E-Book, Deutsch, Band 7, 272 Seiten
Reihe: Samantha-Reihe
Haller Liestaler Wut
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98707-260-4
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 7, 272 Seiten
Reihe: Samantha-Reihe
ISBN: 978-3-98707-260-4
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ina Haller lebt mit ihrer Familie im Kanton Aargau, Schweiz. Nach dem Abitur studierte sie Geologie. Seit der Geburt ihrer drei Kinder ist sie »Vollzeit-Familienmanagerin« und Autorin. Zu ihrem Repertoire gehören Kriminalromane, Reiseberichte sowie Kurz- und Kindergeschichten. www.inahaller.ch www.facebook.com/autorininahaller www.instagram.com/ina.haller.autorin/
Autoren/Hrsg.
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1
»Möchtet ihr noch etwas?«, fragte Jasmin und sah nacheinander die um den Tisch versammelten Gäste an, die sie zu ihrem Geburtstag eingeladen hatte.
Samantha blickte in die Runde. Langsam konnte sie die Gäste zuordnen: Jasmins Schwester Carmen, Delia, die unter Jasmin wohnte, und Jonathan.
Woher Jasmin ihn kannte, hatte Samantha nicht mitbekommen. Die Blicke, die er mit Jasmin tauschte, legten nahe, dass sich zwischen ihnen etwas anbahnte.
Bei den anderen beiden wusste Samantha, um wen es sich handelte. Christian arbeitete wie sie und Jasmin bei dem kleinen Liestaler Kosmetikunternehmen Amry Cosmetics, und Chiara gehörte das Schmuckatelier hier im Parterre.
Samantha legte die Hände auf den Bauch. »Wenn ich noch einen Bissen esse, platze ich.«
»Mir geht es ähnlich«, sagte Chiara.
Delia nickte. »Auch ich habe zu viel gegessen.«
»Auf dem Kuchen lasst ihr mich aber bitte nicht sitzen.«
»Jasmin, der Mastbetrieb«, sagte Jonathan. »Okay, ein Stück passt noch.«
Zustimmendes Gemurmel kam von den Übrigen.
»Möchte jemand einen Kaffee dazu?«, fragte Jasmin.
»Dazu sage ich nicht Nein«, erwiderte Carmen. »Bleib sitzen. Ich mache das.«
»Ich komme mit.« Christian stand auf und folgte ihr zur Küchenzeile.
Jasmin stellte den Schokoladenkuchen auf den Tisch und verteilte Stücke auf die Teller.
»Du und Samantha seid Arbeitskollegen von Jasmin bei diesem Kosmetikunternehmen im Schildareal?«, fragte Carmen Christian, als sie die Kaffeemaschine einschaltete, die mit einem Zischen zum Leben erwachte. Sie war erst zum Dessert gekommen, da sie ihre achtjährige Tochter vorher ins Bett gebracht hatte und warten musste, bis ihr Mann nach Hause kam.
»Genau«, sagte Christian. »Ich bin für den Verkauf von Amry Cosmetics in der Schweiz zuständig, Jasmin ist unsere Marketingverantwortliche, wie du weißt, und Samantha ist unsere Qualitätsverantwortliche.«
»Das heißt, du überprüfst, ob die Cremen richtig hergestellt werden?«, wandte Carmen sich an Samantha.
»Indirekt. Ich schaue, ob die Rohstoffe für die Reinigungsmilch, Aknemittel, Körperlotionen, Gesichts- und Sonnencremen qualitativ in Ordnung sind.«
»Die Eigentümer legen großen Wert auf die Natürlichkeit und Nachhaltigkeit ihrer Produkte«, fügte Jasmin an.
Das war etwas, das Samantha bei dem kleinen Kosmetikunternehmen gefiel.
