E-Book, Deutsch, Band 24, 504 Seiten
Reihe: Liebe, Gerüchte und Skandale - Die unvergesslichen Regency Liebesromane von Georgette
Heyer Skandal im Ballsaal
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7325-5898-8
Verlag: beHEARTBEAT
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 24, 504 Seiten
Reihe: Liebe, Gerüchte und Skandale - Die unvergesslichen Regency Liebesromane von Georgette
ISBN: 978-3-7325-5898-8
Verlag: beHEARTBEAT
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der wohlhabende Herzog Sylvester von Salford ist sich ganz sicher: Die junge Phoebe wünscht sich nichts sehnlicher, als ihn zu ehelichen. Schließlich ist er doch eine hervorragende Partie! Aber die rebellische Phoebe weigert sich, von ihren Eltern zur Ehe gezwungen zu werden. In einer stürmischen Nacht brennt sie mit dem Nachbarssohn Tom durch. Sylvester ist empört - eine solche Demütigung ist ihm noch nie widerfahren.
Doch er ahnt nicht die wahren Beweggründe des Mädchens: Nach ihrer ersten Begegnung hat Phoebe ihn als Schurken in ihrem Debütroman verewigt. Und nun steht die Veröffentlichung bevor und könnte einen Skandal in der Londoner High Society auslösen ...
'Skandal im Ballsaal' (im Original: 'Sylvester') ist einer der humorvollsten Regency-Romane von Georgette Heyer. Jetzt als eBook bei beHEARTBEAT.
'Georgette Heyer schreibt witzig, scharfsinnig, manchmal boshaft, graziös und mit Zärtlichkeit.' Die Welt
'Georgette Heyers Blick für das romantische Detail, ihre mit liebevoller Ironie gezeichneten Charaktere, ihr pointierter Sprachwitz und die genaue Schilderung historischer Hintergründe machen aus ihren spannenden Geschichten mehr als nur Urlaubslektüre.' Westfälische Nachrichten
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Sylvester stand am Fenster seines Frühstückszimmers, stützte die Hände auf den Sims und starrte hinaus in die liebliche Landschaft. Von dieser Seite, der Ostfront von Chance, konnte man zwar den Zierteich nicht sehen, doch eine Zeder brach das Wogen des Rasens, der im Sommer von den Schnittern kurz gehalten wurde, und jenseits der Lichtung schimmerten im winterlichen Sonnenlicht die Stämme von Rotbuchen – Ausläufern des Home-Waldes. Sie übten noch immer ihre Anziehungskraft auf Sylvester aus, wenn sie ihn nun auch eher zu den Wildplätzen riefen als zu einem Land, wo jedes Dickicht einen Drachen barg und falsche Ritter die Reitwege heruntergesprengt kamen. Er und sein Zwillingsbruder Harry hatten die Drachen getötet und große Attacken gegen die Ritter ausgefochten. Nichts war mehr davon übrig; Harry war beinahe vier Jahre tot. Aber nun gab es dort Fasane, um Sylvester hinauszulocken, und sie lockten ihn wahrlich, denn eine Folge grimmiger Fröste hatte den Boden zu Stein werden lassen und ihm zwei Jagdtage geraubt; der stürmische Nordwind hätte selbst den passioniertesten Jäger abgehalten, ein Gewehr in die Hand zu nehmen.
Es war immer noch sehr kalt, aber der Wind hatte sich gelegt, und die Sonne schien; es war höchst unsinnig, dass er sich entschlossen hatte, dieser Tag solle wie all die unfreundlichen, die ihm vorangegangen waren, der Arbeit geweiht sein. Er konnte natürlich seine Absicht ändern, indem er seinem Butler befahl, den verschiedenen Leuten, die seiner Befehle harrten, mitzuteilen, dass er sie am kommenden Tage empfangen wolle. Sein Makler und sein Haushofmeister waren den ganzen Weg von London gekommen, ihm ihre Aufwartung zu machen; aber Sylvester kam nicht auf den Gedanken, sie könnten Grund zur Klage finden, wenn man sie ungeduldig warten ließ. Sie standen in seinem Dienst und hatten keine andere Funktion, als seinen Interessen zu dienen; sie würden seine geänderten Absichten als eine Grille hinnehmen, wie sie von einem vornehmen und wohlhabenden Herrn zu erwarten war.
