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E-Book, Deutsch, 304 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm

Heller Spiritualität und Spiritual Care

Orientierungen und Impulse

E-Book, Deutsch, 304 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm

ISBN: 978-3-456-75868-8
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Spiritual Care beinhaltet eine existenzielle Auseinandersetzung, die jenseits von Schmerztherapie und Symptomkontrolle Sinn und Bedeutung des Todes für das menschliche Leben thematisiert. Dabei ist sie nicht auf die Sterbephase beschränkt, sondern auch bei Krankheit und in anderen kritischen Lebenssituationen bedeutsam. Sie ist eine Form professioneller menschlicher und gesellschaftlicher Partizipation, die Leiden und Tod in der Realität der Gemeinschaft neu verortet. Spiritual Care macht beides zu einem sichtbaren und spürbaren Teil des Lebenszyklus, gibt Gepflegten wie Pflegenden Würde und Wertschätzung. Die zweite überarbeitete und erweiterte Auflage bietet ergänzende Informationen über Nahtoderfahrungen, Spiritualität der Hospizbewegung. Neue Kapitel beschreiben die Themen: „Totensorge mit der Beziehung zwischen Diesseits und Jenseits“ und „Spiritual Care als Sorgekunst“. Aus dem Inhalt Spiritual Care: Die Wiederentdeckung des ganzen Menschen Spiritualität versus Religion/Religiosität? Christliche Krankenhausseelsorge Die Spiritualität der Hospizbewegung Weibliche und männliche Religiosität/Spiritualität Spiritualität als Aufgabe des Alters? Werde, der/die du bist: Auf der Suche nach Heilung Schmerz und Leiden
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Zielgruppe


