Heeg | Mädchen und Gewalt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten, eBook

Heeg Mädchen und Gewalt

Bedeutungen physischer Gewaltausübung für weibliche Jugendliche
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-531-91853-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Bedeutungen physischer Gewaltausübung für weibliche Jugendliche

E-Book, Deutsch, 320 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-531-91853-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Anhand ausführlicher Fallstudien arbeitet die Autorin unterschiedliche Bedeutungen physischer Gewaltausübung für weibliche Jugendliche heraus. Dabei werden zwei Gruppen unterschieden. Manche Mädchen üben Gewalt aus, um dadurch einen Gewinn zu erlangen. Sie erleben sich als stark, unabhängig und gerecht, wenn sie Gewalt anwenden. Zusätzlich erhalten sie in einer gewaltbereiten Bezugsgruppe Anerkennung für ihr Tun und schaffen ein Gefühl der Zugehörigkeit. Andere Mädchen sehen sich von einer feindseligen Umwelt bedroht. Durch Gewalt schützen sie sich. Da sie sich von ihren aggressiven Emotionen überwältigt fühlen, bestätigt und vertieft ihr Handeln ein negatives Selbstkonzept.
Die Autorin erläutert die unterschiedlichen Motive und subjektiven Gewinne von physischer Gewalt für weibliche Jugendliche und verdeutlicht deren Sinnhaftigkeit im Rahmen familiär gelernter Interaktionslogiken.


Rahel Heeg ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz.

