Hillerman | Coyote wartet | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 9, 288 Seiten

Reihe: Ein Fall für die Navajo-Police

Hillerman Coyote wartet

Kriminalroman. Ein Fall für die Navajo-Police (9)
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-293-31167-1
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman. Ein Fall für die Navajo-Police (9)

E-Book, Deutsch, Band 9, 288 Seiten

Reihe: Ein Fall für die Navajo-Police

ISBN: 978-3-293-31167-1
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein junger Officer der Navajo-Police ist einem Unbekannten auf der Spur, der Vulkanschlote östlich der Chuska Mountains weiß anmalt. Keine große Sache. Doch dann wird der Cop erschossen, und Jim Chee muss seinen Kollegen aus dem brennenden Dienstwagen ziehen. In der Nähe des Tatorts verhaftet Chee den stockbetrunkenen Schamanen Ashie Pinto, der trotz Tatwaffe im Hosenbund jede Aussage verweigert. Für das FBI ist der Fall klar. Leaphorn und Chee aber kommen zunehmend Zweifel: Ein vermisster Geschichtsprofessor war anscheinend hinter Pintos Wissen um die Navajo-Mythologie her. Kreuzte nicht ein zweites Paar Autoscheinwerfer Chee in der Tatnacht? Und was meint der Schamane, wenn er sagt, Coyote liege draußen ständig auf der Lauer?

Tony Hillerman (1925-2008) besuchte acht Jahre lang ein Mädchen-Internat für Native Americans, kämpfte im Zweiten Weltkrieg, studierte danach Journalismus und war anschließend als Journalist und Dozent an der University of New Mexico tätig. Für seine Romane um die Navajo-Cops Joe Leaphorn und Jim Chee wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Edgar Allan Poe Award, dem Grandmaster Award, dem Grand Prix de Littérature Policière, dem Special Friend of the Diné Award und dem Agatha Award. Hillermans Romane wurden in siebzehn Sprachen übersetzt.
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1


Officer Jim Chee dachte, dass vielleicht der Luftdruck im rechten Vorderreifen zu niedrig war. Oder dass etwas mit dem rechten Stoßdämpfer nicht stimmte. Denkbar war auch, dass ein Arbeiter der Straßenmeisterei seine Planiermaschine nicht richtig eingestellt hatte und der Straßenoberfläche aus Versehen eine leichte Schräglage verpasst hatte. Jedenfalls zog Officer Jim Chees Streifenwagen aus irgendeinem Grund nach rechts. Stirnrunzelnd lenkte er dagegen. Er war hundemüde.

Aus dem Lautsprecher des Funkgeräts kam ein unbestimmtes Rauschen, dann war die Stimme von Officer Delbert Nez zu hören, »… fast beim letzten Tropfen Sprit. Ich muss noch in Red Rock tanken, obwohl’s da sauteuer ist. Oder ich muss zu Fuß heimgehen.«

»Falls du dort tankst, dann zahl den Sprit lieber selber«, sagte Chee. »Das ist immer noch besser, als dem Captain erklären zu müssen, dass du vergessen hast aufzutanken.«

»Ich glaube …«, antwortete Nez. Dann war seine Stimme kaum noch zu hören.

»Die Verbindung ist gestört«, sagte Chee. »Ich höre dich nicht mehr.« Nez fuhr Wagen 44, einen notorischen Spritschlucker. Wahrscheinlich war irgendetwas mit seiner Benzinpumpe nicht in Ordnung. Der Wagen musste immer wieder in die Werkstatt, aber bis jetzt hatte niemand den Fehler finden können.

Schweigen. Rauschen. Schweigen. Der Rechtsdrall von Chees Wagen war jetzt fast verschwunden. Wahrscheinlich hatte es doch nichts mit dem Reifendruck zu tun gehabt. Möglich, dass … Und dann war die Verbindung plötzlich wieder da.

»… den Hundesohn auf frischer Tat schnappen, mit gezückter Sprühdose in der Hand«, sagte Nez gerade. »Ich möchte wetten, dass er …« Dann brach der Funkkontakt wieder ab. Stille.

»Ich höre dich nicht mehr«, sagte Chee in sein Mikro. »Die Verbindung ist wieder unterbrochen.«

Das war nichts Ungewöhnliches. In dem 25 000 Quadratmeilen großen Gebiet, das die Navajo »Big Rez« nannten, gab es mindestens ein Dutzend Stellen, die aus allen möglichen Gründen im Funkschatten lagen. Eine davon war hier, zwischen den monolithischen Vulkantürmen von Ship Rock, der Carrizo Range und den Chuska Mountains. Chee vermutete, dass die umliegenden Berge der Grund für den schlechten Empfang waren, aber es gab auch andere Theorien. Deputy Sheriff »Cowboy« Dashee behauptete steif und fest, die Funklöcher hätten etwas mit dem Magnetismus in den alten Vulkanschloten zu tun, die hier und da wie riesige schwarze Kathedralen aus der Landschaft ragten. Die alte Thomasina Bigthumb hatte ihm einmal erzählt, da steckten bestimmt Hexen und Zauberer dahinter. Es stimmte zwar, dass dieser Teil des Reservats wegen seiner Hexengeschichten verrufen war, es stimmte aber auch, dass die alte Bigthumb hinter allem, was passierte, eine Hexenattacke vermutete.

