E-Book, Deutsch, 124 Seiten
Reihe: Carl-Auer Compact
Grubendorfer Einführung in systemische Konzepte der Unternehmenskultur
3. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8497-8420-1
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 124 Seiten
Reihe: Carl-Auer Compact
ISBN: 978-3-8497-8420-1
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Unternehmenskulturen sind entscheidend, wenn es um Unternehmenserfolg, Arbeitgeberattraktivität und Markenwert geht. Doch wie entstehen sie? Wie können sie greifbar gemacht werden? Wie lassen sie sich gestalten und verändern?
Diese Einführung liefert Denk- und Werkzeug zum erfolgreichen Arbeiten mit Unternehmenskultur. Christina Grubendorfer entwickelt eine pragmatische Theorie, die für vielfältige Situationen und Fragestellungen nützlich ist – sei es im Zusammenhang mit Führung, sei es im Kontext von Familienunternehmen, Arbeitgeberattraktivität oder agilen Organisationen.
Die Autorin deckt dabei gängige, doch für die Praxis folgenschwere Denkfehler auf. So wird die Sicht frei auf Erfolg versprechende Möglichkeiten, das wertvolle Gut "Unternehmenskultur" zu beeinflussen. Am Ende des Buches werden zehn Gebote des erfolgreichen Arbeitens mit Unternehmenskultur formuliert, die Lesern einen hilfreichen Denk- und Handlungsrahmen für ihre Praxis bieten.
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2 Unternehmenskulturen geben Struktur – oder: Der Umweg über die systemische Organisationstheorie
Zu einem tieferen Verständnis der Unternehmenskultur und ihrer Funktion kommen wir nur über einen Umweg. Wir brauchen ein Verständnis für Unternehmen – eines, das sich für unsere Fragestellung als nützlich erweist: ein systemtheoretisches Verständnis von Unternehmen.8 Die neuere Systemtheorie eignet sich unserer Meinung nach deshalb so gut, weil sie der Komplexität von Unternehmen gerecht wird. Sie eröffnet gleichzeitig ganz neue Perspektiven auf Unternehmen. Was ist die Grundoperation von Unternehmen? Wodurch existieren sie, und wie sichern sie ihren Fortbestand? Wie gehen Unternehmen mit der Unsicherheit um, die sie tagtäglich auf die Probe stellt? Sie nutzen einen Trick: Unternehmen transformieren ihre generelle Unsicherheit in situative Sicherheit, indem sie Entscheidungsmöglichkeiten produzieren und sie dann bearbeiten, sie absorbieren Unsicherheit durch Entscheidungsprozesse. Ein Unternehmen erhält sich selbst über Unsicherheitsabsorption (vgl. Luhmann 2000, S. 183 f.). »Entscheidungen sind somit organisationsinterne Ereignisse, mit deren Hilfe eine unsichere Situation (man könnte so oder auch anders vorgehen) kommunikativ in eine vorübergehende »Sicherheit- und orientierungstiftende Festlegung transformiert wird« (Wimmer 2012, S. 37). Man kann sagen, ein Unternehmen »besteht« operativ aus der fortlaufenden Kommunikation von Entscheidungen. Eine Entscheidung informiert darüber, wie weiter entschieden werden sollte usw. Dieser Blick auf Unternehmen unterscheidet sich ganz wesentlich von Konzepten, die davon ausgehen, dass Unternehmen aus ihren Mitarbeitern bestehen – aus ihren Gebäuden, ihren Anlagen, ihrer Technologie … Systemtheoretisch auf Unternehmen zu schauen hat zur Folge, dass Entscheidungen und nicht Individuen (Führungskräfte, Mitarbeiter etc.) als die Grundelemente eines Unternehmens betrachtet werden. Individuen sind für Unternehmen selbstverständlich eine überlebenswichtige