Hauff / edition | Die Sängerin | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 80 Seiten

Hauff / edition Die Sängerin

Neu bearbeitete Ausgabe (Klassiker der ofd edition)
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7519-8504-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Neu bearbeitete Ausgabe (Klassiker der ofd edition)

E-Book, Deutsch, 80 Seiten

ISBN: 978-3-7519-8504-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In der Kriminalnovelle "Die Sängerin" von Wilhelm Hauff ermittelt der behandelnde Arzt wegen eines Mordanschlags auf eine junge Dame. Im Laufe der Erzählung tritt allerlei Sonderbares und Befremdliches zutage, bis es schließlich zu einer überraschenden Wendung kommt und das Verbrechen aufgeklärt wird. Wie bei allen in der Klassikerreihe der ofd edition veröffentlichten Werken wurde auch in Hauffs Erzählung die Rechtschreibung den aktuellen Regeln angepasst - die bessere Lesbarkeit erhöht den Genuss der Lektüre erheblich.

Wilhelm Hauff (1802-1827) war ein Schriftsteller der Romantik. Er wurde Stuttgart geboren und studierte in Tübingen Theologie, wandte sich aber bereits früh der Schriftstellerei zu. Zu Hauffs bekanntesten Werken zählt der historische Roman "Lichtenstein", daneben veröffentlichte er eine Reihe von Erzählungen und Satiren, bekannt sind auch seine zahlreichen Märchen, zu den bekanntesten zählen "Das kalte Herz" und "Die Geschichte vom kleinen Muck".

