Harders | Kleopatra | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

Reihe: C. H. Beck Wissen

Harders Kleopatra

Ägyptens letzte Königin
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-406-82947-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ägyptens letzte Königin

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

Reihe: C. H. Beck Wissen

ISBN: 978-3-406-82947-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit nur 18 Jahren wurde sie zur Herrscherin über das letzte griechische Großreich in Ägypten. Prunk, Pracht und Spektakel waren bei ihr Teil einer geschickten Machtpolitik, durch die sie selbst die größten römischen Feldherren beeindruckte. Wie keine andere Frauengestalt der Antike übt Kleopatra VII. bis heute eine große Faszination aus, nicht zuletzt durch ihren legendenumwitterten Selbstmord. Dieser Band bietet einen neuen Blick auf die «orientalische» Verführerin jenseits der vor allem männlichen Zuschreibungen und Klischees.

Ann-Cathrin Harders ist in der Abteilung Geschichtswissenschaft an der Universität Bielefeld tätig und vertritt dort in der Lehre ihre Forschungsschwerpunkte Römische Republik und frühe Kaiserzeit, das hellenistische Königtum, Gender Studies sowie Familie und Verwandtschaft in der Antike.
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I. Die Nase! Die Perle! Die Schlange! – Kleopatra als Projektionsfläche


Hätten Sie sie ohne den Buchtitel erkannt?

Der Marmorkopf auf dem Umschlag ist heute in der Antikensammlung im Alten Museum in Berlin zu bewundern. Er stellt eine späthellenistische Königin aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. dar, wie man am breiten Diadem, der Stoffbinde, die um den Kopf geschlungen ist, erkennen kann. Dies ist die typische Insignie für die griechisch-makedonischen Könige und Königinnen, die in der Nachfolge Alexanders des Großen im östlichen Mittelmeerraum und Vorderen Orient seit dem späten 4. Jahrhundert v. Chr. herrschten. Das Material und die hochwertige Ausführung des Kopfes legen nahe, dass es sich um eine bedeutende Frau handeln muss. Sie trägt eine sehr modische «Melonenfrisur», bei der die Haare in je drei leicht gedrehten Strähnen nach hinten gefasst und in einem Nackenknoten zusammengebunden sind. Auf Haaren und Diadem fanden sich purpurne Farbreste, die wahrscheinlich als Grundierung für das Auftragen von Blattgold dienten. Das Diadem wurde vermutlich durch dünnes Goldblech betont. Die Königin hat ein ovales, gleichmäßig geformtes Gesicht, einen weichen Mund mit etwas vollerer Unterlippe, eine akzentuierte Kinnpartie sowie weit geöffnete, tiefliegende Augen, wie sie viele Mitglieder aus der ptolemäischen Dynastie aufweisen, die im hellenistischen Ägypten herrschte. Sie ist zudem nicht mehr die Jüngste, wie die etwas schütter werdenden Locken am Stirnansatz zeigen, sondern eine für die Antike reife Frau in ihren Dreißigern.

Es war ausgerechnet die Nase, lang und mit ausgeprägten Nasenflügeln, die den Archäologen Ludwig Curtius 1933 dazu brachte, eine Büste aus dem Vatikan mit Kleopatra VII. Philopator in Verbindung zu bringen. Erst 1978 wurde der Berliner Porträtkopf diesem Typus zugeordnet – beide Köpfe tragen keine Inschrift oder andere Marker, die eine Identifizierung ermöglicht hätten. Auch der antike Aufstellungskontext ist nicht bekannt, im Fall der Berliner Büste nicht einmal der Fundkontext. Ausgerechnet von der Frau, die die bedeutendsten Männer ihrer Zeit verführt haben soll, war bis ins 20. Jahrhundert nicht klar, wie sie eigentlich aussah – und auch Curtius’ These ist nach wie vor nicht unumstritten. Zwar ist Kleopatra auf Tempelwänden in Ägypten abgebildet (s. Abb. S. 63), aber nicht als Individuum, sondern den stilistischen Konventionen entsprechend in ihrer Rolle als Pharaonin. Bei dem Berliner Kopf wird zwar auch die Königswürde betont, jedoch erlaubt das hellenistische Marmorbildnis mehr Realismus als die ägyptische Darstellung. So konnte Curtius beide Köpfe mit Münzen, die Kleopatra in Alexandria prägen ließ, in Verbindung bringen. Auf diesen wird die Königin ebenfalls mit einer im Vergleich zu anderen Ptolemäerinnen etwas prominenteren Nase und Kinnpartie abgebildet.

«Die Nase der Kleopatra: wäre sie kürzer gewesen, hätte sich das ganze Gesicht der Erde verwandelt», urteilte der französische Philosoph Blaise Pascal im 17. Jahrhundert in seinem Werk Pensées («Gedanken»), um auf die Unwägbarkeiten von Entscheidungen und die vielen Zusammenhänge, in denen Menschen handeln, hinzuweisen. Das auf dem Buchcover präsentierte Exemplar in Marmor macht einen eher enttäuschenden Eindruck, sucht doch der moderne Betrachter nicht die Königin, sondern die berühmte Frau, die die Weltgeschichte prägte. Die Büste weckt nur mit viel Fantasie Assoziationen mit dem, was Kleopatra schon in der Antike legendär machte und ihre Bekanntheit bis heute begründet: weibliche Verführungskraft, königliche Extravaganz wie bei der Wette, in der Kleopatra eine kostbare Perle auflöste und trank (s.u.), und ihr dramatischer Selbstmord mit Schlangengift, der den Untergang zweier politischer Regime, der römischen Republik und der ptolemäischen Herrschaft in Ägypten, besiegelte. Im Gegensatz zu Nofretete, der anderen großen Königin aus Ägypten mit globalem Ruhm, gibt es von Kleopatra nicht das eine, alles überragende Bildnis aus der Antike, das die Vorstellungskraft beflügeln könnte. Was stattdessen von und über Kleopatra vorliegt, sind Bilder, die sich aus verschiedenen Narrativen speisen, die seit der Antike erzählt werden und sich überlappen, ergänzen, widersprechen und um Deutungshoheit streiten. Jede Epoche hat mindestens die eine Kleopatra, die sie braucht und die sie versteht.

