Gurr / Dabringhaus / Gander Freundschaft und politische Macht
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86234-893-0
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Freunde, Gönner, Getreue Margaret Thatchers und Tony Blairs
E-Book, Deutsch, Band Band 004, 291 Seiten
Reihe: Freunde – Gönner – Getreue
ISBN: 978-3-86234-893-0
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Dr. Judith Gurr studierte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. Wissenschaftliche Politik und Neuere und Neueste Geschichte und promovierte 2010 im Fach Wissenschaftliche Politik. Sie arbeitet zurzeit als Akademische Rätin am Lehrstuhl für Politische Philosophie, Theorie und Ideengeschichte der Universität Freiburg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politik: Sachbuch, Politikerveröffentlichungen
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Europäische Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Geschichte einzelner Länder Europäische Länder
Weitere Infos & Material
1;Title Page;3
2;Copyright;4
3;Inhalt;5
4;Danksagung;9
5;Einleitung;11
5.1;Fragestellung, Hypothesen und Vorgehensschritte;12
5.2;Forschungsstand, Methode und Material;17
6;1 Politische Freundschaft: Wesen und Konzepte;25
6.1;1.1 Kulturgeschichtliche Stationen des Phänomens Freundschaft;25
6.2;1.2 Konzepte politischer Freundschaft;30
6.2.1;1.2.1 Politische Freundschaft in der griechischen und römischen Philosophie: Aristoteles und Cicero;31
6.2.2;1.2.2 Friedrich Nietzsche: der tolle Mensch und die Beliebigkeit. Carl Schmitt: Freund-Feind;39
6.2.3;1.2.3 Politische Freundschaft in der Moderne;43
6.3;1.3 Zusammenfassung;48
7;2 Kategorien der (politischen) Freundschaft: Emotionalität, Vertrauen, Reziprozität, Netzwerke;51
7.1;2.1 Politik und Emotionen;51
7.2;2.2 Politik und Kooperation;58
7.2.1;2.2.1 Vertrauen und Sozialkapital;58
7.2.2;2.2.2 Wie man den Freund vom Schmeichler unterscheidet;64
7.2.3;2.2.3 Emotionale und kalkulatorische Reziprozität;66
7.2.4;2.2.4 Netzwerke;71
7.3;2.3 Zusammenfassung;76
8;3 Politik auf der Hinterbühne;79
8.1;3.1 Dasein heißt eine Rolle spielen: politische Vorder- und Hinterbühne;79
8.2;3.2 Neubewertungen persönlicher Beziehungen in der Politik;80
8.2.1;3.2.1 Paradigmenwechsel im 18. und 19. Jahrhundert;80
8.2.2;3.2.2 Patronage: Korruption oder Kooperation?;84
8.2.3;3.2.3 Der britische Civil Service: vom Patronage- zum Leistungssystem;87
8.3;3.3 Arkanräume der Politik: Formen informellen Regierungshandelns;90
8.4;3.4 Zusammenfassung;95
9;4 Persönlichkeit und Politik;97
9.1;4.1 Zum Spannungsverhältnis zwischen Öffentlichkeit und Privatheit;97
9.2;4.2 Der Faktor Persönlichkeit in der Politik;100
9.3;4.3 Zusammenfassung;106
10;5 Leadership-Forschung und Regierungsstilanalyse: zum Sinn für das politische Spiel;109
10.1;5.1 Forschungsansätze zur politischen Führung;109
10.2;5.2 Führen, Koordinieren, Integrieren: Regierungsstilanalyse;112
10.3;5.3 Der Sinn für das Spiel: Bourdieus Konzept des politischen Feldes;115
10.4;5.4 Zusammenfassung;120
11;6 Regieren in Großbritannien: formale und informelle Beziehungen;123
11.1;6.1 Das Westminster-System;123
11.2;6.2 Der britische Premierminister: Erster unter Gleichen?;128
11.2.1;6.2.1 Machtressourcen und die Organisation von No. 10 Downing Street;128
11.2.2;6.2.2 Wie mächtig ist der Premierminister?;135
11.3;6.3 Informelles Regieren;138
11.3.1;6.3.1 Core executive und power-dependency-model;138
11.3.2;6.3.2 Inner circles (Küchenkabinette);141
11.4;6.4 Praktische Bedeutungen politischer Freundschaft;144
11.5;6.5 Zusammenfassung;146
12;7 Freunde, Gönner, Getreue: Margaret Thatcher und politische Freundschaft;147
12.1;7.1 Persönlichkeit und Politik: Margaret Thatchers Aufstieg im politischen Netzwerk;147
12.2;7.2 Die Außenseiterin im politischen Establishment;158
12.2.1;7.2.1 Faktor Weiblichkeit;158
12.2.2;7.2.2 Wets and Dries: Margaret Thatchers Kabinettspolitik;164
12.3;7.3 Die Eiserne Lady: Margaret Thatcher im politischen Feld;167
12.3.1;7.3.1 Regierungsstilanalyse: Überzeugungspolitikerin;167
12.3.2;7.3.2 Margaret Thatcher und der Civil Service: institutionalisiertes Misstrauen;171