Dann konnte Chee Delbert Nez auf einmal wieder hören. Anfangs klang seine Stimme sehr leise. »… sein Auto«, sagte Delbert gerade. (Oder war es »… sein Laster«? Oder »… sein Pick-up«? Was genau hatte Delbert Nez eigentlich gesagt?) Doch plötzlich war er klar zu verstehen, und Chee hörte Delbert sogar lachen. »Diesmal krieg ich ihn!«, sagte Delbert Nez.

Chee griff nach dem Mikrofon. »Wen willst du kriegen?«, fragte er. »Brauchst du Verstärkung?«

»Meinen Phantomschmierer«, schien Nez zu sagen. Zumindest klang es so. Der Empfang ließ wieder nach; die Stimme wurde leiser und ging schließlich im Rauschen unter.

»Ich kann dich kaum noch hören«, sagte Chee. »Brauchst du Verstärkung?«

Durch das Rauschen und die miese Funkübertragung glaubte Chee, ein Nein von Nez zu verstehen. Dann lachte er wieder.

»Okay, dann sehen wir uns in Red Rock«, antwortete Chee. »Und diesmal zahlst du.«

Statt einer Antwort kam nur noch Rauschen aus dem Funkgerät, aber Chee brauchte auch keine Antwort. Delbert Nez kam von der Zentrale der Navajo-Police in Window Rock, und sein Einsatzgebiet war die U. S. 666 von Yah-Ta-Hey nach Norden. Chee fuhr Streife von der untergeordneten Polizeistation in Ship Rock aus auf der 666 nach Süden, und wenn sie sich begegneten, tranken sie zusammen einen Kaffee und plauderten ein bisschen. Sie hatten ausgemacht, sich an diesem Abend in Red Rock zu treffen, was Tankstelle, Poststelle und Lebensmittelgeschäft in einem war; dorthin waren nun beide Streifenwagen unterwegs. Chee folgte der Schotterstraße, die von Biklabito aus Richtung Süden führte und dabei mehrmals die Grenze zwischen Arizona und New Mexico kreuzte. Nez fuhr von der U. S. 666 aus auf der asphaltierten Navajo Route 33 nach Westen. Da Nez die bessere Straße hatte, würde er vermutlich eine Viertelstunde früher ankommen. Aber jetzt hatte er anscheinend vor, noch jemanden festzunehmen. Das würde ihn seinen Vorsprung kosten.

In den Wolken über den Chuska Mountains flackerte ein Wetterleuchten, und Chees Streifenwagen zog nicht mehr nach rechts, sondern stattdessen nach links. Mit dem Reifen hatte das wohl nichts zu tun, dachte er. Vermutlich hatte der Fahrer der Planiermaschine gemerkt, dass sein Blatt falsch eingestellt war und hatte bei der Korrektur übertrieben. Wenigstens war dabei nicht der übliche Waschbretteffekt entstanden, der einem die Nieren durchrüttelte.

Als Chee von der Schotterstraße auf die asphaltierte Route 33 einbog, hatte das heraufziehende Gewitter ein eigenartiges Zwielicht entstehen lassen. Nez war nirgends zu sehen. Auch sonst sah Chee keine Scheinwerfer, nur das letzte Nachglühen eines feuerroten Sonnenuntergangs. Er rollte an den Zapfsäulen der Red-Rock-Tankstelle vorbei und parkte hinter dem Handelsposten. Kein Streifenwagen 44 stand dort, wo Nez sonst immer seinen Wagen abstellte.

Chee stieg aus und inspizierte die Vorderreifen. Offenbar alles in Ordnung. Dann sah er sich um. Drei Pick-ups und eine blaue Chevy Limousine. Der Chevy gehörte der neuen Angestellten der Handelsstation. Ein hübsches Mädchen, aber er konnte sich nicht an ihren Namen erinnern. Wo Nez wohl steckte? Vielleicht hatte er seinen farbsprühenden Vandalen tatsächlich geschnappt. Vielleicht hatte auch die Benzinpumpe seiner Rostlaube endgültig den Geist aufgegeben.

