Hillerman | Jagd ohne Beute | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Ein Fall für die Navajo-Police

Hillerman Jagd ohne Beute

Kriminalroman. Ein Fall für die Navajo-Police (13)
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-293-31171-8
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman. Ein Fall für die Navajo-Police (13)

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Reihe: Ein Fall für die Navajo-Police

ISBN: 978-3-293-31171-8
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Samstagnacht im Ute-Reservat: Drei maskierte Männer überfallen ein Spielkasino, töten einen Wachmann, verletzen einen weiteren schwer und entkommen mit reicher Beute. Das FBI vermutet die Banditen im zerklüfteten Labyrinth der Canyons an der Grenze von Utah und Arizona und startet eine beispiellose Großfahndung. Bei Jim Chee und seinem ehemaligen Vorgesetzten Joe Leaphorn weckt der Fall düstere Erinnerungen an die gescheiterte Großfahndung nach einer Gangsterbande im Vorjahr, bei der ein Navajo-Cop sein Leben ließ. Und tatsächlich: Leaphorn und Chees Ermittlungen führen noch weiter zurück in die Vergangenheit. Vor fast hundert Jahren soll in der Gegend ein Bandit sein Unwesen getrieben haben - ein Hexer, der nachts aus den Canyons schlich, um zu töten ...

Tony Hillerman (1925-2008) besuchte acht Jahre lang ein Mädchen-Internat für Native Americans, kämpfte im Zweiten Weltkrieg, studierte danach Journalismus und war anschließend als Journalist und Dozent an der University of New Mexico tätig. Für seine Romane um die Navajo-Cops Joe Leaphorn und Jim Chee wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Edgar Allan Poe Award, dem Grandmaster Award, dem Grand Prix de Littérature Policière, dem Special Friend of the Diné Award und dem Agatha Award. Hillermans Romane wurden in siebzehn Sprachen übersetzt.
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2


Sergeant Jim Chee von der Navajo-Police war in bester Stimmung. Er war gerade von einem siebzehntägigen Urlaub zurückgekehrt. Und er war froh, dass man ihn von seinem Posten als amtierender Lieutenant in Tuba abgelöst und wieder ins vertraute Shiprock versetzt hatte. Außerdem hatte er noch fünf freie Tage vor sich, bevor er wieder an seiner Arbeitsstelle erscheinen musste.

Ein Rest Hammelragout, den er gerade aus dem Kühlschrank geholt hatte, köchelte auf dem Propankocher leise vor sich hin. Aus dem dampfenden Kaffeetopf stieg der köstliche Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Aber das Beste war, diesmal würde ihn kein bisschen Papierkram erwarten, wenn er wieder seinen Dienst antrat.

Während er seine Schale mit Essen füllte und sich Kaffee eingoss, verfolgte er nebenbei die Fernsehnachrichten, und was er da erfuhr, steigerte noch sein Wohlbefinden. Seine Sorge – ja, man konnte schon sagen, sein Grauen davor –, dass er schon bald wieder genötigt werden könnte, im unwegsamen Hinterland an einer vom FBI geleiteten Großfahndung teilzunehmen, hatte sich erledigt. Die Fernsehreporterin, die live vom Federal Court House berichtete, teilte mit, die Gangster, die die Spielbank im Southern Ute Reservat ausgeraubt hatten (während Chee in Fairbanks gerade sein Flugzeug bestieg), seien inzwischen »vermutlich mehrere Hundert Meilen entfernt«. Mit anderen Worten, sie hatten das Four-Corners-Gebiet um Shiprock hinter sich gelassen und waren somit nicht mehr Chees Problem.

Wie die hübsche junge Reporterin auf dem 17-Zoll-Bildschirm in Chees Wohnwagen berichtete, hatte sich das FBI den Tathergang des Raubüberfalls folgendermaßen zusammengereimt: »Wie wir von an der Suche beteiligten Beamten erfahren haben, ist es den drei Tätern offenbar gelungen, auf einer Ranch südlich von Montezuma Creek in Utah ein kleines einmotoriges Flugzeug zu stehlen. Die Fahndung läuft, und das FBI bittet alle, die die Maschine gestern oder heute Morgen gesehen haben, um Mitteilung.«

Chee kostete einen Löffel von seinem Ragout, nippte an seinem Kaffee und hörte aufmerksam zu, wie die Nachrichtensprecherin das Flugzeug beschrieb: ein schon etwas älterer dunkelblauer einmotoriger Hochdecker eines Typs, den die Armee in Korea und während der ersten Jahre des Vietnamkriegs für Aufklärungsflüge eingesetzt hatte – vor allem, um feindliche Geschütze am Boden auszumachen. Die bereits erwähnten FBI-Beamten vermuteten, dass die Täter das Flugzeug aus dem Hangar des Ranchers entwendet und dazu benutzt hatten, die Gegend zu verlassen.

