E-Book, Deutsch, 456 Seiten
Hengy Ekstase
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-946820-79-6
Verlag: Hybrid Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tödlicher Rausch
E-Book, Deutsch, 456 Seiten
ISBN: 978-3-946820-79-6
Verlag: Hybrid Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die 1965 geborene Dresdnerin wohnt jetzt in Baden-Württemberg wo sie sich, nach Studium und vier Berufsabschlüssen, nunmehr dem Schreiben widmet. Mit Ekstase und Explosion startete sie als Kriminalautorin und wechselte unter ihrem Pseudonym Mo Siegel und mit ihren Romanen Franka und Leuchtende Gräber zu Thrillern. Ihr dritter Kriminalroman ist gerade unter dem Titel Kantschu erschienen.
Autoren/Hrsg.
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2.
Die Technische Universität Dresden gehörte zu den größten Universitäten Deutschlands. Gemessen an der Zahl der Studierenden war sie sogar die größte Technische Universität in der Bundesrepublik – und eine der besten.
An diesem Ort studierten über dreißigtausend überdurchschnittlich Begabte in den Fakultäten Mathematik und Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Medizin. Zu einer der beliebtesten Studienrichtungen zählte die Psychologie. Sie gehörte zur Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften, und das vermutlich deshalb, weil sie den Menschen als ein berechenbares Objekt begriff. Aufgrund seines attraktiven, breit gefächerten und klar strukturierten Studienangebots bewarben sich jedes Jahr viermal so viele Abiturienten, wie Studienplätze zur Verfügung standen. Darüber hinaus boten eine hervorragende Forschungsinfrastruktur und international renommierte Arbeitsgruppen dem wissenschaftlichen Nachwuchs beste Startvoraussetzungen.
Alexander Buschbeck sah sich im Eingangsbereich des Andreas-Schubert-Baus um. 1960 als Gebäude für die Fakultät Kerntechnik gegründet, beherbergte es heute neben der Physik und Biologie auch Teile der Fachrichtung Psychologie.
Der Gebäudekomplex bestand aus einem sechsgeschossigen Hochbau, in dem sich das Institut befand, und einem niedrigeren Flachbau, wo der Hörsaal untergebracht war.
Alexander erinnerte sich an seine eigene Studienzeit. Diese lag inzwischen mehr als zehn Jahre zurück – fünfzehn Jahre, um genau zu sein. Damals hatte er nur ein einziges Ziel verfolgt, ein Ziel, das mit seinem heutigen Leben so viel zu tun hatte wie Senf mit Vanilleeis. Es war ein Ziel gewesen, das im Laufe von Jahren immer schärfere Konturen angenommen hatte, um sich schließlich von einem Tag auf den anderen in einem unheilvollen Nebel aufzulösen.
Die daraus resultierende Orientierungslosigkeit, verbunden mit quälendem Selbstzweifel und der Frage nach dem Sinn seines Lebens, hatte nur eine Konsequenz zugelassen: Rückzug.
Freiwillig hätte Alexander dieses Haus nie wieder betreten. Warum Wunden aufreißen, die beinahe verheilt waren? Warum einen Schmerz heraufbeschwören, der längst vergessen schien?
Doch die Welt um ihn herum scherte sich nicht um alte Verletzungen. In seiner Eigenschaft als Fahrer für den Kurierdienst hatte er eine eilige Lieferung an den Mann zu bringen.
Das war sein Job, und dafür wurde er bezahlt.
Dass der Adressat aber ausgerechnet sein ehemaliger Professor, Johannes Simmering, sein sollte, verursachte bei ihm mehr als nur ein flaues Gefühl in der Magengrube. Nur zu gern hätte er diesen Auftrag einem seiner Kollegen überlassen, hatte aber auf die Schnelle niemanden vom Tausch der Routen überzeugen können.
Ein auffällig bunt gekleidetes Mädchen mit wilden blonden Haaren wirbelte durch das Foyer und zerhackte mit den spitzen Absätzen seiner pinkfarbenen Pumps die lähmende Stille. Es trug eine Collegemappe unter dem Arm, woraus Alexander folgerte, dass es sich um eine Studentin handelte. Ihr Erscheinungsbild war erfrischend fröhlich und so ganz anders als der Anblick einer typischen Studentin zu seiner Zeit, die sich absichtlich nachlässig kleidete, damit ihr Intellekt umso aufgeräumter wirken konnte. Er musste unwillkürlich lächeln. Als sie ihn bemerkte, blieb sie stehen und lächelte ungeniert zurück.
»Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«, fragte sie mit einem draufgängerischen Unterton in der Stimme.
Alexander zeigte auf das Päckchen in seinem Arm. »Ich habe eine persönliche Lieferung für Professor Simmering.«
»Für den Professor persönlich?« Die Studentin bemühte sich um einen ernsthaften Gesichtsausdruck. »So ein Pech aber auch. Der Professor ist erst in einer Woche wieder da.«
»Und wer vertritt ihn so lange?«
»Keine Ahnung.« Sie warf einen hektischen Blick auf ihre Uhr. »Verdammt …« Ihr schlanker Körper wirbelte herum. »Warum gehen Sie nicht ins Sekretariat im ersten Stock?«, rief sie über die Schulter zurück. »Dort hilft man Ihnen sicher gern weiter.« Im nächsten Moment war sie auch schon fort.
»Vielen Dank für …« Alexander verstummte, als sie nicht mehr zu sehen war. Hackende Schritte entfernten sich rasch, wurden leiser und verklangen schließlich ganz.
Auf seinem Weg in den ersten Stock studierte er die Informationstafel im Eingangsbereich. Eine Mitteilung stach ihm sofort ins Auge: Die beiden nächsten Vorlesungen von Professor Simmering über die wurden von Doktor Gloria Siegel, einer polizeilichen Fallanalytikerin des Landeskriminalamtes Sachsen, übernommen. Dann folgten zwei Termine.