Das theatralisch-spektakuläre Spiel mit Rollen war schon für die historische Kleopatra von Bedeutung, die je nach Situation Pharaonin, Königin, Bundesgenossin Roms, Feldherrin, Verwalterin, Göttin, Tochter, Mutter und Geliebte sein konnte und sein musste. Und auch ihre politischen Gegner entwarfen bestimmte Bilder von ihr: Als Herrscherin über das reichste Land am Mittelmeer geriet Kleopatra gleich zwei Mal in römische Machtkämpfe, zuerst zwischen Gaius Julius Caesar und Gnaeus Pompeius Magnus und später zwischen Caesars Erben, Marcus Antonius und Gaius Julius Caesar Octavianus, kurz Octavian. Dabei war sie nicht nur Beobachterin oder eine Verbündete unter vielen römischen Klientelkönigen, sondern mit Caesar und vor allem mit Antonius politisch, militärisch und persönlich eng verbunden – so eng, dass die Niederlage des römischen Generals auch zu ihrem Ende führte und die Perspektive der Sieger bis heute das Bild der Königin prägt.

Liebe, Macht und Tod sind die wirkmächtigen Topoi, die von den antiken Autoren benutzt werden, um Kleopatras Beziehung zu Caesar, Antonius und Octavian, dem späteren Augustus, zu beschreiben. So stellen die Dichter der Kaiserzeit wie Vergil, Horaz, Properz und Juvenal in beeindruckenden Versen die Königin als verderbenbringendes Monstrum dar, das sich anschickt, römische Männer und römische Freiheit zu verschlingen. Der Senator und Historiker Cassius Dio zieht Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. über das durchaus facettenreiche Leben der Königin ein prosaisches Resümee: «Sie fesselte die zwei größten Römer ihrer Zeit und nahm sich wegen des dritten das Leben» (51,15,4; Übers. O. Veh). Kleopatra wird in erster Linie als Verführerin verstanden – aus römischer Sicht ist das kein Kompliment und politisch problematisch, aber eben auch sehr eingängig.

Das für die Nachwelt wirkungsmächtigste Narrativ über Kleopatra hat ein Grieche Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. vorgelegt, Plutarch von Chaironeia. Er schrieb eine Reihe von Doppelbiografien von Griechen und Römern und vergleicht in einem Fall Demetrios den Städtebelagerer, einen frühhellenistischen König, mit Marcus Antonius. Plutarch verfolgte moralisch-didaktische Ziele und beabsichtigte, seinen Lesern mit einem Negativbeispiel vor Augen zu führen, wie das Leben zweier großer Männer mit an sich lobenswerten charakterlichen Anlagen «durch Liebe und Trunk» (Demetrios 1) spektakulär aus der Bahn geraten kann. Kleopatra ist dabei so etwas wie Antonius’ böser Geist, der in sein Leben tritt, als er sich auf dem Höhepunkt seiner Macht befindet. Sie identifiziert die Schwächen des Römers, nutzt dies zum eigenen Vorteil aus und will ihn «unter ihr Joch beugen» (Antonius 25). Für die Eroberung des Mannes und damit Roms setzt sie ihren Reichtum ein, lockt mit der Pracht ihres Lebensstils und dem «Zauber ihrer Person» – ob er Kleopatra tatsächlich magische Kräfte zuschreibt, lässt der Autor offen.

Im Zentrum steht bei Plutarch Antonius, seine Stärken und vor allem seine Schwächen. Kleopatra wird nicht als autonome Figur behandelt, sondern in Bezug zum strauchelnden Helden gesetzt und als Katalysator für den politisch-moralischen Verfall eines eigentlich guten Mannes dargestellt. Der Autor zeigt sich aber zunehmend fasziniert von der Königin und gibt ihr im Lauf der Biografie immer mehr Raum. Plutarchs Interesse für die Persönlichkeit seiner Protagonisten ist der Grund, warum wir viele der unglaublichen Anekdoten über die Königin, ihre Auftritte, ihre Bonmots und Details über ihr Leben am Hof kennen. Als Gewährsmann für sein Wissen verweist der Biograf auf seinen Großvater Lamprias, der einen Arzt gekannt habe, der wiederum als junger Mann während seines Studiums in Alexandria mit dem Koch der Königin gut befreundet gewesen sei. Für ein modernes Publikum mag eine solche Quelle weit hergeholt sein, aus antiker Sicht war Plutarch hingegen nah am Geschehen und sehr gut informiert. Seine Kleopatra ist so prachtliebend wie klug und erweist sich als komplexer Charakter, an deren Untergang der Autor zunehmend Anteil nimmt....


Ann-Cathrin Harders ist in der Abteilung Geschichtswissenschaft an der Universität Bielefeld tätig und vertritt dort in der Lehre ihre Forschungsschwerpunkte Römische Republik und frühe Kaiserzeit, das hellenistische Königtum, Gender Studies sowie Familie und Verwandtschaft in der Antike.



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