Auch im Laden keine Spur von Nez. Chee nickte dem Mädchen zu, das hinter der Kasse in einer Zeitschrift blätterte. Sie schenkte ihm ein schüchternes Lächeln. Wie hieß sie gleich wieder? Sheila? Suzy? Irgendwas in dieser Richtung. Sie war eine Towering House Diné, war also mit Chees eigenem Slow Talking Clan weder verwandt noch verschwägert. Chee erinnerte sich noch zu gut daran. Ob Mann oder Frau: Jeder junge Navajo ohne Partner checkte so etwas ganz automatisch. Schließlich musste man ja sichergehen, dass jemand, der einem gefiel, nach dem komplizierten Clansystem des Stammes keine Schwester, Cousine oder Nichte war und damit unter das Inzest-Tabu fiel.

Die Glaskanne der Kaffeemaschine war zu zwei Dritteln voll, was grundsätzlich ein gutes Zeichen war, und der frische Kaffee duftete. Chee griff sich einen Styroporbecher für fünfzig Cent, füllte ihn und nippte. Gut, dachte er. Dann nahm er sich eine Doppelpackung Twinkies mit Schokoüberzug. Genau das Richtige zum Kaffee.

An der Kasse gab er dem Mädchen aus dem Towering House Clan einen Fünfdollarschein.

»Ist Delbert Nez da gewesen? Erinnerst du dich an ihn? So ein Stämmiger mit kleinem Schnäuzer. So ein richtig potthässlicher Polizist.«

»Ich fand ihn eigentlich ganz niedlich«, sagte die Kassiererin und strahlte Chee an.

»Vielleicht hast du einfach ’ne Schwäche für Polizisten?«, sagte Chee. Verdammt noch mal, wie hieß das Mädchen gleich wieder?

»Nicht für alle«, wehrte sie ab. »Kommt drauf an.«

»Kommt drauf an, ob sie gerade deinen Freund verhaftet haben, oder?«, sagte Chee. Die Kleine war ledig – das wusste er von Delbert. (»Warum kriegst du so was nicht selber raus?«, hatte Nez sich beschwert. »Bevor ich geheiratet hab, wusste ich so was immer genau. Ich hätte niemand zu fragen brauchen. Wenn meine Frau rauskriegt, dass ich mich umhöre, zu welchem Clan die Miezen gehören, sitze ich ganz schön in der Scheiße!«)

»Ich hab keinen Freund«, sagte das Mädchen aus dem Towering House Clan. »Im Augenblick jedenfalls nicht. Und: Nein, Delbert ist heute Abend noch nicht da gewesen.« Kichernd gab sie Chee das Wechselgeld heraus. »Hat er seinen Felsenmaler eigentlich schon geschnappt?«

Chee fragte sich, ob er für kichernde Mädchen nicht vielleicht schon ein bisschen zu alt war. Aber sie hatte große braune Augen, lange Wimpern und eine makellose Haut. Und sie verstand sich aufs Flirten. »Vielleicht ist er gerade dabei, ihn festzunehmen«, antwortete er. »Über Funk hat er vorhin davon gesprochen.« Ihm fiel auf, dass sie ihm einen Dime zu viel herausgegeben hatte, was irgendwie zu ihrem Gekicher passte. »Zu viel«, sagte er und gab ihr die Münze zurück. »Hast du eine Idee, wer der Maler sein könnte?« Dann fiel ihm ein, wie sie hieß: Shirley. Shirley Thompson.

Shirley schüttelte sich entsetzt. Es sah hinreißend aus. »Irgendein Verrückter«, meinte sie.

Das war auch Chees Theorie. Aber er fragte trotzdem: »Warum ein Verrückter?«

»Na ja, einfach so«, meinte Shirley, die plötzlich ernst geworden war. »Du weißt schon. Wer würde sich sonst die Mühe machen, einen Berg weiß anzumalen?«

Das...


Hillerman, Tony
Tony Hillerman (1925–2008) besuchte acht Jahre lang ein Mädchen-Internat für Native Americans, kämpfte im Zweiten Weltkrieg, studierte danach Journalismus und war anschließend als Journalist und Dozent an der University of New Mexico tätig. Für seine Romane um die Navajo-Cops Joe Leaphorn und Jim Chee wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Edgar Allan Poe Award, dem Grandmaster Award, dem Grand Prix de Littérature Policière, dem Special Friend of the Diné Award und dem Agatha Award. Hillermans Romane wurden in siebzehn Sprachen übersetzt.

Bergner, Wulf
Wulf Bergner, geboren 1939 in Dresden, ist Übersetzer aus dem Englischen und hat mehrere Bände einer Fantasy- und Science-Fiction-Anthologie herausgegeben. Er hat u. a. Werke von Stephen King, Dale Brown und Lee Child ins Deutsche übertragen. Er lebt bei München.



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