Hagelüken | Das Ende des Geldes, wie wir es kennen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6397, 222 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Hagelüken Das Ende des Geldes, wie wir es kennen

Der Angriff auf Zinsen, Bargeld und Staatswährungen

E-Book, Deutsch, Band 6397, 222 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-75724-2
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Bargeld, Zinsen für Sparer, rein staatliche Währungen: Jahrhundertealte Gewissheiten des Geldes sind plötzlich passé. Wer spart, zahlt jetzt drauf. Münzen und Scheine verschwinden, bald auch durch Kryptowährungen, die staatlichem Geld Konkurrenz machen. Alexander Hagelüken, Leitender Redakteur für Wirtschaftspolitik bei der Süddeutschen Zeitung, zeigt, welche Kräfte diese Entwicklungen vorantreiben, wie weit diese international gediehen sind und worauf wir uns einstellen müssen. Ein Weckruf für alle, denen ihr Geld etwas bedeutet.
Läden ohne Kasse, in denen man per Gesichtserkennung bezahlt. Konten, auf denen Nullzinsen das Ersparte schrumpfen lassen. Globale Konzerne wie Facebook, Amazon oder Alibaba, die intime Daten absaugen oder eigene Währungen starten, mit denen man Geld verliert … Was nach einer Albtraumwelt klingt, wird allmählich Wirklichkeit. Auf der Grundlage von Daten aus vielen Ländern und Gesprächen mit internationalen Fachleuten deckt das Buch auf, wie radikal sich der Charakter des Geldes ändert. Alexander Hagelüken entlarvt Mythen über die Aktionen der Zentralbanken, zeigt die Gefahr neuer Finanzkrisen und schildert, wie Digitalkonzerne zunehmend Macht über unser Leben gewinnen. Der Autor sagt, was die Politik tun muss, um das Schlimmste zu verhindern, und vor allem: Wie sich jeder Einzelne vor schleichender Enteignung und Überwachung schützen kann.
Hagelüken Das Ende des Geldes, wie wir es kennen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1. Eine kurze Geschichte des Geldes: Von Blutrache, Tulpenwahn und Fortschritt
Das Leben der alten Germanen war wild. Wer jemanden beleidigte oder verletzte, erlebte Vergeltung, die er oft nicht überlebte. Menschen und Tiere hausten unter einem Dach, Hunger war häufig. Der römische Chronist Tacitus schildert ein «dem Trunk und Würfelspiel» verfallenes Volk, das «Feiglinge und Kriegsscheue im Sumpf versenkt». Aber er berichtet auch von einer Entwicklung, die Leben bewahrte: Wer Leid angetan hatte, durfte sich mit einer Gegenleistung retten. Geld, oder gelt, bedeutet Opfer. «Das Wergeld ist eine Sühne, die bei Totschlag an die Sippe des Getöteten zu leisten ist. Auf diese Weise wird die andernfalls notwendige Blutrache abgewendet, womit das Wergeld eine erhebliche pazifizierende und zivilisierende Wirkung entfaltet», notiert der deutsche Philosoph Otfried Höffe. «Da es oft ebenso bei körperlichen Verletzungen und Beleidigungen zu zahlen ist, bringt es im Vergleich zum grausamen Vergeltungsprinzip ‹Auge um Auge, Zahn um Zahn› einen großen Fortschritt.» Diese Lebensrettung findet sich in zahlreichen Kulturen. Als Mohammed seine Weltreligion gründete, übernahm er das Blutgeld der Beduinen, enorme hundert Kamele. Der Koran erwähnt Zahlungen an die Familie eines Menschen, den man unabsichtlich umgebracht hatte.