Hax-Schoppenhorst / Herrmann | Treue und Vertrauen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Hax-Schoppenhorst / Herrmann Treue und Vertrauen

Handbuch für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe

E-Book, Deutsch, 464 Seiten

ISBN: 978-3-456-76009-4
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Treue und Vertrauen sind Tugenden oder Ressourcen, ohne die zwischenmenschliches Leben und eine bedürfnisgerechte Behandlung und Pflege nicht möglich sind. Die Haltung der Treue ist zentral für das Verhältnis eines Menschen zu sich selbst und der Wahrheit. Treue ist lebenswichtig für die Gesellschaft im Sinne von Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Vertrauen ist eine Erfahrung, die es Menschen erlaubt, sich auf Unsicherheit und Ungewissheit einzulassen. Wenn auch Vertrauen ein riskantes Gefühl ist, so ist es auch ein sozialer Kitt und Klebstoff, der uns zu sozialen Wesen macht und verbindet und zur ‚Software ethischen Verhaltens' gehört. Obwohl es sich um zentrale Kategorien handelt, sind Treue und Vertrauen bislang in ihrer Bedeutung noch nicht ausreichend beschrieben, begriffen und mit Blick auf die Praxis reflektiert worden. Erörtert man dabei auch Synonyme wie Liebe, Loyalität, Solidarität und Verbundenheit, dann ergeben sich daraus viele für das Gesundheitswesen essenzielle Handlungsfelder. In seinen drei Teilen bietet das interdisziplinäre Handbuch Menschen, die Gesundheitsberufen tätig sind, grundlegende Informationen, Konzepte sowie Empfehlungen und bezieht dabei aktuelle gesellschaftliche Diskussionen sowie Fragen der persönlichen Lebensgestaltung mit ein. Somit passt es in eine komplizierte Zeit, die vielfach von Verunsicherung und Ungewissheit geprägt ist, da es angemessen provoziert, mahnt, aber auch Mut macht, anregt und Lösungen beschreibt. Treue und Vertrauen zwischen Einzelnen, Gruppen und innerhalb von Gesellschaften sind wie Wasser: im Idealfall überall, alles durchdringend, Leben nährend. Wie eine Landschaft ohne Wasser zur Wüste wird, vertrocknet auch Zwischenmenschliches und verdorren Lebensgemeinschaften aller Art. Treue und Vertrauen sind der Kitt, der Kontinente, Länder, Gesellschaften und Gemeinschaften jeder Art -zusammenhalten könnte - würde man sich die Mühe machen, sie auch wirklich breitbandig zu leben. Was geschieht, wenn diese beiden Essenzen vernachlässigt werden, wird an den verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zerfallserscheinungen der letzten Jahre und Jahrzehnte mehr als deutlich.
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Pflegende