Das klang beruhigend, fand Chee. Je weiter weg, desto besser. Nach Kanada zum Beispiel. Oder auch nach Mexiko. Chee war alles recht, solange es nur nicht das Four-Corners-Gebiet war. Im Frühjahr 1998 hatte er an einer vom FBI geleiteten, ebenso ermüdenden wie erfolglosen Großfahndung nach zwei Polizistenmördern teilgenommen. Als die Menschenjagd ihren chaotischen Tiefpunkt erreichte, waren schließlich Beamte aus über zwanzig Strafverfolgungsbehörden des Bundes, der Einzelstaaten, Countys und verschiedener Reservate im Einsatz gewesen und hatten sich wochenlang abgemüht, ohne dass irgendjemand festgenommen worden wäre. Endlich beendete das FBI die ganze Aktion und erklärte, die Tatverdächtigen seien »vermutlich tot«. Das war eine Erfahrung gewesen, die Chee nicht noch einmal machen wollte.

Hinter ihm klapperte die kleine, an Gummistreifen aufgehängte Luke, die er in den unteren Teil der Wohnwagentür eingebaut hatte. Die Katze kam heute ungewöhnlich früh. Das konnte entweder bedeuten, dass ein Kojote in der Nähe umherstreifte und sie nervös machte oder dass er Besuch bekam. Chee lauschte. Im Fernsehen lief lautstark ein Werbespot für Handyverträge, doch dahinter hörte Chee das schwache Geräusch von rollenden Reifen auf der Schotterpiste, die seinen Wohnwagen unter den Pappeln am Ufer des San Juan River mit dem Shiprock-Cortez-Highway verband.

Wer konnte das sein? Vielleicht Cowboy Dashee? Unwahrscheinlich. Cowboy war Deputy Sheriff von Coconino County und hatte heute Dienst. Chee genehmigte sich noch einen Löffel voll Ragout, dann ging er zur Tür und zog den Vorhang zur Seite. Ein ziemlich neuer 150er-Ford-Pick-up hielt genau unter dem nächsten Baum. Am Steuer saß Officer Bernadette Manuelito und sah starr geradeaus. Wie es bei den Navajo Sitte ist, wartete sie zuerst eine Weile, damit er sich auf ihre Ankunft einstellen konnte.

Chee seufzte. Er war innerlich noch nicht bereit für Bernie. Sie erinnerte ihn daran, dass er sich früher oder später mit dem heiklen Thema Beziehung auseinandersetzen musste, aber wenn es nach ihm ging, eher später. Die Welt der Polizei ist klein; jeder kennt jeden. Hinter Chees Rücken tratschten die Kollegen darüber, dass Bernie in ihn verliebt sei. Das stimmte vermutlich, aber er wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Er brauchte Zeit – Zeit, um erleichtert die Tatsache zu genießen, dass er vom Lieutenant zum Sergeant zurückgestuft worden war. Zeit, um über die Erstarrung wegzukommen, die ihn erfasst hatte, seit er begriffen hatte, dass er seine Beziehung zu Janet Pete, seiner eleganten, klugen, betörenden, treulosen Freundin, endgültig zerstört hatte. Er wollte nicht schon wieder Komplikationen. Doch er öffnete die Tür.

Manuelito hatte offenbar dienstfrei und war ohne Uniform unterwegs. In Jeans, Stiefeln, einem roten Hemd und einer Baseball Cap der Cleveland Indians stieg sie aus ihrem Pick-up. Sie sah zierlich, hübsch und ein wenig zerzaust aus – genau wie er sie in Erinnerung hatte. Doch sie wirkte bedrückt. Sogar ihr Lächeln sah angespannt aus. Chee verzichtete auf den Scherz, mit dem er sie hatte begrüßen wollen, bat sie stattdessen einfach herein und bot ihr den Stuhl an seinem Tisch an. Er selbst setzte sich auf die Kante seines Klappbetts und wartete.

»Willkommen zurück in Shiprock«, sagte sie.

»Ich bin froh, dass ich aus Tuba weg bin«, antwortete Chee. »Wie geht es Ihrer Mutter?«

»Unverändert«, sagte Bernie.