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Die Sängerin

„Das ist ein sonderbarer Vorfall“, sagte der Kommerzienrat Bolnau zu einem Bekannten, den er auf der Breiten Straße in B. traf; „gesteht selbst, wir leben in einer argen Zeit.“
„Ihr meint die Geschichte im Norden?“, entgegnete der Bekannte; „habt Ihr Handelsnachrichten, Kommerzienrat? Hat Euch der Minister der Auswärtigen aus alter Freundschaft etwas Näheres gesagt.“
„Ach, geht mir mit Politik und Staatspapieren; meinetwegen mag geschehen, was da will. Nein, ich meine die Geschichte mit der Bianetti.“
„Mit der Sängerin? Wie? Ist sie noch einmal engagiert? Man sagte ja, der Kapellmeister habe sich mit ihr überworfen –“
„Aber um Gottes willen“, rief der Kommerzienrat und blieb staunend stehen; „in welchen Spelunken treibt Ihr Euch umher, dass Ihr nicht wisst, was sich in der Stadt zuträgt? So wisst Ihr nicht, was der Bianetti arrivierte?“
„Kein Wort, auf Ehre; was ist es denn mit ihr?“
„Nun, es ist weiter nichts mit ihr, als dass sie heute Nacht totgestochen worden ist.“
Der Kommerzienrat galt unter seinen Bekannten für einen Spaßvogel, der, wenn er morgens von elf bis mittag seine Promenaden in der Breiten Straße machte, die Leute gerne aufhielt und ihnen irgendetwas aus dem Stegreif aufband. Der Bekannte war daher nicht sehr gerührt von dieser Schreckensnachricht, sondern antwortete: „Weiter wisst Ihr also heute nichts, Bolnau? Ihr müsst doch nachgerade mit Eurem Witz zu Rande sein, weil Ihr die Farben so stark auftragt. Wenn Ihr mich übrigens ein andermal wieder trefft in der Breiten Straße, so besinnt Euch auf etwas Vernünftigeres, sonst bin ich genötigt, einen Umweg zu machen, wenn ich von der Kanzlei nach Hause gehe.“
„Er glaubt’s wieder nicht!“, rief der Spaziergänger; „seht nur, er glaubt’s wieder nicht! Wenn ich gesagt hätte, der Kaiser von Marokko sei erstochen worden, so hättet Ihr die Nachricht mit Dank eingesteckt und weiter getragen, weil sich dort schon Ähnliches zugetragen hat. Aber wenn eine Sängerin hier in B. totgestochen wird, da will es keiner glauben, bis man den Leichenzug sieht. Aber Freundchen, diesmal ist’s wahr, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin.“
„Mensch! Bedenkt, was Ihr sagt!“, rief der Freund mit Entsetzen. „Tot sagtet Ihr? Die Bianetti totgestochen?“
„Tot war sie vor einer Stunde noch nicht, aber sie liegt in den letzten Zügen, so viel ist gewiss.“
„Aber sprecht doch um Himmels willen! Wie kann man denn eine Sängerin totstechen? Leben wir denn in Italien? Für was ist denn eine wohllöbliche Polizei da? Wie ging es denn zu? Totgestochen!“
„Schreit doch nicht so mörderlich!“ erwiderte Bolnau besänftigend; „die Leute fahren schon mit den Köpfen aus allen Fenstern und schauen nach dem Straßenlärm. Ihr könnt ja sotta voce1 jammern, soviel Ihr wollt. Wie es zuging? Ja, seht, da liegt es eben; das weiß bis jetzt kein Mensch. Gestern Nacht war das schöne Kind noch auf der Redoute, so liebenswürdig, so bezaubernd wie immer, und heute Nacht um zwölf Uhr wird der Medizinalrat Lange aus dem Bett geholt, Signora Bianetti liege am Sterben; sie habe eine Stichwunde im Herzen. Die ganze Stadt spricht schon davon, aber natürlich das tollste Zeug. Es sind allerdings fatale Umstände dabei, dass man nicht ins Reine kommen kann; so darf zum Beispiel niemand ins Haus als der Arzt und die Leute, die sie bedienen. Auch bei Hof weiß man es schon, und es kam ein Befehl, dass die Wache nicht am Haus vorbeiziehen dürfe; das ganze Bataillon musste den Umweg über den Markt nehmen.“
„Was Ihr sagt! Aber weiß man denn gar nicht, wie es zuging? Hat man denn gar keine Spur?“
„Es ist schwer, sich aus den verschiedenen Gerüchten auf das Wahre durchzuarbeiten. Die Bianetti, dass muss man ihr lassen, ist eine sehr anständige Person, der man auch nicht das Geringste nachsagen kann. Nun, wie aber die Leute sind, besonders die Frauen, wenn man da von dem ordentlichen Lebenswandel des armen Mädchens spricht, zuckt man die Achsel und will von ihrem früheren Leben allerlei wissen. Von ihrem frühern Leben! Sie hat kaum siebzehn Jahre und ist schon anderthalb Jahre hier. Was ist das für ein früheres Leben!“
„Haltet Euch nicht so lange beim Eingang auf“, unterbrach ihn der Bekannte, „sondern kommt auf das Thema. Weiß man nicht, wer sie erstochen hat?“
„Nun, das sage ich ja eben; da soll es nun wieder ein abgewiesener oder eifersüchtiger Liebhaber sein, der sie umbrachte. Sonderbar sind allerdings die Umstände. Sie soll gestern auf der Redoute mit einer Maske, die niemand kannte, ziemlich lange allein gesprochen haben. Sie ging bald nachher weg, und einige Leute wollten gesehen haben, dass dieselbe Maske zu ihr in den Wagen stieg. Weiter weiß niemand etwas Gewisses. Aber ich werde es bald erfahren, was an der Sache ist.“
