Hartmann | Wutbürger | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 376 Seiten

Reihe: Hildesheim-Krimi

Hartmann Wutbürger

E-Book, Deutsch, 376 Seiten

Reihe: Hildesheim-Krimi

ISBN: 978-3-8271-9656-9
Verlag: CW Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Tiefbauunternehmer Kellermann wird tot in seinem Büro aufgefunden. Das Team um Kommissarin Grundberg ermittelt zuerst in seinem privaten Umfeld, denn Kellermann wollte die Firma an seinen Sohn übergeben und zuvor noch einen letzten Auftrag abwickeln. Als Archäologen bei Grabungen einen aufsehenerregenden Fund ans Licht bringen, bahnt sich eine weitere Katastrophe an. Wütende Bürger rücken neben ehrgeizigen Politikern und rührigen Naturschützern in den Fokus der Ermittler … und plötzlich verschwindet auch noch Grundbergs Partner spurlos.
Hartmann Wutbürger jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


I
Germanien, im Jahr 9 nach Christus „Quinctilius Varus, gib die Legionen zurück!“ – Kaiser Augustus – Unruhig ging Thusnelda in ihrer Kammer auf und ab. Dabei bemühte sie sich, keinerlei Geräusche zu verursachen. Endlich war der restliche Schnee geschmolzen. Wie hatte sie diesen Tag herbeigesehnt. In den letzten beiden Wochen hatte sie so viel wie möglich vorbereitet. Korn und Mehl musste sie heimlich abzweigen. Anschließend hatte sie die Vorräte im Wald hinter den Kalköfen versteckt. Morgens zog sie gelegentlich Kleidungsstücke übereinander an, sodass sie die überflüssige Lage ebenfalls zur Seite legen konnte. Natürlich brauchte sie auch einige Münzen und vor allem eine Decke. Auf gar keinen Fall durfte sie ihren Schmuck zurücklassen. Schließlich konnte man nie wissen, wie es ihr ergehen würde, bei den Römern. Sie seufzte. Wie lange wollte Segestes, ihr Vater, heute noch am Feuer sitzen bleiben? Sicher, ihm ging es in erster Linie um die Sicherheit des Stammes und vor allem seiner Sippe. Deshalb hatte er den Vertrag mit den Römern abgeschlossen. Doch längst gab es Widerstand. Auch in den eigenen Reihen. Thusnelda biss sich auf die Lippen. Gemeinsam waren sie zum Markt gegangen, eine römische Neuerung, die Frieden schaffen sollte. Dort hatte sie ihn das erste Mal getroffen. Sie musste unwillkürlich lächeln. Damals schien alles so einfach. Und dann? Dann erfuhr ihr Vater davon. Segestes, war er inzwischen ein alter Mann? Zahnlos? Aus Bequemlichkeit friedlich? Oder aus Angst? Angst. Sie spürte, dass sie zitterte, obwohl es nicht so kalt war. Sie schlang ihre Arme um ihren Körper. Sie musste unbedingt an etwas anderes denken. Erleichtert hörte sie, dass Segestes sich endlich zurückzog. Unbeweglich lauschte sie. Erst als kein Geräusch mehr zu hören war, weder im Haus noch aus dem Stall, schlüpfte sie hinaus. Obwohl es eine dunkle Nacht war, der Mond war nur als schmale Sichel am Himmel zu sehen, gewöhnten sich ihre Augen bald an die Dunkelheit. Ohne zu stürzen und ohne jemandem zu begegnen, erreichte sie ihr Versteck im Wald. Mit fliegenden Fingern zog sie ihre Vorräte hervor, wickelte alles zusammen und schnürte ein Bündel. Es war nicht weit bis zu der Quelle, an der Flavus auf sie warten würde, trotzdem beeilte sie sich. Tagsüber fiel es ihr nie schwer, sich in den dichten Wäldern zurechtzufinden, doch im Dunkeln erkannte sie nichts wieder, hoffte aber inständig, dass sie die Route zum Galgenberg wenigstens einigermaßen einhielt. Je länger sie lief, umso mehr begann sie, sich vor den Geräuschen um sie herum zu fürchten. Der harte Winter hatte einige Nächte zuvor einen einsamen Bären bis an ihr Dorf herangeführt. War er nun hinter ihr her? Sie lief noch schneller, stolperte über Wurzeln, riss sich die Hände an der scharfkantigen Rinde der Bäume auf und sah sich immer wieder ängstlich in alle Richtungen um. Ihr Bündel wog schwer und behinderte sie zusätzlich. Was war das? Welches Wesen gab solche Töne von sich? Beinahe hätte sie laut aufgelacht. Wasserrauschen. Das musste die Quelle sein. Sie war fast am Ziel. Ihr Atem ging immer noch schnell. Sie stützte sich an einem der Bäume ab und rang nach Luft. Um ihn nicht zu erschrecken, rief sie leise: „Flavus, bist du da?