E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Grün / Walter Was mein Leben leichter macht
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-451-83501-8
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zwölf Wege zu mehr Zufriedenheit und innerer Stärke
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-451-83501-8
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Leben ist kompliziert genug – und wer wollte das nicht: einfacher und leichter leben. Oft genügt es schon, die Blickrichtung zu verändern. Manchmal zeigt auch ein bestimmtes Wort oder eine Geschichte, wie es gelingen kann. Wie das geht?
Anselm Grün zeigt in diesem Buch praktische Wege, das einfache Leben zu verwirklichen. Er schöpft aus seinem reichen Erfahrungsschatz und lässt seine Fans und prominente Stimmen mit Inspirationen zu Wort kommen. Sie betreffen das Zusammenleben mit anderen, beziehen sich auf das innere Leben ebenso wie auf die äußere Alltagsbewältigung. Erprobte, anschauliche Orientierungen, die alles verändern können: Mit neuen Ritualen von Anselm Grün. Konkret, nützlich, hilfreich.
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Einleitung
Warum erleben Menschen, die scheinbar alles haben, ihr Leben heute als schwierig? Warum fühlen sich viele innerlich so belastet, zerrissen und unausgeglichen? Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein. Aber oft liegt es an der hohen Anspruchshaltung, die wir an das Leben haben, an unsere Mitmenschen, an die Gesellschaft und nicht zuletzt an uns selbst. „Selbstoptimierung“ heißt nicht selten die Devise. Doch wer diesem Programm folgt, wird nie ganz zufrieden sein. Denn er könnte immer noch mehr leisten, immer noch besser werden, sein eigenes Profil noch erfolgreicher schärfen. Aber je mehr ich für mich vom Leben erwarte, desto stärker werde ich mich an den tatsächlichen Lebensumständen stoßen, in denen ich mich vorfinde. Was könnten nun Wege zu innerer Zufriedenheit sein? Gibt es einen Schlüssel, der mir hilft, in größerer Ausgeglichenheit zu leben? Wer so fragt, muss zuerst eine andere Frage stellen: Woher kommt diese hohe Anspruchshaltung vieler Menschen eigentlich? Mein Eindruck: Oft sind die Menschen nicht in Berührung mit sich selbst. Sie spüren sich selbst nicht. Sie haben ihre eigene Mitte verloren. Und so erwarten sie die Lösung ihrer Probleme von außen, von anderen, von Dingen. Manche meinen: Je komplizierter der Weg ist, desto weiter komme ich auf meinem Weg zu meinem Ziel, beliebter, besser, zufriedener oder glücklicher zu werden. Und so vertrauen sie auf Methoden der Selbstoptimierung. Dabei wäre es so einfach. Es wäre einfach, zu sagen: „Ich bin ich selbst.“ Jesus hat dieses Wort nach seiner Auferstehung gesagt: „Ego eimi autos“ – „Ich bin ich selbst“ (Lk 24,39). Für die stoische Philosophie der Antike bezeichnet „autos“ das innere Heiligtum des Menschen. Es ist der Ort, an dem er ganz er selbst ist und an dem er nicht von außen bestimmt wird. Viele, die die Beziehung zu sich selbst verloren haben, verlagern ihre Erwartung nach außen: Sie schauen auf die Wertungen und Erwartungen anderer und orientieren sich daran. Oder sie erwarten Hilfe von äußeren Events oder erhoffen sich eine Lösung ihrer Probleme durch komplizierte Methoden, wie sie die verschiedenen psychologischen Schulen anbieten. Damit, so meinen sie, könnten sie zu sich selbst finden, in Einklang kommen mit sich und in ihre innere Mitte