»Die Tages- und Nachtcreme ist gut«, sagte Delia. »Zuerst war ich skeptisch. Amry Cosmetics ist nicht besonders groß. Jasmin hat mir Proben mitgebracht, und die haben mich überzeugt.«
»Die Größe eines Unternehmens sagt nichts über die Qualität der Produkte aus.« Christian setzte sich mit einem Espresso zurück an den Tisch. »Wir sind zwar nur fünfzehn Mitarbeiter, aber jeder erledigt einen guten Job.«
»Und offenbar habt ihr ein gutes Verhältnis untereinander«, sagte Delia. »Ich würde nie auf die Idee kommen, Arbeitskollegen zu mir nach Hause einzuladen.«
Die Einladung hatte Samantha überrascht, als Jasmin letzte Woche in der Mittagspause gefragt hatte, ob sie Lust hätten, zu ihr zu kommen. Privates war bisher außen vor geblieben. Bis auf Samantha und Christian hatten alle etwas vorgehabt.
Mehr Leute hätten allerdings nicht in Jasmins kleine Wohnung gepasst. Die Wohnung war gemütlich und erinnerte Samantha mit dem Holzboden und den Sichtbalken an die, in der sie in Lenzburg gewohnt hatte, bevor sie mit Joel zusammengezogen war.
»Schon nach elf?«, rief Carmen. »Ich sollte langsam nach Hause. Obwohl morgen Samstag ist, müssen wir früh raus.«
Erstaunt schaute Samantha auf ihre Armbanduhr. Die Zeit war wie im Fluge vergangen. Sie stellte die Dessertteller zusammen und erhob sich.
»Lass stehen«, sagte Jasmin. »Möchte jemand etwas vom Kuchen mitnehmen?«
»Der ist fein, und ich nehme gerne ein Stück für Nick mit«, sagte Delia.
»Hoffentlich geht es ihm bald besser.« Jasmin legte zwei Stücke auf einen Teller.
»Das hoffe ich auch. Langsam ist es mühsam.«
»Ich habe gehört, die Magen-Darm-Grippe, die derzeit im Umlauf ist, hat es in sich«, sagte Chiara.
»Dabei schien es besser zu werden.«
»Liebe Grüße und gute Besserung.« Jasmin öffnete die Tür, und Delia verabschiedete sich.
»Nehmt ihr auch Kuchen mit?«, fragte Jasmin.
»Bring den Rest am Montag zu Amry mit«, schlug Christian vor. »Gut eingepackt sollte der so lange halten. Wie du weißt, wird bei uns nichts schlecht. Besonders, wenn es etwas Süßes ist.«
»Eine gute Idee.«
Ein Schrei ließ alle gleichzeitig zusammenzucken.
»Das war Delia«, sagte Chiara.
Hintereinander rannten sie einen Stock tiefer. Die Tür zur Wohnung war geöffnet, und Samantha erkannte Delia, die neben einem Mann kniete, der auf dem Boden lag.
»Er reagiert nicht«, stieß Delia hervor und rüttelte an der Schulter des Mannes.
»Trink einen Schluck Tee.« Joel stellte die Tasse auf den Gartentisch und setzte sich neben Samantha.
Inzwischen war es nach Mitternacht, aber Samantha war sich sicher, so schnell keinen Schlaf finden zu können. Da half der ungewöhnlich laue Abend Ende September nichts. Zum Glück war es Freitag. Die Büsche am Rand des Grundstückes schwankten im leichten Wind und gaben für kurze Momente den Blick auf die Lichter der Stadt im Tal und den Umriss des Hügelzuges auf der anderen Seite frei. Die friedliche Stimmung übertrug sich nicht auf Samantha. Im Gegenteil, sie stand nach wie vor wie unter Strom.
»Mehr als hoffen kannst du nicht«, sagte Joel und legte seine Hand auf ihre. »Ihr habt getan, was ihr tun konntet.«
Dessen war Samantha sich nicht sicher. Christian hatte sofort nach Nicks Puls getastet, der schwach vorhanden gewesen war, und hatte ihn zusammen mit Jonathan in die stabile Seitenlage gebracht. Samantha hatte den Notruf gewählt. Nebeneinander hatten sie ausgeharrt. Jedes Mal wenn Nicks Atem stockte, war Panik aufgekommen. Abwechselnd hatten Jonathan und Christian den Puls gefühlt, und Samantha hatte sich geschworen, den Nothelferkurs baldmöglichst aufzufrischen. Obwohl die Ambulanz nach nicht einmal fünf Minuten vorgefahren war, war es Samantha ewig vorgekommen.