Aber Sylvester war nicht launenhaft, und er hatte keineswegs die Absicht, dieser Versuchung zu erliegen. Launen brachten schlechte Diener, und für die Verwaltung ausgedehnter Besitztümer war eine gute Dienerschaft unbedingt vonnöten. Sylvester war gerade erst achtundzwanzig Jahre alt geworden, aber er hatte sein riesiges Erbe bereits angetreten, als er neunzehn war, und was immer für Dummheiten und Extravaganzen er begangen hatte, nie hatten sie ihn verleitet, das Erbe als Spielzeug zu behandeln oder sich der geringsten seiner Verpflichtungen zu entziehen. Er war für eine bedeutende Stellung geboren und dazu erzogen, sie in einer Art zu erfüllen, die der langen Reihe hervorragender Ahnen würdig war; und so wenig er nach seinem Recht fragte, all den Leuten Gehorsam zu befehlen, deren Namen auf seiner überwältigenden Lohnliste eingetragen waren, fragte er nach der Unentrinnbarkeit der Pflichten, die auf seine Schultern gelegt worden waren. Hätte man ihn gefragt, ob er über sein Ansehen erfreut war, er hätte wahrheitsgemäß erwidert, dass er das niemals bedacht hatte; aber er hätte es sicherlich sehr missbilligt zu sehen, wie es plötzlich dahinschwand.
Natürlich stellte ihm niemand je so eine Frage. Man hielt ihn allgemein für einen ausnehmend glücklichen jungen Mann, der mit einer hohen Stellung, Vermögen und Eleganz ausgestattet war. Keine böse Fee war zu seiner Taufe gekommen, um geheimnisvoll und mächtig sein Geschick mit der Gabe eines Buckels oder einer Hasenscharte zu beeinflussen. Obwohl nicht mehr als mittelgroß, war er gut proportioniert, mit breiten Schultern, einem Paar wohlgestalteter Beine und einem Aussehen, das einnehmend genug war, das Attribut »stattlich«, das häufig darauf angewendet wurde, nicht ganz lächerlich zu machen. Bei einem geringeren Mann hätte die Eigenart der Augen, die schiefgestellt schienen unter den fliehenden schwarzen Brauen, für einen Makel gegolten; dem Herzog von Salford verliehen sie natürliche Vornehmheit. Und jene, die seine Mutter in ihrer besten Zeit bewundern konnten, erinnerten sich, dass auch sie diese dünne, erhabene Augenbrauenlinie hatte. Es schien, als wären die Augenbrauen mit einem Pinsel zusammengefügt worden, in einer glatten Linie zu den Schläfen aufwärts gezogen. An der Herzogin war diese Besonderheit charmant; an Sylvester war sie weniger attraktiv. Sie verlieh ihm, wenn er ärgerlich war und die hochgezogene Linie durch ein Stirnrunzeln verstärkt wurde, den Anstrich eines Satyrs.
Er war gerade im Begriff, sich vom Fenster abzuwenden, als eine kleine, davoneilende Gestalt seine Aufmerksamkeit erregte. Aus dem Schutz einer Eibenhecke auftauchend, hastete ein kleiner Junge mit goldenem Lockenkopf über die Lichtung davon in Richtung des Home-Waldes. Seine in Nankinghosen steckenden Beine bewegten sich rasch über das Gras, und unter einem Ohr lugte die frischgewaschene Halskrause seines Hemdes zerknittert aus dem Wolltuchmantel, den eilige und ungeschickte Hände über seine kleine blaue Jacke gezogen hatten.
