Hahn-Hahn | Gräfin Faustine (Autobiografischer Roman) | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Hahn-Hahn Gräfin Faustine (Autobiografischer Roman)

Die Geschichte einer emanzipierten Gräfin
1. Auflage 2015
ISBN: 978-80-268-4432-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Geschichte einer emanzipierten Gräfin

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-80-268-4432-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Gräfin Faustine (Autobiografischer Roman)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Ida Hahn-Hahn, eigentlich Ida Marie Louise Sophie Friederike Gustave Gräfin von Hahn (1805-1880) war eine deutsche Schriftstellerin, Lyrikerin und Klostergründerin. Sie entstammt dem uradeligen Geschlecht der Hahn. Sie selbst benutzte mit Vorliebe den Doppelnamen 'Gräfin Hahn-Hahn'. Ida Gräfin Hahn-Hahn galt als eine der meistgelesenen Autorinnen ihrer Zeit. Aus dem Buch: 'Damals sagte ich zu meinem Gefährten: 'Frauen wie Faustine sind die Racheengel unseres Geschlechts, die die Vorsehung zuweilen, aber selten auf die Erde schickt und denen die Allerbesten unter Euch verfallen; denn nur die Allerbesten unter Euch sind zu dem bereit, wozu die meisten Frauen bereit sind: ein Herz für ein Herz, ein Leben für ein Leben, eine ganze Existenz für eine ganze Existenz zu geben, und sie wähnen, diesen Tausch bei solchen Frauen zu finden, deren glutvolle Unersättlichkeit eine Bürgschaft unerschöpflichen Gefühls zu geben scheint. Ein so strahlendes Wesen, meinen sie, müsse ein verklärtes sein. Aber mitnichten! Eine solche feingeistige Vampirnatur verbrennt und verbraucht, zuerst den Andern, dann sich selbst. Nehmt Euch vor den Faustinen in acht! Es ist nicht mit ihnen auf gleichem Fuß zu leben. Es ist immer die Geschichte vom Gott und der Semele. Nein, nicht von Gott, vom Dämon.''

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II


In Faustinens Wohnung herrschte tiefe Stille. Sie lag an der Promenade; da gab es kein Wagengerassel, kein Pferdegestampf, kein Marktweibergeschrei, nichts, was an den Tumult und das Bedürfnis erinnert. Die Fenster des Salons – lange Glastüren, die auf den Balkon führten – waren geöffnet und die Jalousien herabgelassen, damit nur das scharfe Licht, nicht die Luft verbannt sei. Auf einer Ottomane saß der Baron Andlau und blätterte in einem Buch, ziemlich unaufmerksam, denn er wartete. Nichts auf der Welt ist störender als die Erwartung, sogar von den geringfügigen Dingen. Von dem Augenblick an, wo man wartet, ist man trotz aller Fähigkeiten, Kräfte und Sinne nichts als ein Schütze, der von der ganzen Erde nichts sieht und weiß außer dem schwarzen Punkt in der Scheibe.

Andlau wartete auf Faustine. »Warum kommt sie nicht?« sagte er zu sich selbst. »Sollte ihr irgend etwas zugestoßen sein? Warum bin ich nicht mit ihr gegangen? Mein Kopfweh wäre nicht ärger worden! Warum ließ ich sie überhaupt gehen in dieser heißen Tageszeit!«

Er nahm den Hut und wollte ihr entgegen; da hörte er ihren Schritt auf der Treppe. Er sprang auf und öffnete ihr die Tür. Es wurde ganz hell in dem verfinsterten Gemach, als sie eintrat.

Faustine warf ihren Hut auf den einen Tisch, ihr Zeichenbuch auf den andern, sich selbst auf ein Sofa und sagte:

»Lieber Anastas, das wird ein hübsches Bild werden! Aber müde bin ich, todmüde!«

»Warum strengst Du Dich so an? Muß das Bild denn notwendig eine so heiße Sonnenbeleuchtung haben?«

»Ganz notwendig!« entgegnete sie und stand auf. »Ich bin auch schon ausgeruht, und heut Abend mußt Du mit mir nach der Neustadt hinüber! Ich will mir recht einprägen, wie der Strom und die Kirchen im Mondlicht aussehen. Das wird ein Gegenstück dazu.«

»Hier ist ein Brief an Dich,« sagte Andlau und nahm ihn vom Schreibtisch. »Nach dem Wappen zu urteilen, von Deinem Schwager.«

»Richtig!« rief Faustine und las:

Geehrte Frau Schwägerin!