„Ich weiß, Ihr habt so Eure eigenen Kanäle, und gewiss habt Ihr auch bei der Bianetti einen dienstbaren Geist. Es gibt Leute, die Euch die Stadtchronik nennen.“
„Zu viel Ehre, zu viel Ehre“, lachte der Kommerzienrat und schien sich ein wenig geschmeichelt zu fühlen. „Diesmal habe ich aber keinen anderen Spion als den Medizinalrat selbst. Ihr müsst bemerkt haben, dass ich, ganz gegen meine Gewohnheit, nicht die ganze Straße hinauf und hinab wandle, sondern mich immer zwischen der Karls- und Friedrichsstraße halte.“
„Wohl habe ich dies bemerkt, aber ich dachte, Ihr macht Fensterparade vor der Staatsrätin Baruch.“
„Geht mir mit Baruch! Wir haben seit drei Tagen gebrochen, meine Frau sah das Verhältnis nicht gerne, weil jene so hoch spielt. Nein, der Medizinalrat Lange kommt alle Tage um zwölf Uhr durch die Breite Straße, um ins Schloss zu gehen, und ich stehe hier auf dem Anstand, um ihn sogleich aufs Korn zu nehmen, wenn er um die Ecke kommt.“
„Da bleibe ich bei Euch“, sprach der Freund, „die Geschichte der Bianetti muss ich genauer hören. Ihr erlaubt es doch, Bolnau?“
„Wertester, geniert Euch ganz und gar nicht“, entgegnete jener; „ich weiß, Ihr speist um zwölf Uhr, lasst doch die Suppe nicht kalt werden. Überdies könnte Lange vor Euch nicht mit der Sprache recht heraus wollen; kommt lieber nach Tisch ins Kaffeehaus, dort sollt Ihr alles hören. – Macht übrigens, dass Ihr fortkommt, dort biegt er schon um die Ecke.“
„Ich halte die Wunde nicht für absolut tödlich“, sprach der Medizinalrat Lange nach den ersten Begrüßungen; „der Stoß scheint nicht sicher geführt worden zu sein. Sie ist schon wieder ganz bei Besinnung und, die Schwäche abgerechnet, die der große Blutverlust verursachte, ist in diesem Augenblick wenigstens keine Spur von Gefahr.“
„Das freut mich“, erwiderte der Kommerzienrat und schob vertraulich seinen Arm in den des Doktors; „ich begleite Ihn noch die paar Straßen bis ans Schloss; aber sag’ Er mir doch um Himmels willen etwas Näheres über diese Geschichte; man kann ja gar nicht ins Klare kommen, wie sich alles zugetragen.“
„Ich kann Ihm schwören“, antwortete jener, „es liegt ein furchtbares Dunkel über der Sache. Ich war kaum eingeschlafen, so weckt mich mein Johann mit der Nachricht, man verlange mich zu einem sehr gefährlichen Kranken. Ich warf mich in die Kleider, renne hinaus, im Vorsaal steht ein Mädchen, bleich und zitternd, und flüstert so leise, dass ich es kaum hörte, ich solle meinen Verbandzeug zu mir stecken. Schon das fällt mir auf; ich werfe mich in den Wagen, lasse die bleiche Mamsell auf den Bock bei Johann sitzen, dass sie den Weg zeige, und fort geht es bis in den Lindenhof. Ich steige vor einem kleinen Haus ab und frage die Mamsell, wer denn der Kranke sei?“
„Ich kann mir denken, wie Er staunte –“
„Wie ich staunte, als ich hörte, es ist Signora Bianetti! Ich kannte sie zwar nur vom Theater, hatte sie sonst kaum zwei-, dreimal gesehen, aber die geheimnisvolle Art, wie ich zu ihr gerufen wurde, das Verbandzeug, das ich zu mir stecken sollte, ich gestehe Ihm, ich war sehr gespannt, was der Sängerin zugestoßen sein sollte. Es ging eine kurze Treppe hinan, eine schmale Hausflur entlang. Das Mädchen ging voran, ließ mich einige Augenblicke im Dunkeln warten und kam mir dann schluchzend und noch bleicher als zuvor entgegen. ‚Treten Sie ein, Herr Doktor‘, sagte sie, ‚ach! Sie werden zu spät kommen, sie wird’s nicht überleben.‘ Ich trat ein, es war ein schrecklicher Anblick.“
Der Medizinalrat schwieg, sinnend und düster, es schien sich ein Bild vor seine Seele zu drängen, das er umsonst abzuwehren suchte. „Nun, was sah Er?“, rief sein Begleiter, ungeduldig über diese Unterbrechung; „Er wird mich doch nicht so zwischen Tür und Angel stehen lassen wollen?“
„Es ist mir manches in meinem Leben begegnet“, fuhr der Doktor fort, nachdem er sich gesammelt hatte, „manches, wovor mir graute, manches, das mich erschreckte, aber nichts, was mir das Herz so in der Brust umdrehte wie dieser Anblick. In einem matt erleuchteten Zimmer lag ein bleiches, junges Weib auf dem Sofa, vor ihr kniete eine alte Magd und presste ihr ein Tuch auf das Herz. Ich trat näher; weiß und starr wie eine Büste lag der Kopf der Sterbenden zurück, die schwarzen, herabfallenden Haare, die dunkeln Braunen und Wimpern der...



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