gelangen. Dann erst, so denken sie, dürften sie sich erlauben, einfach zu sein: Nur durch diese Anstrengung wären sie den Druck los, sich beweisen, sich rechtfertigen, sich darstellen zu müssen. Dabei übersehen sie etwas Entscheidendes. In ihnen ist der innere Raum schon da, das innere Heiligtum, in dem sie ganz sie selbst sind. Sie brauchen nur den Zugang zu diesem inneren Raum zu finden. Viele sagen: Ich spüre aber diesen Raum nicht. Aber oft hilft es schon, wenn ich mir einfach vorstelle, dass dieser heilige Raum in mir ist. Heilig ist das, was der Welt entzogen ist, worüber die Welt keine Macht hat. Dort erlebe ich mich einfach als ich selber, als jemand, der bereits einen Wert besitzt und nicht erst noch einen anstrengenden Weg gehen muss, um seine Identität zu entwickeln. Die Menschen leiden heute nicht nur an der äußeren Unsicherheit, die uns die Medien ständig vor Augen halten: Da ist nicht nur der Krieg in der Ukraine, der Krieg in Palästina, nicht nur unsichere politische Verhältnisse im eigenen Land, nicht nur die Angst vor dem Klimawandel. Viele spüren auch eine Unsicherheit in sich selbst. Ihnen ist nicht klar, wer sie eigentlich sind. So geraten sie in eine Identitätskrise. Sie wissen nicht mehr, wer sie eigentlich sind, was für sie wichtig ist. Diese Identitätskrise wird verschärft durch die sozialen Medien. Da werden ständig andere und immer neue Wege präsentiert, wie man glücklich und zufrieden sein kann. Viele fühlen sich dann gedrängt, diese oft ganz gegensätzlichen Wege auszuprobieren. Und sie kommen dabei doch nicht weiter. Die sozialen Medien laden dazu ein, sich ständig mit anderen zu vergleichen. Aber je mehr wir dieser Verführung nachgeben und uns an anderen orientieren, desto schlechter fühlen wir uns. Denn es gibt immer Menschen, denen das Leben besser gelingt als uns. Ein anderer Grund, der das Leben kompliziert macht, ist die Maßlosigkeit. Der hl. Benedikt hat die weise Mäßigung die Mutter aller Tugenden genannt. Seine Regel, die auf dieser Einsicht aufbaut, hat sich über 1500 Jahre gehalten. Wenn wir das, was Benedikt für seine Mönche formuliert hat, ins Heute und für die Bedürfnisse unserer Gesellschaft übersetzen wollten, in der der Konsum eine so große Rolle spielt, würden wir das Konzept des rechtes Maßes wohl als Ideal der Nachhaltigkeit neu formulieren können. Es geht dabei nicht nur darum, umsichtig mit den Ressourcen der Schöpfung umzugehen, damit sie nicht vorschnell verbraucht werden und die Welt dauerhaft Schaden nimmt. Dieses Prinzip eines maßvollen Umgangs gilt vielmehr auch für den Umgang mit den eigenen Kräften. Daniel Hell, ein Schweizer Psychiater, ist überzeugt: Depressionen sind häufig ein Hilfeschrei der Seele gegen maßlose Selbstbilder, gegen die überzogene Vorstellung, wir müssten immer perfekt sein, immer erfolgreich und cool sein, immer alles im Griff haben, immer im Mittelpunkt stehen und von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Die eigene Seele zeigt uns das rechte Maß auf. Wer gegen sein Maß verstößt, wer seine Grenzen nicht akzeptiert, der wird krank. Oder zumindest wird sein Leben anstrengend. Es ist von Unzufriedenheit und innerer Unruhe geprägt. Das Ziel des einfachen Lebens ist nicht, dass wir uns aus der Zerrissenheit dieser Welt zurückziehen auf das eigene Selbst. Es bedeutet auch nicht, dass wir nur noch auf das Private und rein Persönliche achten. Wir leben mit anderen in einer Welt, und