[1] Zahlen statt sterben: Das Blutgeld darf als früher Beleg gelten, wie Geld zivilisatorischen Fortschritt schuf. Es finden sich in der Geschichte viele Belege dafür, wie es als Fortschrittsmacher fungiert. Gesellschaftlich wie wirtschaftlich. Nachdem der Mensch vor zwei Millionen Jahren auf dem Planeten aufgetaucht war, lebte er die längste Zeit ohne Geld. Ein kurzes, karges, bedrohtes Leben, ein schneller Tod. Kapitalismusgegner idealisieren die gemeinsame Wirtschaft von kleinen Gruppen oder die Tauschwirtschaft Gut gegen Gut. In Wahrheit war gerade der Tausch elend mühsam. Er wurde noch mühsamer, als die Jäger und Sammler vor 10.000 Jahren sesshaft wurden. Was, wenn der Bauer Hirse gegen Fleisch tauschen wollte, aber der Viehzüchter Schuhe brauchte und das Rind ohnehin erst später schlachten wollte? Die Arbeit aufzuteilen, ist produktiver, als wenn jeder mit den eigenen Händen alles Lebensnötige produziert. Je mehr sich die Menschen spezialisierten, desto mehr erwirtschafteten sie – und desto mehr hatten sie zu tauschen. Wie viel Fleisch muss einer für Hirse oder Schuhe hergeben? Was, wenn er die Schuhe wegen des Winters jetzt braucht, das Rind aber erst nächsten Monat fett ist? Erst mit Geld lässt sich alles umrechnen, direkt zahlen, und Zeitprobleme lassen sich lösen. Für Geld bekommt jeder Fleisch, Hirse, Schuhe und noch viel mehr – ein historischer Meilenstein. «Geld ist die Wurzel des meisten Fortschritts», behauptet der britische Historiker Niall Ferguson in seinem Standardwerk The Ascent of Money – a Financial History of the World. Eine gute Währung erfüllt drei Funktionen: Sie ist Recheneinheit, Tausch- und Zahlungsmittel sowie Wertspeicher. Die antiken Großreiche, die erstmals richtig arbeitsteilig wirtschafteten, ließen sich nur durch Geld aufbauen, so der israelische Historiker Yuval Noah Harari. Die Ära des Edelmetalls
Als Währung kann grundsätzlich jeder Gegenstand dienen, der sich zählen lässt. Die Hochkulturen der Ägypter und Chinesen verwendeten Reis, Weizen oder Bittermandeln als Zahlungsmittel. Andere zahlten mit Ochsen, Schafen, Ziegen. Homer referiert vor 2800 Jahren, die Rüstung des Atheners Diomedes sei neun Ochsen wert; jene des Glaukos hingegen, Sohn des letzten Trojaner-Königs Priamos, stolze hundert. Doch ob Ochsen oder Bittermandeln, dieses Geld starb oder verdarb. Das ist, als ob sich das Geld auflöst. Gesucht wurde Haltbares. Da waren die Steinräder auf Mikronesien ein Fortschritt, allein: ein rückenbrechender. Userfreundlicher erscheinen die harten Kauri-Schnecken, die jahrhundertelang rings um den Indischen Ozean als Währung dienten. Den Jackpot aber gewann das Volk der Lyder, als es vor 2700 Jahren in der heutigen Türkei Gold in Scheiben goss und darauf Bilder prägte. Diese wohl ersten Goldmünzen verbreiteten sich rasch. Die Münzerei trug den Lydern sagenhaften Reichtum ein, wovon ihr König Krösus zeugt – und Midas, dem angeblich alles zu Gold wurde, was er anfasste. Die Münzen setzten sich durch, weil sie nicht nur haltbar und hübsch waren, sondern auch Vertrauen schufen. Sowohl durch den Eigenwert des seltenen Metalls, das aussieht wie die göttliche Sonne, als auch durch das Porträt des jeweiligen Herrschers. Ein epochaler Moment: Edelmetall wurde für 2000 Jahre zur dominanten Währungsform. Eine Zeitspanne, in der mehrere Weltreiche aufstiegen – und wieder zu Staub zerfielen. Die Münzen nahmen den Menschen die Tauscherei ab. Sie beschleunigten das Wirtschaften ungeheuer. Adam Smith preist in An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations 1776, wie «die einzelnen Völker zu diesem Zweck verschiedene Metalle benutzten». Erst durch Geld wirkt die unsichtbare Hand des Marktes, der aus egoistischem Handeln Einzelner materielles Allgemeinwohl schafft. Was der Gründervater der Marktökonomie nicht ahnte: Entwickelt hat sich das Geld zuerst