“ Sie fuhr herum, als es hinter ihr im Gebüsch raschelte. „So ist es, du kommst spät.“ Seine tiefe Stimme klang ärgerlich. „Mein Vater ist erst zu vorgerückter Stunde zu Bett gegangen.“ „Sei es wie es sei. Das lässt sich nun nicht mehr ändern, lass uns aufbrechen. Je eher wir das Sommerlager erreichen, umso besser.“ Thusnelda schluckte die scharfen Worte herunter, die ihr auf der Zunge lagen. Sie wusste, dass Flavus die Pläne seines Bruders missbilligte und auch ihr nicht unbedingt die größten Sympathien entgegenbrachte. Sie vertraute darauf, dass sich das nach der Hochzeit ändern würde. Thusnelda war im Morgengrauen aus ihrem Zelt getreten und schaute besorgt hinüber zum Quartier des Quinctilius Varus. Er galt als Freund ihres Vaters. Bisher war sie ihm geflissentlich aus dem Weg gegangen. Selbstverständlich wusste er trotzdem, dass sie sich im Lager aufhielt. Sie schürzte die Lippen. Natürlich waren Frauen und Kinder in einem römischen Soldatenlager eigentlich verboten, doch daran hielt sich niemand, jedenfalls nicht, wenn die Legionen so lange unterwegs waren wie diese. Und was die Barbaren taten, interessierte Varus sowieso nicht besonders, solange sie ihre Aufgaben ordentlich erledigten und er einen Erfolgsbericht nach dem anderen nach Rom schicken konnte. Heute würde Varus Gericht halten, während er für den morgigen Tag eine Besprechung mit befreundeten Stammesführern anberaumt hatte. Zu ihnen gehörte auch Segestes, auf seinen Rat gab der römische Heerführer viel, so hieß es jedenfalls. Thusnelda hörte Arminius’ Schritte hinter sich und gleich darauf seine Stimme: „Du brauchst dich nicht zu sorgen, dein Vater kann dir nichts anhaben. Diese Blöße wird er sich nicht geben.“ Thusnelda drehte sich zu ihrem Ehegatten um. „Und wenn er Varus überredet, gegen dich vorzugehen? Du weißt, dass er überall verbreiten lässt, du hättest mich entführt, gegen meinen Willen.“ „Segestes ist kein Narr. Er weiß sehr genau, dass zahlreiche Anführer unserer Stämme mich unterstützen. Ein paar hast du schon kennengelernt und sie dich. Meinst du ernsthaft, sie glauben noch an seine Version der Geschichte? Außerdem, mein Wort hat mindestens so viel Gewicht wie seines.“ „Warum kommt er ausgerechnet zu einem Gerichtstag?“ Arminius lachte rau. „Weil er die Macht liebt und weil Varus denkt, dass wir Germanen ihn lieben, da er für Gerechtigkeit sorgt. Seine Gerechtigkeit, pah.“ Sanft streichelte er über Thusneldas Bauch, der sich bereits deutlich wölbte. Dann schaute er quer durch das Lager zum Waldrand, wo die Pferde und Esel grasten. „Mein Onkel Inguiomer und mein Bruder Flavus werden heute ebenfalls eintreffen. Sie bringen Kunde von Ariowist, Ering und Guiskard.“ Er schloss Thusnelda in seine Arme. „Wenn alles gut geht, erfährt Varus bald davon, dass diese Familien sich gegen die Römer auflehnen, dass sie einen Überfall planen, und das wird ...“, er ballte die Faust, bevor er weitersprach, „... und das wird sein Ende sein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das kannst du nicht wissen. Schau dich um. Die Römer sind stark, ihre Waffen sind mächtig. Sie tragen Rüstungen, die ich nicht einmal anheben könnte. Du bist zu optimistisch. Euer Plan ist viel gefährlicher, als du dir selbst und den anderen weismachen willst.