wir sind von dieser Welt abhängig. Aber umgekehrt gilt auch: Wir prägen diese Welt auch selbst mit. Wenn wir einfach leben, dann hat das Auswirkungen auf die Umwelt, und zwar nicht nur auf die Natur, sondern auch auf die Gesellschaft. Der Mediziner Eckart von Hirschhausen verweist auf den Zusammenhang von Innen und Außen, wenn er sagt, dass die klimafreundlichste Art zu leben das einfache Leben sei. Seine einfach aber schlüssig begründete Überzeugung lautet: Wer den spirituellen Weg geht, wer den Mut aufbringt, nach innen zu schauen und im Inneren seinen Halt zu finden, der verbraucht auch im Außen weniger Ressourcen. Der spirituelle Weg führt nicht nur nach innen, sondern auch in eine neue Solidarität. Den frühen Mönchen wirft man manchmal vor, sie hätten nur auf das eigene Seelenheil geachtet. Doch wenn wir die Vätersprüche aus dem 4. Jahrhundert lesen, dann spüren wir: Diese Einsiedler in der ägyptischen Wüste fühlten sich für die ganze Welt verantwortlich. Ihre Erfahrung: Wenn sie die Dämonen im eigenen Inneren besiegen, dann hat das Auswirkungen auf die Gesellschaft. Denn dann wird ihr Verhalten nicht mehr von Dämonen, von zwanghaften und gierigen Gedanken, beherrscht, sondern von ihnen gehen Freiheit und Liebe aus. Wenn sie am dunkelsten Ort der Welt – die Wüste galt als der düsterste Ort, als der Herrschaftsbereich der Dämonen – dem Licht zum Durchbruch verhelfen, wenn es dort, wo sie wirken, heller wird, dann wird es in der ganzen Welt heller. Das Beispiel der Mönche zeigt, dass wir mit allem, was wir denken und fühlen, und damit, wie wir handeln und wie wir leben, verantwortlich sind für den Zustand der Welt. Ich selber bin dafür verantwortlich, mit welcher Haltung ich in den Tag hineingehe und wie ich den Menschen begegne. Mein Versuch, in meiner Seele Klarheit zu schaffen, klärt auch etwas in der Gesellschaft. Daher hat unser Versuch, ehrlich und authentisch zu leben, die eigenen Leidenschaften anzuschauen und zu verwandeln, immer auch Auswirkungen auf unsere Umgebung. Jeder gräbt mit seinem Leben eine Spur in diese Welt ein. Und es ist unsere Verantwortung, welche Spur wir eingraben: eine Spur der Unzufriedenheit und Maßlosigkeit, eine Spur der Bitterkeit und Resignation oder eine Spur der Hoffnung und der Liebe, der Barmherzigkeit und Milde. Wenn mir Menschen von ihrem schwierigen Leben, von ihren Enttäuschungen und Verletzungen erzählen, dann versuche ich ihr hartes Leben mit all den Wunden, die es ihnen geschlagen hat, zu würdigen und zu verstehen. Aber dann sage ich: „Ja, das ist schlimm. Aber jetzt kommt es darauf an, welche Lebensspur Sie jetzt in die Welt eingraben wollen. Wenn Sie sich aussöhnen mit Ihrem Leben, dann können Sie jetzt eine Spur der Milde und der Zuversicht in diese Welt eingraben. Dann leisten Sie einen wichtigen Beitrag zur Humanisierung unserer Welt.“ Gerade alten Menschen, die nicht selten das Gefühl haben, dass sie eine Last sind für die Gesellschaft, versuche ich zu vermitteln, dass sie mit ihrer Lebensspur die Gesellschaft mitprägen. Und die Atmosphäre einer Gesellschaft hängt gerade davon ab, was von den alten Menschen, aber auch von uns allen ausgeht: Bitterkeit oder Barmherzigkeit, Resignation oder Hoffnung, Aggression oder Milde. In diesem Buch werden zwölf Wege zu einem einfachen Leben beschrieben. Zwölf ist die Zahl der Gemeinschaft. Es gab zwölf Stämme Israels, zwölf Apostel. Die Zahl Zwölf sagt uns: Wir stehen...