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1 Everlasting Love? Treue – Auslaufmodell oder Relaunch?
Martin Hecht 1.1 Einleitung
In Zeiten einer sich immer hektischer wandelnden Multioptionsgesellschaft gerät die Treue ins Hintertreffen. Egal, ob zum Ehepartner, zu den Freunden oder zum Fußballverein. Switchen, hoppen, weiterziehen. Wir alle sind, im Vergleich zu unseren Vorfahren, ziemlich treulose Tomaten geworden. Treue ist eine alte, manche sagen veraltete und scheinbar aussterbende Tugend. Aber hat sie in Zeiten von Unsicherheit und Überforderung nicht auch ihre geheimen Vorzüge? Worin bestehen sie? Nimmt sie uns alle am Ende vor uns selbst in Schutz – und ist vielleicht nicht schon bald die Tradition der neue Fortschritt? Treue – worin liegen ihre Chancen und Risiken, und was ist sie uns noch wert?   Wer in Frankfurt am Main den „Eisernen Steg“ oder in Köln die Deutzer Brücke (Abb. 1-1) überqueren möchte, begegnet dort einem Phänomen, das es seit Jahren auch auf vielen anderen Brücken dieser Welt gibt: Tausende Vorhängeschlösser am Geländer, in das Metall eingraviert die Namen zweier Liebenden. So viele hängen am „Eisernen Steg“, dass die Stadt Frankfurt 2016 schon mit der Flex anrücken musste. Durch die Verwitterung war es zur Korrosion der Stützstangen gekommen. In Paris kennt man dasselbe Problem, hier ist das Geländer des Pont des Arts vor ein paar Jahren unter der Last der Liebesschlösser buchstäblich in die Knie gegangen – und zusammengebrochen. Abbildung 1-1: Treueversprechen an der Deutzer Brücke, Köln (© Foto: Thomas Hax-Schoppenhorst) Auf dem Grund der Seine, des Mains oder des Rheins, die unter diesen Brücken fließen, dürften genauso viele Schlüssel liegen, wie oben an der Brücke Schlösser festgemacht sind. Denn das Ritual sieht vor, dass man nach dem Treueschwur das Schloss feierlich verschließt und den Schlüssel, womöglich rückwärts über die Schulter, ins Wasser wirft, auf dass ihn niemand je wiederfinden kann. Und damit ist eines so sicher wie das Amen in der Kirche: Das Schloss bleibt verschlossen. Es sei denn, die Stadtverwaltung rückt an. In alle Ewigkeit. Und genauso lange soll auch die Liebe halten. Wenn man über solch eine Brücke geht, kann man sich fragen: Wie viele dieser Beziehungen, die da beschworen wurden, sind wohl heute noch lebendig? Wie viele sind trotz Vorhängeschloss längst Vergangenheit, aufgelöst in Schmerzen der Trauer und Wut oder vielleicht auch ausnahmsweise einmal in beiderseitigem Einvernehmen? Wie viele dieser „auf ewig geschlossenen“ Beziehungen halten bis heute? Und wie viele davon halten gar länger, egal, wie lange, einen Tag oder zehn Jahre, weil es diese Schlösser gibt? Wie viel mehr an Bindekraft vermag ein Ritual, ein Schwur verleihen, wie sehr vermag er die normale Haltbarkeit menschlicher Liebesbeziehungen verlängern? Ganz ähnlich sieht es aus, wenn man die Praxis von immer mehr eher jüngeren Menschen in den Blick nimmt, die sich den Namen ihrer Liebsten als Treue-Tattoo unter Schmerzen irgendwo auf die Haut stechen lassen. Unauslöschlich und in alle Ewigkeit. Es ist genauso der Wunsch nach Unverbrüchlichkeit, Beständigkeit und Dauer, der diese Praktik regiert. 1.2 Treue als Tugend
Was ist also Treue? Ein Impuls? Eine Haltung? Eine Sehnsucht? Eine Weltanschauung gar? Treue klingt nach bedingungslosem Zusammenhalt, auf Biegen und Brechen, auf Leben und Tod. Nach Gehorsam, Militär oder wahlweise Fußballverein. Aber auch nach Größe und Edelmut. Wir alle haben mit ihr unsere Erfahrungen gemacht. Erfahrungen, in denen wir treu waren oder untreu, Erfahrungen, in denen andere uns treu waren – oder eben nicht. Das Konzept der Treue folgt der Idee, einen gefühlten Idealzustand in einer Beziehung verewigen zu wollen. In der Treue liegt der Wunsch nach emotionaler unbedingter Verlässlichkeit, Verbindlichkeit in einer Beziehung. Irgendwie etwas sehr Altes. Aber auch Unscharfes, Schillerndes, Ambivalentes, etwas Faszinierendes und gleichzeitig, zumindest ab einem gewissen Punkt, Unfreies, Befremdliches. Treue ist eine Tugend. Philosophisch gesehen gehört sie nicht zu den sogenannten Kardinaltugenden – Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Auch nicht zu den christlichen Tugenden, nämlich Glaube, Liebe, Hoffnung. Sie taucht erst bei den sogenannten Rittertugenden auf. Ist sie ein Wert an sich? Oder nur eine „Sekundärtugend“? Man kann sagen, Treue ist eine Art Ableitung der Liebe. Andererseits, wenn man wirklich liebt, muss man eigentlich gar nicht treu sein, oder? Denn wo echte Liebe waltet, braucht es keine Treue mehr. Sie ergibt sich von selbst, könnte man