“ „Nein, du siehst zu schwarz. Schau dich doch um. Sieh dir die Männer genau an. Die kleinen, dünnen, das sind die Römer. Dazwischen die groß gewachsenen, kräftigeren, das sind unsere Leute. Sie überragen die meisten römischen Soldaten um einen ganzen Kopf und sie tragen die gleichen Waffen und ähnliche Rüstungen. Sie haben Erfahrungen im Kampf gesammelt, kennen die Tricks und Vorgehensweisen der Römer. Denkst du ernsthaft, wir haben umsonst in den pannonischen Provinzen mit den römischen Legionen gekämpft? Wir haben zugeschaut und gelernt. Glaub mir, meine Liebe, wir sind vorbereitet.“ „Das weiß ich doch alles.“ Sie breitete die Hände aus. „Aber trotzdem, es sind unzählige Menschen. Was meinst du, wie viele sind es insgesamt? Fünftausend oder sechs ...?“ Arminius schaute sie jetzt noch ernster an. „Drei Legionen und dazu noch die Reitereinheiten und sechs Kohorten, zwanzigtausend Mann kommen da sicher zusammen.“ Er schaute in den Himmel. „Die Kolonne zieht langsam voran, zuerst die Soldaten, gefolgt von Händlern, Sklaven, Frauen und Kindern. An vielen Stellen muss der Pfad verbreitert werden, damit auch die Wagen hindurchpassen. Zwei- oder dreitausend Schritte sind die Ersten und die Letzten auseinander. Rüstung und Marschgepäck lasten schwer auf den Legionären. Sie bewegen sich nicht schnell und an einem Tag auch nicht sehr weit.“ Sie klammerte sich an ihm fest. „Lasst ab von eurem Plan. Ihr könnt Varus nicht besiegen. Wie wollt ihr so einen langen Heereswurm angreifen? Wenn ihr an einer Stelle kämpft, folgen immer neue Römer nach. Das kann nicht gelingen.“ Sie spürte, dass ihr Herz stärker zu schlagen begann, es schien aus ihrer Brust springen zu wollen. Sie sah ein, dass die Cherusker sich nicht dem römischen Gesetz beugen und vor allem nicht die römischen Steuern zahlen wollten. Mit Schrecken dachte sie daran, dass sie vielleicht auch ihren Sohn schon früh ins ferne Rom schicken müsste. Als Zeichen ihrer Unterwerfung, damit er dort zum Kämpfer, zum Feldherrn ausgebildet werden konnte. So wie Segimer einst Flavus und Arminius übergeben musste. Die beiden waren noch so jung gewesen, dass sie sich nicht mehr an ihre eigentlichen Namen erinnerten. Sie fühlten sich als Flavus und als Arminius, obwohl die römischen Eroberer sie so genannt hatten. Thusnelda schloss die Augen. Ihren Sohn würde sie niemals weggeben. Arminius spürte wohl ihr Zittern, fasste sie an der Schulter und drehte sie zu sich herum. „Du kennst sie doch, unsere Wälder. Undurchdringlich. Überall lauern Sümpfe und Morast. Und wenn wir ihnen den Weg diktieren, wenn sie sich durchs Dickicht schlagen müssen, können wir sie gebührend empfangen.“ Thusnelda seufzte. Ums Kämpfen ging es ihm. Ums Siegen. Leise fragte sie: „Warum sollte Varus auf eure List hereinfallen? Warum sollte er das Risiko eingehen?“ Jetzt grinste Arminius breit. „Weil er Germanien unbedingt befrieden will. Und weil er mir vertraut. Er wird den Köder schlucken....


Sabine Hartmann wurde 1962 in Berlin geboren. Seit 1982 lebt sie in Sibbesse. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Nach vielen Jahren als freiberufliche Übersetzerin und Dozentin in der Erwachsenenbildung arbeitet sie heute als Schulleiterin in Alfeld. Als Tochter eines Polizisten interessierte sie sich schon früh für Detektivgeschichten und Krimis. So lag es nah, dass sie, als sie die Schreiblust packte, dieses Genre bevorzugte. Neben Krimis für Erwachsene schreibt sie auch für Kinder und Jugendliche. Im Regionalkrimibereich hat sie bisher im Leinebergland morden lassen. In Lesungen, Vorträgen und Schreibworkshops versucht sie, auch andere für Krimis zu interessieren. Für ihre Kurzkrimis, die in Anthologien und Zeitschriften erschienen sind, hat sie zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten. Sie ist Mitglied bei den Mörderischen Schwestern und im Syndikat.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.