E-Book, Deutsch, 240 Seiten, GB
Hammarskjöld / Fröhlich Zeichen am Weg
4. Auflage 2017
ISBN: 978-3-8251-6065-4
Verlag: Urachhaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das spirituelle Tagebuch des UN-Generalsekretärs
E-Book, Deutsch, 240 Seiten, GB
ISBN: 978-3-8251-6065-4
Verlag: Urachhaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Tod Dag Hammarskjölds am 17. September 1961 erschütterte die Welt. Warum seine UN-Sondermaschine über dem Kongo abstürzte, ist bis heute ungeklärt. Dass die Welt ihn danach nicht nur als Diplomaten sehen lernte, sondern auch als religiösen Philosophen und Dichter, ist auf das tagebuchartige Manuskript 'Vägmärken' (Wegzeichen) zurückzuführen, das er hinterließ.
Weitere Infos & Material
Einführung Weiterführende Literaturhinweise zu Dag Hammarskjöld Zu Textgestaltung und Kommentierung 1925-1930 1941-1942 1945-1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 Anmerkungen Lebensdaten
Einführung
Wer sich in unwegsamem Gelände bewegt, ist dankbar für jede Art von Orientierung, die ihm Pfeile und Hinweise am Straßenrand, an Bäumen oder auf Steinen geben. Diese Zeichen, von »Vorgängern« hinterlassen, geben Gelegenheit, kurz innezuhalten, sie geben Bestätigung für den zurückgelegten und Zuversicht für den künftigen Weg. Gerade für einen Wanderer, der sich in der Landschaft des nördlichen Schwedens mit ihrer beeindruckenden Weite und herben Schönheit bewegt, sind solche Zeichen am Weg oftmals unverzichtbar, um nicht vom Ziel abzukommen, von der Nacht überrascht oder von einem Unwetter heimgesucht zu werden. Dag Hammarskjöld liebte ausgedehnte Wanderungen durch den Norden seines Heimatlandes und gab diese Gewohnheit auch nicht auf, als er 1953 zum zweiten Generalsekretär der Vereinten Nationen gewählt wurde. Es liegt nahe, den Titel, den er seinem Tagebuch gab, »Vägmärken« – Zeichen am Weg, mit der beschriebenen Erfahrung des Wanderers zu verbinden. I.
Schon ein erstes Durchblättern des Tagebuchs zeigt die Vielschichtigkeit der Notizen: Es finden sich Aphorismen, Naturimpressionen, literarische Zitate und Anspielungen, Gebete oder Gedichte. Diktion, Wortwahl und Bildsprache erinnern teils an zeitgenössische literarische Werke, wie etwa die von Hammarskjöld ins Schwedische übersetzten Texte Djuna Barnes’ und Saint-John Perses. Zudem zeigt sich Hammarskjöld beeinflusst von schwedischen Autoren wie Vilhelm Ekelund, Karin Boye, Hjalmar Gullberg, Bertil Ekman oder Gunnar Ekelöf, die teils durch Zitate im Tagebuch vertreten sind. Eine Vielzahl von biographischen, geistigen, philosophischen und literarischen Einflüssen bilden das Material der Zeichen am Weg. Die Eintragungen sind weder kontinuierlich noch in regelmäßigem Abstand oder Umfang vorgenommen worden. Unzweifelhaft ist das Tagebuch dagegen »redigiert« worden, was schon durch das auf der ersten Seite notierte Motto kenntlich gemacht wird: »Nur die Hand, die ausstreicht, kann das Rechte schreiben.« Gleichwohl ist das Tagebuch zunächst nicht mit der festen Absicht einer späteren Veröffentlichung begonnen worden. So schreibt Hammarskjöld selbst in einer Eintragung aus dem Jahr 1956: »Diese Aufzeichnungen –? Sie waren Wegzeichen, aufgerichtet, als du an einen Punkt kamst, wo du sie brauchtest, einen festen Punkt, der nicht verloren gehen durfte. Und das sind sie geblieben. Aber dein Leben hat sich verändert, und du rechnest nun mit möglichen Lesern. Vielleicht wünschst du dir sie sogar! Für manchen könnte es doch von Bedeutung sein, einen Schicksalsweg zu verfolgen, über den der Lebende nicht sprechen mochte.« II.