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1;Inhaltsverzeichnis;5
2;Dank;8
3;Einleitung;9
4;1 Theoretische Überlegungen zu Geschlecht und Gewalt;11
4.1;1.1 Theoretische Perspektiven auf Geschlecht;11
4.2;1.2 Theoretische Annäherung an Gewalt;14
4.3;1.3 Gewaltdefinitionen;16
5;2 Mädchen und Gewalt: empirische Ergebnisse;20
5.1;2.1 Wie viele Mädchen schlagen zu? Oder: Statistiken und ihre Grenzen;20
5.2;2.2 Zahlen zu Mädchengewalt in der Schweiz und Deutschland;23
5.3;2.3 Jugendgewalt gleich Jungengewalt;26
5.4;2.4 Lebenswelten gewalttätiger weiblicher Jugendlicher;31
5.4.1;2.4.1 Zur Perspektive Gesellschaft;33
5.4.2;2.4.2 Zur Perspektive Sozialisationsfaktoren: Beziehungen in Familie und Peergroup und deren wechselseitige Einflüsse aufeinander;40
5.4.3;2.4.3 Zur Perspektive Persönlichkeit;49
5.5;2.5 Kumulation von Risikofaktoren;51
6;3 Methodologische Grundlagen;54
6.1;3.1 Erkenntnistheoretische Positionen qualitativer Forschung;55
6.2;3.2 Grundprinzipien qualitativer Forschung;56
6.2.1;3.2.1 Offenheit;56
6.2.2;3.2.2 Kommunikation;57
6.2.3;3.2.3 Prozesshaftigkeit;60
7;4 Durchführung der Studie;61
7.1;4.1 Einbettung der Studie;61
7.2;4.2 Fragestellung;62
7.3;4.3 Methodische Überlegungen zur Zusammensetzung einer Stichprobe;63
7.4;4.4 Stichprobenzusammensetzung in der Studie;65
7.5;4.5 Aufbau und Themen des Interviews;67
7.6;4.6 Transkriptionsregeln und Zitationsweise;70
7.7;4.7 Zur Auswertung nach der Grounded Theory Methode ( GTM);71
7.7.1;4.7.1 Zentrale Elemente der Grounded Theory Methode;72
7.7.2;4.7.2 Zum Umgang mit Vorwissen und Literatur;74
7.7.3;4.7.3 Zum Analyseprozess;75
7.7.4;4.7.4 Kritikpunkte an der GTM und methodische Weiterentwicklungen;77
7.8;4.8 Gütekriterien für GTM-Studien;79
8;5 Empirischer Teil: Einstieg;81
8.1;5.1 Ausgangspunkt meiner Reise;82
8.2;5.2 Mein Umgang mit der Systemebene;86
9;6 Dimension Selbstwahrnehmung in der Gewaltinteraktion;90
9.1;6.1 Bedeutung von Gewalt für eine positive Selbstwahrnehmung: Lakisha und Ariana;93
9.1.1;6.1.1 Lakisha;94
9.1.2;6.1.2 Ariana;101
9.1.3;6.1.3 Gewaltphänomene und Interaktion mit Gleichaltrigen im Lichte familiärer Sozialisation;113
9.1.4;6.1.4 Gewalt als Mittel zur positiven Selbstwahrnehmung als familiär erlerntes Verhaltensmuster: Zwischenfazit und Verknüpfung mit theoretischen Ansätzen;125
9.2;6.2 Gewalt als Quelle ambivalenter Selbstwahrnehmung: Lara, Carole, Saliha, Arzu;135
9.2.1;6.2.1 Lara;135
9.2.2;6.2.2 Carole;143
9.2.3;6.2.3 Saliha;145
9.2.4;6.2.4 Arzu;152
9.3;6.3 Kürzestzusammenfassung: ambivalente Selbstwahrnehmung durch Gewalt;162
9.4;6.4 Selbstwahrnehmung als Opfer;162
9.5;6.5 Gewalt als Quelle negativer Selbstwahrnehmung durch Verlust der Selbstkontrolle;167
9.6;6.6 Zusammenfassung: beeinflussende Faktoren auf Selbstwahrnehmung im Gewalthandeln;171
10;7 Dimension Gruppe;176
10.1;7.1 Zugehörigkeit schaffen durch Abgrenzung;179
10.2;7.2 Gewaltausübung als Mittel, eine einflussreiche Position in der Gruppe zu erlangen;189
10.3;7.3 Verwebung der Dimensionen Gruppe und Selbstwahrnehmung;195
10.4;7.4 Zusammenfassung;206
11;8 Dimension familiäre Desintegration;208
11.1;8.1 Joanna;212
11.2;8.2 Melanie;218
11.3;8.3 Einblick in weitere Fallbeispiele familiärer Desintegration;223
11.4;8.4 Zusammenfassung und theoretische Einordnung familiärer Desintegration;233
11.5;8.5 ‚Lightversion’ familiärer Desintegration;240
11.5.1;8.5.1 Alissa;241
11.5.2;8.5.2 Latoya;252
11.5.3;8.5.3 Natascha;265
11.6;8.6 Charakterisierung der ‚Lightversion’ und Abgrenzung zu familiäre Desintegration;271
12;9 Zusammenfassung;274
12.1;9.1 Überblick über verschiedene Ebenen von Gewalt und theoretische Erörterungen;276
12.2;9.2 Gewalt bei Mädchen, welche in ihre Familien integriert sind;285
12.3;9.3 Gewalt durch familiär desintegrierte Mädchen;289
12.4;9.4 Gewaltausübung weiblicher Jugendlicher im gesellschaftlichen Kontext;294
12.5;9.5 Schlussfolgerungen für pädagogische und therapeutische Arbeit;299
12.5.1;9.5.1 Pädagogisch/therapeutisches Handeln im Kontext Gesellschaft;302
12.5.2;9.5.2 Pädagogisch/therapeutisches Handeln im Kontext Familie;304
12.5.3;9.5.3 Pädagogisch/therapeutisches Handeln im Kontext Identitätsarbeit;306
12.5.4;9.5.4 Pädagogisch/therapeutisches Handeln im Kontext Gruppe;308
13;Literaturverzeichnis;309

Theoretische Überlegungen zu Geschlecht und Gewalt.- Mädchen und Gewalt: empirische Ergebnisse.- Methodologische Grundlagen.- Durchführung der Studie.- Empirischer Teil: Einstieg.- Dimension Selbstwahrnehmung in der Gewaltinteraktion.- Dimension Gruppe.- Dimension familiäre Desintegration.- Zusammenfassung.


1 Theoretische Überlegungen zu Geschlecht und Gewalt (S. 11)

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit den grundlagentheoretischen Grundlagen der vorliegenden Arbeit. Kapitel 1.1 fragt nach der Bedeutung des sozialen Geschlechts für die vorliegende Arbeit. Im Kapitel 1.2 beleuchte ich das Thema Gewalt unter verschiedenen theoretischen Aspekten. In Kapitel 1.3 stelle ich verschiedene Gewaltdefinitionen vor und leite daraus ab, in welcher Form ich selber den Gewaltbegriff nutze.