Seelsorgende, Theologen, Pflegende, Palliative Carer

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1.6 Wer ist zuständig für Spiritual Care?
War es früher klar, dass religiöse ExpertInnen, Angehörige und der Freundeskreis für die spirituelle Begleitung zuständig sind, so hat sich diese Eindeutigkeit längst aufgelöst. Derzeit scheint ein interprofessioneller Wettbewerb, ein regelrechter Kampf zwischen den Konfessionen und Religionsgruppen, den Haupt- und Ehrenamtlichen ausgebrochen zu sein: Wer hat den besten Zugang zu den PatientInnen? Wer ist zuständig für Spiritual Care? 1.6.1 Ausgangsthese: Spiritual Care geht alle an
Spiritual Care wird nicht nur für alle gefordert, sondern geht auch alle an: Konsequenterweise müsste sie daher im multidisziplinären Team verortet werden. Aktuell sind ein besonderes Interesse an spiritueller Begleitung und die Übernahme von Zuständigkeit auf der Seite der Pflegepersonen festzustellen. Das ist insofern verständlich, als die Pflegenden die höchste Präsenz und Kontinuität in der Sorge für die kranken und sterbenden Menschen ­haben. Da die schematische Bedürfniserhebung auf diesem Gebiet höchst fragwürdig ist, sind Personen, die durch den täglichen Kontakt Nähe zu den Betroffenen entwickeln, auch prädestiniert für die Wahrnehmung spiritueller Bedürfnisse. Allerdings sind es auch zunehmend Ärztinnen und Ärzte, die eine tragende Rolle im Kontext von Spiritual Care für ihre Profession beanspruchen und sich dabei auf entsprechende Studienergebnisse berufen. Demnach möchten viele PatientInnen ihre spirituellen Belange am liebsten in die Hände des behandelnden Arztes legen (vgl. Borasio, 2009: 113). In Diskussionen über die Frage nach der Zuständigkeit für Spiritual Care werden immer wieder auch die Putzfrauen, das Reinigungspersonal in den Gesundheitseinrichtungen als Gesprächspartnerinnen für spirituelle Themen genannt. Obwohl deren Tätigkeiten hierarchisch auf der niedrigsten Ebene der Institution angesiedelt sind, scheint die existenziell-spirituelle Dimension hier am meisten Raum zu finden. Offenbar ermöglichen alltags­nahe, niederschwellige, unmittelbare Kontakte eher eine existenzielle Kommunikation, der eine spirituelle Dimension zugeschrieben wird. Implizit äußert sich hier auch eine Kritik an ExpertInnen, als ob nur der ausgebildete und trainierte Profi sich spirituell relevant in Beziehung setzen könnte. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich reichlich Stoff zum Nachdenken. Eine ­erste Vermutung ist, dass dieser Raum des Spirituellen frei ist von Absichten und Erwartungsdruck und vielleicht gerade deshalb geschätzt wird. 1.6.2 Verschiedene Kompetenzebenen
In Bezug auf die Zuständigkeit für Spiritual Care können verschiedene Ebenen unterschieden werden (Abb. 1-1). Als allen professionell und ehrenamtlich Tätigen gemeinsame Basis ist eine grundsätzliche Haltung erforderlich, die den jeweils anderen Menschen als Autorität seines spirituellen Lebens absichtslos respektiert (vgl. Rumbold, 2002b: 225). Hier geht es weniger um spirituelles Sorgen als um eine Spiritualität der Sorge. Spiritual Care als Fundament von Sorgekultur überhaupt setzt voraus, dass Menschen aus der Krankenrolle herausgelöst werden. Nur wer sich selbst mit den Unsicherheiten und den grundlegenden Fragen des Lebens auseinandergesetzt hat, wird die nötige Offenheit und Resonanzfähigkeit in der Beziehung mit Menschen, die sich in einer kritischen Phase ihrer Existenz befinden, entwickeln können. Abbildung 1-1: Ebenen der Zuständigkeit für Spiritual Care (Quelle: Heller/Heller, 2008) Von dieser allgemeinen Ebene von Spiritual Care lässt sich eine Ebene der besonderen spirituellen Kompetenz, die eine tief greifende existenzielle Auseinandersetzung voraussetzt, unterscheiden. Hier sind traditionell die professionellen Rollen der Seelsorge und der verschiedenen religiösen ExpertInnen angesiedelt, wobei teilweise die rituellen Kompetenzen viel höher gewichtet sind als die spirituellen. Spirituelle und rituelle Kompetenzen sind zwar nicht deckungsgleich, überschneiden sich jedoch. In der Gestaltung von Abschiedsritualen für die betroffenen Menschen und für diejenigen, die sich ihrer angenommen haben, drückt sich Spiritualität aus. Neben dieser traditionellen spirituellen Expertise entstehen nun zunehmend Formen einer neuen spirituellen Professionalität. Zum einen sind es einzelne VertreterInnen aus dem Kreis der verschiedenen Professions­gruppen im Gesundheitswesen, die auf individuellen Bahnen ein beson­deres spirituelles Interesse ausbilden und in ihren Tätigkeitsbereich einbringen. Zum anderen ist der Bezug auf die spirituelle Dimension ein integrativer Bestandteil der meisten komplementär- und alternativme­dizinischen Angebote sowie der ganzheitlichen Körper-Bewusstseins-­Praktiken wie z.B. Yoga, Tai Chi oder Shiatsu. Spiritual Care ist