Das Tagebuch selbst setzt dabei erst mit einer Jahresangabe 1925 bis 1930 an; die früheste Eintragung stammt mithin aus dem zwanzigsten Lebensjahr Hammarskjölds. Geboren wurde Dag Hammarskjöld am 29. Juli 1905 in Jönköping in Mittelschweden als vierter Sohn von Hjalmar und Agnes Hammarskjöld. Die Hammarskjölds waren zu dieser Zeit als Adelsfamilie mit einer langen Tradition als Diener und Beamte des Staates bekannt. Ihr Name geht auf den Beginn des 17. Jahrhunderts zurück, in dem König Karl IX. einen seiner Soldaten, Peder Michilsson, ob seiner hervorragenden militärischen Leistungen adelte. Der Name erinnert unmittelbar an diesen Ursprung, schließlich setzt er sich aus »Hammer« und »Schild« zusammen. Seitdem arbeiteten die Hammarskjölds in unterschiedlicher Funktion im Dienst des schwedischen Staates. Dies gilt auch für Hjalmar Hammarskjöld, der im Jahre 1907 zum Gouverneur der Provinz Uppland ernannt wurde. Die Familie samt des zweijährigen Dag zog von Jönköping in das Schloss des Gouverneurs nach Uppsala, den eigentlichen Ort von Kindheit und Jugend Dag Hammarskjölds. Der Vater wird 1914 zu Beginn des Ersten Weltkrieges vom König per Dekret zum schwedischen Ministerpräsidenten ernannt, der zugleich die Aufgaben des Verteidigungsministers übernimmt. Nur drei Jahre später muss er nach massiven Anfeindungen aus der Bevölkerung zurücktreten. Weil er kriegsbedingt Lebensmittelrationierungen einführte, erhielt er den Spitznamen »Hungerskjöld«. In seiner Amtszeit verfolgte Hjalmar Hammarskjöld einen Kurs strikter außenpolitischer Neutralität. Dabei konnte er auf eigene Erfahrungen auf dem Gebiet der Diplomatie und des Völkerrechts zurückgreifen. Er hatte sein Land bereits bei einer Vielzahl von Konferenzen und Vermittlungsmissionen vertreten. Zudem engagierte er sich in einer Reihe von Fällen in internationalen Schiedsgerichten und war Delegierter bei der Zweiten Friedenskonferenz 1907 in Den Haag. Mit Gründung des Völkerbundes übernahm er leitende Funktionen in Fragen der Kodifizierung internationalen Rechts und der Abrüstung. Abseits der außen- und innenpolitischen Aktivitäten fand Hjalmar Hammarskjöld aber auch noch Zeit für eine Vielzahl weiterer Interessen. So wurde er Mitglied der Schwedischen Akademie, die den Literaturnobelpreis verleiht. Sein literarisches Interesse schlug sich in zahlreichen Übersetzungen spanischer, portugiesischer oder südamerikanischer Volkslieder ins Schwedische nieder. III.