1.1 Theoretische Perspektiven auf Geschlecht

Die vorliegende Studie thematisiert Mädchen als Untersuchungsgruppe. Implizit ist damit unterstellt, dass es sinnvoll ist, auf die Kategorie Geschlecht Bezug zu nehmen. Im Folgenden möchte ich diese Selbstverständlichkeit problematisieren. Die überwiegende Mehrzahl aller Menschen weltweit sind biologisch eindeutig in eine der zwei Geschlechterkategorien Mann und Frau einteilbar und haben eine diesem biologischen Geschlecht entsprechende Geschlechtsidentität.

Die inhaltliche Ausformung der zwei Kategorien Mann und Frau unterscheidet sich jedoch von Kultur zu Kultur, insbesondere in ihren Rollenzuschreibungen in Bezug auf Gewalt (Mead 1983, 1961). Der soziale Unterschied zwischen den Geschlechtern ist immer grösser als der biologische (Kersten 1997b: 106).

Der soziale Unterschied in Bezug auf Geschlecht ist augenfällig: Physische Gewaltausübung gilt gesellschaftlich als Ausweis von Männlichkeit (Kersten 1997a, 1999). Das vorherrschende Weiblichkeitsbild in unserer Kultur definiert Frauen als nett, nicht aggressiv, empathisch, um andere bemüht und auf andere bezogen. Frauen, welche nicht aus Verzweiflung und zur Verteidigung Gewalt anwenden, verstoßen nicht nur gegen die Rechts- sondern auch gegen die Geschlechterordnung (Meuser 2003: 49).

Aggressive Mädchen im Alter von 1 bis 2 Jahren werden dementsprechend ignoriert, aggressive Jungen im gleichen Alter bekommen Aufmerksamkeit durch Erzieherinnen und Erzieher (Campbell 1995: 60). Mädchen lernen deshalb, Gewalterfahrungen passiv auszuhalten und eigene aggressive Empfindungen zu unterdrücken (Chodorow 1985, Hagemann-White 1984).

Junge, statusniedere Männer markieren durch Risikobereitschaft, eine aggressive Grundhaltung und die Zurschaustellung von Luxusgütern, dass sie den Nachwuchs, den sie potentiell zu zeugen fähig sind, beschützen und versorgen können (Kersten 1997b: 107). Auch wenn solche risikobehafteten und gewaltförmigen Entwürfe von Männlichkeit offiziell geächtet sind, sind sie doch im Prinzip legitimations- und konsensfähig (Kersten 1997b: 110).

Eine gewaltorientierte Konstruktion von Weiblichkeit wird hingegen sanktioniert, da sie nicht dem kulturell verbindlichen Gegenstück zur hegemonialen Männlichkeit, der betonten Weiblichkeit, entspricht (Kersten 1997b). Trotzdem oder gerade deswegen ist die öffentliche Form des ‚bösen Mädchens’ eine Ressource, sie bietet die Möglichkeit, Status und Identität zu erhalten (Laidler & Hunt 2001).

So scheint es folgerichtig, das soziale Geschlecht als bestimmende Erklärungsdimension anzusehen. Zweierlei muss allerdings beachtet werden: Erstens besteht die Gefahr, Unterschiede innerhalb einer Kategorie zu nivellieren und Unterschiede zwischen den Kategorien zu betonen. Beispielsweise machen Schriften, welche die Benachteiligung von Frauen sichtbar machen wollen, generelle Aussagen wie „Frauen sind…“ oder „Mädchen lernen…“.

Damit werden Frauen genau jene stereotypen Eigenschaften zugeschrieben, deren Entstehung erklärt werden sollte (Hagemann-White 2004: 149). Durch die Darstellung von Geschlechtsunterschieden werden diese neu hergestellt und betont. Zum Zweiten besteht die Gefahr, die Geschlechtszugehörigkeit zur ungeprüften Hauptkategorie zu nehmen.

Das Handeln und Sein von Frauen und Männern scheint sich durch ihr Frau-Sein und Mann-Sein selbsttätig zu erklären. Ist aber (das biologische oder soziale) Geschlecht die entscheidende Kategorie? Nach Meinung einer wachsenden Zahl von Forschenden genügt der Genderaspekt bei weitem nicht, um die Lebenssituation von Menschen zu verstehen und deren Handlungen nachzuvollziehen. Die Lebenslage und daraus hervorgehend die Handlungen von Menschen lassen sich nicht auf ihr Geschlecht reduzieren.


Rahel Heeg ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz.



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