Sie sah sich mit Chiara und Jasmin auf der Rathausstraße im Stedtli stehen und wie sie beobachteten, wie die Sanitäter Nick in den Wagen trugen. Sein Gesicht war grau gewesen. Wie ein Toter hatte er ausgesehen. Gleich darauf hatte sie sich verboten, dies zu denken. Keiner war imstande gewesen, sich zu rühren. Alle hatten zum Törli gestarrt, durch das die Ambulanz mit Blaulicht verschwunden war.
Das leise Schluchzen von Delia hatte Samantha ihre Hilflosigkeit deutlicher vor Augen geführt. Jonathan hatte Delia angeboten, sie zum Liestaler Kantonsspital zu fahren.
Mit den anderen war Samantha auf der Straße stehen geblieben. Keiner wusste, was er tun sollte, bis Jasmin gesagt hatte, sie würde in ihre Wohnung gehen, da ihr kalt war.
»Er muss schon länger so gelegen haben«, flüsterte Samantha.
»Was heißt länger? Er kann kurz vor Delias Heimkehr zusammengebrochen sein.« Joel schob die Tasse dichter zu Samantha.
Sie nippte am Tee. Kräutertee mit Honig. Normalerweise das perfekte Beruhigungsmittel am Abend für sie, wenn sie Mühe hatte, abzuschalten. Heute würde es nicht funktionieren, war sie sich sicher.
»Delia macht sich Vorwürfe. Sie sagt, sie hätte zu Hause bleiben sollen.«
»Wenn ich dich richtig verstanden habe, hat ihr Freund eine Magen-Darm-Grippe. Niemand konnte voraussehen, was passieren würde.«
»Es habe sich am späten Nachmittag verschlechtert, hat Delia gesagt«, erwiderte Samantha.
»Verschlechtern heißt nicht automatisch, bewusstlos zusammenzubrechen. Die Magen-Darm-Grippe, die momentan kursiert, hat es in sich.«
Samantha trank einen weiteren Schluck vom Tee und sah Delia vor sich, wie sie neben den Sanitätern gestanden war, als diese sich um Nick gekümmert hatten. Wie sie mit der Fassung gerungen und sich bemüht hatte, nicht in Tränen auszubrechen. Wie sie mit den Zähnen die Fingerknötchen ihrer zur Faust zusammengeballten Hand bearbeitet und am ganzen Körper gezittert hatte. Wie Jonathan den Arm um sie gelegt und sie gestützt hatte. Samantha hatte angenommen, sie werde jeden Augenblick kollabieren.
»Bei uns sind gerade zahlreiche deswegen krankgemeldet«, fuhr Joel fort.
»Keiner ist im Spital gelandet«, erwiderte Samantha.
»Das weiß ich nicht. Viele fallen manchmal sogar für zwei Wochen aus, und in etlichen Betrieben wird es allmählich kritisch mit der Arbeitskapazität. Das gilt auch für mein Team.«
Joel war bei dem Egerkinger Pharmaunternehmen AarePharm der Leiter der Qualitätssicherung. Zurzeit gab es einiges zu tun, da sie ein neues Krebsmedikament einführen wollten. Hinzu kam das Audit, für das sich die Swissmedic angemeldet hatte. Die Schweizer Arzneimittelbehörde überprüfte in regelmäßigen Abständen, ob bei AarePharm und jedem anderen Pharmaunternehmen die geforderte Qualität und Sorgfalt bei der Herstellung, Verpackung und dem Transport der Medikamente eingehalten wurde. Wie Samantha wusste, hatte es die Vorbereitung für dieses Audit in sich. Seit mehreren Wochen sprach Joel von fast nichts anderem mehr.
»Wurde es bei ihnen besser und danach wieder schlechter?«
»Wie meinst du das?«
»Bei Nick hat das Virus vor vier Tagen wie aus dem Nichts zugeschlagen. Nach einem Tag ging es bergauf. Er fühlte sich zwar nicht richtig fit, ging aber in sein Fotostudio. Die Arbeit erledige sich nicht von selbst, hat er gemäß Delia erklärt. Heute Nachmittag habe es einen Rückschlag gegeben,...




