn es stürmte und regnete, fand es darin Schutz: aber es war ein jämmerliches Leben, und wenn es daran dachte, wie es im Himmel so schön gewesen war, und die Engel mit ihm gespielt hatten, so weinte es bitterlich. Wurzeln und Waldbeeren waren seine einzige Nahrung, die suchte es sich, so weit es kommen konnte. Im Herbst sammelte es die herabgefallenen Nüsse und Blätter und trug sie in die Höhle, die Nüsse waren im Winter seine Speise und wenn Schnee und Eis kam, so kroch es, wie ein armes Tierchen in die Blätter, dass es nicht fror. Nicht lange, so zerrissen seine [42]Kleider und fiel ein Stück nach dem andern vom Leib herab. Sobald dann die Sonne wieder warm schien, gieng es heraus und setzte sich vor den Baum, und seine langen Haare bedeckten es von allen Seiten wie ein Mantel. So saß es ein Jahr nach dem andern und fühlte den Jammer und das Elend der Welt.

Einmal, als die Bäume wieder in frischem Grün standen, jagte der König des Landes in dem Wald und verfolgte ein Reh, und weil es in das Gebüsch geflohen war, das den Waldplatz einschloss, stieg er vom Pferd, riss das Gestrüppe aus einander und hieb sich mit seinem Schwert einen Weg. Als er endlich hindurch gedrungen war, sah er unter dem Baum ein wunderschönes Mädchen sitzen, das saß da und war von seinem goldenen Haar bis zu den Fußzehen bedeckt. Er stand still und betrachtete es voll Erstaunen, dann redete er es an und sprach »wer bist du? warum sitzest du hier in der Einöde?« Es gab aber keine Antwort, denn es konnte seinen Mund nicht auftun. Der König sprach weiter »willst du mit mir auf mein Schloss gehen?« Da nickte es nur ein wenig mit dem Kopf. Der König nahm es auf seinen Arm, trug es auf sein Pferd und ritt mit ihm heim, und als er auf das königliche Schloss kam, ließ er ihm schöne Kleider anziehen und gab ihm alles im Überfluss. Und ob es gleich nicht sprechen konnte, so war es doch schön und holdselig, dass er es von Herzen lieb gewann, und es dauerte nicht lange, da vermählte er sich mit ihm.

Als etwa ein Jahr verflossen war, brachte die Königin einen Sohn zur Welt. Darauf in der Nacht, wo sie allein in ihrem Bette lag, erschien ihr die Jungfrau Maria und sprach »willst du die Wahrheit sagen und gestehen dass du die verbotene Tür aufgeschlossen hast, so will ich deinen Mund [43]öffnen und dir die Sprache wieder geben: verharrst du aber in der Sünde, und leugnest hartnäckig, so nehm ich dein neugebornes Kind mit mir.« Da war der Königin verliehen zu antworten, sie blieb aber verstockt und sprach »nein, ich habe die verbotene Tür nicht aufgemacht«, und die Jungfrau Maria nahm das neugeborene Kind ihr aus den Armen und verschwand damit. Am andern Morgen, als das Kind nicht zu finden war, gieng ein Gemurmel unter den Leuten, die Königin wäre eine Menschenfresserin und hätte ihr eigenes Kind umgebracht. Sie hörte alles und konnte nichts dagegen sagen, der König aber wollte es nicht glauben weil er sie so lieb hatte.

Nach einem Jahr gebar die Königin wieder einen Sohn. In der Nacht trat auch wieder die Jungfrau Maria zu ihr herein und sprach »willst du gestehen dass du die verbotene Türe geöffnet hast, so will ich dir dein Kind wiedergeben und deine Zunge lösen: verharrst du aber in der Sünde und leugnest, so nehme ich auch dieses neugeborne mit mir.« Da sprach die Königin wiederum »nein, ich habe die verbotene Tür nicht geöffnet«, und die Jungfrau nahm ihr das Kind aus den Armen weg und mit sich in den Himmel. Am Morgen, als das Kind abermals verschwunden war, sagten die Leute ganz laut die Königin hätte es verschlungen, und des Königs Räte verlangten dass sie sollte gerichtet werden. Der König aber hatte sie so lieb dass er es nicht glauben wollte, und befahl den Räten bei Leibes- und Lebensstrafe nichts mehr darüber zu sprechen.

Im nächsten Jahre gebar die Königin ein schönes Töchterlein, da erschien ihr zum drittenmal Nachts die Jungfrau Maria und sprach »folge mir.« Sie nahm sie bei der Hand und führte sie in den Himmel, und zeigte ihr da ihre beiden [44]ältesten Kinder, die lachten sie an und spielten mit der Weltkugel. Als sich die Königin darüber freuete, sprach die Jungfrau Maria »ist dein Herz noch nicht erweicht? wenn du eingestehst dass du die verbotene Tür geöffnet hast, so will ich dir deine beiden Söhnlein zurück geben.« Aber die Königin antwortete zum drittenmal »nein, ich habe die verbotene Tür nicht geöffnet.« Da ließ sie die Jungfrau wieder zur Erde herabsinken und nahm ihr auch das dritte Kind.

Am andern Morgen, als es ruchbar ward, riefen alle Leute laut »die Königin ist eine Menschenfresserin, sie muss verurteilt werden«, und der König konnte seine Räte nicht mehr zurückweisen. Es ward ein Gericht über sie gehalten, und weil sie nicht antworten und sich nicht verteidigen konnte, ward sie verurteilt auf dem Scheiterhaufen zu sterben. Das Holz wurde zusammengetragen, und als sie an einen Pfahl festgebunden war und das Feuer rings umher zu brennen anfieng, da schmolz das harte Eis des Stolzes und ihr Herz ward von Reue bewegt, und sie dachte »könnt ich nur noch vor meinem...



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