aus anderen Zwecken, in den harschen Zeiten von Menschenopfern und Unterwerfung. Das Wort Geld kommt nicht von Gold, sondern vom angelsächsischen gilt oder guilt, Opfer-Schuld. Die Urwährungen waren Schlachtopfer, so der deutsche Philosoph Christoph Türcke. «Und weil sie schreckliche Währungen waren, waren sie stets vom Wunsch nach weniger schrecklichen begleitet. Kann man nicht ein Menschenopfer durch Rinder ersetzen? Lebendige Wesen durch Metallgebilde? Das Opfer wurde als Begleichung von Schuld interpretierbar: als Zahlung.» Opfertiere wurden zur Maßeinheit von Schuld und anderen Dingen. Das erklärt, weshalb das römische Wort für Geld (pecunia) von pecus (Vieh) stammt.[2] Ebenso martialisch entstanden die lydischen Goldmünzen, nämlich als Sold für Soldaten. Geld diente immer wieder als Militärwerkzeug. Ab dem 11. Jahrhundert beschleunigten die Kreuzzüge das Finanzsystem, weil der Krieg gegen die Muslime bezahlt werden musste. Als im 14. Jahrhundert Feuerwaffen Ritterschwerter ablösten, warfen Fürsten die Münzpresse an, um ihre Arsenale zu füllen (und etablierten, wie damals die Lyder, Steuern). Lässt sich deshalb sagen, dass Geld Kriege auslöst? Kaum. Blutige Auseinandersetzungen gab es auch in den zwei Millionen Menschenjahren ohne Geld zuhauf. Geld wurzelt auch in der Abhängigkeit der Untertanen. Herrscher waren zugleich Götter, deren Tempeln man Tribut leistete. Die Sumerer entwickelten vor 5000 Jahren nicht nur den Tag mit 24 Stunden, sondern auch den Silber-Schekel, der einem Sack Gerste entsprach. «Die Tempelverwalter kalkulierten damit Pacht und Schulden, und das war faktisch Geld», schildert der amerikanische Anthropologe David Graeber. Mancher Bauer versank in Schulden, seine Kinder wurden Sklaven. Geld, folgert der anarchistische Bestsellerautor, drückt immer Unterdrückung aus.[3] Aber das muss man nicht so sehen. 1215 erlaubte die englische Magna Carta Bauern, dem Grundherren Geld statt Naturalien zu geben. Das machte sie unabhängiger, zuvor durften sie auch kein Vieh verkaufen. Geld bedeutete für sie mehr Freiheit. Ebenso als die Zahlung von Brautgeld das Ius primae noctis ablöste – das angebliche Recht von Gutsherren, Frauen vor ihrer Hochzeit zu vergewaltigen. Im 19. Jahrhundert hielten Fabrikherren Arbeiter abhängig, indem sie sie mit überteuertem Essen und teuren Behausungen bezahlten; Löhne, die Gewerkschaften durchsetzten, bedeuteten mehr Freiheit. Geld ist einfach ein Werkzeug. Es bricht Verhältnisse der Unterdrückung nicht von selbst auf. Doch wenn sich die Welt durch die Magna Carta oder Gewerkschaften demokratisiert, verstärkt es diese Entwicklung. Und es hilft, die Menschen aus den Ketten der Armut zu befreien. Erst durch Münzen statt Tauschen, dann durch Entwicklungen wie Kredite, Papiergeld, Aktien. «Finanzinnovationen waren unverzichtbar für die Entwicklung vom elenden Bauern, der mit eigenen Händen alles Lebensnötige produzierte, bis zum heutigen Wohlstand», bilanziert Niall Ferguson. Und je besser es der Masse ging, desto mehr forderte sie bei Fürsten und Industriebaronen Rechte ein. Italienische Kredite und chinesisches Papiergeld
...


Alexander Hagelüken, Ökonom, ist Leitender Redakteur für Wirtschaftspolitik bei der 2Süddeutschen Zeitung". Zuvor berichtete er für die SZ aus Berlin und Brüssel und leitete sieben Jahre den Finanz-Teil der Zeitung. Seine Bücher über Ungleichheit ("Das gespaltene Land", 2017) und die Rente ("Lasst uns länger arbeiten", 2019) haben für lebhafte Debatten gesorgt.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.