Ihrem erfreulichen Schreiben vom 24. zu Folge, entnehmen wir aus demselben Ihre gütige Absicht, uns im Lauf des Monats Junius mit Ihrem schmeichelhaften Besuch zu erfreuen. Da mein jüngstgeborenes Söhnchen am 10. desselben Monats die Taufe empfangen soll, so vereinigen meine liebe Frau und ich unsre Bitte und Wunsch dahin, daß es Ihnen gefallen möge, eine Patenstelle bei selbigem Knäbchen zu übernehmen, und es am 10. Juni, mittags um 2 Uhr, in meiner Kirche zu Oberwalldorf über die Taufe zu halten. Ihre Mitgevattern werden sein: die Frau Baronin von Feldkirch, geborene Gräfin Hagen aus Mühlhof, und mein Bruder Klemens von Walldorf, welcher sich, nachdem er seine Studien zu Würzburg und Jena seit Ostern vollendet hat, bei mir aufhält, um die Landwirtschaft praktisch zu erlernen, was ein ganz ander und viel wichtiger Ding ist, als es theoretisch zu tun. Meine Kinder befinden sich sämtlich wohl und munter, was unter allen Umständen mit Dankbarkeit anzuerkennen ist, aber dann ganz besonders, wenn man sieben hat und auf dem Lande, fern von ärztlicher Hilfe, wohnt. Auch meine liebe Frau ist, gottlob, so wohl wie man es nur wünschen kann, denn die Wochenbetten sind ihr bereits zur Gewohnheit worden, wie Tag und Nacht. Sie trägt mir die herzlichsten Grüße für die liebe Schwester auf. Ich aber, verehrte Frau Schwägerin, unterzeichne mich als Ihren treuergebenen Schwager und Bruder und ganz gehorsamen Diener

Maximilian von Walldorf.

»Nun gut,« sagte Faustine, »auf ein paar Tage früher oder später kommt es Dir wohl nicht an. Laß uns übermorgen reisen! Bis Koburg zusammen; dann Du nach Kissingen, ich nach Oberwalldorf. Und in der ersten Hälfte des Juli hole ich Dich ab und fort nach Belgien!«

Andlau machte keine Einwendung. Er war mit allem zufrieden, was ihr genehm war, und da sie meistenteils auf nichts und niemanden in der Welt Rücksicht nahm als auf ihn allein, so muß man ihm diese Zufriedenheit als ein außerordentliches Verdienst anrechnen; denn die Masse der Menschen ist am verdrießlichsten, wenn man die größte Rücksicht auf sie nimmt.

Faustine sagte:

»Es ist nur eine Trennung von vier bis fünf Wochen, die uns bevorsteht; aber dennoch, Anastas, bin ich traurig, als wären es ebensoviel Jahre. Trennung ist Trennung! Auf die Länge der Zeit, auf die Weite des Raumes kommt es gar nicht dabei an. In drei Tagen, wo ich Dich nicht sehe, nicht höre, nichts von Dir weiß, kannst Du und kann ich ebensogut zugrunde gehen, als wenn wir auf immer getrennt wären. Ist denn das Wiedersehenwollen eine Bürgschaft des Wiedersehens?«

»Gewiß, Faustine! Meinst Du, daß etwas anderes uns trennen könne als unser Wille?«

»O ja!« erwiderte sie melancholisch.

»Ja,« rief er heftig. »Ja? Nun, wenn Du das glaubst, so sind wir schon getrennt.«

»Der Tod nimmt auf keinen menschlichen Willen Rücksicht. Er hat seinen eigenen Gang.«

»O der Tod, Faustine! Du wirst nicht sterben, und wenn ich sterbe . . . .«

»So sinke ich Dir nach! Du hast recht, Anastas, das ist kein Tod und keine Trennung.«