Umwelt. Unternehmen sind auf die Wahrnehmungen, die Einschätzungen, die Urteile ihrer Mitglieder angewiesen, denn soziale Systeme können nicht wahrnehmen. Doch Unternehmen bestehen nicht aus psychischen Systemen, nicht aus Menschen. Entscheidungen in Unternehmen sind »ein kommunikatives Ereignis und nicht etwas, was im Kopf eines Individuums stattfindet« (Luhmann 2000, S. 141 f.). Da Unternehmen aber dennoch auf die Wahrnehmungen ihrer Mitarbeiter angewiesen sind, müssen sie es schaffen, dass diese Wahrnehmungen auch genutzt werden können. Es macht für ein Unternehmen sehr wohl einen Unterschied, ob es beispielsweise von einer Person geführt wird, die ihre Einschätzungen selbstsicher thematisiert, oder von einer Person, die alle Ideen aus Unsicherheit lieber für sich behält. Denn nur was in die Kommunikation eines Unternehmens gelangt, kann Wirkung entfalten. Und was genau in die Kommunikation eines Unternehmens gelangt, das ist entscheidend für den Erfolg. Aber zumeist bestimmt dies nicht der Einzelne, sondern das Kommunikations- und Entscheidungsmuster legt nahe, ob eine Einzelperson Gehör findet, ob Zweifel kommuniziert werden, ob Führungskräfte Gefolgschaft bekommen oder nicht. Es geht so lange weiter mit einem Unternehmen, solange Entscheidungen zustande kommen. Wenn in einem Unternehmen keine Entscheidungen mehr getroffen werden, dann hört es auf zu existieren. In Unternehmen wird täglich eine Vielzahl von Akteuren und Aktionen koordiniert. Darin liegt auch die wesentliche Funktion von Unternehmen, sie ermöglichen die gleichzeitige Bearbeitung von (sich häufig sogar widersprechenden) Aufgaben an verschiedenen Orten. In Unternehmen werden Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen getroffen, zum Beispiel bezüglich Standortschließungen mit den daraus folgenden Personalentlassungen, aber auch Entscheidungen mit überschaubareren Auswirkungen, etwa darüber, wer für eine bestimmte Position infrage kommt, oder gar darüber, ob für ein bestimmtes Meeting Kekse bestellt werden dürfen. Wie organisiert sich die Kommunikation in einem Unternehmen so, dass kein unüberschaubares Durcheinander entsteht? Wie kann es gelingen, dass Entscheidungen getroffen werden und man sich dabei auch sicher sein kann, dies vollziehe sich im Interesse des Unternehmens? Es gelingt, indem sich die Akteure an bereits getroffenen Entscheidungen orientieren und die damit verbundenen Erwartungen an ihr eigenes Verhalten berücksichtigen. Es ist der spezifische Charakter von Unternehmen, dass sich Entscheidungen auf zuvor getroffene Entscheidungen berufen (und verlassen) können. Die dadurch absorbierte Unsicherheit ermöglicht es den Akteuren, weiterzumachen und sich dabei auch noch sicher zu fühlen. Wohlgemerkt, es würde keine Entscheidungen geben, wenn es keine Unsicherheit in Unternehmen gäbe. Es ist davon auszugehen, dass sich diejenigen Akteure in einem Unternehmen als erfolgreich herausstellen, die besonders gute Antennen dafür haben, das eigene Handeln nach kommunizierten Entscheidungen auszurichten. Doch nicht jede Entscheidung wird explizit als Entscheidung benannt. Der Arbeitsalltag der Mitarbeiter besteht nicht nur aus Entscheidungen, sondern auch aus nicht als Entscheidung beobachteten Handlungen. Ein Meeting wird nicht plötzlich abgebrochen, nur weil der Chef hustet. Womit wir bei Luhmanns Doppelantwort auf die Frage gelandet sind, woraus soziale Systeme bestehen: »aus Kommunikation und aus deren Zurechnung als Handlung« (Luhmann 1984, S. 240). Heute, in Zeiten des Übergangs zu digitalen Unternehmensformen und ihren rätselhaften Auswirkungen auf Marktentwicklungen, Geschäftsmodelle und unternehmerische Prozesse, verändert sich die Verbindung zwischen Unternehmen und Personen. Unternehmen und Personen sind schon lange nicht mehr so lose gekoppelt,9 wie es in Zeiten tayloristisch geführter Unternehmen der Fall gewesen sein mag, als Arbeitsprozesse größtenteils in einfache Handgriffe zerlegt wurden, die auch ungelernte Arbeiter verrichten konnten. Viele Personen sind heute aufgrund des benötigten Spezialwissens nicht mehr einfach austauschbar. Es macht mitunter einen großen Unterschied, welches psychische System auf welcher Stelle in einem Unternehmen eingesetzt wird. Doch gleichzeitig nimmt die Menge verfügbarer Personen zu, denn Unternehmen sind nicht mehr darauf angewiesen, ihre Wissensarbeiter in Festanstellung präsent vor Ort einzusetzen. Durch die Digitalisierung können komplexe Aufgaben in kleine Module zerlegt und weltweit an Personen vergeben werden, die diese Module lösen können und gerade Zeit dafür haben (vgl. Cole 2013). Wird nun die Wissensarbeit industrialisiert? Vielleicht liegt der Versuch im Wesen von Unternehmen, die in ihrer ganz eigenen Daseinslogik danach streben, sich möglichst unabhängig von einzelnen Personen weiterzuentwickeln? Es stellt für Unternehmen ein unabschätzbares Risiko dar, sich in Abhängigkeit von einzelnen Personen zu begeben. Es widerspricht der Rationalität von aufgabenbezogenen Systemen (wie Unternehmen es sind). Unternehmen werden einen Umgang mit dieser Doublebind-Situation finden müssen. 2.1 Entscheidungsprämissen
Im Unterschied zum täglichen Prozess des Entscheidens entstehen in Unternehmen im Laufe der Zeit Entscheidungsprämissen10, die wie ein »Leitsystem für Entscheidungen« wirken (Boos u. Mitterer 2014, S. 51). In ihnen bündeln sich rahmensetzende Entscheidungen als Anleitung für alltägliche operative Entscheidungen. »Prämisse« steht dabei für Voraussetzungen, die bei ihrer Anwendung nicht mehr geprüft werden, als wären sie eine höhere Wahrheit. Wer für ein Unternehmen tätig wird, akzeptiert, dass er sich an die durch die Entscheidungsprämissen vorgegebene Erwartungsstruktur halten wird. Er verschreibt sich ganz bestimmten Mitgliedschaftsbedingungen. Entscheidungsprämissen sind deshalb nichts anderes als Spielregeln (siehe oben). »Auch beim Skat, Monopoly oder Mensch-ärgere-dich-nicht gelingt die Koordination der ›an sich‹ autonomen Mitspieler nur, wenn sie bestimmte Spielregen (= Entscheidungsprämissen) akzeptieren« (Simon 2012, S. 86). In Unternehmen begegnet uns häufig die Entscheidungsprämisse: »Wer seine Teilnahme an einem Meeting bestätigt hat, muss auch tatsächlich zum Meeting erscheinen.« Das führt dann beispielsweise dazu, dass bei Nichterscheinen eines angemeldeten Teilnehmers abgewartet wird, ob der Teilnehmer vielleicht ein paar Minuten verspätet erscheint. (Es sei denn, es gibt eine weitere Entscheidungsprämisse: »Wir beginnen immer pünktlich mit unseren Meetings.«) Erscheint er auch nach fünf Minuten nicht, wird er angerufen. Ist der Teilnehmer nicht »am Platz« und auch unter seiner Mobilnummer nicht erreichbar, werden E-Mails über Smartphones verschickt, jemand geht den Vermissten suchen, oder es werden weitere Personen befragt. Wie lange...