Alexander schaute auf die Uhr. Die erste Vorlesung sollte heute in weniger als einer Viertelstunde beginnen, und seine Tour war mit dieser Lieferung beendet.
Was sprach also dagegen, sich unter die Studenten zu mischen und dieser Frau zuzuhören? Zumal ihn das Thema schon immer interessierte. Gloria Siegel war nicht älter als 33 und hatte bereits erreicht, wovon andere ein Leben lang nur träumen können: Sie war ausgebildete polizeiliche Fallanalytikerin, auf Mediendeutsch . Nach ihrem Psychologiestudium an der Uni Dresden hatte sie promoviert, war bereits zwei Jahre später zum Auswahlverfahren der Operativen Fallanalyse, kurz OFA, des Bundeskriminalamtes zugelassen worden und arbeitete seitdem sehr erfolgreich in diesem Beruf. Warum er das alles wusste? Er hatte ihren Werdegang mit Interesse verfolgt, nachdem er ganz zufällig in einem Artikel einer regionalen Tageszeitung erfahren hatte, dass sie von seinem ehemaligen Professor während ihrer Doktorarbeit betreut worden war.
Er beeilte sich, ins Sekretariat zu kommen, wo man ihn jedoch wieder ins Foyer schickte. »Der Assistent des Professors ist noch unterwegs, wird aber jeden Moment zurückerwartet.«
Während Alexander auf den Assistenten wartete, näherte sich ein Durcheinander von Stimmen wie eine sich aufbäumende Welle dem Strand. Junge Männer und Frauen mit Collegemappen unterm Arm und Laptops vor der Brust drängten zügig an ihm vorbei in den angrenzenden Hörsaal. Dieser lebendige Fluss schenkte ihm genauso wenig Beachtung, wie es die Elbe getan hätte. Die Gespräche plätscherten dahin und ergaben für ihn als Außenstehenden keinerlei Sinn.
Ein bisschen abgeschlagen folgten zwei weitere Studenten. In dem Mädchen erkannte er sofort die kesse Studentin von vorhin wieder. Augenscheinlich hatte sie eine kleine Auseinandersetzung mit ihrem Kommilitonen.
»Das ist so ungerecht«, schimpfte der junge Mann. »Ich kann machen was ich will, der Prof gibt mir nie die volle Punktzahl.«
»Und deshalb machst du so ein Fass auf?«, lachte das Mädchen. »Deine Arbeit ist toll, Dominik, er hat dir immerhin ein gegeben.«
»Aber nicht die volle Punktzahl.«
»Und was spielt das für eine Rolle?«
»Eine große«, erwiderte Dominik.
»Für wen?«
»Für mich, Charlotte.«
»Und warum?«
»Weil die volle Punktzahl bekommen hast.«
Charlotte blieb stehen. »Daher weht der Wind also«, sagte sie kühl. »Du missgönnst mir meinen Erfolg.«
»Nein. Ich möchte deine Arbeit nur mal sehen.«
»Vergiss es.« Sie schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen, aber Dominik hielt sie sanft am Arm fest.
»Bitte«, sagte er weich. »Was spricht denn dagegen, unsere Arbeiten zu vergleichen?«
»Wozu?«, fragte Charlotte. »Willst du dich mit dem Prof anlegen?«
»Natürlich nicht. Ich brauche nur eine Bestätigung für mein angekratztes Ego.«
»Was denn für eine Bestätigung?«
»Dass deine Arbeit nicht besser ist, sondern nur wieder einmal besser bewertet wurde.«
Charlotte schnappte nach Luft.
»Mit anderen Worten: Du willst nach Schwachstellen in meiner Arbeit suchen«, sagte sie und schleuderte angewidert seine Hand von ihrem Arm.
»Was ist daran auszusetzen?«
»Alles«, sagte sie und ließ ihn stehen.
»Sei nicht albern, Charly«, rief Dominik hinter ihr her und setzte sich ebenfalls in Bewegung. »Jeder halbwegs gebildete Deutsche weiß doch, dass Frauen immer einen Bonus bekommen. Bei gleicher Eignung werden sie bevorzugt. Das heißt im Klartext: Bei gleicher Leistung schneiden Frauen besser ab.«
Charlotte antwortete mit einer wegwerfenden Handbewegung und wollte weitergehen. Aber als sie Alexander erblickte, blieb sie stehen.
»Sie sind ja immer noch hier«, sagte sie überrascht. Alexander antwortete mit einem bedauernden Lächeln. »Es kommt sicher gleich jemand«, rief sie aufmunternd.
»Ich hoffe es«, antwortete Alexander und erwiderte ihr Lächeln.
»Charly«, bettelte Dominik, als er wieder aufgeschlossen hatte.
»Nix Charly«, entgegnete Charlotte kalt. »Was du hier abziehst, ist eine ganz miese Nummer. Anstatt bei dir selbst nach den Fehlern zu suchen, diskreditierst du die Leistung von Frauen.«
»Das ist doch nicht wahr …«
»Und ob. Aber denk mal an unsere Grundschulzeit zurück. Wer hatte die besseren Noten? Es waren die Mädchen.«
»Weil die Jungen permanent gehemmt waren. Es gab nur weibliche Lehrkräfte, kein Wunder, dass sie da unter hormonellem Stress standen.«
»Dass ich nicht lache«, rief Charlotte. »Und beim Abi? Waren da auch die Hormone Schuld?«
» habe mein Abitur mit einer glatten Eins abgeschlossen.«
» ja, aber der Durchschnitt gibt uns Mädchen recht.«
»So ein...