12.3.3;7.3.3 Familiäre Atmosphäre in No. 10 Downing Street: Mitgefühl und Loyalität;173
12.3.4;7.3.4 Margaret Thatchers Personalpolitik: Is he one of us?;176
12.4;7.4 Wem sie ihre Seite gönnt: Margaret Thatchers Umgang mit politischem Personal;183
12.5;7.5 Margaret Thatcher und Ronald Reagan: eine besondere Beziehung;189
12.6;7.6 Die Einsamkeit der Macht: Margaret Thatchers Abstieg im politischen Netzwerk;193
12.7;7.7 Zusammenfassung;201
13;8 Freunde, Gönner, Getreue: Tony Blair und politische Freundschaft;207
13.1;8.1 Persönlichkeit und Politik: Tony Blairs Aufstieg im politischen Netzwerk;208
13.2;8.2 Teflon Tony und Sofa Government: Tony Blair im politischen Feld;214
13.3;8.3 »The Beautiful People«: Tony Blair und seine politischen Freunde;220
13.4;8.4 Politische Ehe: Tony Blair und Gordon Brown;230
13.5;8.5 Tony Blair: Thatchers Erbe?;240
13.6;8.6 Zusammenfassung;242
14;Schlussbetrachtung;247
14.1;Fazit: Freundschaft und politische Macht;247
14.2;Forschungsperspektiven;253
15;Tabellen- und Abbildungsverzeichnis;257
16;Verzeichnis der Archivalien, Interviews, Korrespondenz und Literatur;259
16.1;Verzeichnis der Archivalien, Interviews und Korrespondenz;259
16.2;Literaturverzeichnis;260
(S. 207-208)
Waren »falsche« Freunde schuld an Thatchers Niedergang? Vielleicht neigte sie selbst zu dieser Deutung und übersah dabei ihr übergroßes Misstrauen, ihre bisweilen eisige Rücksichtslosigkeit und die Bereitschaft, andere Menschen gnadenlos zu brüskieren. Von ihr nicht zu verantwortende Gründe liegen natürlich auch vor: Abnutzungserscheinungen, unvorhersehbare sachliche Fehler oder, wie es am Ende von Helmut Kohls langer Regierungszeit hieß: Die Menschen hatten sich einfach satt an ihm gesehen. Neben der Einsamkeit des Mächtigen gibt es auch das bittere Alleinsein des Gescheiterten. Margaret Thatcher hatte sich das Ende ihrer politischen Laufbahn sicherlich nicht so disharmonisch vorgestellt.
Die »Eiserne Lady« hat als Staatslenkerin Großbritannien »thatcherisiert«, d. h. umorientiert hin zu einem wirtschaftsliberalen Staatswesen – auch hierin Ronald Reagan nahe. Politische Gegner warfen ihr die Rückkehr zu einer Art Manchester-Kapitalismus vor.
Margaret Thatcher wurde als Premierministerin nicht abgewählt, ihre Konservative Partei hatte während ihrer Regierungszeit immer die Stimmenmehrheit. Erst mit denWahlen 1997 fielen die Tories mit John Major auf 30,7 % ab. Tony Blair und die Labour-Partei erlebten einen erdrutschartigen Sieg.
8.1 Persönlichkeit und Politik: Tony Blairs Aufstieg im politischen Netzwerk
Tony Blair wurde 1953 in Edinburgh geboren. Sein Vater Leo hatte sich aus dem Arbeitermilieu in die gut situierte Mittelschicht emporgearbeitet. Nach einem Herzinfarkt 1964, den der Vater knapp überlebte, wurde Tony Blairs Mutter Hazel zu seiner zentralen Bezugsperson. Leo Blair schickte seine Söhne Bill und Tony auf Schottlands angesehenstes Internat, das Fettes College (»›Eton of Scotland‹«). Tony Blair entdeckte seine Anlage zur Schauspielerei und spielte am College u. a. Mark Anthony in Shakespeares Julius Caesar und Kapitän Stanhope in Robert Cedric Sheriffs Klassiker Journey’s End.
Viele Jahre später, zur Zeit des Irak-Krieges, erinnert sich Blair an diese Rolle: »That play had a real effect on me […] You have to isolate yourself when people are dying from what you yourself have decided to do.« Er verließ das Fettes College mit guten Noten und einem Studienplatz in Oxford – neben Cambridge Großbritanniens politische Kaderschmiede.
Von einem Mitschüler als »rebelwithout a cause«850 beschrieben, war Blair mit seinen achtzehn Jahren eher orientierungslos als bereits wie Thatcher »politisiert«.851 Anthony Seldon, auf dessen seriöse und fundierte Blair-Biographie in diesem Kapitel im Wesentlichen zurückgegriffen wird, betont jedoch, dass sich das Charisma des späteren Premierministers schon in dieser Zeit herausgebildet habe: »When Tony Blair walked into a room, he naturally became the focus of attention. He was liked by both men and women.« Er war ein gewinnender Kommunikator. Sein Charisma diente Blair als Mehrheitsbeschaffungsinstrument – bis aus Blair »Bliar« wurde."