Im vergangenen Winter war ihre Mutter mehr und mehr im dunklen Nebel der Alzheimer-Krankheit versunken, und Bernie hatte darum gebeten, wieder nach Shiprock versetzt zu werden, um besser für sie sorgen zu können. Chees Transfer im Spätsommer dagegen hatte mit seiner Rückstufung vom stellvertretenden Lieutenant zum Sergeant zu tun. In Tuba brauchte man keinen zweiten Sergeant, in Shiprock schon.

»Eine furchtbare Krankheit«, bemerkte Chee.

Bernie nickte, sah ihn kurz an und wandte den Blick dann wieder ab. »Ich habe gehört, dass Sie oben in Alaska gewesen sind«, sagte sie. »Wie war’s?«

»Sehr eindrucksvoll. Ich bin mit dem Schiff die Küste hochgefahren.« Er wartete. Bernie war bestimmt nicht hergekommen, um zu hören, wie er seinen Urlaub verbracht hatte.

»Ich weiß nicht, wie ich mit der Sache umgehen soll«, begann sie und streifte ihn mit einem Seitenblick.

»Mit welcher Sache?«, fragte Chee.

»Sie sind mit dem Überfall auf das Spielkasino dienstlich nicht befasst, oder?«

Chee sah Probleme auf sich zukommen. »Nein«, antwortete er.

»Wie auch immer. Ich brauche einen Rat.«

»Ich würde sagen, Sie stellen sich am besten, geben das Geld zurück, legen ein umfassendes Geständnis ab und …« Chee hielt inne. Er wünschte, er hätte den Mund gehalten. Bernies Blick zeigte deutlich, dass dies nicht der richtige Augenblick für faule Witze war.

»Kennen Sie Teddy Bai?«

»Bai? Ist das dieser Mietpolizist, der bei dem Überfall verletzt wurde?«

»Teddy ist Deputy Sheriff in Montezuma County«, entgegnete Bernie kühl. »Den Job als Wachmann im Kasino hat er bloß nebenbei gemacht, und es sollte auch nur vorübergehend sein. Er wollte sich ein bisschen was dazuverdienen.«

»Ich wollte nicht …«, begann Chee und verstummte dann. Ehe er nicht wusste, worum es eigentlich ging, war es klüger, sich mit Äußerungen zurückzuhalten. So sagte er schließlich nur: »Ich kenne ihn nicht persönlich«, und wartete ab.

»Teddy liegt im Krankenhaus in Farmington auf der Intensivstation«, sagte Bernie. »Er hat drei Schüsse abbekommen. Einen Lungendurchschuss. Einen durch den Magen. Einen durch die rechte Schulter.«

Bernie schien Bai ja gut zu kennen, dachte Chee. Er selbst hatte alles, was er über den Fall wusste, aus Zeitung und Fernsehen, und diese Details über Bais Verwundung waren nirgendwo erwähnt worden. »Das San Juan Medical Center hat einen guten Ruf«, sagte er. »Ich denke, er wird …«

»Sie glauben, dass Teddy in den Überfall auf das Kasino verwickelt war«, unterbrach ihn Bernie. »Das heißt, das FBI glaubt das. Sie haben einen Polizeibeamten vor seinem Zimmer postiert.«

Chee sagte nur: »Oh?«, und wartete wieder. Falls Bernie wusste, wie das FBI zu dieser Vermutung kam, würde sie es ihm sagen. Aus den Medien hatte er nur erfahren, dass bei dem Überfall der Sicherheitschef des Kasinos getötet und ein Wachmann schwer verletzt worden war. Auf der Flucht hatten die Täter dann noch auf einen Polizisten geschossen, der sie in Utah auf dem Highway wegen überhöhter Geschwindigkeit hatte stoppen wollen.

Bernie sah aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen. »Das ergibt doch keinen Sinn«,...


Hillerman, Tony
Tony Hillerman (1925–2008) besuchte acht Jahre lang ein Mädchen-Internat für Native Americans, kämpfte im Zweiten Weltkrieg, studierte danach Journalismus und war anschließend als Journalist und Dozent an der University of New Mexico tätig. Für seine Romane um die Navajo-Cops Joe Leaphorn und Jim Chee wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Edgar Allan Poe Award, dem Grandmaster Award, dem Grand Prix de Littérature Policière, dem Special Friend of the Diné Award und dem Agatha Award. Hillermans Romane wurden in siebzehn Sprachen übersetzt.

Eickhoff, Fried
Fried Eickhoff ist Übersetzer aus dem Englischen, er hat u. a. Werke von Tony Hillerman, Paula Gosling und Philip Kerr ins Deutsche übertragen.



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