Sie hatte sich zu ihm auf die Ottomane gesetzt und legte nun ihr weiches frisches blühendes Haupt auf seine Schulter und ihre gefalteten Hände in seine Linke, während er sie mit dem rechten Arm umschlang. Er berührte leise mit den Lippen ihre Stirn und sah auf sie herab mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Zärtlichkeit, Andacht und Freude. Er hatte ein Gesicht mit scharf gezeichneten Zügen, mit Spuren von starker Leidenschaft, von ernsten Gedanken; aber wenn der Blick seines großen blauen Auges auf Faustine fiel, so verklärte sich dies strenge Auge und die schneeweiße Stirn, die es überwölbte, auf eine Weise, die keiner ahnte, der ihn nicht mit ihr gesehen; denn seine breiten dunkeln Augenbrauen und sein glänzend schwarzes seines Haar, das sich schlicht um seine Stirn legte, verbunden mit einem durchdringenden klaren Blick, gaben ihm einen Ausdruck von ungewöhnlicher Strenge. Nur Faustine hatte ihn aus innerer Freudigkeit lächeln gesehen; denn für sie war er alles, was sie bedurfte, und in jedem Augenblick, wo sie es bedurfte: Vater oder Freund, Lehrer oder Geliebter, lächelnd oder warnend, ermahnend oder scherzend, sorgend oder liebend, und wie an ihre sichtbare Vorsehung lehnte sie sich an ihn. Ihre fliegende Phantasie ward in Schranken gehalten durch seine Klarheit; ihre reizbare Beweglichkeit durch seine Ruhe. Bisweilen fühlte sie sich beängstigt durch das Übergewicht, das besonnene Charaktere immer über phantastische haben, und sagte scherzhaft:

»Wie jene Sklavinnen des Morgenlandes als Zeichen ihrer Knechtschaft nur eine kleine goldene Fessel an der Hand tragen, die wie ein Schmuck aussieht, so ist auch Deine Liebe wohl ein Schmuck, aber doch eine Fessel.«

»Die Du notwendig brauchst, um nicht in alle vier Winde zu verflattern,« entgegnete Andlau.

»Und dann verdiene ich es auch nicht besser,« sagte sie, »habe eine echte Sklavennatur und liebe da am meisten, wo ich am meisten tyrannisiert werde; und zwar so sehr, daß ich die Menschen gar nicht begreife, die genug und übergenug lieben und sich doch gar nicht um das Liebste kümmern, ihm sein Glück gönnen, ohne es teilen, seine Freude, ohne sie genießen, seine Wege, ohne sie verfolgen zu wollen. Aus lauter Liebe lassen sie das Liebste laufen. Was bleibt da der Gleichgültigkeit übrig? Ich halt' es mit der ausschließlichen Liebe!«

Da ihr Geist immer Nahrung und Anregung bei Andlau fand, und seine Seele für sie der Inbegriff aller Vollkommenheit war, so drückte seine Überlegenheit sie auch nur in den seltenen Fällen, wo ihr Wille sich durch den seinen beeinträchtigt glaubte. Aber wenn sie sich die Mühe nahm zu überlegen, so sagte sie immer:

»Du hast wirklich recht.«

Indessen kam es selten bei ihr zur Überlegung. Sie tat, wie und was Andlau wünschte, sobald seine Meinung die ihrige überwog. Außerdem handelte sie nach Laune, aus Leidenschaft, aus Eingebung. was immer eine mißliche Sache ist, und wenn die Natur auch die allerreinste. Faustine hatte eine solche; jedoch Grundsätze hatte sie nicht.

»Wenn ich die Grundsätze nur begreifen könnte,« sagte sie oft, »so wollte ich sie mir ja sehr gern zu eigen machen. Allein jeder hat seine ganz besonderen und ganz possierlichen. Der eine spricht: Ich stehe alle Morgen um sechs Uhr auf, – das ist mein Grundsatz. Der andere: Ich erziehe meine Kinder durch Prügel, – das ist mein Grundsatz. Der dritte: Ich lasse die Leute schwatzen, was sie mögen, bekümmere mich um nichts und tue, was ich will, – das ist mein Grundsatz. Mit letzterem bin ich gewiß ganz einverstanden; nur sehe ich nicht ein, weshalb eine so natürliche Denk- und Handlungsweise mit dem pomphaften Wort Grundsatz belegt werden soll.«

»Die Grundsätze sollen uns ja keineswegs eine unnatürliche, sondern eine edle, unserm Wesen entsprechende Richtung geben,« sagte Andlau, »und uns helfen, diese Richtung zu verfolgen, soviel es in menschlicher Kraft steht, wenn es uns auch schwer wird, eben weil wir sie als die erforderliche und notwendige zu unserer Entwicklung erkannt haben.«

»Sie machen mich starr und unbeugsam!« rief Faustine.

»Wo sie fehlen, gibt es Leichtsinn und Flatterhaftigkeit,« meinte Andlau lächelnd.

»Wenn ich mir nun auch vorgenommen habe, auf der Heeresstraße zu gehen, warum soll ich nicht aus dem dicken Staub oder von den harten Steinen auf die Wiese nebenbei, und so zu meinem Ziel spazieren? Ich...



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