Der Lebensweg Dag Hammarskjölds ist zu Beginn des Tagebuchs allerdings noch offen. 1923 hatte er in Uppsala sein Abitur mit sehr guten Noten abgeschlossen und das Studium der Fächer Nationalökonomie, Philosophie und Französisch aufgenommen, später folgt noch die Rechtswissenschaft. Die ersten Eintragungen des Tagebuchs haben einen fragenden, suchenden Charakter nach dem Ziel des Lebensweges, den persönlichen Talenten und Schwächen. Das Jahr 1930 markiert dann in mehrfacher Hinsicht einen Einschnitt: Mit der Übernahme des Generalsekretärpostens der Nobelstiftung durch Hjalmar Hammarskjöld zieht die Familie nach Stockholm. Dag wechselt die Universität und lernt dort eine Reihe führender Ökonomen und Philosophen Schwedens kennen. Kaum hat er den Titel eines Bachelor of Laws erlangt, wird er ebenfalls 1930 in eine Regierungskommission zur Überwindung der Arbeitslosigkeit berufen, der er bis 1934 angehörte. Das Tagebuch schweigt in dem arbeitsreichen Jahrzehnt zwischen 1930 und 1940. Seine in dieser Zeit erarbeitete Dissertation über die Zyklen der Konjunkturausbreitung ging in den Abschlussbericht der Kommission ein. Zusammen mit seinem Bruder Bo gehört Dag zu einer Gruppe von Leuten, die er teils als Lehrer, teils als Mitstudierende kennt und die wichtige Weichenstellungen des schwedischen Sozialstaates vornehmen. Sowohl auf sozialdemokratischer wie auf konservativer Seite wird der parteilose Fachmann geschätzt und 1935 zum Sekretär der Reichsbank berufen: Kurze Zeit später folgt die Ernennung zum Staatssekretär im Finanzministerium, wo er bis 1945 arbeitet. Die durchaus umstrittene Doppelfunktion sowohl in der Reichsbank als auch im Finanzministerium rechtfertigt er durch den Verweis auf die parteipolitische Unabhängigkeit und die ausschließliche Gemeinwohlverpflichtung seiner Beamtentätigkeit. Es ist eine Ethik öffentlichen Handelns, die hier heranreift und deren Grundlage ein kompromissloses, in kontinuierlicher Selbstprüfung zu bewahrendes Verantwortungs- und Loyalitätsgefühl ist. IV.
Auf dem äußeren Lebensweg Dag Hammarskjölds zeichnet sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine Wendung ab. Seine Tätigkeit in der Finanzpolitik bekommt eine immer deutlichere »internationale« Komponente. Ging es im Krieg noch um die unter Neutralitätsbedingungen zu organisierenden wirtschaftlichen Beziehungen etwa zum norwegischen Nachbarn, so geht es nach dem Krieg um Modalitäten für Kreditzahlungen und Reparationen sowie wirtschaftlichen Wiederaufbau. In all diesen Fragen wurde Hammarskjöld zur zentralen Figur in Schweden. Die Regierung ernannte ihn 1945 zum Ständigen Berater in internationalen Finanz- und Wirtschaftsfragen. Dem folgten der Wechsel ins Auswärtige Amt und diverse Konferenzerfahrungen (etwa im Zusammenhang des Marshallplans) – aber auch das absehbare Ende seiner Karriereleiter als parteipolitisch nicht gebundener Beamter. Während der 6. Tagung der UNO-Generalversammlung 1951 / 52 ist Hammarskjöld stellvertretender Leiter der schwedischen Delegation und in der darauf folgenden Sitzungsperiode Leiter der Delegation in New York. Zu Beginn des Jahres 1953 geraten dort die Verhandlungen über die Neubesetzung des Amtes des UNO-Generalsekretärs im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in eine Sackgasse. Mehrere Kandidaten werden entlang der Konfliktlinien des Kalten Krieges abgelehnt und blockiert. Eine Einigung scheint kaum möglich. Dass der Name des als Wirtschaftsfachmann und Technokrat geltenden Schweden in dieser Situation aufkommt, ist neben der Tatsache, dass er in Diplomatenkreisen nicht unbekannt war, vor allem der Tatsache geschuldet, dass er aus einem »neutralen« Land kam. Ein guter Bekannter Hammarskjölds, der Maler Bo Beskow, spricht wenige Tage zuvor bei einer Porträtsitzung mit ihm über die Nachfolgefrage in New York. Auf die spontane Nachfrage Beskows, wie es denn mit Hammarskjöld selbst sei, antwortete dieser: »Niemand ist so verrückt, mich vorzuschlagen, und ich wäre verrückt, wenn ich annehmen würde.« Die Anfragen mehrerer Journalisten, die ihn am 1. April erreichten, hielt er zunächst für einen Scherz. Nur neun Tage danach leistete er vor der Generalversammlung der Weltorganisation seinen Amtseid: »Ich, Dag Hammarskjöld, schwöre feierlich die Funktionen, die mir als Generalsekretär der Vereinten Nationen...