Sylvester lachte und schob das Fenster hoch. Seine erste Eingebung war, Edmund bei seinem Abenteuer Erfolg zu wünschen, aber als er sich hinauslehnte, besann er sich anders. Wenn Edmund auch nicht wegen seines Kindermädchens oder seines Erziehers stehen bliebe, so hätte er es doch getan, falls sein Onkel nach ihm riefe. Und da ihm seine Flucht vor diesen Leuten gelungen war, schien es unsportlich, ihn aufzuhalten, wenn sein Ziel in Sicht war. Ihn unter dem Fenster Zeit vergeuden zu lassen, hieß ihn der Gefahr auszusetzen, gefangen zu werden; und das würde, so überlegte Sylvester, zu einer jener Szenen führen, die ihn tödlich langweilten. Edmund würde um seine Erlaubnis bitten, in den Wald zu gehen, und ob er sie gab oder versagte, er wäre gezwungen, die Vorwürfe seiner verwitweten Schwägerin zu ertragen. Man würde ihn entweder beschuldigen, den armen kleinen Edmund mit brutaler Strenge oder mit herzloser Gleichgültigkeit zu behandeln; denn Lady Henry Rayne konnte sich nicht dazu durchringen, ihm zu verzeihen, dass er seinen Bruder überredet hatte (wie sie halsstarrig behauptete), Edmund seiner alleinigen Obhut zu überlassen. Es war für jedermann sinnlos, Lady Henry zu erzählen, Harrys Wille sei anlässlich seiner Heirat nur deshalb schriftlich aufgesetzt worden, um bei einem Unfall – den niemand für unwahrscheinlicher hielt als Harry selbst – sicherzugehen, dass ein Nachkomme des Paares unter dem Schutze des Familienoberhauptes geborgen sei. Für wie dumm Sylvester sie auch halten mochte, so war sie doch nicht so naiv, sich einzubilden, sein Anwalt hätte es ohne seinen ausdrücklichen Befehl gewagt, eine so schändliche Klausel einzufügen. Sylvester, den die Wunde von Harrys Tod noch schmerzte, hatte sich zu dem bitteren Vorwurf hinreißen lassen: »Wenn du glaubst, ich will diesen Balg am Halse haben, bist du noch naiver, als ich angenommen hatte!«
Er musste diese voreiligen Worte bedauern, denn obwohl er sie sofort zurücknahm, ließ man ihn sie nie vergessen. Und sie bildeten heute, da die Aufsicht Edmunds eine Angelegenheit von großer Wichtigkeit geworden war, den Grundstein der Argumente Lady Henrys. »Du wolltest ihn nie«, erinnerte sie ihn. »Du hast es selbst gesagt!«
Es war natürlich zum Teil wahr gewesen: Außer der Tatsache, dass es Harrys Sohn war, hatte er sehr wenig Interesse für einen zweijährigen Jungen aufgebracht, und er hatte ihm nie mehr Aufmerksamkeit gezollt, als man es von einem jungen Mann erwarten mochte. Als Edmund jedoch dem Säuglingsalter zu entwachsen begann, achtete er schon mehr auf ihn, denn Edmunds erstes Ziel war, sich selbst so fest wie möglich an seinen prächtigen Onkel anzuschließen, wann immer dieser auf Chance war. Er hatte Eigenschaften, die Button, dem Kindermädchen Edmunds (sie hatte auch schon seinen Vater und seinen Onkel großgezogen), oder seiner Mama gänzlich fehlten. Sylvester zeigte keine Neigung, seinen Neffen zu verzärteln: Zerrissenen Kleidern gegenüber war er gleichgültig. Die Unterhaltung, die er mit Edmund führte, war kurz und sachlich; und wenn er ihm in ungnädiger Laune mit Nachdruck etwas über seine Pflicht zu sagen hatte, konnte es immer geschehen, dass er ihn vor sich in den Sattel setzte und in raschem Galopp mit ihm durch den Park flog. Diese Eigenschaften gingen Hand in Hand mit einer weniger liebenswürdigen denn gottähnlichen Eigenart: Er verlangte augenblicklichen Gehorsam für seine Befehle und hatte eine barsche Art, mit Widerspenstigen umzugehen.
Sylvester dachte, dass Janthe und Button ihr Bestes taten, um Edmund zugrunde zu richten; doch während er nicht zögerte, diesem durchtriebenen jungen Herrn klarzumachen, wie töricht es sei, bei ihm die Methoden anzuwenden, die in der Kinderstube Erfolg hatten, kam es selten vor, dass er sich wirklich in seine Erziehung einmischte. Er sah an Edmund keine Fehler, die sich nicht rasch geben würden, wenn er etwas älter war; und bis zu seinem sechsten Lebensjahr sollte er heranwachsen, wie es ihm gefiel, sowohl um seinet- als auch um seines Vaters willen.
Edmund war aus dem Blickfeld verschwunden. Sylvester zog das Fenster wieder herunter und dachte, er müsse dem Schlingel wirklich einen lebhafteren Hauslehrer geben als Reverend Loftus...