hier ein selbstverständlicher Aspekt der professionellen Zuwendung. Neben den traditionellen Formen der Seelsorge für konfessionell-religiöse und interessierte Menschen könnte Spiritual Care auch unterschiedliche komplementär- und alternativmedizinische Angebote sowie energetische Methoden und Meditationsformen in Kooperation mit ExpertInnen umfassen, die Impulse für die spirituelle Entwicklung freisetzen (vgl. Wenzel, 2013). Inwieweit sich spirituelle ExpertInnen, die aus individuell gestalteten Ausbildungswegen hervorgehen, durchsetzen können und welche Wege der Überprüfung oder Evaluation im Dienst der kranken und sterbenden Menschen hier sinnvoll sind, ist derzeit noch nicht absehbar. Diese verschiedenen spirituellen Kompetenzen berühren und überschneiden sich mit therapeutischen und sozialkommunikativen Kompetenzen. Die dritte Ebene bezieht sich auf Funktionen oder Rollen, die in einer ­Organisation generell den Rahmen für Spiritual Care herstellen. Hier geht es um Verständigungsprozesse zum spezifischen Zugang zu Spiritual Care im Leitbild der jeweiligen Organisation und um die Koordination der spiritu­ellen Angebote. Wer dafür zuständig gemacht wird, ist nicht von vornherein klar. Prinzipiell kommen VertreterInnen aller Berufsgruppen in Frage, vermutlich ist es sogar günstiger, wenn diese Aufgaben nicht von spiritual caregivers wahrgenommen werden. Auch Traugott Roser (2009: 52) spricht von einer organisationalen Ebene von Spiritualität, die für ihn in der gemeinsamen Haltung aller in einer bestimmten Einrichtung Tätigen, dem „Geist“ einer Institution, besteht. Spiritual Care gilt demnach als Ausprägung und Garant für die ganzheitliche Haltung aller Berufsgruppen, wobei der Seelsorge eine spezielle (rituelle) Handlungskompetenz zugesprochen wird. So wichtig ­Spiritualität als Haltung für das ganze Team auch sein mag, scheint für Roser doch weiterhin die Seelsorge für Spiritual Care zuständig zu sein. Da sich letztere in Resonanz auf ihre AdressatInnen immer stärker ausdifferenzieren muss, spricht jedoch einiges dafür, auf der Ebene der Organisation eine ­Person für die Belange von Spiritual Care zuständig zu machen, die selbst keine spirituelle Professionalität beansprucht. 1.6.3 Wie erlernt man Spiritual Care?
Hinsichtlich der erforderlichen Kompetenzen für die Umsetzung von Spiritual Care scheiden sich die Geister: Gehen die einen davon aus, dass Spiritualität in Kursen – die Palette reicht von Wochenendseminaren, Online-Kursen bis hin zu intensiveren Lehrgängen – erlernbar ist, entwerfen die anderen das Profil des heiligen und daher heilenden Menschen, der ausgestattet sein sollte mit Freundlichkeit, Toleranz, Mitgefühl, Geduld und Weisheit (vgl. z.B. Radzey/Kreutzner, 2007: 39). Demgegenüber steht die relativ ernüchternde Realität aller religiösen Traditionen. Die Zahl der wirklichen spirituellen Meister und Meisterinnen scheint doch sehr begrenzt zu sein. Möglicherweise sind sie deshalb auch so gefragt. Beobachten kann man oft auch, dass diese spirituellen Lehrer und Lehrerinnen eher selten in den Organisationen des Versorgungssystems anzutreffen sind. Man muss sie anderswo suchen, in jedem Fall sich selbst auf die Suche begeben. Sie suchen einen nicht auf. 1.6.4 Spiritual Care ist zuallererst Selbstsorge
Über all den Debatten professioneller Zuständigkeit wird man eines nicht vergessen dürfen: Es liegt zuallererst in der Verantwortung des kranken oder sterbenden Menschen selbst, sich mit dem auseinanderzusetzen, was ihm wirklich wichtig ist, was dem eigenen Leben und Sterben einen letzten Sinn gibt, was hält und trägt in der Erfahrung der Angst und Einsamkeit und was angesichts von Zweifel und Verzweiflung hoffen lässt. Spiritualität ist zuerst Selbstsorge (vgl. auch Kellehear, 2002) und dann Sorge füreinander. Allan Kellehear schärft in der Debatte um die Zuständigkeit für Spiritual Care den Blick für die tragende Rolle der Betroffenen selbst. Er spricht von einem Ungleichgewicht zwischen Unterstützung und Rückzug, der „respektvollen Abwesenheit“ der Professionellen und vertritt einen kommunalen Ansatz von Spiritual Care. AdressatIn ist nicht der Patient bzw. die Patientin, sondern eine Person, die Teil einer Gemeinschaft ist. Demnach könne das Grundprinzip von Spiritual Care, die zu umfangreich sei, um den Klinikern überlassen zu werden, nur das der Arbeitsteilung sein. Neben dem betroffenen Menschen selbst werden es dann zunächst auch die Angehörigen, Freunde und Freundinnen und andere wichtige Personen seiner sozialen Welt sein, die hier als Mit-Sorgende bedeutsam sind. Die Gefahr einer paternalistischen Vereinnahmung der PatientInnen durch therapeutisch Tätige benennt auch Eckhardt Frick (2009: 106f.). Auch er betont, dass Spiritual Care zunächst Selbstsorge sei. Um die spirituellen...


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