einwenden. Oder doch nicht? Die Liebe, zu jeder Zeit, sie soll immer währen. Aber heute scheint der Wunsch nach dieser Ewigkeit größer zu sein denn je. Wohl weil uns auch schon in ihrem Anfangszauber klar ist, wie zerbrechlich menschliche Beziehungen in einer Zeit geworden sind, in der Flexibilität, Mobilität unsere Welt und auch unser Beziehungsleben prägen, ja generell „Veränderungsakzeptanz“ zu einem unumstößlichen Wert geworden ist – und gleichzeitig Abschied, Trennung und Beziehungsbruch, neue Isolation und Einsamkeit zu immer häufiger wiederkehrenden Realerfahrungen zählen. Nie war das Leben so ungewiss wie heute – und nie die Liebe. Aber es sträubt sich da scheinbar etwas in uns – und wir wollen dem Vorschub leisten, den „Bestand sichern“ und wappnen uns mit Symbolen, Ritualen und Treueschwüren gegen den immer schnelleren Wandel, der alles mitzureißen droht. Die Liebesschlösser am Brückengeländer sind gewissermaßen wie eine Gegenbewegung zu all den Shorttime-Dating-Beziehungen aus dem Internet, wo man sich einfach wegwischt und zum nächsten Partner wechselt, wenn man den alten satthat. Man will der Bewegung etwas entgegensetzen, was bleibt. Der Journalist Markus Spieker hat zur Treue ein Buch geschrieben, „Mono. Die Lust auf Treue“ (2011). „Es gibt Zeiten“, so behauptet er, „wo durch Wohlstand, durch eine bestimmte Bildung vielleicht das Expressive, das Gefühlige ganz wichtig ist und jeder dann sein Ding macht, gerne experimentiert. Und es gibt wieder Zeiten, wo man enger zusammendrückt, mehr kuscheln will. Und ich glaube, in so eine Zeit gehen wir jetzt“ (Spieker, zit. in Hecht, 2019, S. 5). Ist das wirklich so? 1.3 Einmal Freunde, immer Freunde? Treue als Beziehungskitt
Bei der Treue denkt man vor allem an die Ehe. Treue zwischen Ehepartnern, Vorhängeschlösser, die zwei dicke platonische Freunde an einem Brückengeländer anbringen – sie gibt es so gut wie nicht. Dennoch ist die Treue als psychologischer Beziehungsverstärker nur auf den ersten Blick den Liebespaaren dieser Welt vorbehalten. Im Grunde waltet sie in allen menschlichen Beziehungen, die eine gewisse Nähe und Intensität aufweisen – auch in der Freundschaft. Was es dort allerdings kaum gibt, ist das Äquivalent eines Treueversprechens, das da lautet, „bis dass der Tod euch scheidet“. Mag sein, dass es in alten Western die Blutsbrüderschaft – etwa zwischen Old Shatterhand und Winnetou – gibt, die da ganz ähnlich beschworen wird. Und im Kindesalter gibt es Banden, in denen man erst per Ritual aufgenommen wird und dann schwören muss, die „Schwarze Hand“ nie zu verlassen – oder gar zur Konkurrenz aus der Nachbarstraße überzulaufen. Dennoch, unter Freunden thematisiert man so gut wie nie die Treue – oder drückt sie gar durch ein feierliches Ritual aus. Sie verbindet zwei meist unausgesprochen – ohne Gelöbnis. Bemerkbar macht sie sich aber dennoch. Und zwar jedes Mal, wenn wir einem Freund die Stange auch dann noch halten, wenn er etwas getan hat, was wir eigentlich missbilligen. Wir tun das, weil das alte Wohlwollen ihr oder ihm gegenüber die Entgleisung, die sie oder er sich da geleistet hat, aufwiegt: Wir nehmen sie ihr/ihm nicht übel (oder zumindest nicht so sehr), weil viel mehr Grund und Boden da ist, auf dem diese Freundschaft steht, als dass sie von einer Irritation weggespült werden könnte: Treue ist ein Bestandteil der Beziehungskonstruktion, die gewährleistet, dass eine Freundschaft über eine Meinungsverschiedenheit oder einen handfesten Konflikt hinaus Bestand hat – als solche ist sie immer schon in eine Freundschaft eingebaut. Wer genau hinsieht, erkennt Treue aber auch schon in der Routine. Ich muss nicht mehr jedes Mal prüfen, ob ich jemandem, der mein Freund ist, vertraue, ob ich die Zeit mit ihm gerne verbringe – das ist alles geklärt, aufgehoben im Treuegefühl. Treue spart Zeit und lässt Freunde schneller zum Wesentlichen kommen: dem Spaß am Zusammensein, der Freude am gegenseitigen Verständnis und Teilnehmen am Leben des anderen. 1.4 Treue zwischen Pflicht und Zwang
Eines der ersten Merkmale moderner Beziehungen, egal, ob Partnerschaft oder Freundschaft, ist die Freiwilligkeit, auf der sie gründen. Im Unterschied zu Blutsverwandtschaften gehen wir sie freiwillig ein – Goethes Begriff der Wahlverwandtschaft trifft dies gut. Die Psychologin Monika Keller (1996) hat in ihren Untersuchungen zur Freundschaft jedoch immer wieder den Gedanken umkreist, dass auch in Freundschaften über kurz oder lang Pflichten einziehen – man „sollte“ mal wieder. Wie in der Verwandtschaft, wo man auch nicht unbedingt „will“,...


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